Oświęcim in Polen. Eine Kleinstadt mit knapp 38.000 Einwohnern an der Soła. Es ist die Heimatstadt der ehemaligen polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydło (*1963). Weltweite und eher unrühmliche Bekanntheit erlangte die Stadt unter ihrem deutschen Namen, den sie hatte, als sie noch zu Österreich-Ungarn gehörte und auch unter der Besatzung durch das nationalsozialistische Deutsche Reich: Auschwitz. Ein Wort, das heute überall auf der Welt synonym für Leid und Tod, für die industriell betriebene Tötungs- und Vernichtungsmaschinerie der Nazis, den Holocaust steht. Bis heute läuft den meisten Menschen bei der Nennung dieses Namens ein kalter Schauer über den Rücken. Und das auch zurecht, denn über eine Million Menschen fanden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau den Tod. Hier experimentierte auch Josef Mengele (1911 – 1979) an Gefangenen. Heute befindet sich auf dem Gelände ein Museum als Gedenkstätte für die Opfer und Mahnmal der NS-Verbrechen.
1916 wurde bei Oświęcim bzw. Auschwitz, wie die Stadt damals hieß, ein Barackenlager für Wanderarbeiter errichtet. Diese sogenannten Sachsengänger waren Arbeitsmigranten aus den landwirtschaftlich geprägten Regionen östlich der Elbe, die saisonbedingt in weiter westlich gelegene Teile der Region wanderten – im Deutschen Reich, Österreich-Ungarn und auch Polen, mehrheitlich aber nach Sachsen, was auch den Namen erklärt. Im Falle des Barackenlagers bei Auschwitz handelte es sich um etwa 12.000 Menschen aus Galizien in Südpolen und der Westukraine, die hier in 22 gemauerten Ziegelhäusern und 90 Holzbaracken nächtigten.
Die Nazis hatten erste Konzentrationslager schon unmittelbar nach der Machtergreifung 1933 in Betrieb genommen und dort politische Gegner wie Kommunisten und Sozialisten inhaftiert, um sie so von Abstimmungen im Reichstag, die Hitlers Macht festigen sollten, fernzuhalten und andere, die vielleicht gegen die NSDAP votiert hätten, einzuschüchtern. Nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939, der in Europa den Zweiten Weltkrieg einläutete, gehörte das in Oberschlesien liegende Oświęcim zu den ersten Ortschaften, die von den Nazis eingenommen wurden. Schon am 1. Februar 1940 erging eine Weisung des Reichsführers SS Heinrich Himmler (1900 – 1945) an den Inspekteur der Konzentrationslager, Richard Glücks (1989 – 1945), in den nun besetzten Ostgebieten nach geeigneten Lagern und Gefängnissen zu suchen, die man zu Konzentrationslagern ausbauen bzw. umfunktionieren könnte. Auschwitz, das wegen seiner Anbindung an die alte Bahnlinie Wien – Krakau auch verkehrstechnisch günstig gelegen war, erwähnt Himmler in seiner Weisung explizit. Das erst kürzlich zu einer Kaserne umgebaute Lager wurde daraufhin zum späteren Stammlager Auschwitz I umfunktioniert.
Die Nazis begannen umgehend mit Verhaftungen unliebsamer Bürger wie Mitgliedern der gesellschaftlichen Elite und potenzieller Widerständler und selbstverständlich jüdischer Menschen. In Auschwitz selbst waren 7.000 der 12.000 Einwohner Juden. Die Vernichtungsmaschinerie war noch nicht aufgebaut worden, auch wenn die Nazis Zyklon B in Fort VII in Posen bereits „erfolgreich“ an psychisch Kranken und Behinderten im Rahmen der Euthanasie ausgetestet hatten. Also tötete man die Insassen im KZ Auschwitz zunächst noch durch Erschießen an der sogenannten Schwarzen Wand. Am 1. März des Jahres 1941 erhielt Lagerkommandant Rudolf Höß (1901 – 1947) von Himmler den Befehl zur Errichtung eines Zweitarbeitslagers für zunächst 100.000 Insassen, was später auf 200.000 aufgestockt werden sollte. Das Zweitlager K.L. Auschwitz II wurde beim nahe gelegenen Brzezinka, deutsch Birkenau, errichtet. Brzezinka wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Einwohner vertrieben, während man auf dem Boden der einstigen Stadt das dem Stammlager zwar verwaltungstechnisch untergeordnete, aber letztlich weitaus größere Zweitlager errichtete. Dieses maß 191,97 ha und war damit das größte Vernichtungslager des NS-Regimes.
