„Romanische Insel im slavischen Meer“ wird Rumänien gern genannt, und das trifft ja auch zu: Nur in den Jahren 106 bis 271 n. Chr. waren die Siedlungsgebiete der Daker und Geten von Rom besetzt, wonach sich die Römer bald wieder in die Sicherheit hinter der Donau zurückzogen. Dennoch reichte diese kurze Zeit von gut anderthalb Jahrhunderten hin, eine irreversible Romanisierung dieser Stämme einzuleiten, die im 14. Jahrhundert mit der Schaffung der rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei ihre Krönung erlebte. Einiges spricht dafür, daß mit den Römern auch die ersten Juden im Dreieck Karpaten – Donau – Schwarzes Meer auftauchten. Details sind unbekannt, da die Bewohner in späteren Jahrhunderten sich dagegen wehren mussten, in völlige Abhängigkeit von den Osmanen zu geraten. 1862 vereinigten sich die „Donau-Fürstentümer“ unter dem Namen „Rumänien“ (România), und 1878 erkannte der Berliner Kongreß diese Vereinigung als Königreich (regat) an.
Rumänen lebten auch westlich des Karpatenbogens in Transilvanien (Siebenbürgen), das seit dem 10. Jahrhundert zu Ungarn gehörte, im russischen Besarabien (benannt nach dem rumänischen Herrscher Basarab), in der österreichischen Bukovina, der bulgarischen Dobrudža und anderswo. Gute neun Zehntel des rumänischen Ethnikums bildeten die Dako-Rumänen in Rumänien, Transilvanien und Besarabien, die Ende 1918 den stolzen Moment ihrer Vereinigung zu „Groß-Rumänien“ (România Mare) erlebten[1]: Die Rumänen hatten mit ihrem Kriegseintritt einfach so lange gewartet, bis ihnen bei Kriegsende weder Sieger noch Verlierer diese Vereinigung verwehren konnten. Das Territorium vergrößerte sich von 137.000 auf 295.049 Quadratkilometer, die Bevölkerung wuchs von 7,9 auf 18 Millionen Einwohner.
Politik und Juden in Groß-Rumänien
Zwischen beiden Weltkriegen lebte Rumänien in beständiger Furcht vor ungarischem und sowjetischem Revisionismus, der ihm die 1918 gewonnenen Gebiete wieder streitig machte. Um dieser Gefahr zu begegnen, schloß sich Rumänien ab Mitte der 1930-er Jahre enger an Deutschland an. Einen größeren Fehler hätte es nicht begehen können: Mitte 1940 mußte es unter deutschem Druck Nord-Transilvanien an Ungarn und Besarabien an die Sowjetunion zurückgeben, wie auf beigefügter Karte zu ersehen ist. Besonders schmerzlich war der Verlust des transilvanischen Landesteils, da es eine landwirtschaftlich und an Bodenschätzen reiche Region von 41.617 Quadratkilometern war, die zudem mehrheitlich von Rumänen (1.171.534 laut Volkszählung von 1930) besiedelt war. Die Ungarn zählten nur 910.692, hinzu kamen noch Juden (138.763), Deutsche (68.264), Ukrainer (24.100) und andere.[2]
Transilvanien und Besarabien waren auch die Heimstatt vieler rumänischer Juden gewesen. Der Berliner Kongreß 1878 und der Minderheiten-Vertrag, den Rumänien am 9. Dezember 1919 in Genf signierte, verpflichteten das Land, die Juden nicht zu diskriminieren. Weder das alte Königreich noch Groß-Rumänien[3] haben „ihre“ Juden diskriminiert, vielmehr konnten rumänische Diplomaten im Ausland darauf verweisen, daß anderslautende Berichte unwahr seien, weil Rumänen – aus der langen Erfahrung ihres eigenen Minderheitenschicksals – gar nicht daran dachten, ihren jüdischen Nachbarn etwas anzutun.[4]
Rumänische Politik nach 1918 war ein Gemisch aus etwas Liberalität und viel Leichtfertigkeit. So behauptete und erläuterte es der Deutsche Rudolf Brandsch (1880-1953). Brandsch war der politische Führer und führende politische Kopf der deutschen Volksgruppe in Rumänien, der durch seine unbedingte Loyalität zum Staat, dem er u.a. als Unterstaatssekretär diente, legitimiert war, die strukturellen und mentalen Schwächen Rumäniens zu kritisieren. Dabei rügte er vor allem: Die allgemeine Kultur war bereits im alten Rumänien niedrig und ist durch die jüngsten Vereinigungen weiter gesunken, da die neuen Landesteile zu den „vernachlässigsten Provinzen“ der Staaten gehörten, deren Teile sie waren. Die politische Kultur ist von „skrupelloser Parteipolitik“ und allgemeinem Mangel an „Gesetzesachtung“ geprägt. Die Innenpolitik zeichnet sich dadurch aus, daß der frühere Zentralismus bruchlos auf die neuen Regionen ausgedehnt wurde, was „von unglaublicher Oberflächlichkeit und völliger Verständnislosigkeit für geschichtliche Entwicklung“ zeugt und „eine verbitterte Stimmung bei Führern und Volk erzeugt“. Schließlich: „Man muß als gewöhnlicher Staatsbürger staunen, mit welcher Gleichgültigkeit und Leichtigkeit bei uns die Außenpolitik behandelt wird“. Wichtige Dinge wie „die russische Frage, das mitteleuropäische Problem, das Verhältnis zu den Nachbarstaaten“ spielen kaum eine Rolle, „dafür Nebensachen“, was allen die „völlig Ratlosigkeit“ darüber verdeutlicht, „wie unser Staat aus der ganz verzweifelten Lage herausgebracht werden könnte, in die er durch die Folgen des Weltkrieges zwangsläufig geraten ist“.[5] Wo Rumänien Auswege hätte suchen müssen – „Ostkonföderation“, „Balkankonföderation“ etc. -, vertraute es auf ferne Partner („Kleine Entente“) gegen nahe Feinde („russische Gefahr“) und eröffnete mit seiner Passivität Räume für Populisten und Demagogen.
Rumänische Politik nach 1918 war, neben großen Erfolgen, auch eine Abfolge von fatalen Fehlern: Man wollte den „nationalen Einheitsstaat“ (statul naţional unitar) schaffen, verwischte aber die historisch gewachsenen Unterschiede der einzelnen Landesteile. Der patriotische Trotz der Politik „prin noi înşine“ (durch uns allein) isolierte das Land in Europa, was in der Weltwirtschaftskrise 1929 verheerende Folgen hatte. Die Agrarreform von 1921 sollte der „Beginn der Modernität in Rumänien“ sein, verbitterte aber nur die nationalen Minderheiten der Ungarn und Deutschen, denen die größten Güter enteignet wurden, ohne daß sich dadurch irgendeine Verbesserung für die rumänische Landbevölkerung ergab. Die Verfassung von 1923 führte das allgemeine Wahlrecht ein, von dem die Landbevölkerung, also drei Viertel der rumänischen Gesellschaft, keinen rechten Gebrauch zu machen wusste. Der Grundgedanke der Veränderungen von 1921 und 1923 war, den Bauern zum „zentralen Produzenten der nationalen Wirtschaft“ zu machen, das Dorf kulturell auf nie gekannte Höhen zu heben und so Rumänien zu einer demokratischen, kultivierten und innovativen agro-industriellen Gesellschaft zu transformieren. Aus diesen schönen Vorsätzen wurde buchstäblich nichts, weil man die Bildung der Landbevölkerung in sträflicher Weise vernachlässigte: Wenn die Bauern ihre Kinder überhaupt zur Schule schickten, dann taten sie es aus Furcht vor Strafen, denn sie „betrachteten die Volksschule wie einen Kasernendienst, dem sie auf alle möglichen Arten zu entweichen trachteten“. Bis in der 1930-er Jahre hinein wuchs die Zahl der Analphabeten in Rumänien um jährlich 300.000, und allein dieses statistische Faktum illustrierte die Vergeblichkeit aller Bemühungen um Demokratie und Fortschritt.
In diesem Rumänien hatten die rund 780.000 Juden nur vergleichsweise geringe Probleme, was mehr ihrer Flexibilität als rumänischem Entgegenkommen zu verdanken war. Die Juden wussten einfach, aus der nicht günstigen, aber auch nicht gefährlichen Lage im Lande das Beste für sich zu machen. Da sie keinen Grundbesitz erwerben durften, wurden sie in den Städten ansässig und betätigten sich dort im Handel und Finanzwesen. Da sie in den Städten lebten, konnten sie Schulen regelmäßiger als Landkinder besuchen, die den Schulbesuch immer wieder wegen der Feldarbeit unterbrechen mussten. Da sie nicht in Dörfern lebten, lebten sie gesünder und länger, denn die Mortalität der rumänischen Landbevölkerung war im 19. und frühen 20. Jahrhundert enorm hoch. Da die Juden Schulen absolvierten, gehörten sie nicht zum „Volk der Analphabeten“ (popor de analfabeţi), als welches Bildungsminister Simion Mehedinţi (1869-1962) die Rumänen noch im Juli 1918 in einer Parlamentsrede bezeichnete.[6] Da sie, speziell in Besarabien zu russischen Zeiten, schlechte Erfahrungen mit „Christen“ gemacht hatten, war ihre Assimilationsbereitschaft zwar regional unterschiedlich ausgeprägt, generell aber eher niedrig – Mischehen kamen so gut wie nicht vor. Da sie in juristischen Berufen, die zum Staatsdienst führten und darum bei Rumänen sehr beliebt waren, früh auf Widerstand stießen, wichen sie auf andere Disziplinen aus. Beispielsweise war die Pharmazie zeitweilig eine Domäne der Juden; zwar hatten sie Schwierigkeiten, als selbständige Apotheker tätig zu sein, aber andererseits waren Medikamentenvertreter, Apothekengehilfen etc. sehr gesucht. Als sich auch hier restriktive Maßnahmen hinderlich auswirkten, wählten die Juden Technik und Architektur, da sie in diesen Berufen vom Staat und von den Berufskammern unabhängiger waren. Es war purer Sozialneid, der den Juden allenthalben entgegenschlug, was mitunter groteske Züge zeitigte: Viele Juden hatten im Ausland studiert, und anstatt diesen Umstand als zusätzliche Qualifikation zu werten, machten die rumänischen Behörden ihnen Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Diplome. Da sie in anderen Branchen nicht reüssieren konnten, profilierten sie sich in den genannten, was dann wieder Anklagen der „Überfremdung“ auslöste. Das war rumänischer Alltag, aber „die rumänischen Juden haben diese Entwicklung mit bemerkenswerter Ruhe verfolgt“.[7] Weil sie wussten oder ahnten, daß sie längst über die Fähigkeiten, Kenntnisse, Berufe und Erfahrungen verfügten, die rumänische Bildungs- und Sozialreformer als unabdingbar für die Zukunft „unseres agrarischen, bürokratischen und armen Landes“ (ţara noastră agrară, biurocratică şi săracă) forderten.[8] Minister Mehedinţi verwies in der erwähnten Rede die Abgeordneten auf „einen Teil unseres Volkstums, wo es gar keinen Analphabetismus gibt“, die balkanischen „Aromanen“[9], die sich im Bildungsniveau mit Schweizern und Schweden messen könnten. Er hätte genau so gut die Juden in Rumänien erwähnen können, zumal die zahlreicher als die wenigen Aromanen waren. Jedoch wurde der „Vorsprung“ der Juden von Rumänen allgemein nie erkannt und von antijüdischen Demagogen gegen Juden ausgelegt.
