1919-1939: Vorgeschichte des Kreisauer Kreises
1921 15. März: In Berlin Grunewald wird Hans-Bernd von Haeften (18.12.1905-15.8.1944) mit Dietrich Bonhoeffer (4.2.1906-9.4.1945) konfirmiert.
Den Konfirmationsspruch Röm. 1,16 schrieb ihm (D. Bonhoeffer) Pfarrer Priebe: “Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.”
1924
Dezember Gründung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht als eingetragener Verein unter Beteiligung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Initiator und Mitbegründer: der Berliner Völkerrechtler Viktor Bruns.
1925-1926 In Breslau lernt der Student Peter Graf Yorck von Wartenburg (13.11.1904-8.9.1944 / Landkreis Oels) kennen: Albrecht von Kessel (6.11.1902-15.4.1976 / Landkreis Trebnitz), Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld (21.12.1902-8.9.1944), Ernst von Borsig (Groß-Behnitz). Im Oktober 1926 bestehen Yorck und Kessel in Breslau beide das erste juristische Staatsexamen. Yorck schlägt die Laufbahn der inneren Verwaltung ein.
1927 Bei Carl Zuckmayer in Henndorf in Österreich lernt Helmuth James Graf von Moltke (11.3.1907-23.1.1945) die beiden Sozialdemokraten Carlo Mierendorff (24.3.1897-4.12.1943) und Theodor Haubach (19.5.1896-23.1.1945) kennen.
Ostern bis September
In den Osterferien arbeitet der zwanzigjährige Helmuth James Graf von Moltke beim Landrat von Waldenburg, dem Sozialdemokraten Karl Ohle. Das Waldenburger Kohlengebiet liegt etwa vierzig Kilometer südwestlich von Kreisau in Niederschlesien. Betroffen von den dortigen elenden und rückständigen Zuständen bringt Moltke die dänische Schriftstellerin Karin Michaelis und amerikanische Journalisten dorthin. An der Breslauer Universität trifft er sich mit seinem Vetter Carl Dietrich von Trotha und dessen Freund Horst von Einsiedel (7.6.1905-1948, 1935-1945, tätig bei der Reichsstelle Chemie und der Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie) zusammen. Die drei Kommilitonen beschließen, eine Hilfsaktion für das Elendsgebiet zu unternehmen. Unterstützt werden sie von ihren Professoren Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973), Gerhart Schulze-Gaevernitz und Hans Peters (5.9.1896-15.1.1966). Die damit gegründete “Löwenberger Arbeitsgemeinschaft” trifft im Volkshochschulheim Boberhaus in Löwenberg zusammen, um Vorbereitungen für freiwillige “Arbeitslager” resp. work camps für junge Bauern, Arbeiter und Studenten zu treffen.
1928 An den freiwilligen “work camps” nehmen jeweils hundert junge Leute teil: “Es waren Kommunisten und Stahlhelmleute da, Christen und Atheisten, Besitzersöhne und Landarbeiter, adelige und kleinbürgerliche Studenten”.
Die Löwenberger Arbeitsgemeinschaft gibt es bis 1930. Daran beteiligen sich Helmuth James von Moltke, Peter Graf Yorck von Wartenburg, Hans Peters, Carl Dietrich von Trotha (25.6.1907-28.6.1952), Horst von Einsiedel, Adolf Reichwein (3.10.1898-20.10.1944), Friedrich Christiansen-Weniger (geb. 1897), Otto Heinrich von der Gablentz (1898-1972) und Theodor Steltzer (17.12.1885-27.10.1967).
– Ende September: Auf einem Treffen des YMCA (Christlicher Verein Junger Männer) in Luzern lernt Adam von Trott zu Solz (9.8.1909-26.8.1944) Willem A. Visser’t Hooft kennen (1924-1931: Sekretär im Weltkomitee der YMCA; 1937 Mitorganisator der “Konferenz für Glauben und Kirchenverfassung” in Edinburgh; 1938-1966: Generalsekretär des ökumenischen Weltrates der Kirchen in Genf).
1929
Februar In Berlin lernt der Jurastudent Adam von Trott zu Solz Albrecht von Kessel und Gottfried Nostitz-Drzewiecki kennen. Er kommt mit sozialistischen Gruppen in Kontakt und steht dem Kreis und der Zeitschrift “Neue Blätter für den Sozialismus” nahe.
1. März Der 24-jährige Jurist Berthold Graf Stauffenberg (15.3.1905-10.8.1944) übernimmt eine Referentenstelle am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht.
1930 In einem Brief an Tracy Strong vom 21.2.1930 schreibt Trott zu Solz: “(…) Die Tatsache, daß unser Proletariat noch nicht in starkem Maße kommunistisch geworden ist, scheint es zum Teil der Intelligenz der gemäßigten und sozialdemokratischen Gerwerkschaften … zu verdanken. (…)”
1931 – 18. Juli: Adam von Trott zu Solz promoviert in Göttingen mit einer Arbeit zu dem Thema: “Hegels Staatsphilosophie und das internationale Recht”.
