Das ehemalige Konzentrationslager Breitenau liegt circa 15 Kilometer südlich von Kassel entfernt. Ursprünglich war es ein Kloster, das im Jahre 1113 gegründet und 1528 aufgrund der Reformation in Hessen wieder aufgelöst wurde. Stark durch den Dreißigjährigen Krieg in Mitleidenschaft gezogen und geplündert, wurde die Klosterkirche nach dem Ende des Krieges erneut aufgebaut. Die restliche Klosteranlage wurde dem Zerfall überlassen. Im Jahr 1870 bis 1871 diente es als Kriegsgefangenenlager für französische Soldaten. 1847 wurde das damalige Benediktinerkloster als „Landesarbeitsanstalt und Landesfürsorgeheim Breitenau« für »verwahrloste Jugendliche« und »Arbeitsscheue« genutzt. Diese Anstalt bestand bis 1949. 1952 wurde in dem Gebäude ein Heim für schwererziehbare Mädchen untergebracht, das im Dezember 1973 aufgelöst worden ist. Seitdem ist das Kloster ein offenes psychiatrisches Krankenhaus.
Das KZ Breitenau zählt zu den frühen Konzentrationslagern (im Jahr 1933). Anschließend wurde im Kloster im Jahre 1940 bis zum Kriegsende ein Arbeitserziehungslager errichtet, das die Gestapo von Kassel kontrollierte. Es diente auch als Sammel- und Durchgangslager für die Inhaftierten.
Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen und eine Verhaftungswelle gegen die politischen Gegner einsetzte, wurden in kurzer Zeit Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten, Journalisten, Künstler, Trunksüchtige und viele andere Menschen festgenommen. In der »Reichstagsbrandverordnung« wurde die sogenannte »Schutzhaft« festgelegt. Dadurch konnte die Gestapo in Willkür handeln und seine »Gegner« in einem von jeder rechtsstaatlichen Bindung gelösten Raum festnehmen. Ende Juli 1933 mussten insgesamt 26.000 Menschen in »Schutzhaft«. Am Anfang betraf sie vor allem Juden und Funktionäre der Arbeiterbewegung, später wurde sie ausgeweitet auf »Arbeitsscheue«, »Bibelforscher«, »Asoziale« und die Roma und Sinti. Die Verfolgung richtete sich auf politisch, soziale und »rassisch« unerwünschte Menschen. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges sollte es für die »Schutzhäftlinge« keine Entlassung geben, bis der Krieg vorbei war.
Aufgrund des Schutzhaftbefehls hatte die Gestapo freie Hand. Um zahlreiche politische Gefangene festhalten zu können, wurden durch die Behörden nach der Machtübernahme der NSDAP vielfach »Schutzhaftlager« gegründet. Die Inhaftierten sind in die frühen Konzentrationslager gesperrt worden, in denen sie Folter und Misshandlungen ertragen mussten. Sie wurden gequält und gedemütigt. Anfangs noch vom Polizeipräsidium Kassel bewacht, übernahm die SS Stück für Stück die Kontrolle über die inhaftierten Menschen. Die Kapazitäten der Gerichts- und Polizeigefängnisse reichten für die Menge an Verhafteten nicht mehr aus und so wurde am 16. Juni 1933 das ehemalige Benediktinerkloster Breitenau zu einem »Konzentrationslager für politische Schutzhäftlinge“ umfunktioniert. Es war somit das regionale Konzentrationslager für den Regierungsbezirk Kassel. Weil es nicht durch die NSDAP oder die SA errichtet wurde, sondern in Hand von einer staatlichen Stelle und keiner parteilichen Stelle eingerichtet wurde, zählt es bis zum 17. März 1924 zu den frühen Konzentrationslagern. Insgesamt befanden sich im Konzentrationslager Breitenau von Juni 1933 bis März 1934 zusammengefasst 470 politische Gefangene. Ebenfalls unter den Inhaftierten war der Sozialdemokrat Ludwig Pappenheim zwangsweise. Die Insassen mussten in der Mattenfabrikation ihre Arbeit verrichten oder in der näheren Umgebung arbeiten. Mit dem Ziel, die Häftlinge einzuschüchtern, um sie politisch zu unterdrücken und den Widerstand zum NS-Regime zu brechen, herrschten schlechte Bedingungen. Lokale Pressestellen stellten die Gefangenschaft als sinnvoll und berechtigt dar und lobten die Umstände im Lager. Natürlich entsprach das genau dem Gegenteil.
Die vorübergehende Auflösung des Konzentrationslagers Breitenau geschah im März 1934. In der Zeit, in der das es bestand, durchliefen 470 Männer das Lager. Wie viele in andere KZs verlegt wurden und dadurch starben, ist nicht bekannt. Wegen des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das 1934 erlassen wurde, kam es bis zum Jahre 1939 im Arbeitshaus zu mindestens 21 Zwangssterilisationen. Der Anstaltsarzt entschied dabei über die Anträge zur Unfruchtbarmachung.
1938 wurde das KZ Breitenau im Rahmen der Novemberpogrome ein temporärer Haftort für jüdische Mitbürger, sowohl aus Guxhagen als ebenso der Umgebung.