Rumänischer Antisemitismus[10]
Die antijüdischen Demagogen standen ab Mitte des 19. Jahrhunderts hinter dem genuin rumänischen Antisemitismus. Rein äußerlich waren sie zumeist hochgebildete Gelehrte und welterfahrene Politiker – die vor den Juden eine große Angst empfunden haben müssen, die sie dann lautstark zu politischen Programmen stilisierten. Es gab nicht wenige Juden, aber wo sie am zahlreichsten waren – Moldau, Besarabien -, da waren sie am wenigsten assimiliert. Die Juden sprachen Jiddisch und die Sprachen ihrer unmittelbaren Umgebung, also Ungarisch in Transilvanien, Russisch in Besarabien, Deutsch in der Bukovina etc. Dadurch erschienen sie gleich zweifach als străini (Fremde), denn sie redeten in den Sprachen der gestrigen Unterdrücker und heutigen Bedroher. Zudem lebten sie mehrheitlich in Städten, wo doch 14,5 Millionen Rumänen Dorfbewohner waren, es ging ihnen zumeist materiell nicht schlecht, was sie auch vom Gros der Rumänen unterschied, sie hielten so fest an ihrem Glauben wie die Rumänen an ihrer Orthodoxie. Mit anderen Worten: Der rumänische Antisemitismus enthielt alle ethnischen, religiösen, sozialen und ideologischen Motive, aus denen er sich anderswo in zeitlichen Abfolgen speiste.
Anfänglich waren „rassische“ Vorbehalte noch weniger präsent, aber in Europa bestand bereits Misstrauen gegen die Rumänen; ihnen wurden Auflagen gemacht, die vor Erlangung der Unabhängigkeit zu erfüllen waren, z.B. in der Konvention von Paris (1858), die den Walachen und Moldauern auferlegte, alle Bürger und Kulte gleich zu behandeln, bevor sie ihre Fürstentümer vereinigen durften. Das wiederum weckte trotzige Animositäten im Inland, und so überlegten schon die Väter der rumänischen Verfassung von 1866, ob nicht die Juden ein „Hindernis“ (obstacol) für die „Unabhängigkeit, Prosperität und Kultur in Rumänien“ wären. Der endgültige Verfassungstext verordnete in Artikel 7 Ausgrenzung: „Nur Fremde christlichen Glaubens können rumänische Staatsbürger werden“.
Gestützt auf die Verfassung, erließen die Regierungen diskriminatorische Gesetze. Diese provozierten Proteste im Ausland, die mit Gegenklagen beantwortet wurden, daß die Juden in Rumänien praktisch straffrei agierten: Selbst wenn ein Jude straffällig würde, „kommt ein Konsul und sagt: Der ist mein Untertan“. Dieses Wechselspiel von rumänischer Aktion, fremdem Protest und rumänischem „Schmollen“ prägte die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, und es förderte antijüdische Stimmungen, die sich auch sprachlich ausmachen ließen: Wer den Juden nicht als „evreu“ sondern als „jidov“ oder „jidan“ bezeichnete, der gab sich als dessen Feind zu erkennen. Und wenn gar jüdische Weltorganisationen die Gleichbehandlung „rumänischer Juden“ einforderten, kochte der Deputierten-Zorn: „Die Bezeichnung rumänischer Jude (român-israelit) ist eine Beleidigung, die gegen unsere Nation geschleudert wurde“.
In den ersten zehn Jahren Groß-Rumäniens waren die Juden bereit, sich demonstrativ „in Treue und Hingebung für Thron und Vaterland“ zu üben. Sie betrachteten sich als „Rumänen mosaischer Religion“ (Români de religie mosaică), nahmen mehr und mehr Rumänisch als ihre Muttersprache an und benannten ihre Organisation um: Aus der Union der Juden des Landes (Uniune Evreilor Pămînteni) wurde Union der Juden-Rumänen (Uniune Evreilor Români, UER). Erst in den 1930-er Jahren, als keine rumänische Partei mehr zu Wahlbündnissen mit der UER bereit war, konnten zionistische Ideen unter rumänischen Juden Raum gewinnen.
Ganz allgemein erinnerte die Lage der Juden in Rumänien an Verhältnisse in Polen: Viele Juden lebten in Rumänien, wo sie zwar nicht willkommen waren, aber auch nicht direkt bedroht wurden. Mit anderen Worten: Aus der Quantität der Juden im Lande kann man auf die (erträgliche) Qualität ihrer Lebensbedingungen schließen. Und die Zahl der Juden war nach 1918 enorm gewachsen, weil Rumänien ohne großes Aufsehen zahlreiche Flüchtlinge und Emigranten aus dem in Revolutionen, Bürgerkriege, Staatsstreiche etc. verstrickten Osteuropa aufnahm.
Auf Seiten der Rumänen war und blieb die Entwicklung völlig irrational: Was immer in Berlin, Paris oder London über rumänische Politik verlautete, bestärkte in Bukarest diejenigen, die überzeugt waren, Juden betrieben mit ausländischer Hilfe eine „Eroberung“ (cotropire) Rumäniens, um aus diesem „einen rein jüdischen Staat“ (un stat pur evreiesc) zu machen. Als der Berliner Kongreß in den Artikeln 43 und 44 seines Schlußdokuments die Gleichberechtigung der Juden forderte, replizierte Vasile Conta (1845-1882), Philosoph und Abgeordneter, am 5. September 1879: „Wenn wir nicht gegen das jüdische Element kämpfen, sterben wir als Nation“.
Noch gröberes Geschütz fuhr der allseits verehrte Dichter Vasile Alecsandri (1821-1890, Bild) am 10. Oktober 1879 im rumänischen Senat auf. Für ihn waren Juden eine „Heimsuchung“ (încercare) und „Invasion“: Zwar sind sie „ein aktives und intelligentes Volk, aber auch Anhänger des blindesten religiösen Fanatismus, die exklusivsten unter allen Einwohnern des Landes, die am wenigsten assimilierbaren unter allen Völkern der Welt“. Kurz: „Ihr Vaterland ist der Talmud, ihre Macht kennt kein Maß“. Der Romancier und Essayist Ioan Slavici (1848-1925) schlug gar Pogrome vor: „Erwürgen wir sie (să-i sugrumăm), werfen wir sie in die Donau, damit auch nicht der kleinste Rest von ihnen übrig bleibt“. Jahre später mäßigte Slavici seinen Tonfall etwas, blieb aber bis zuletzt ein Befürworter gewalttätiger Methoden gegen Juden.
Wer gegenwärtig, hundert und mehr Jahre später, diese und andere Namen der rumänischen Kulturgeschichte sucht, wird überaus fündig. Wenn sogar der „Nationaldichter“ (poet naţional) Mihai Eminescu (1850-1889, Bild) sich in explizit antisemitischen Äußerungen gefiel, dann hatten und haben Rumänen keine Bedenken, diese Seiten der Großen ihrer Literatur und Kultur einfach „auszublenden“. Vermutlich handeln sie damit sogar richtig: Wer immer in Deutschland Martin Luther und andere Größen erwähnt, erinnert sich auch nicht automatisch an deren (milde gesagt) zwiespältige Einstellung zu den Juden. Es gab nun einmal lange Zeiten, in denen Antisemitismus sozusagen „gesellschaftsfähig“ war. Daß er es heute nicht mehr ist, liegt an der zwischenzeitlichen Erfahrung des Holocaust in allen seinen Untiefen. Die letzte noch relevante Frage lautet, ob und wie der Boden für ihn auch von den „gesellschaftsfähigen“ Antisemiten früherer Zeiten bereitet wurde.