– Zusammen mit dem hessischen Innenminister, dem Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer Wilhelm Leuschner (15.6.1890-29.9.1944) bringt Carlo Mierendorff, Sozialdemokrat, Publizist und 1929/1930 bei Wilhelm Leuschner Pressereferent, die auf dem Boxheimer Hof gefundenen NS-Erklärungen, die von Werner Best stammen, an die Öffentlichkeit. Das werden ihnen die Nationalsozialisten nie vergeben.
– Große Tätigkeit von Carlo Mierendorff als politischer Publizist. Zu nennen sind u.a.: “Gesicht und Charakter der nationalsozialistischen Bewegung” (Die Gesellschaft, Jg. 7, 1930/31, H.6, Juni 1930); “Was ist Nationalsozialismus? Zur Topographie des Faschismus in Deutschland” (Neue Blätter für den Sozialismus, Jg. 2, 1931, H.4); “Die Bedeutung der neuen Propaganda”, (Neue Blätter für den Sozialismus, Jg. 3, 1932, H. 10).
Herbst 1931- Sommer 1933:
Adam von Trott zu Solz verbringt zwei Studienjahre in Oxford (Rhodes-Stipendium). Dort kommt er in Kontakt zu vielen Persönlichkeiten der ökumenischen Bewegung und zu Politikern, im besonderen der Labour Party. Zu diesem Zeitpunkt lernt er Lionel Curtis und David Astor kennen. David Astor, der später Herausgeber der Zeitung “The Observer” wurde, war der Sohn des Herausgebers und maßgebenden Besitzers der Londoner Zeitung “The Times”, Lord John Astor (1923-1959; 1953 wurde John Astor zum Vorsitzenden des britischen Presserats gewählt).
1932
10. bis 14. und 17. Oktober 1932: “Preussenschlag-Prozess”.
Helmuth J. von Moltke als Berichterstatter, Hans Peters als Vertreter der Zentrumsfraktion, der Interessen des Landes Preußen und des Rechtsstaats-Gedankens vor dem Reichsgericht in Leipzig.
Aufgrund einer Notverordnung hatte Reichskanzler Papen am 20. Juli 1932 die sozialdemokratische Regierung des Landes Preußen (Kabinett Otto Braun) gewaltsam ihres Amtes enthoben und seine eigene Person als Reichskommissar für Preußen ernannt. Das Land Preußen sowie die Fraktionen der SPD und der Zentrumspartei im Preußischen Landtag erhoben dagegen Klage vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig. In der mündlichen Verhandlung vertrat der Jurist Hans Peters die preußische Zentrumsfraktion. Er plädierte für verfassungsmäßige Prozeduren und für den “Rechtsstaats-Gedanken”, sowie für die Rolle der Parteien in der Demokratie und die Eigenstaatlichkeit Preußens. Damit trat er Carl Schmitt entgegen, der die Interessen des Reiches vertrat.
Edgar Mowrer, der Berliner Korrespondent der “Chicago Daily News”, den Moltke bei einem Studiensemester in Wien 1927 durch die amerikanische Journalistin Dorothy Thompson kennengelernt hatte, schickte Moltke als Berichterstatter zum Reichsgericht. Am 18. Oktober schrieb Moltke: “Es ist ein schlechtes Zeichen für das deutsche Rechtsgefühl, daß ein solcher Überfall des Reichs auf Preußen überhaupt möglich war. …” Der Prozeß war ein Fanal.
1933-1938: Erste Vorbereitungen. Entwicklung und Tätigkeit des Kreisauer Kreises im Widerstand gegen den Nationalsozialismus
1933
Nach der NS-Machtergreifung wird Theodor Haubach, Sozialdemokrat, Publizist und 1929 Pressesprecher des Reichsinnenministers Carl Severing, kurz inhaftiert. Hermann Maaß (23.10.1897-20.10.1944) wird seines Amtes als Geschäftsführer des Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände enthoben.
23. März Julius Leber, sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, wird vor dem Betreten des provisorischen Reichstagsgebäudes, der Kontrolloper, verhaftet und in Ketten abgeführt. Zunächst wird er in das Lübecker Untersuchungsgefängnis Marstall, dann im September 1933 in die Lübecker Strafanstalt Lauerhof eingeliefert. Im Januar 1934 wird er ins Gefängnis von Wolfenbüttel verlegt. Dort verbringt er 14 Monate. Im März 1935 wird er ins Konzentrationslager Esterwegen gebracht und im August 1936 ins Konzentrationslager Sachsenhausen verlegt.
24. April Aus politischen Gründen wird der Pädagoge Adolf Reichwein (Professor für Geschichte und Staatsbürgerkunde und Sozialdemokrat) aus der neu eröffneten Pädagogischen Akademie in Halle/Saale entlassen.