Am 20. Januar 1942 kamen in einer Villa am Großen Wannsee zahlreiche ranghohe Verantwortliche des NS-Regimes zusammen: Darunter Himmlers rechte Hand SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (1904 – 1942), den Hermann Göring (1893 – 1946) mit der Organisation der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt hatte, der Architekt des Holocausts, SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (1906 – 1962), Wilhelm Stuckart (1903 – 1952), welcher maßgeblich an den Nürnberger Gesetzen beteiligt war, Gestapo-Chef Heinrich Müller (1900 – 1945) und SS-Obergruppenführer Otto Hofmann (1896 – 1982). Bei der Wannseekonferenz wurde dann, wie von Heydrich forciert, die Vernichtung aller Juden in den vom Deutschen Reich besetzten Gebieten beschlossen.
Die SS verlor keine Zeit. Die ersten Vergasungen in Auschwitz fanden im sogenannten „Roten Haus“ am 20. März 1942 statt. Die zunächst wichtigste Gaskammer befand sich jedoch in einem umgebauten Bauernhaus, von dem heute nur noch die Grundrisse existieren. Dieses „Weiße Haus“ lag am Rand von Auschwitz-Birkenau. Wegen der guten Verkehrsanbindung wurden bald die anderen Vernichtungslager im besetzten Polen nach und nach zugunsten von Auschwitz-Birkenau fallen gelassen, Majdanek als letztes von ihnen.
Die Züge fuhren ab dem Frühjahr 1944 direkt in das Lager Auschwitz-Birkenau hinein, wo die deportierten Menschen dann in vier Kolonnen eingeteilt wurden, die sich parallel zum Zug je zwei nebeneinander aufstellen mussten. Die Mitte zwischen den Gruppen blieb bis auf einige SS-Männer frei. Dann koppelte man den Zug ab, teilte ihn und gab so den Weg zu Lagerstraße A frei. Man trieb die Menschen nun die Lagerstraße hinunter und selektierte dabei bereits. Kranke, Alte und Kinder wurden per se als arbeitsunfähig eingestuft – das sichere Todesurteil. Auch Mütter schickte man in die Krematorien, denn sie von ihren Kindern zu trennen, hätte Widerstand ausgelöst. Den wollten die Nazis vermeiden. Also vergasten sie Mütter Seite an Seite mit ihren Kindern. Die übrigen Deportierten wurden von Lagerärzten auf ihre Arbeitstauglichkeit geprüft. Wen man als nicht arbeitsfähig einstufte, schickte man weiter zu einem der vier Krematorien II – V (Krematorium I befand sich im Stammlager). Etwa 1000 Menschen wurden in einen Raum zum Entkleiden geschickt. Man sagte ihnen, sie sollten sich die Nummern am Kleiderhaken merken, damit sie ihre Sachen wiederfänden. Danach brachte man sie in die „Dusche“. Leitungen und Duschköpfe über den Köpfen der dicht aneinandergepferchten Menschen waren Attrappen. Doch die Stützpfeiler des Raums waren mit einem Gitterrost versehen, durch das dann das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B von oben eingeleitet wurde. In heftigen Krämpfen zuckend starben auf diese Weise bis zu 10.000 Menschen am Tag. Die Leichen wurden im Nebenraum umgehend verbrannt.
Wer nicht sofort vergast wurde, wurde all seiner Besitztümer beraubt und nach einer Dusche in graue Arbeitskleidung gesteckt, um sich dann in einem der 47 Nebenlager, die direkt an Fabriken und Betriebe angegliedert waren, oder in Birkenau selbst zu Tode zu schuften. Das KZ war also auch ein Sklavenmarkt, von dem die Wirtschaft im besetzten Polen sich Arbeitskräfte holte. Das größte der an Fabriken angegliederten Lager betrieb die I.G. Farben: KZ Auschwitz III Monowitz. Was stellte I. G. Farben her? Farben, Baumaterial, das etwa zur Errichtung von Lagern gebraucht wurde, und … Zyklon B.
Als die Rote Armee den Lagerkomplex am 27. Januar 1945 befreite, hatten etwa 1,3 Millionen Menschen hier den Tod gefunden. Von den Verantwortlichen wurde später etwa ein Achtel rechtskräftig verurteilt. Die Mehrheit ging straffrei aus und gliederte sich in die Gesellschaft der Nachkriegszeit ein.
Autorin: Martina Meier
Literatur
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Danuta Czech: „Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945.“, Rowohlt; ISBN 3-498-00884-6.
Gutman, Israel / Eberhard Jäckel / Peter Longerich (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. München 1998.
Herbert, Ulrich / Karin Orth / Christoph Dieckmann: Die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Frankfurt/M 2002.
Kammer, Hilde / Elisabet Bartsch / Manon Eppenstein-Baukhage: Lexikon Nationalsozialismus, Berlin 1999.