Der Antisemitismus der Gründerzeit Rumäniens gab sich zwar radikal und gewaltbereit, war letztlich aber wirr und von irrationalen Ängsten diktiert. Eben das aber machte seine mittelbare Gefährlichkeit aus: Es bedurfte nur einiger „echter“ Antisemiten, die dieser Wirrnis eine rassistische Stoßrichtung gaben, und der Weg zum Holocaust war klar und kurz. Für Rumänien lässt sich das an der kurzfristigen Koalition zwischen Nicolae Iorga und Alexandru C. Cuza zu Beginn des 20. Jahrhunderts exemplifizieren. Der (mittlerweile) weltbekannte Historiker Iorga (1871-1940, Bild) war anfänglich ein Muster für diesen Antisemitismus. So führte er am 17. Dezember 1909 im Parlament aus, dass der Zionismus sich in Wahrheit Rumänien als künftige Heimstätte aller Juden auserwählt habe und deshalb die Rumänen hasse, da diese in Ermangelung anderer Räume im Lande bleiben müssten und so den Zionisten den Weg versperrten. Um den rumänischen Anspruch aufs eigene Land zu unterstreichen, gründete Iorga 1910 seine Demokratische Nationalpartei (Partidul Naţionalist Democrat, PND).
Einer der PND-Führer war der Wirtschaftswissenschaftler Alexandru C. Cuza (1857-1944, Bild). Cuza stammte aus Iaşi im Norden der Moldau, wo auffallend viele Juden lebten. Seine Wählerschaft entstammte nahezu ausschließlich aus seiner Heimatregion, aber die verschaffte ihm eine verblüffend lange politische Karriere. In dieser kannte und behandelte Cuza nur ein Thema: Die Juden sind eine „fremde Rasse“, und „die einzig mögliche Lösung des Judenproblems ist die Eliminierung der Juden“ (eliminarea jidanilor). Juden sind „eine verkommene (corcită) und degenerierte Nation“, sie haben kein Land, weil sie unfähig sind, „einen kompletten und produktiven sozialen Organismus zu bilden“, von den Anfängen bis zur Gegenwart unterdrücken Juden andere Nationen, „beuten deren produktive Arbeit aus“, sind „eine parasitäre Nation“ (o naţie parazitară). Bereits 1896 soll er in Bukarest einen internationalen antijüdischen Kongreß ausgerichtet haben, zu dem Antisemiten aus der ganzen Welt angereist kamen. Cuza, der mit Wiener Antisemiten in persönlichem Kontakt stand, führte schon 1910 das Hakenkreuz als Symbol seiner „Nationalen“ ein, war damals aber noch kein rassischer Antisemit: Er jonglierte mit Zahlen, die die ökonomische „Überfremdung“ Rumäniens und sein Credo „Rumänien den Rumänen“ verständlich machen sollten und vor allem führte er einen bizarren Kampf gegen „jüdische Schankwirte“, weil diese angeblich „ganze Dörfer ins Elend brachten“.[11]
Radikale und Extremisten
Die nach 1918 aus außenpolitischen Rücksichten praktizierte Liberalität gegenüber ethnischen Minderheiten verstärkte die Aktivitäten im rechten politischen Spektrum. 1920/21 entstanden zahlreiche „Bewegungen“, die alle weithin von Mussolinis Faschismus inspiriert waren, aber keine Bedeutung erlangten. Gewichtiger war die Spaltung der PND: Die Abtrünnigen unter Cuza gründeten einige „national-christliche“ Parteien, Unionen und Blätter, die noch keine Durchschlagskraft gewannen. Im Grunde ging es ihnen darum, im Lande die Möglichkeiten, den Zulauf und das Wahlecho für eine rechtsradikale Partei zu erkunden – also Gleichgesinnte zu finden, die wie sie überzeugt waren, dass Rumänien in höchster Gefahr sei, von Juden, Freimaurern, Protestanten, dem Alkoholismus etc. vernichtet zu werden. Interessant war dabei, dass die Initiatoren – Hochschullehrer, Dichter, Schriftsteller etc. – es vor allem auf die Jugend abgesehen hatten.
Ein erster Erfolg zeigte sich, als Cuza mit Nicolae Constantin Paulescu (1869-1931, Bild) zusammentraf. Paulescu war zu dieser Zeit bereits ein weltbekannter Mediziner, der 1923 für den Nobel-Preis vorgeschlagen war, den jedoch die drei kanadischen Entdecker des Insulins bekamen. Weltanschaulich war Paulescu ein bigotter Christ und pathologischer Judenhasser, für den die Juden alle „Gottesmörder“ waren und ausgerottet werden sollten.[12] Paulescu hatte 1922 eine Christliche National-Union (Uniune Naţional Creştine) gegründet, die er unter dem Einfluß Cuzas am 3. März 1923 zur Liga für Christliche National-Verteidigung (Liga Apărării Naţional Creştine, LANC) umformte. Cuza wurde Vorsitzender der LANC, aber Paulescus Postulat, den Juden eine „systematische und totale Ausrottung“ (exterminarea sistematică şi totală) zu bereiten, wurde zur Leitlinie der Liga.
Zu LANC war auch eine christlich-nationalistische Studentengruppe gestoßen, unter Führung des jungen Rechtsanwalts Corneliu Zelea Codreanu (1899-1938, Bild mit der Unterschrift: „Heil allen, die zum großen Sieg der Legionäre mitmarschieren“). Codreanu und seine Leute verübten Anschläge gegen Juden, wofür sie mehrfach im Gefängnis landeten. 1924 erschoß Codreanu den Polizeichef von Iaşi, Constantin Manciu. Er kam vor Gericht, wurde aber im Mai 1925 freigesprochen. Vorsichtshalber ging er nach Deutschland, wo er in Berlin und Jena weiter studierte und in Wirtschaftswissenschaften promovierte. 1927 kehrte er nach Rumänien zurück, trennte sich von LANC und gründete am 24. Juni 1927 in Iaşi die Legion Erzengel Michael (Legiune Arhanghelui Mihail). 1931 wurde die Legion verboten, worauf Codreanu sie unter dem Namen Eiserne Garde (Garda de Fier) weiterführte. 1933 plante Premier I. G. Duca (1879-1933) eine erneute Auflösung der Legion, weswegen er am 29. Dezember von Legionären erschossen wurde. 1935 verwandelte Codreanu, mit Billigung der Regierung, die Legion zur Partei Alles für das Land (Totul pentru Ţară). 1938 wurde er auf Befehl des Königs Carol II. zu zehn Jahren Haft verurteilt, in der Nacht zum 30. November 1938 aber auf einem Transport nach Bukarest zusammen mit 13 mitgefangenen Legionären erschossen.
Bei ihrer Auflösung verfügte die Legion bereits über 45 Regionalorganisationen und genoß einige Popularität bei Bauern und jungen Intellektuellen. Bei Wahlen konnte sie LANC anfänglich noch überflügeln, aber das änderte sich, als letztere bei den Wahlen 1931 und 1932 acht bzw. elf Parlamentssitze errang. Später erweiterte sie ihren Einfluß noch, als sie sich am 16. Juli 1935 mit der Nationalen Agrar-Partei (Partidul Naţional Agrar) zur National-Christlichen Partei (Partidul Naţional Creştin, PNC) vereinigte. Cuza, bereits 78 Jahre alt, wurde „oberster Chef“ (şef suprem) der PNC. Die neue Partei verfügte über 18 Parlamentssitze und führte das Hakenkreuz (zavstica) als Parteisymbol. Ihre paramilitärische Organisation Lăncierii verübte ständig Anschläge gegen Juden, wobei sie mit Codreanus Legionären wetteiferte, mit denen sie sich nicht selten blutige Straßenschlachten lieferte. Das PNC-Programm war strikt antisemitisch und seine Hauptforderung war, die Juden per numerus clausus aus allen öffentlichen Institutionen und aus dem Staatsdienst zu vertreiben.
Hitlers NSDAP als Vorbild
Eigentlicher Parteichef der PNC war der Dichter Octavian Goga (1881-1938, Bild), einer der beliebtesten und höchstdekorierten Poeten Rumäniens in der Zwischenkriegszeit. Als mehrfacher Minister hatte er auch politische Erfahrungen gesammelt und sich dabei zum führenden Antisemiten des Landes entwickelt. Im Grunde entsprang sein Antisemitismus der Angst vor Ungarn, denn er hielt die Juden für „unbekehrbar“ proungarisch und darum für Feinde Rumäniens. Die gemeinsame Gegnerschaft gegen Juden war dann auch die Basis der Fusion der Parteien von Cuza und Goga, da sie deren jeweiligen Antisemitismus gewissermaßen potenzierte, was die PNC aus dem übrigen Parteienspektrum Rumäniens, in welchem Fusionen und Trennungen alltägliche Erscheinungen waren, heraushob.
Hinzu kam der hypertrophe Nationalismus der PNC, der vor allem das Werk des Dichters Nichifor Crainic (1898-1972, Bild) war. Crainic hatte bereits in der alten Goga-Partei als Generalsekretär gewirkt und versah dieses Amt auch in der neuen PNC. Sein Antisemitismus war weniger ausgeprägt als der Gogas und Cuzas, da er sozusagen in einen schwärmerischen Chauvinismus eingebettet war: Rumänien hat nur als ethnisch homogener Staat die Chance, ein Leben in Frieden und gegenseitiger Achtung zu führen, aber noch hat es diese Chance nicht, weil „entromanisierte Rumänen“ die Parteien und die Politik dominieren; in Rumänien leben nur die gut, die sich an „parasitäre Fremde“ halten, und Politiker zeigen sich nur dann machtbewusst, wenn sie gegen aufrichtige Patrioten und Nationalisten vorgehen, um ihren eigenen Verrat zu bemänteln etc. Im Zivilberuf war Crainic Theologie-Professor, was seiner Einstellung zum Judentum eine bizarre Note gab: Das Alte Testament ist nicht jüdisch, Jesus war kein Jude, der Talmud ist „eine Waffe zur Bekämpfung der christlichen Evangelien und zur Vernichtung von Christen“ etc.