Mai Hans Lukaschek (22.5.1885-26.1.1960), der in der Weimarer Republik Mitglied der Zentrumspartei gewesen war, wird seiner Ämter als Oberpräsident der preußischen Provinz Oberschlesien und Regierungspräsident von Oppeln enthoben.
13. Juli Der Sozialdemokrat und frühere Reichstagsabgeordnete Carlo Mierendorff, der den Nationalsozialisten ein Stachel in der Haut ist, seitdem er die “Boxheimer Dokumente” an die Öffentlichkeit gebracht hat, wird verhaftet. Am folgenden Tag wird die SPD reichsweit verboten. Am 21. Juni 1933 wird Mierendorff ins KZ Osthofen – das zu den ersten “wilden” Konzentrationslagern zählte – gebracht. Dort wird er so brutal zusammengeschlagen, dass er ins nächste Krankenhaus (Worms) gebracht werden muss. Anschließend wird er zunächst wieder ins KZ Osthofen verschleppt. Anfang November 1933 wird Mierendorff in dem KZ Börgermoor eingeliefert. Dort trifft er den früheren hessischen Innenminister, stellvertretenden Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner (15.6.1890-29.9.1944) wieder, dessen engster Mitarbeiter er 1929/1930 gewesen war.
Herbst Schorsch Maier, Universitätsassistent in Römischem Recht und Freund von Hans-Bernd von Haeften (seit 1. Mai 1933 im Auswärtigen Amt / Attachéausbildung), wird in das Konzentrationslager Sachsenhausen eingeliefert.
1. Dezember Zusammen mit anderen politischen Häftlingen, u. a. Wilhelm Leuschner, wird Carlo Mierendorff nach Papenburg gebracht. Anschließend wird Mierendorff für drei Jahre in das Konzentrationslager Lichtenburg eingeliefert. Im Sommer 1937 wird er in das KZ Buchenwald eingeliefert.
1934
Aus politischen Gründen muss der Sozialdemokrat Horst von Einsiedel vom Statistischen Reichsamt ausscheiden. Eugen Gerstenmaier (25.8.1906-13.3.1986), Theologe, wird im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Deutschen Christen – mit dem von den Nationalsozialisten eingesetzten Reichsbischof Müller – durch die Gestapo für kurze Zeit inhaftiert. Theodor Steltzer wird seines Postens als Landrat im Kreis Rendsburg enthoben und acht Monate in Untersuchungshaft gehalten. Als er frei kommt, bleibt er vom Staats- und Verwaltungsdienst ausgeschlossen.
März Die Nationalsozialisten verhängen über Pastor Martin Niemöller (14.1.1892-6.3.1984) ein zeitweiliges Redeverbot.
24. November Theodor Haubach wird verhaftet und in das Konzentrationslager Esterwegen-Börgermoor eingeliefert. Dort bleibt er zwei Jahre.
1935
– Berthold Graf Stauffenberg arbeitet als Völkerrechtler im Kaiser-Wilhelm-Institut sowie im “Ausschuss für Kriegsrecht”, wo er die Leitung für die Fachrichtung “Seekriegsrecht” übernimmt. (Der Ausschuß wurde infolge einer Initiative der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaft gebildet. Bis 1937 war er an das Kriegsministerium, ab Januar 1938 an das O.K.W. angegliedert.)
– Mehrere hundert Pfarrer werden verhaftet. Unter ihnen: Pastor Niemöller.
4. Juni Während der dritten Bekenntnissynode in Augsburg (2.-6.6.1935) regt Dietrich Bonhoeffer die Bildung eines Ökumenischen Amtes der Bekennenden Kirche an. In einem Brief an Präses D. Koch vom 4. Juni nennt er als “für die engere Mitarbeit erwünscht”: “Leg.Sekr. Hans-Bernd von Haeften – Dahlem, sehr für die Sache interessiert und bereit, viel Zeit dafür herzugeben, ganz bei uns”.
September Von seiner Anwaltskanzlei für Völkerrecht und Internationales Privatrecht aus, die er Anfang d. J. zusammen mit einem Spezialisten für amerikanisches Recht, Karl von Lewinski, in Berlin aufgemacht hat, fängt Moltke an, die bei dem NSDAP-Parteitag (10.-16. Sept. 1935) verkündeten Nürnberger Gesetze zu bekämpfen. Mit allen rechtlichen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, versucht er, das Los der Juden sowie auch weiterer Verfolgten zu erleichtern und ihnen zur Auswanderung zu verhelfen.
1936
September Theodor Haubach wird aus dem Konzentrationslager Esterwegen-Börgermoor entlassen.
1937
5. Mai Julius Leber wird aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen entlassen.
1. Juli Pastor Niemöller erneut von der Gestapo festgenommen.
November In London lernen sich Helmuth James von Moltke und Adam von Trott zu Solz kennen. Die beiden Juristen sind sich einig in ihrem tiefen Abscheu vor der nationalsozialistischen Verhöhnung von Recht und Moral. Eine Meinungsverschiedenheit gibt es über die Appeasement-Politik, die nicht die Zustimmung von Moltke findet.