Auch »Schutzgefangene« ohne Gerichtsurteil befanden sich im ehemaligen KZ Breitenau, um sie dann in ein Konzentrationslager zu überstellen. 1940 bis zum Kriegsende 1945 wurde aus Breitenau ein Arbeitserziehungslager. Dieses verwaltete die Gestapo von Kassel. Die Bedingungen waren, wie die in den Konzentrationslagern. Es herrschte Misshandlung, Folter und Demütigung. Der durchschnittliche Aufenthalt betrug 8 Wochen. Viele ausländische Zwangsarbeiter wurden dorthin gebracht, weil sie gegen die Regeln der ihnen befohlenen Zwangsarbeit verstoßen hätten. Diese machten 80 Prozent der Inhaftierten aus.
Das Arbeitserziehungslager sollte als Mahnung dienen. Es sollte den Inhaftierten zeigen, was sie erwarten würde, wenn sie nicht richtig arbeiteten.
Nebenbei übernahm es die Funktion eines Konzentrationssammellagers, aus dem viele Häftlinge auch in andere Lager deportiert wurden. Einer von fünf Häftlingen blühte die Deportation und alle jüdischen Häftlinge wurden deportiert und im Osten ermordet.
1800 bis 8300 Gefangene erwartete die Deportation in die großen Konzentrationslager wie Auschwitz, Buchenwald, Sachsenhausen oder Ravensbrück.
In der Zeit von 1940 bis 1945 wurden im späteren »Arbeitserziehungslager« 8300 Menschen gefangen gehalten, 7000 davon waren Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Italien, den Niederlanden und weiteren Ländern. Das Durchschnittsalter betrug siebzehn bis fünfundzwanzig Jahre, viele waren auch jünger. Mehr als 150 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden in andere Konzentrationslager deportiert. Des Weiteren waren es Opfer, wie Zeugen Jehova, politische Gegner des Nationalsozialismus und »Asoziale«. So wurde ebenso ein Teil dieser Inhaftierten deportiert. Kurz bevor Breitenau befreit wurde, erschoss die SS und die Gestapo 28 Menschen in Guxhagen. Die amerikanische Militärregierung löste das Lager 1945 auf und der Ort wurde von 1952 bis 1973 zu dem Landesjugendheim Fuldatal, dessen Erziehungsmethoden für die damalige Heimerziehung herausragend waren.
Heute ist das Gelände ein psychiatrisches Krankenhaus. In der Zehntscheune befindet sich die »Gedenkstätte Breitenau« und erinnert an die Zeit des Nationalsozialismus. Die Gedenkstätte entstand durch ein Forschungsprojekt der Gesamthochschule Kassel. Die Universität Kassel und der Landeswohlfahrtsverein Hessen unterstützen sie ebenfalls. Viele Akten, Dokumente, sowie das Hauptaufnahmebuch der Landesarbeiteranstalt (1895-1945) sind heute noch erhalten und helfen, diese Zeit besser zu verstehe und aufzuarbeiten. Es gibt ungefähr 3000 überlieferte Fallakten von den Inhaftierten der Gestapo. Die Gedenkstätte bietet Lesungen, Vorträge, individuelle Workshops und Seminare für die Erwachsenenbildung an sowie Fortbildungen für Lehrkräfte und Multiplikatoren. Im damaligen KZ Breitenau befinden sich Gedenkstein für die Zwangsarbeiter, die am 30. März 1945 erschossen wurden, sowie ein »SS-Ehrenmahl«, das die Gefangenen zur Zeit des Nationalsozialismus 1933 errichten mussten.
Junge Erwachsene und Jugendliche zählen zur wichtigsten Zielgruppe dieser geschichtlichen Gedenkstätte. Das Basisangebot dauert drei Stunden und umfasst die Führung über das historische Gelände und den ursprünglichen Haftort, außerdem das Befassen mit Fallakten. Letzteres gibt den Besuchern die Möglichkeit, die Einzelschicksale und die Verfolgungswege kennen zu lernen. Die Basismodule können durch Vertiefungsmodule auch ausgebaut werden.
Das ehemalige Konzentrationslager Breitenau mahnt mit seiner Gedenkstätte heute vor dem Nationalsozialismus und der Ausgrenzung. Es erinnert weiterhin an die vielen Menschen, die damals verfolgt, eingesperrt, gefoltert und getötet wurden. Es zeigt eine Geschichte, die sich nie wiederholen darf.
Literatur
Wolfgang Ayaß: Das Arbeitshaus Breitenau. Bettler, Landstreicher, Prostituierte, Zuhälter und Fürsorgeempfänger in der Korrektions- und Landarmenanstalt Breitenau (1874–1949). Herausgegeben vom Verein für hessische Geschichte und Landeskunde, Jenior und Pressler, Kassel 1992 (= Nationalsozialismus in Nordhessen, Band 14: Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde, Heft 23) (Dissertation Gesamthochschule Kassel 1991).
Willi Belz: Die Standhaften. Über den Widerstand in Kassel 1933 – 1945. Schromm, Ludwigsburg 1960, 2., erweiterte Auflage: Belz, Kassel 1978.
Martin Doerry: „Mein verwundetes Herz.“ Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944. dtv, München 2004; auch: bei der Bundeszentrale für politische Bildung BpB, Bonn.
Ann Katrin Düben: „Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung“. Das frühe KL Breitenau bei Kassel. In: informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933–1945, Bd. 93 (2021).
Ann Katrin Düben: Verfolgt wegen „verbotenen Umgangs“. Deutsche Frauen im „Arbeitserziehungslager“ Breitenau und ihr Bemühen um Anerkennung, in: Insa Eschebach/ Christine Glauning/ Silke Schneider (Hrsg.): Verbotener Umgang mit „Fremdvölkischen“. Kriminalisierung und Verfolgungspraxis im Nationalsozialismus, Berlin 2023, S. 251–268.
Website der Gedenkstätte