Alfred Rosenberg, Chef des Außenpolitischen Amts von Hitlers NSDAP, hatte 1934 erkannt: „In Rumänien existiert ein machtvolles antisemitisches Fundament. Jedoch hat sich diese Tendenz ungeachtet vieler Anstrengungen nie über die Grenzen eines Clubs erhoben, weil zu viele akademische Doktrinen in der Führerschicht im Umlauf sind. Es fehlt die Orientierung und Führung durch eine politische Persönlichkeit. Nach langem Suchen glaubt das Amt jetzt, diese Persönlichkeit gefunden zu haben: den ehemaligen Minister und Dichter Octavian Goga“.
Und weil NS-Politiker den Rumänen Goga so vielversprechend einschätzten, manipulierte Rosenberg 1934 deutsch-rumänische Finanztransaktionen derart, dass für die PNC eine Unterstützung von 700.000 Reichsmark heraussprang. „Geldbote“ war der Rumäne Radu Lecca (1902-1980), der noch Rumänien-Korrespondent des „Völkischen Beobachters“ war, später aber zum „Judenkommissar“ im Lande avancierte. Daß die Nationalsozialisten überhaupt finanziell in und auf Rumänien wirken konnten, war nur in Fortführung früherer Kontakte möglich. Vor dem Ersten Weltkrieg kamen 70 Prozent des gesamten rumänischen Imports aus Deutschland, und in eine solche Abhängigkeit wollte sich Groß-Rumänien nicht wieder begeben. Erst nach 1928, als Rumänien dringend benötigte Kredite in keinem anderen Land Europas bekommen konnte, wendete es sich wieder Deutschland zu. Damit erreichten die Deutschen eine Position, die fast so stark wie vor dem Krieg war.[13]
Es war auch verständlich, daß die deutschen Nationalsozialisten auf Goga verfielen. Dieser war bis zum Ersten Weltkrieg von dem sozialen Antisemitismus des Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844-1910) beeinflusst gewesen, wandelte sich danach aber zum rassistischen Antisemiten. Diese Orientierung musste ihn in eine wachsende Nähe zu Hitlers Antisemitismus bringen, wie sich schon aus Gogas bevorzugtem Vokabular herauslesen ließ: „puritate rasiale“ (rassische Reinheit), „privilegii sângelui“ (Bluts-Privilegien), „adevărul organic ale rasei“ (organische Wahrheit der Rasse), „furtună purificatoare“ (stürmische Säuberung), „ofensivă naţională“ (nationale Offensive) gegen „paraziţii“ (Parasiten) etc.
Da auch Cuza ähnliche Ideen hegte, war es nicht verwunderlich, daß er und Goga zu „Lieblingskindern“ deutscher NS-Medien avancierten.[14] 1935 hatte Hans Krebs (1888-1947, Bild) – ein NS-Aktivist aus dem Sudetenland, der 1947 in Prag zum Tod verurteilt und hingerichtet wurde – ein Buch „Die Weltfron – Stimmen zur Judenfrage“ veröffentlicht, in dem Antisemiten aus ganz Europa zu Wort kamen. Über Rumänien schrieb Cuza, dessen Beitrag der NSDAP so gut gefiel, dass sie ihn auch separat verbreitete.[15] In diesem fanden sich solche Sätze: „Nachdem die Juden durch Wucher und Schnapsverkauf die Bauern ausgeplündert und den christlichen Mittelstand ruiniert haben, wollen sie jetzt durch ihre Gleichstellung die führende Klasse des rumänischen Volkes gänzlich ausrotten und sich (…) zu Führern des ganzen Landes aufschwingen! (…) Die Juden lassen sich nicht assimilieren (…) Mit den Juden können die anderen Völker nicht zusammenleben (…) Die Eliminierung der Juden aus der Mitte der Völker ist die einzige Lösung der Judenfrage“.
Unter dem Einfluß Rosenbergs schwenkte Cuza vollends auf Hitlers Linie ein: „Ohne Deutschland und ohne Adolf Hitler könnte sich Rumänien heute nicht gegen die jüdische Vorherrschaft aufraffen“. Für die Zukunft der Juden sah Cuza nur zwei Möglichkeiten: „Ich trete für die Idee der Einberufung eines antijüdischen Weltkongresses ein. Wir müssen die westlichen Demokratien vor die Wahl stellen, entweder neue Gebiete für die jüdische Einwanderung zu erschließen, oder aber eine Gewaltlösung in Kauf zu nehmen. Wir halten das Volk nur mit Mühe vor Pogromen zurück“.[16]
Ähnlich umworben war Goga, vor allem während seiner kurzfristigen Amtszeit als Premierminister (29. Dezember 1937 bis 10. Februar 1938). Rumänien hat von 1918 bis 1945, also in nur 27 Jahren, 36 Regierungen gehabt, und die von Goga war eine der kürzesten, aber auch eine der folgenschwersten. Denn in dieser Phase wurde versucht, Gogas extreme Vision einer „Lösung der Judenfrage“ umzusetzen: „Alle, die glauben, daß unsere jüdische Frage nur ein wirtschaftliches Problem ist, unterliegen einem Irrtum. (…) Sie haben ein teuflisches Netz von schlechten Einflüssen auf die rumänische Seele gesponnen und sie mit zersetzenden Formeln krank gemacht. (…) Für uns gibt es nur eine einzige endgültige Lösung des jüdischen Problems: die Sammlung aller Juden auf ein noch freies Gebiet und die Gründung eines jüdischen Nationalstaates – je weiter von uns, desto besser“.[17]
Seit 1930 änderten sich die politischen Verhältnisse in Rumänien, die relative Liberalität der Anfangsjahre war vorüber. Direkt schien das die Juden nicht zu betreffen. Sie verfolgten unbeirrbar die klassische Taktik balkanischer ethnischer Minderheiten, immer für die Regierung zu stimmen und dann von ihr Konzessionen einzufordern. So hatte es bereits 1920 die Jüdische Partei (Partidul Evreiesc, PE) gehalten und damit bei den Wahlen 1920 immerhin fünf Parlamentssitze erobert. Nach 1930 verstärkte sich die zionistische Richtung unter den rumänischen Juden enorm, aber am 4. Mai 1931 entstand eine neue Jüdische Partei Rumäniens (Partidul Evreiesc din România), deren Führer, Theodor Fischer und Adolf Stern, postulierten, die gesamte „jüdische ethnische Kommunität“ Rumäniens zu vertreten, für die die Partei u.a. eine volle kulturelle und eine partielle territoriale Autonomie forderte.[18]
Solche Forderungen waren zu dieser Zeit völlig illusionär, denn König Carol II. (1893-1953, Bild) begann, seine persönliche „Diktatur“ zu errichten, die weder mit dem „Statut des Königshauses“ (1884) noch mit der Verfassung (1923) in Einklang zu bringen war. Nominell blieb Rumänien eine konstitutionelle Monarchie, aber die neue Verfassung vom 20. Februar 1938 initiierte ein autoritäres Regime des Königs, das die Gewaltenteilung faktisch aufhob, dem Parlament nur noch eine „dekorative Rolle“ beließ und die Regierungsmacht in allen Segmenten kontrollierte.
Die pointiert antisemitische Politik der Regierung Goga blieb davon unberührt, vielmehr hatte sie, wie die NS-Presse bewundernd berichtete, „gleich in den ersten Tagen nach ihrer Amtseinsetzung eine Reihe von Maßnahmen durchgeführt, wie sie bisher selbst in radikal antisemitischen anderen Staaten nicht angewandt wurden“.[19] Es ging vor allem darum, möglichst alle Juden aus dem Wirtschafts- und Kulturleben und dem Staatsdienst auszugrenzen und möglichst vielen durch Überprüfung der Staatsbürgerschaftslisten politische Rechte wegzunehmen. So sah es ein Regierungsdekret vom 22. Januar 1938 vor, nach welchem diese Überprüfung nötig sei, da „nicht weniger als 250.000 bis 500.000 Personen als Flüchtlinge oder Emigranten nach Rumänien gekommen seien und somit kein Anrecht auf die rumänische Staatsbürgerschaft besäßen“. Das war ein klarer Verstoß gegen den Minderheitenvertrag von 1919, und der Jüdische Weltkongreß drängte den Völkerbund, Rumänien zur Erfüllung eingegangener Verpflichtungen zu veranlassen.[20] So geschah es auch: Am 14. Mai und 17. September 1938 verhandelte Außenminister Nicolae Petrescu-Comnen (1881-1952), ein überzeugter Demokrat und Europäer, im Völkerbund, und im gleichen Jahr musste sich König Carol II. bei einem London-Besuch heftige Vorwürfe der britischen Regierung anhören. Das wirkte, und bis Ende 1938 wurden Gogas Pläne erheblich gemildert.