1938-1939: Vorphase der Widerstandsarbeit des Kreisauer Kreises.
1938
10. Januar Hans-Bernd von Haeften, Attaché im Auswärtigen Amt, der enge Verbindungen zu der Bekennenden Kirche (im besonderen zu Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller) hat, schreibt an seine Frau, Barbara von Haeften, dass er aus der Presse gelesen habe, “daß alle evangelischen Pfarrer jetzt aus der Haft entlassen seien, leider mit Ausnahme von Niemöller. (…)”.
Februar Carlo Mierendorff wird aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen.
– Am 7. Februar wird Martin Niemöller “als persönlicher Gefangener Hitlers” ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Er kommt in Isolierhaft.
28. April In einem Brief an die Großeltern schreibt Moltke zu den Verordnungen zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben: “But in the last two days new decrees have been promulgated which touched several of our clients and so it was a good thing that I was here in order to take my share of work. It would have been highly inconvenient for Dr. von Lewinski if he had to do the work himself.”
1. Oktober Peter Yorck wird – ohne Parteimitgliedschaft – zum Oberregierungsrat befördert. Bei seiner Beförderung bringt eine Dienststelle des Stellvertreters Hitlers für Personalfragen allerdings “unmißverständlich zum Ausdruck (…), daß eine weitere Beförderung nicht befürwortet werden könne, wenn Graf Yorck in seiner passiven Haltung gegenüber den nationalsozialistischen Organisationen beharre”. Damit “kommt Yorcks Karriere endgültig zum Stillstand” (Detlef Graf von Schwerin).
20. November In einem Brief an seine Großmutter Rose Innes zeigt sich Moltke über die Judenpogrome (8.-13.11.1938) schockiert und erschrocken. Entschlossen, den Juden zu helfen, das Land zu verlassen, beklagt er, dass der “ganze Standpunkt und die Atmosphäre” in Deutschland “entschieden bolschewistisch” seien: “(…) I have skipped a week in writing, because I had not time to do so before I left Germany and when I finally left the pogrom was in full swing and I had to devote all my time to trying to get people out. In the meantime I have been called to the Bar here, and have started discussing the possibility of taking chambers with somebody whose practice is also slighty on the international field. But as I was busy with matters concerning the pogrom in Germany I have not had sufficient time to do so, and so I will come back in December. (…)
This evening we are returning to Germany. Of course you can imagine, that we do so with very mixed feelings. (…) The whole outlook and atmosphere is definitely bolhewist and I am seeing the day drawing nearer, when we will be forced to leave the country. (…).”
Ende November Unter dem Eindruck des Einmarsches deutscher Truppen in das Sudetenland und der Judenpogrome ergreift Peter Graf Yorck von Wartenburg die Initiative, Freunde, Verwandte und Spezialisten regelmäßig in seinem Berliner Hause zusammenzubringen, um sich mit der Frage einer Neuordnung intensiv zu befassen. Bis etwa zum Frühjahr 1940 treffen sich regelmäßig in der Hortensienstraße 50: Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg (5.9.1902-10.8.1944), Nikolaus Graf Uexküll (1877-1944), Caesar von Hofacker (1896-1944), Albrecht von Kessel, Otto Ehrensberger, Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg. Unter anderen besprochenen Themen: “Ideen über eine zukünftige Verfassung des deutschen Volkes”.
Ab Ende November
Nach den Judenpogromen nutzen auch Kessel und Schulenburg ihre Dienststellungen im Auswärtigen Amt und als stellvertr. Polizeipräsident von Berlin aus, um Juden zu helfen.
1939
Februar Auch Moltke, der nach bestandenem Staatsexamen als Barrister in London, am 15. Februar 1939 nach Berlin zurückkommt, nimmt die Verbindung mit alten Freunden wieder auf und lernt andere Regimegegner kennen: Horst von Einsiedel – der Kontakte mit Arvid Harnack pflegt -, Adolf Reichwein, Arnold Borsig, Theo Haubach. Durch Einsiedel lernt er Otto von der Gablentz und den Rechtsanwalt Eduard Waetjen näher kennen. Gedankenaustausch über die Judenverfolgung sowie über Europas Zukunft und die Notwendigkeit, nach einem Zusammenbruch des Dritten Reiches die deutsche Gesellschaft zu reorganisieren.
Als Anwalt bemüht sich Moltke, Juden aus dem Land zu bringen.
Ende April 1939 Adam von Trott zu Solz wird eine Beamtenstellung im Auswärtigen Amt (Legationssekretär) angeboten. Ribbentrop lehnt aber dessen Übernahme als Legationssekretär ab, u.a. weil er nicht in der Partei ist.