Diese Milderung betraf speziell die Überprüfung der Staatsbürgerschaft. Im Juni 1938 wurden insgesamt 398.704 Juden zu dieser aufgefordert, und Ende des Jahres wurde allen, deren rumänische Staatsbürgerschaft unklar war, „Identitätskarten“ ausgegeben, mit denen ihr Aufenthalt im Lande legalisiert wurde.[21] Auch andere Probleme wurden klarer: Die Regierung wollte binnen drei Jahren 150.000 Juden aus den östlichen Landesteilen nach Palästina abschieden und alle dabei anfallenden Kosten übernehmen – ein Plan, den die Juden selber „mit Genugtuung“ aufnahmen.[22] Um die Auswanderung zu erleichtern, gründeten Juden eine „Jüdische Territorialbewegung“, die nach ihrem Leiter allgemein nur „Aktion Willman“ genannt wurde. Ziel der Bewegung war, daß Juden, „um ihre menschliche Würde und ihr Dasein zu retten, aus Rumänien auswandern werden“, denn es sei „unbestreitbar, daß auch sie ein Recht zum Leben hätten“.[23]
„Judenpolitik“ in Rumänien nach 1940
Als Folge des Hitler-Stalin-Pakts (1939) hatte Rumänien, wie eingangs erwähnt, im Juni 1940 Besarabien an die Sowjetunion ausliefern müssen. Mit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch, der Rumänien am 30. August 1940 zwang, Nord-Transilvanien an Ungarn abzutreten, hatte Hitler beide Länder fest in der Hand: Er war der „Garant“ des neuen Bestands von Ungarn und Rumänien und er konnte beide zwingen, Politik nach seinen Vorstellungen zu treiben. Das hieß konkret: „Rassenpolitik“ gegen die Juden, die in Transilvanien und in Besarabien besonders zahlreich lebten. Die Abtretungsgebiete sind die auf beigefügter Karte schraffierten Regionen im Norden und Osten. Dort hatten früher Juden (4% der Gesamtbevölkerung 1930) 10-50% der Stadtbevölkerung gestellt. In Groß-Rumänien lebten, wie erwähnt, rund 780.000 Juden, davon in ländlichen Regionen nur zwischen 0,3 (Banat) und 4,3 Prozent (Besarabien)[24], und so verlor Rumänien mit den Gebietsabtretungen von 1940 429.000 Juden, mehrheitlich Angehörige eines urban-unternehmerischen Bürgertums.[25]
Der Schiedsspruch war eine ökonomische, politische und nationale Katastrophe, deren Umfang Hitler bereits am 17. Juli 1940 in einem zynischen Brief an König Carol II. klargemacht hatte: Rumänien habe 1918 dank glücklicher Umstände fremde Territorien gewonnen, „die es, meiner Meinung nach, nicht mehr lange mit einer Politik der Stärke wird halten können“. Die Rumänen sollten froh sein, daß „Ungarn nicht auf einer strikt juristischen Befriedigung seiner Ansprüche besteht, sondern zu Verhandlungen auf der Basis eines ausgewogenen Kompromisses bereit ist“. Sollte Rumänien zu keiner „friedlichen Verständigung“ bereit sein, werde Deutschland „völlig desinteressiert an künftigen Entwicklungen in Südost-Europa sein“ und seine Wehrmacht nicht einsetzen, falls es wegen territorialer Dispute zu einem Krieg kommen sollte. Wenn Rumänien einwilligte, könne es auf deutsche und italienische Förderung und auf ungarische und bulgarische Kooperation rechnen – wenn nicht, würde die deutsche Regierung die ungarische und bulgarische darüber informieren, daß es keinen Weg zur Krisenlösung gäbe.[26] Im Klartext hieß das, daß Hitler Ungarn und Bulgarien freie Hand gab, mit Rumänien nach Belieben zu verfahren, also auch einen Krieg (război) zu führen.
Unter diesen Umständen dankte Carol am 4. September 1940 ab, überließ den Thron seinem Sohn, der als König Mihai I. (*1921, Bild) regierte. Carol verließ das Land und hinterließ seinem Sohn ein verstümmeltes, politisch zerrissenes Rumänien in einem Europa im Krieg. Das Land war ein Satellit von Hitlers Deutschland, sein König eine Marionette der zur Macht drängenden Extremisten. Rumänien war exakt in jener umfassenden Staatskrise gelandet, die Rudolf Brandsch knapp zwanzig Jahre zuvor prophezeit hatte: Die rumänische Führung hatte die potentiellen Gefahren des nachbarlichen Revisionismus zwar immer gekannt, konkret aber nie etwas dagegen unternommen, so daß das Land nun hilflos Entwicklungen gegenüberstand, die sintflutartig über es hereinbrachen. Was Brandsch nicht vorhersehen konnte, war die spezifische Zuspitzung der Innenpolitik unter dem Aspekt der Gegnerschaft gegen die Juden: In den 1920-er Jahren hatte es mitunter Maßnahmen gegeben, die indirekt antijüdisch wirkten, etwa das Staatsbürgergesetz von 1924 (sog. „Mirzescu-Gesetz“, das ca. 160.000 Juden vom Wahlrecht ausschloß. In den 1930-er Jahren entstand langsam ein „Staats-Antisemitismus“ (antisemitism de stat), dem nach 1940 antijüdische Repressionen nach deutschen Mustern folgten.
Anzeichen der Radikalisierung im Inneren war das Wiedererstarken der Legion. Nach dem Tod Codreanus wurde diese von Horia Sima (1907-1993, Bild) geführt. Der lenkte den Antisemitismus Codreanus („Die historische Mission unserer Generation ist die Lösung des Judenproblems“) in neue Bahnen: Rumänien und seine Politiker sind „verjudet“, die Juden stecken auch hinter dem Bolschwismus und Kommunismus als neuen Kampfmitteln gegen das Christentum etc. Mit dieser neuen Ideologie und ihrer alten Gewaltbereitschaft kamen sie mit Mihai I. an die Macht, dessen erstes Dekret bestimmte: „Der rumänische Staat wird ein national-legionärer Staat. Die Legionärs-Bewegung (Mişcarea legionară) ist die einzige im neuen Staat anerkannte Bewegung“. Mitte November 1940 verfügte die neue Regierung eine Fülle antijüdischer Gesetze, die alle auf eine – von „Rumänisierungskommissaren“ (comisari de românizare) überwachte – „Entjudung der rumänischen Wirtschaft“ hinausliefen.[27] Außer massiven Störungen der Wirtschaft, die unter den Gebietsabtretungen und der Missernte dieses Jahres ohnehin genug zu leiden hatte, erreichten die Legionäre nichts, brachten sich aber in einen Gegensatz zu anderen Politikern und zu den Wirtschaftsführern.[28] Hinzu kam ihr blutrünstiger Terror, der in der Nacht vom 26. zum 27. November 1940 in der Ermordung von 64 prominenten Politikern und Wissenschaftlern, unter ihnen Iorga, im Gefängnis Jilava gipfelte. Im Dezember 1940 rügte Constantin Brătianu (1887-1955), Vorsitzender der oppositionellen National-Liberalen Partei (Partidul Naţional Liberal, PNL), daß die Legionäre „verantwortungslose Halbstarke“ seien, die wirtschaftlichen Unfug stifteten; sie schlössen jüdische Betriebe, die dann „in den Händen von Deutschen oder Sachsen“[29] landeten, weil die Rumänen nicht ausreichend Geld besäßen, diese zu erwerben. Laut „Rumänisierungsgesetz“ vom 18. November 1940[30] sollten an die Stelle der entlassenen Juden (denen „Entschädigungen“ gezahlt wurden) nur Rumänen treten.
Eigentlicher „starker Mann“ Rumäniens war seit September 1940 Marschall Ion Antonescu (1882-1946, Bild), den Carol II. am 4. September zum Ministerpräsidenten ernannte. Am Tag darauf setzte Antonescu die Verfassung außer Kraft und zwang den König zur Abdankung. Nur dafür hatte er die Legionäre mit „an Bord“ genommen, die er generell ablehnte; übergehen konnte er sie nicht, eher schon bremsen, denn sie hatten gleichzeitig Angriffe auf staatliche Institutionen, Kasernen etc. gestartet. Alles, was Antonescu in jenen Tagen unternahm, tat er bezeichnenderweise im Beisein des deutschen Botschafters Wilhelm Fabricius. Dieser offenbarte Anfang August 1940 einen gewissen „Wert“ für Rumänien, da er Hitler telegraphisch beschwor, keine „Erfüllung maximaler ungarischer Territorialansprüche“ in Transilvanien zuzulassen, da solches die dortige deutsche Volksgruppe „zerreißen“ (rupe) und dem ethnischen bzw. wirtschaftlichen Untergang ausliefern würde.
Antonescu (auf dem Bild links neben Hitler) war Berlins Mann. Zwar kannten die Deutschen auch Codreanu, dessen Autobiographie in deutscher Übersetzung veröffentlicht worden war[31], aber sie hielten nichts von ihm und seinen Legionären. Der blinde Aktionismus der Legion fand bei deutschen Nationalsozialisten kein Verständnis. Als die Legion im Januar 1941 auch noch gegen den conducător statului (Staatsführer) Antonescu putschte, und der sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ, seine offiziellen Partner und heimlichen Feinde förmlich zu zerschmettern, da war die deutsche Meinung ganz auf Seiten des Marschalls, einer der „bestimmenden Persönlichkeiten des heutigen Europas“.[32]
Die deutschen Elogen auf Antonescu konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß das vorrangige deutsche Interesse den Rohstoffen und der Industrie Rumäniens galt.[33] Da die Legionäre in Sachen Ökonomie völlige Ignoranten waren, konnten sie keine Wunschpartner sein. Berlin ging den Weg des geringsten Widerstands, denn es wusste wenig von rumänischen Problemen, Erfahrungen, Sehnsüchten. Wenn etwa deutsche „Experten“ das rumänische Besarabien als „Elsaß-Lothringen des Ostens“ bezeichneten[34], dann bewiesen sie doch nur, daß sie von beiden Regionen nichts verstanden.
Antonescu erfüllte die deutschen Erwartungen in mehrfacher Hinsicht. Ende Juni 1941 nahm die rumänische Armee unter seinem Oberbefehl an dem deutschen „Feldzug“ gegen die Sowjetunion teil. Bereits am 26. Juli war Besarabien zurückerobert. Am 16. Oktober endete die „Operation Odessa“ und das eroberte Gebiet war bis Ende März 1944 als „Transnistria“ Teil des rumänischen Staates. Allein diese ersten Kampfhandlungen hatten Rumänien 70.000 Gefallene und 100.000 Verwundete gekostet – ein Bruchteil des „Blutzolls“, den die Rumänen in der Schlacht um Stalingrad zu entrichten hatten.[35]
Transnistria war für Rumänien, was das polnische „Generalgouvernement“ für NS-Deutschland war: Ein nicht näher zu definierender „Osten“, in den Juden „abgeschoben“ wurden. So geschah es auch, aber zunächst standen andere Aufgaben im Vordergrund. Wenn man sich die unglaubliche Fülle von Gesetzen, Verordnungen, Dekreten etc. anschaut, bekommt man den Eindruck, daß rumänische „Judenpolitik“ 1940-1944 mit der Ausgrenzung begann und auf Ausmerzung abzielte, dabei die ganze Zeit auf restlose Ausnutzung der Juden bedacht war. Im Grunde war diese „Politik“ eine „Dienerin zweier Herren“, denn sie musste zugleich dem wirtschaftlich motivierten rumänischem Antisemitismus und dem deutschen rassischen Antisemitismus, wie diesen die Nürnberger Gesetze (1935) ausdrückten, genügen. Laut Antonescu verkörperte z.B. sein „Judenenteignungsgesetz“ vom März 1941 einen „Beweis der Einführung des rumänischen Volkes in die nationalistische Denkart, die Europa durchzieht“.[36]
Beleg dieser ökonomisch-rassischen Doppelrolle war bereits das Königliche Dekret Nr. 2650 vom 8. August 1940, das die rechtliche Stellung der Juden regelte.[37] Grundsätzlich wurden die Juden – deren angeblicher Reichtum in immer grelleren Farben gemalt wurde, je weniger Juden es noch gab[38] – kollektiv von den „Bluts-Rumänen“ (români de sânge) unterschieden und vom Landerwerb in Rumänien ausgeschlossen. Darüber hinaus wurden sie – je nach Stichjahren der Aufenthaltsdauer im Lande bzw. Verdiensten um dieses – in drei Kategorien eingeteilt, wobei nur die Kategorie 2 etwas besser gestellt war, da zu ihr „Juden, die in den rumänischen Kriegen an der Front für Rumänien gekämpft haben“, gehörten. Zu diesen Kriegen kam in der zweiten Jahreshälfte 1941 noch Reintegrationskrieg (Războiul de Reîntregire), und das alles schuf ein definitorisches Chaos in der Unmenge der Bestimmungen: Immer wieder musste festgelegt werden, wer denn nun „Jude“ sei, und selten stimmte eine Definition mit der anderen überein. Zudem mühte man sich vergebens, die deutsche NS-Terminologie zu übernehmen: Für einen im Deutschen so frequenten Ausdruck wie „Volljude“ fand sich überhaupt keine adäquate rumänische Übersetzung; man behalf sich mit „von beiden jüdischen Eltern Geborener“ (născut din ambii părinţi evrei).
Antonescu konnte auf „Vorarbeiten“ früherer Regierungen zurückgreifen, die er mitunter änderte; so schaffte er am 18. Januar 1941 die „Rumänisierungskommissare“ ab – da diese fast ausschließlich unter den Legionären rekrutiert waren und ihre Posten zur schamlosesten Bereicherung ausnutzten – und ersetzte sie Ende 1941 durch ein Nationales Zentrum für Rumänisierung (Centrul Naţional de Românizare, CNR). Das Ziel blieb immer dasselbe: Unter dem Deckmantel der „Rumänisierung“ den Juden alles wegzunehmen, was sie besaßen. Darüber hinaus ist die Fülle der antijüdischen Maßnahmen Antonescus nahezu unüberschaubar, weswegen sich auch der eingangs erwähnte (Anm. 10) Bericht über den Holocaust in Rumänien mit einer eher summarischen Darstellung begnügen musste:
- Enteignung jüdischer Besitztümer in ländlichen Regionen: über 95.000 ha Land, Mühlen, Wälder, Brauereien etc. im Gesamtwert von ca. 1,86 Mrd. Lei (1941: 110 Lei = 1 US-$).
- Konfiskation des jüdischen Grundbesitzes in den 1941 zurückeroberten Gebieten (27.091 ha Ackerland, 141 ländliche Fabriken).
- Enteignung jüdischer Fabriken, Banken und Geschäfte (15.987 zwischen September 1940 und Juni 1943).
- Enteignung jüdischer Wohnungen (75.385 bis Dezember 1943, Gesamtwert über 50 Mrd. Lei).
- Enteignung von 35.033 jüdischen Immobilien in den wiedereroberten Gebieten.
- Enteignung von 1.042 jüdischen Gemeindebauten (Synagogen, Schulen, Waisenhäuser, Kliniken etc.).
- Berufsverbot für jüdische Autoren, Schauspieler, Apotheker etc.
- Zwangsentlassungen von Juden aus rumänischen Firmen.
- Verbot für Juden, rumänische Staats- und Privatschulen zu besuchen („numerus nullus“).
- Auflösung der Föderation der Verbände Jüdischer Gemeinden Rumäniens (Federaţia Uniunilor de Comunităţii Evreieşti din România), Einrichtung einer Juden-Zentrale (Centrala Evreilor).
- Entzug des Wahlrechts für Juden.
- Verbot für Juden, Wehrdienst zu leisten; Verordnung (Dezember 1940), für den nicht geleisteten Wehrdienst eine „Wehrsteuer“ zu zahlen und „gesellschaftliche Arbeit“ zu leisten. Diese Bestimmung galt für alle Juden von 18 bis 50 Jahren, und die Arbeit musste in bestimmten „Lagern“ oder „Kolonnen“ mit militärischer Ordnung und Disziplin geleistet werden.
- Einführung einer „Arbeitspflicht“ (muncă obligatorie) von 90 Tagen im Jahr für alle Juden (Juli 1942).
- Verbot für Juden, Radio zu hören (Mai 1941).
- Obligatorische Sondersteuern für Juden („Reintegrationsanleihe“ – fast 2 Mrd. Lei 1942, Zwangssteuer für Lazarette – 500 Mio. Lei, Zwangssteuer für Invaliden – 100 Mio. Lei, laufende Ablieferungsaktionen für Kleidung, Lebensmittel etc. „Sondersteuer“ in Höhe von 4 Mrd. Lei, im April 1943 auf persönliche Weisung Antonescus etc.
Über 20 Sonderbestimmungen zu Reisen für Juden: Reisen durften sie nur noch zu bestimmten und erlaubten Zwecken – Bade- und Urlaubsreisen waren gänzlich untersagt. Zuwiderhandlungen wurden strengstens bestraft.[39]
Und endlos so weiter – bis hin zu der Verfügung vom 19. August 1942 „Doppelte Brotpreise für Juden“, also für 500 Gramm Brot 30 Lei, wovon der Staat 8 Lei abschöpfte. Wohlgemerkt nur für Brot, denn schon seit 1941 war „es den Juden streng verboten, Semmel und Kipfel zu kaufen“.[40]
Dennoch: Diese Politik war im Grunde chaotisch und mit nationalsozialistischen deutschen Pendants nicht zu vergleichen. Das hatten die Deutschen sehr bald bemerkt und offen gerügt:
„Alle bisherigen Maßnahmen haben daran gekrankt, daß man das Judenproblem in Rumänien infolge der unvorstellbaren Überfremdung der rumänischen Wirtschaft als ein Wirtschaftsproblem und weniger als eine politische, weltanschauliche und rassische Frage sah. Trotz ungezählter Judengesetze gibt es doch kein einheitliches, klares Judengesetz wie z.B. in Deutschland. Ebenso fehlten immer genaue, zuverlässige Angaben über die Zahl der Juden und Judenstämmlinge in Rumänien, wie über ihren wirklichen Einfluß in der Wirtschaft. Der jüdische Besitz war niemals vollständig aufgenommen worden. Die verschiedenen Schätzungen über die Zahl der Juden in Rumänien unterschieden sich um Hunderttausende. Daß diese Mängel sich bei der Enteignung jüdischen Besitzes zum Beispiel recht unerfreulich auswirkten, die Arbeit übermäßig erschwerten und eine glatte Durchführung fast unmöglich machten, ist selbstverständlich. Dazu kamen noch die verschiedenen Kompetenzüberschneidungen und unklaren Abgrenzungen innerhalb der verschiedenen Ämter, die sich alle mit der Lösung dieser Frage oder einzelner Teilgebiete abgaben“.[41]
Das war eine ziemlich exakte Beschreibung der Situation, und die „Judenzählung“ von 1942 illustrierte das Chaos. Im Januar war die CNR entstanden[42], deren Leiter, der bereits erwähnte Radu Lecca, bereits im Dezember 1941 eine „Judenzählung“ anordnete.[43] Lecca, ein alter Vertrauensmann der Deutschen, wurde dabei von dem SS-„Judenexperten“ Gustav Richter (1913- um 1982) und dem deutschen Botschafter Manfred von Killinger (1886-1944, Bild) gesteuert. Am 20. Februar 1942 sollte die Zählung abgeschlossen sein, was aber daran scheiterte, daß man kein Papier für die benötigten 400.000 Fragebögen beschaffen konnte. Auch wurde das zugehörige Gesetz geändert, so daß z.B. „Halbjuden“ – die in der rumänischen Judenpolitik weder als Begriff noch als Kategorie existierten – aus der Zählung herausgenommen wurden, desgleichen die Juden in Besarabien, der Bukowina und Transnistria. Am 1. Mai wurden 350.000 Fragebögen gegen eine Gebühr von 20 Lei ausgegeben, Stichtag der Zählung sollte der 30. Juni sein, und 300.000 Bögen kamen von den Juden zurück. Wer die Zählung verweigerte, riskierte Haftstrafen bis zu 10 Jahren, „so daß man mit einer 100%igen Erfassung rechnet“.[44]
Die Zählung wurde allgemein hoch gelobt, war aber eine Farce: Der Stichtag war auf den 20. Mai vorgezogen worden, das Ergebnis wurde in unterschiedlichen Größen bekannt gegeben (wobei die Unterschiede rund 15.000 Personen ausmachten, bis man sich am Ende auf „272.409 Volljuden in Rumänien“ einigte[45]), das Verständnis für die „Judenfrage als Rassenfrage“ blieb unterentwickelt, und wenige Monate danach herrschte wieder völlige Unklarheit über die Gesamtzahl der Juden in Rumänien.[46] „Erstaunt“ war man nur, dass es in Rumänien so wenige Juden gab. Wo waren die anderen von „den rund dreiviertel Millionen Juden der Vorkriegszeit“ geblieben? „Ein großer Teil“ der Juden aus Besarabien und der Bukowina, früher zusammen rund 295.000, war mit den abziehenden sowjetischen Truppen mitgegangen[47], 200.000 Juden lebten in dem nunmehr ungarischen Nord-Transilvanien, die jüdische Emigration über Bulgarien und die Türkei war „nicht unerheblich“, und aus ganz Rumänien wurden 185.000 Juden „in transnistrische Arbeitslager geschickt“.[48]
Alles das war zweifellos schlimm, aber dennoch nicht mit deutschen Maßnahmen zu vergleichen.[49] Rumänien war nicht NS-Deutschland: Beispielsweise hat es keine einheitlichen Richtlinien zum Tragen des „Judensterns“ gegeben, der im Verlauf des Kriegs nur „in frontnahen Gebieten“ und auf spezielle Anordnung hin getragen werden musste.[50] Auch die „Deportationen von Juden nach Transnistrien“ waren in der Regierung umstritten und wurden z.B. im September 1942 „vorübergehend eingestellt“.[51] Der Grund dafür sollen Einwände einzelner Ministerien gewesen sein, die wohl einen Zusammenbruch der Wirtschaft und Versorgung befürchteten: Wie die gegenwärtige Jüdische Gemeinde in Rumänien (Comunitatea Evreiască din România) dokumentierte, gab es allein im Landesteil Moldova 35.419 jüdische Unternehmer, Geschäftsinhaber etc., ohne die vermutlich kein funktionierendes Wirtschaftsleben aufrechtzuerhalten war.