Mai Moltke lernt bei seinem Freund Wallace Deuel, dem Korrespondenten der “Chicago Daily News”, den Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft, Alexander Comstock Kirk, kennen. Kirk übt diese Funktion aus, da die Amerikaner ihren Botschafter nach den Judenpogromen zurückgezogen haben. Aus diesem Kennenlernen entwickelt sich ein intensiver Gedankenaustausch über die Lage in NS-Deutschland.
1. Juni Mehrere Vertreter des deutschen Widerstandes werden nach London geschickt, um zu versuchen, die britische Regierung über die Situation der Opposition zu informieren:
Adam von Trott zu Trott am 1. Juni 1939. Trotts Freund, David Astor, organisiert auf seinem Landsitz (Cliveden) eine Zusammenkunft mit Verfechtern der Appeasement-Politik: Außenminister Halifax, Lord Lothian (dem britischen Botschafter in Washington und Vorsitzenden des Cecil-Rhodes-Komitees) und Sir Thomas Inskip (Kolonialminister und früherer Chef des Verteidigungsressorts).
Noch im gleichen Monat Erich Kordt (Leiter des Ministerbüros im Auswärtigen Amt), Fabian von Schlabrendorff und Oberst Schwerin.
7. Juni Treffen bei Premier Chamberlain in Downing Street No. 10: Es treffen sich David und John Astor – die das Treffen zustande gebracht haben -, Adam von Trott zu Solz, Premier Chamberlain und Lord Dunglass, der Parlamentarische Staatssekretär.
Im gleichen Monat macht Trott eine zweite Reise in England. Seine Oxforder Bekannten zeigen sich mißtrauisch. Maurice Bowra, der Rektor des Wadham College in Oxford, verdächtigt ihn, “doppeltes Spiel” zu betreiben, und warnt amerikanische Freunde von ihm, u.a. Felix Frankfurter, den Richter am Obersten Bundesgericht der USA, einen Freund von Roosevelt, vor Trotts Vorhaben, sich im Herbst mit einflussreichen amerikanischen Politikern zu treffen, um Verhandlungsmöglichkeiten zu finden.
5. August Im Zuge der Mobilmachung wird Peter Yorck in die Wehrmacht einberufen. Wegen Bandscheibenproblemen wird er aber kurz nachher felddienstuntauglich geschrieben.
23. August Ribbentrop-Molotov-Pakt. Adam von Trott zu Solz gibt David Astor ein Memorandum über den Standpunkt und die innenpolitische Lage der Opposition.
September Zwei Wochen nach Kriegsanfang wird Helmuth James von Moltke zum Kriegsverwaltungsrat ernannt und in die völkerrechtliche Gruppe der Abteilung Ausland der vom Konteradmiral Canaris geführten Amtsgruppe Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (Ecke Tirpitzufer – Bendlerstraße, jetzt Reichpietschufer – Stauffenbergstraße) dienstverpflichtet.
Mit Männern wie Hans von Dohnanyi (1902-1945), Hans Oster (1888-1945) und Major Tafel, einem Verwandten Bonhoeffers, wird die Abwehr zu einem der Hauptzentren der Militäropposition.
Sept./Oktober Adolf Reichwein nimmt alte politische Verbindungen wieder auf. Begegnungen mit engen Freunden: Julius Leber, Carlo Mierendorff, Theodor Haubach. Reichweins Arbeitszimmer im Berliner Prinzessinnenpalais Unter den Linden (Museum für Deutsche Volkskunde) wird zum Treffpunkt der mit ihm befreundeten Widerstandskämpfer.
Oktober Nach dem Polenfeldzug übt Peter Yorck sein Amt als Jurist im Reichskommissariat für Preisbildung (Regierungsassessor Bearbeiter für Landwirtschafts- und Preisfragen) wieder aus.
Ende Oktober entwickeln Adam von Trott zu Solz und Paul Scheffer (Chefredakteur der “Deutschen Allgemeinen Zeitung”) die Idee, ein Memorandum zu schreiben, um die US-Regierung über die Situation in Deutschland sowie über die Situation des deutschen Widerstandes zu informieren.
Anfang November
Moltke wird angewiesen, als Vertreter der Abt. Ausland an Sitzungen des Sonderstabes für Handelskrieg und Wirtschaftliche Kampfmaßnahmen im O.K.W. (H.W.K.) teilzunehmen.