Mehr noch: Rumänien wollte damals auch kein NS-Deutschland sein. Ab Frühjahr 1942 war das rumänische Außenministerium erfolgreich bemüht, deutsche Pläne zu konterkarieren, die vorsahen, alle von Deutschen kontrollierten Gebiete „judenfrei“ zu machen und dabei auch Juden mit ausländischer Staatsangehörigkeit nicht zu verschonen. In aller Eile versorgten die rumänischen Behörden rumänische Juden mit den für eine Heimkehr nötigen Papieren – und im April 1944 wurde die rumänische Botschaft in Budapest angewiesen, abgezählte „51.537 Visa für einen Transit durch Rumänien an ungarische und fremde Juden“ auszugeben.[52]
Wenn es nach den Rumänen gegangen wäre, dann hätte man noch viel mehr für die Juden getan. General Ion Gheorghe (1893-1957), im Krieg Militärattaché an der rumänische Botschaft in Berlin und seit Juni 1943 Botschafter, führte einen energischen Kampf zur Freilassung der Juden, die in deutschen KZs inhaftiert waren. Als seine Interventionen von deutschen Behörden laufend abgewiesen wurden, versuchte er, Bukarest zu einer härteren Haltung gegenüber Berlin zu bewegen: „Wir geben unsere souveränen Rechte über rumänische Bürger, wer immer dieser auch sind, nie auf“, zumal die deutsche Behauptung falsch sei, daß Rumänien „zugestimmt habe, daß Deutschland Juden interniert, die rumänische Untertanen sind“. Die Bemühungen um „Schutz für unsere nicht-arischen Bürger“ wurden bis Mai 1944 fortgesetzt, hatten aber keinen Erfolg.[53]
Schlussbemerkung
Die Rettungsversuche von Botschafter Gheorghe kamen gewiß aus ehrlichem Herzen, denn die rumänische Führung war „gegen barbarische Maßnahmen und Akte des Terrors gegen arme und schwache Menschen, die sich nicht verteidigen können“.[54] So äußerte sich im November 1942 der stellvertretende Ministerpräsident Mihai Antonescu (1907-1946, Bild, aufgenommen Minuten vor seiner Hinrichtung am 1. Juni 1946). Ähnlich äußerten sich andere Politiker, und um die Frage, ob daß alles ernst gemeint war, ob es also keinen rumänischen Holocaust gegeben habe, wird seit Jahrzehnten heftig gestritten.[55] Mehrbändige Dokumentationen, angefüllt mit schrecklichen Details, Zeugenaussagen etc., haben dennoch keine endgültige Klarheit bringen können.
Auch die vorliegende Darstellung neigt der Ansicht zu, daß es keinen Holocaust in Rumänien gegeben hat. In Rumänien existierten Ghettos, Arbeitslager etc., wurden Juden „in den Osten abgeschoben“, sind furchtbare Massaker geschehen und zahllose Juden umgekommen, aber das alles hat nicht im entferntesten die kalte Organisation und die fabrikmäßige Tötungsperfektion deutscher „Muster“. Da waren zum einen die „Halbheiten“ rumänischer Maßnahmen: Jede Verfügung enthielt zahlreiche Bestimmungen, auf welche Gruppen von Juden die Maßnahmen nicht zuträfen. Da war zum zweiten die chaotische Organisation der „Abschiebungen nach dem Osten“, die halbherzig mit Verzögerungen anliefen, oftmals gestoppt oder gar rückgängig gemacht wurden und in der Regel an elementaren Mängeln litten: Weder wusste man, wie viele Juden überhaupt „abgeschoben“ werden sollten, noch hatte man klare Vorstellungen davon, was man mit ihnen „im Osten“ überhaupt anfangen wollte.[56] Transnistria war ein rumänisches Besatzungsgebiet, das mit dem „Mutterland“ ethnisch, politisch und wirtschaftlich nur locker verbunden war und eventuell durch enorme kultur- und bevölkerungspolitische Anstrengungen hätte „romanisiert“ werden können, ab Herbst 1943 aber schrittweise wieder aufgegeben wurde. Das dünnbesiedelte Land, in dem Partisanen kämpften, würde bald Kampfgebiet werden, was die Bevölkerung durch immer härtere Einschränkungen der Versorgung zu spüren bekam. Und Transnistria wurde durch das Nebeneinander von „Evakuierungsplänen“ für Rumänen und „Aussiedlungsplänen“ für Juden noch chaotischer als zuvor.[57]
Zum dritten gefiel es den Rumänen nicht, daß Deutsche mit den Juden „im Osten“ Rumäniens nach ihren Vorstellungen verfuhren, d.h. Tötungen durch „Einsatzkommandos“.[58] Und zum vierten war da die spätestens seit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 feststehende Gewissheit, daß die Deutschen den Krieg nicht mehr gewinnen würden und jeder schwere Konsequenzen zu ertragen habe, der ihnen bei der „Endlösung der Judenfrage“ Komplizenschaft leistete. Botschafter Ion Gheorghe hat in seinen Berichten aus Berlin erstaunlichen „Klartext“ geredet.
Vor allem aber wirkten hier die zwei großen Unterschiede zwischen deutschem und rumänischem Antisemitismus, die zu Kriegsbeginn gewiß verwischt und vergessen waren, aber sehr bald wieder bewusst wurden und eine Eskalation der Entwicklung in schlimmster Richtung verhinderten. Der rumänische Antisemitismus war nicht und wurde nicht rassisch, sondern er blieb „Radau-Antisemitismus Jugendlicher, rhetorischer Antisemitismus nationalistisch-konservativer Politiker, bürokratisch-schikanöser Antisemitismus der Verwaltung, wirtschaftlich motivierter, aber nicht weiter auffallender Antisemitismus der ländlichen Bevölkerung“.[59]
Und der rumänische Antisemitismus sah einfach keinen Sinn darin, Millionen Juden umzubringen. Die „Lösung der Judenfrage“, wie sie selbst in den Augen radikalster rumänischer Antisemiten wünschenswert gewesen wäre, hätte sich in drei Stufen vollzogen: 1. Erschöpfende Enteignung und Beraubung der Juden an ihren Wohnorten, 2. Maximale Ausbeutung der Juden in transnistrischen „Arbeitslagern“ und 3. „Verkauf“ der Juden an jeden Staat, der sie aufnehmen und für sie enorme Summen in die rumänischer Staatskasse zahlen würde.[60]
Am 23. August 1944 scherte Rumänien aus der deutschen Front aus, wodurch der ganze Balkan sowjetischen Truppen offen stand. Bereits einen Monat früher waren einige antijüdische Maßnahmen, z.B. das Verbot des Rundfunkhörens, wieder aufgehoben worden, und bis Ende November war die gesamte „Judenpolitik“ des Antonescu-Regimes außer Kraft gesetzt. Die Juden bekamen zurück, was man ihnen genommen hatte, Schulen und Hochschulen öffneten sich für sie, in Kultur und Presse nahmen sie alte Positionen wieder ein, der „Arbeitsdienst“ für sie bestand nicht mehr, der neue Wehrdienst bezog sich nicht auf sie.[61]
Vom 6. bis 17. Mai 1946 wurde Gericht über Ion Antonescu und Mitglieder seiner Regierung gehalten; die meisten wurden zum Tode verurteilt und am 1. Juni 1946 im Gefängnis Jilava erschossen. Laut den Volkszählungen leben gegenwärtig in Rumänien noch etwas mehr als 9.000 Juden. Am 9. Oktober 2004 beging das Land erstmalig einen Tag des Holocaust (Ziua Holocaustului), wobei Präsident Ion Iliescu die allgemeine Trauer über „250.000 Juden, die in Territorien unter rumänischer Administration getötet wurden“, ausdrückte.