24.-27. November
In der Frage der Wirtschaftskriegsführung gegenüber England gelingt es Moltke im Rahmen seiner Mitarbeit im Sonderstab H.W.K. Einfluss zu nehmen. Vom 24. bis zum 27. November wehrt er sich gegen eine “Weisung für die Kriegführung” vom 18.10 sowie gegen eine der “Richtlinien für die Kriegführung gegen die feindliche Wirtschaft” und erreicht einen “Aufschub”. Er berichtet seiner Gattin, Freya von Moltke, am 27. November: “Von früh an habe ich bis spät in die Nacht in einer Minorität von 1:25 eine Kriegsmassnahme bekämpft. Es war eine viehische Anstrengung, zumal die anderen mir immer mit einem bereits vorliegenden Führerbefehl operierten. … Heute habe ich in meiner Sache gesiegt. Aber es war wie ein Sieg über die Hydra. Einen Kopf habe ich dem Ungeheuer abgehauen und 10 neue sind gewachsen. Jedenfalls habe ich mich nach diesem Sieg so elend gefühlt, daß ich nach Hause gegangen bin und habe Tee getrunken.”
Winter 1939/1940
Reise Adam von Trott zu Solz’ nach Amerika (22. September 1939 – Januar 1940) um zu versuchen, die Existenz eines anderen Deutschland zu bezeugen, glaubwürdig zu machen und im Namen dessen zu verhandeln. Trott trifft am 20. November und am 8. Dezember mit dem Assistant Secretary of State, Mr. G.S. Messersmith zusammen, der ihn bei dem Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft in Berlin, Alexander Comstock Kirk, einführt, sowie auch bei Lord Lothian, dem britischen Botschafter in Washington und Vorsitzenden des Cecil-Rhodes-Komitees. Trott trifft sich mit einem Kreis von befreundeten Emigranten, so zum Beispiel mit Julie Braun-Vogelstein, der Witwe des Sozialdemokraten Heinrich Braun, Hasso von Seebach, einem sozialdemokratischen Freund von Trott oder auch Ingrid Warburg, Paul Scheffer und anderen. Aus mehreren intensiven Diskussionen entsteht eine Denkschrift über die Situation in Deutschland und die Probleme, die sich nach dem Krieg stellen werden. Auch interessant in dieser Denkschrift sind erstens die Werbung bei den USA für ein Bündnis der “constructive elements” sowie der Appell an die “solidarische Verantwortung der westlichen Welt” (H. Rothfels). Trott gelingt es, sie dem State Department zukommen zu lassen, dennoch gelingt es ihm nicht “die Mauer des Mißtrauens zu durchbrechen” (Hans Rothfels). Im besonderen bei Felix Morley, dem damaligen Herausgeber der “Washington Post” findet Trott zu Solz dennoch Anteilnahme an der politischen Situation in Deutschland. Morleys Tagebucheintragung vom 20. November 1939 spiegelt die Probleme wider, die sich dem deutschen Widerstand stellten: “(…) Adam von Trott (…) is devoting most of his time to developing a receptive attitude here towards the big change which he thinks is coming in Germany. For this purpose, also, he is in contact with the more prominent of the refugees, or I should say the more influential which is not the same thing. We talked for two hours yesterday – the same today.
It is a heroic work in which this noble and idealistic young German is engaged. It may very easily cost him his life and he knows that he is constantly under surveillance, though whether by FBI men or agents of the Gestapo he is uncertain. (…)
The chief problem, of course, is how to insure that a war of extermination against the Nazis will not force behind them the elements beginning to cohere for Hitler’s overthrow. And here von Trott confirms my feeling that if a Danzig formula could have been found there would have been no further aggression – because of the coalescing of anti-Nazi sentiment in Germany. (…)
My chief fear, which von Trott also confirms, is that we may get a leftward swing in Germany which will make an active Nazi-Communist combine – a working military alliance – a ghastly reality. The problem is not so much the overthrow of Hitler, as so many seem to think, but rather what will succeed him. On this von Trott has many thoughtful ideas. (…)”
Morley versucht, Trott zu Solz bei dem Staatssekretär Cordell Hull und sogar bei Präsident Roosevelt einzuführen: “The problem was to get him in direct touch with Secretary Hull, bypassing Undersecretary Sumner Welles who I knew would be unsympathetic. As I knew Hull well and had his confidence, this was not difficult. I further endeavoured to get him a private talk with President Roosevelt, but sougt to arrange this indirectly because Roosevelt did not like my editorial policy. This meeting with the president was apparently arranged, but as I recall fell through…” (Brief an Clarita von Trott zu Solz vom 24.12.1957).
Dezember Morleys indirekter Versuch, durch Heinrich Brüning Trott zu Solz eine Privatbesprechung bei Präsident Roosevelt zu verschaffen, scheitert: “(…) Von Trott’ efforts were reinforced by other prominent refugees, including Dr. Heinrich Brüning, Catholic pre-Nazi German Chancellor, who visited the White House for this purpose in December 1939. President Roosevelt at first showed interest in the appeal for support of the German Underground but soon, apparently on the advice of men close to him, discouraged further contacts. Von Trott was even denounced as a Nazi agent, which is bitterly ironical in view of the sequel. (…)” (Alexander Maley am 27. Februar 1946 in Morleys Zeitschrift “Human Events”, 3. Jg.).