Autor: Wolf Oschlies
Literatur
Heinen, Armin: Ethnische Säuberung – Rumänien, der Holocaust und die Regierung Antonescu, in: Krista Zach (Hrsg.): Rumänien im Brennpunkt, München 1998, S. 169-197
Scurtu, Ioan et al.: (Hrsg.): Istoria Românilor între anii 1918-1940 (Geschichte der Rumänen in den Jahren), Bukarest 2000
Totok, William: Nicolae Constantin Paulescu – Schita biografică (Biographische Stizze), in: 22 Nr. 709, 7.-13. 10.2003 und Nr. 710, 14.-20.10.2003
Transnistrien, das Reich des Todes – Neuere Forschungen zum Holocaust in Rumänien, in: Neue Zürcher Zeitung 6.11.1999
Anmerkungen
[1] Eine ausführliche Sammlung relevanter Dokumente zu Außen-, Innen-, Wirtschafts-, Parteipolitik etc. Rumäniens findet sich bei Ioan Scurtu et al.: (Hrsg.): Istoria Românilor între anii 1918-1940 (Geschichte der Rumänen in den Jahren), Bukarest 2000
[2] Der Schiedspruch von Wien, in: Südostecho (Wien) 6.9.1940
[3] Vgl. dazu die folgende Karte, aus: www.lebensgeschichten.org/rumaenien/geschichte-ru.php (Seite nicht mehr abrufbar / 24. November 2014)
[4] Charles M. Mitilineu: Die Juden in Rumänien, in: Neue Freie Presse (Wien) 31.5.1927; der Verfasser war „rumänischer Gesandter“, W.O.
[5] Br. (= Rudolf Brandsch): Grundursachen der rumänischen Krisen, in: Deutsche Politische Hefte aus Großrumänien Nr. 1/1922, S. 1-3; ders.: Zur außenpolitischen Lage Rumäniens, in: ibid. Nr.1-2/1925, S. 1-3
[6] S. Mehedinţi: Şcoala poporului (Schule des Volks), Bukarest 1918, S. 10
[7] Die Juden in Rumänien, in: Neue Zürcher Zeitung 27.1.1938
[8] P.P.Negulescu: Reforma invăţămăntului (Bildungsreform), Bukarest 1927, S. XLII ff.
[9] Zu den Aromanen, Mengleno-Rumänen und anderen Teilen des rumänischen Ethnikums auf dem Balkan vgl. Th(eodor) Capidan: Die Mazedo-Rumänen, Bukarest 1941
[10] Soweit nicht anders ausgewiesen, folgt die Darstellung von hier ab den sehr detaillierten Analysen des zweisprachigen „The Raport of the International Commission on the Holocaust in Romania“ (http://www.yadvashem.org/docs/international-commission-on-romania-holocaust); aus Gründen der höheren Authentizität wurde allein der rumänische Text verwendet, W.O.
[11] Bericht in: Die Zeit (Prag) 7.1.1938
[12] William Totok: Nicolae Constantin Paulescu – Schita biografică (Biographische Stizze), in: 22 Nr. 709, 7.-13. 10.2003 und Nr. 710, 14.-20.10.2003
[13] Josef Macůrek: Rumunsko ve své minulosti i přitomnosti (Rumänien in seiner Vergangenheit und Gegenwart), Prag 1930, S. 133 ff.
[14] Ilariu Dobridor: Die antijüdische Bewegung in Rumänien, in: Der Neue Tag (Prag) 31.7.1942
[15] A.C.Cuza: Das rumänische Judenproblem und die „völkisch-christliche Verteidigung“, in: Völkischer Beobachter 8.1.1938, dito in: Kronstädter Zeitung 3.2.1938
[16] A.C.Cuza (Interview): Weltkongreß zur Lösung der Judenfrage, in: Völkischer Beobachter 9.2.1938
[17] O. Goga (Interview mit dem Deutschen Nachrichtenbüro): Die einzige endgültige Lösung der Judenfrage, in: Kronstädter Zeitung 26.1.1938
[18] Parteiprogramm bei Scurtu, Istoria… aaO., Kap. 10.8
[19] Karl Hermann Theil: Ein Volk in Notwehr – Rumäniens Kampf gegen das Judentum, in: Völkischer Beobachter 6.1.1938
[20] Bericht in: Neue Zürcher Zeitung 27.1.1938
[21] Meldungen in: Berliner Börsen-Zeitung 5.6.1938, Berliner Tageblatt 3.12.1938
[22] Die Juden in Rumänien, in: Neue Zürcher Zeitung 11.1.1939
[23] Meldungen in: Pester Lloyd 16.2.1938, Frankfurter Zeitung 3.1.1939
[24] Zahlen nach: Nieuwe Rotterdamsche Courant 16.1.1938
[25] Sabin Manuila: Das Judenproblem in Rumänien zahlenmäßig gesehen, in: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung Nr. 3-4/1941, S. 603-613
[26] Wortlaut des Briefs bei Scurtu, Istoria… aaO., Kap. 13.9
[27] Entjudung der rumänischen Wirtschaft, in: Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt 5.12.1940
[28] Ansturm gegen das Judentum, Südost-Echo 25.10.1940
[29] Gemeint waren Angehörige der deutschen Volksgruppe in Transilvanien, die „Siebenbürger Sachsen“.
[30] Deutscher Wortlaut in: Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt 18.11.1940
[31] Codreanu: Eiserne Garde, Berlin 1939
[32] Harald Laeuen: Marschall Antonescu, Essen 1943, Vorwort und S. 81 ff.
[33] Walter Hoffmann: Rumänien von heute – Ein Querschnitt durch Politik, Kultur und Wirtschaft, Bukarest/ Leipzig 1941
[34] Laeuen, Marschall… aaO., S. 126
[35] Laeuen, Marschall… aaO., S. 126 ff.
[36] General Antonescu zum Judenenteignungsgesetz, in: Südostdeutsche Tageszeitung 29.3.1941
[37] Deutsche Übersetzung in: Legislativer Informationsdienst 7.10.1940
[38] Vgl. nebenstehende Graphik aus: Deutsche Zeitung aus Kroatien (Zagreb) 18.12.1943, Angaben in Mio Lei
[39] Vgl. die nebenstehende Meldung aus: Südostdeutsche Tageszeitung 10.9.1942
[40] Meldung in: Südostdeutsche Tageszeitung 21.8.1942
[41] Judenzählung in Rumänien, in: Der Neue Tag 23.7.1942
[42] Rumäniens europäische Lösung der Judenfrage – Die Durchführungsverordnung zu dem Gesetz über die Errichtung der Judenzentrale, in: Rumänischer Wirtschaftsspiegel 1.3.1942..
[43] Deutsche Übersetzung des „Dekretgesetzes über die Zählung der Einwohner jüdischen Blutes“ vom 16.12. 1941 in: Legislativer Übersetzungs- und Nachrichtendienst Nr. 19, 19.1.1942
[44] Judenzählung… aaO.
[45] Bericht über das Zählungsergebnis in: Rumänischer Wirtschaftsspiegel 20.8.1942
[46] Rumänien wird judenrein, in: Rumänischer Wirtschaftsspiegel 20.8.1942
[47] Es wäre interessant, hierzu genauere Angaben zu bekommen. Das sowjetische Ultimatum erfolgte am 26. Juni 1940 und sah eine Übergabe der Gebiete „binnen einiger Tage“ vor. Es wurde am 27. Juni von Rumänien angenommen, und vom 28. Juni bis 1. Juli erfolgte die sowjetische Besetzung. Nach Berichten aus Rumänien sollen jeden Tag etwa 10.000 Juden in den nunmehrigen sowjetischen Hoheitsbereich gegangen sein. Aus diesen Berichten geht auch hervor, daß in „Fühlungnahme“ mit sowjetischen Behörden die diversen Flüchtlingsströme großzügig behandelt wurden und daß sie mit Beginn der sowjetischen Besetzung nicht sofort gestoppt wurden. (Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt 1.7.1940). Spätere Angaben aus Rumänien besagten, daß 1943 in der Bukowina noch 16.000 und in Besarabien noch 1.000 Juden lebten. Könnte es möglich sein, daß sich so gut wie alle Juden aus diesen Gebieten Ende Juni 1940 in die Sowjetunion gerettet hatten?
[48] Tartans Ende – Rumäniens Kampf gegen das Judentum, in: Pariser Zeitung 10.6.1943; Rumäniens Kampf gegen die Juden, in: Frankfurter Zeitung 22.7.1943
[49] Detailliert dazu Armin Heinen: Ethnische Säuberung – Rumänien, der Holocaust und die Regierung Antonescu, in: Krista Zach (Hrsg.): Rumänien im Brennpunkt, München 1998, S. 169-197
[50] Meldung in: Südostdeutsche Tageszeitung 10.5.1944
[51] Meldung in: Neue Zürcher Zeitung 30.10.1942
[52] Nicoleta Ionescu-Gura: 1940 – 1944 Cetateni români cu steaua lui David în Europa lui Hitler (Rumänische Bürger mit dem David-Stern in Hitlers Europa), in: www.itcnet.ro/history/archive/mi2000/current11/mi45.htm
[53] Ionescu-Gura, 1940 – 1944… aaO.
[54] Heinen, Ethnische… aaO., S. 193; ebd. auch weitere ähnliche Äußerungen von anderen Politikern.
[55] Transnistrien, das Reich des Todes – Neuere Forschungen zum Holocaust in Rumänien, in: Neue Zürcher Zeitung 6.11.1999
[56] Judenaussiedlung in Rumänien, in: Donauzeitung (Belgrad) 8.8.1942; Vor der Abschiebung der Juden aus Rumänien, in: Kronstädter Zeitung 10.8.1942
[57] Ekkehard Völkl: Das rumänische Besatzungsgebiet „Transnistria“ 1941-1944, in: Zach, Rumänien im Brennpunkt… aaO., S. 67-82
[58] Vgl. dazu die nebenstehende Meldung aus: Kronstädter Zeitung 3.7.1941
[59] Heinen, Ethnische… aaO., S. 178
[60] Details bei Heinen, Ethnische… aaO., passim
[61] Rückkehr der Juden in Rumänien, in: National-Zeitung (Essen) 2.12.1944