Das von Trott und Paul Scheffer im Oktober vorbereitete und verfasste Memorandum erreicht Präsident Roosevelt, der es zwar “mit lebhaftem Interesse” gelesen haben soll (Tobias Hoh nach Sykes). Lediglich Felix Frankfurter, „der das Bestehen eines deutschen Widerstandes überhaupt bezweifelte“ (Alexander Böker, Sept. 1965 in T. Hoh) – Freund von Maurice Bowra und von Roosevelt – erhält auch eine Kopie des Memorandums und zeigt sich ihm gegenüber sehr misstrauisch. Dies hat zur Folge, dass ein Treffen mit Roosevelt nicht stattfindet und dass das Federal Bureau of Investigation Trott zu Solz unterstellt, ja verdächtigt, ein „Nazi Master Spy“ zu sein. Insgesamt ist Adam von Trott zu Solz enttäuscht von der vorurteilbehafteten Ignoranz, die im Weißen Haus und im State Department herrscht. Am 17. Januar 1940 reist Adam Trott aus Amerika aus.
1940: Gründungsphase.
1940
Jahreswechsel In Moltkes Wohnung an der Derfflingerstraße 50 treffen sich Helmuth James v. Moltke, Hans-Bernd von Haeften, Fritz-Dietlof von der Schulenburg, Horst von Einsiedel und Otto-Heinrich von der Gablentz.
9. Januar Aus den Verhandlungen Trotts mit dem State Department ergibt sich nur ein leichter Wink an den Geschäftsträger in Berlin, der sich skeptisch zeigt. Dem Assistant Secretary of State, Mr. Messersmith, antwortet er am 9.1.1940: “I shall be glad to see him when he reaches Berlin. We occasionally meet persons of his persuasion and have already indicated to the Dep. the kind of view they are prone to express…” (zitiert nach VfZ 12 (1964), H. 3., S. 307).
16. Januar Erstes Treffen zwischen Helmuth James von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg. Das Treffen findet in dem Hause von Peter Yorck am Botanischen Garten, Hortensienstraße 50, statt. Das Haus Hortensienstraße 50 wird zum häufigen Treffpunkt für „Kreisauer“ Diskussionen. (Peter Graf Yorck von Wartenburg und Helmuth James von Moltke waren zwar ferne Verwandte, dennoch war das das erste Mal, dass sie absichtlich zusammentrafen. Die ältere Schwester von Peter Yorck, Davida, war die Frau von Hans Adolf von Moltke. Hans Adolf von Moltke, deutscher Botschaftsrat in der Türkei, war der Vetter von Helmuth Moltkes Vater).
Mitte Februar Moltkes Kenntnisse des Völkerrechts und des englischen Rechts veranlassen den Chef des Sonderstabes für Handelskrieg und Wirtschaftliche Kampfmaßnahmen im OKW, Admiral Schuster, ihn in seinen Stab (Bendlerstraße) aufzunehmen. In der Hoffnung, dass er durch eine Mitarbeit im HWK die Möglichkeit haben könnte, Übergriffe in den neutralen Staaten zu mildern und gar zu verhindern, tritt Moltke Mitte Februar seinen Dienst an. Von nun an teilt Moltke seinen Arbeitstag zwischen zwei Dienststellen, resp. zwischen 4 Büros: HWK, Abwehr, Institut und Rechtsanwaltskanzlei.
10. Februar – 13. März
Eine große Enttäuschung für Adam von Trott und für die deutsche Widerstandsbewegung insgesamt ist der Europabesuch des außenpolitischen Beraters von Präsident Roosevelt, Under Secretary of State Sumner Welles. In Berlin ignoriert Sumner Welles faktisch die deutsche Opposition und kommt nur mit offiziellen Gesprächspartnern zusammen. Einziger “inoffizieller” Gesprächspartner von Welles ist Hjalmar Schacht (1939 als Reichsbankpräsident zurückgetreten, bis Januar 1943 dennoch Minister ohne Geschäftsbereich).
27. Mai Im März 1940 nach Deutschland zurückgekehrt, nimmt Trott den Kontakt zu Moltke und Hans Peters wieder auf. Am 3. Juni 1940 wird er – ohne bis zu diesem Zeitpunkt der NSDAP oder einer anderen NS-Organisation beigetreten zu sein – als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes zugeteilt. (Wegen mehrerer Interventionsversuche im Sommer 1939 war er dem Reichsaußenminister von Ribbentrop besonders antipathisch). Im Auswärtigen Amt lernt er einen Gleichgesinnten kennen: Hans-Bernd von Haeften, der ab Oktober 1940 und bis 1943 stellvertretender Leiter der Informationsabteilung ist. Um sich zu tarnen, tritt Trott auch der NSDAP bei.
5. Juni Bei Yorcks treffen sich Peter Yorck, Moltke und Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg. Von der Schulenburg betätigt sich im Laufe des Krieges als Vermittler zur Gruppe um Carl Goerdeler und zum militärischen Widerstand.
16. Juni Nach einer großen Phase der Depression, die durch die Gewaltverbrechen der SS und des SD in Polen, in Norwegen und in Dänemark ausgebrochen war, widmet sich Helmuth James von Moltke der Frage nach der Gesellschaft, die in Deutschland nach einer Beseitigung des „infâme“ verwirklicht werden sollte. Um eine Antwort zu finden, liest er zuerst klassische philosophische Texte zur Politik: Voltaires Biographie Karls XII., Spinoza, Kant, der Freiherr vom Stein, Tolstoi, Alexander Hamiltons Federalist, Lionel Curtis Civitas Dei. Auf der Grundlage dieser Studien fängt er an, mit Gleichgesinnten die Fragen nach der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisation grundsätzlich durchzudenken. Ein intensiver Briefwechsel mit Horst von Einsiedel, Peter Yorck und Otto Heinrich von der Gablentz entsteht. Am 16. Juni schreibt Moltke Horst von Einsiedel:
“…Die Verhältnisse werden uns nicht zu Hilfe kommen, und wir werden sie erst meistern, nachdem wir uns über sie klar geworden sind und sie innerlich bezwungen haben. Wir sind von dem Umschwung noch so weit entfernt wie Voltaire von der Französischen Revolution, als er sich zur Übung machte, seine Briefe mit den Worten zu schließen: écrasez l´infâme.”
Schwerpunkt des Briefes: Wirtschaftsfragen.
17. Juni Kurz nach dem Einmarsch in Paris schreibt Moltke Peter Yorck einen Brief, der den Auftakt zur systematischen Zusammenarbeit bildet: “…Lieber Yorck, nun, da wir damit rechnen müssen, einen Triumph des Bösen zu erleben und, während wir gerüstet waren, alles Leid und Unglück auf uns zu nehmen, statt dessen im Begriff sind, einen viel schlimmeren Sumpf von äußerem Glück, Wohlbehagen und Wohlstand durchwaten zu müssen, ist es wichtiger als je, sich über die Grundlagen einer positiven Staatslehre klar zu werden. (…) Sie erinnern sich vielleicht der Wette: Schulenburg war bereit zu wetten, daß innerhalb von zehn Jahren ein Staat bestehen würde, den wir voll billigen können. Ich war bereit, die Negative dieser Behauptung aufrechtzuerhalten. Wir kamen zur Frage der Definition eines solchen Staates, und ich schlug als Kriterium die Gerechtigkeit vor, so daß Schulenburg also gewonnen haben sollte, wenn wir innerhalb von zehn Jahren in den Grenzen, die durch die menschliche Unzulänglichkeit gesetzt sind, einen gerechten Staat hätten. (…)”
In diesem Brief, der von der Lektüre von Spinozas Theologisch-politischem Traktat eindeutig beeinflusst wurde, legt Moltke Grundsätze zur Staatslehre dar:
“1. Es ist nicht die Bestimmung des Staates, Menschen zu beherrschen und durch Gewalt oder durch Furcht vor Gewaltanwendung zu zügeln, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, die Menschen in eine solche Beziehung zueinander zu bringen und sie darin zu erhalten, daß der Einzelmensch von jeder Furcht befreit in voller Sicherheit und doch ohne Schaden für seinen Nächsten zu leben und zu handeln vermag.
2. Es ist nicht die Bestimmung des Staates, Menschen zu wilden Tieren oder zu Maschinen zu machen, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, dem Einzelmenschen denjenigen Rückhalt zu geben, der es ihm ermöglicht, Körper, Geist und Verstand ungehindert zu betätigen und zu entwickeln.
3. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, unbedingten Gehorsam und blinden Glauben an sich oder an etwas Anderes vom Menschen zu fordern, vielmehr ist es die Bestimmung des Staates, den Einzelmenschen dahin zu führen, daß er nach den Geboten der Vernunft lebt, diese Vernunft bei allen Dingen betätigt und ihn zugleich zu leiten, daß er seine Kraft nicht in Haß, Ärger, Neid verschwendet oder sonst unrecht handelt.
Die letzte Bestimmung des Staates ist es daher, der Hüter der Freiheit des Einzelmenschen zu sein. Dann ist es ein gerechter Staat. (…).”
27. Juni Moltke und Prof. Ernst Martin Schmitz (stellvertretender Direktor des Instituts für ausl. Öff. Recht und Völkerrecht der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft) exponieren sich als Vertreter der völkerrechtlichen Gruppe der Abwehr in einer Sitzung der Akademie für Deutsches Recht mit einer Stellungnahme gegen ein Memorandum von Himmler über die Behandlung von Polen und den Einsatz der SS und des SD in den besetzten Gebieten. Am 27. Juni schreibt er an Freya von Moltke: “… Heute morgen haben Schmitz und ich einen heftigen Kampf in der Akademie für Deutsches Recht um die Stellung der Polen in dem von uns besetzten Gebiet geführt. ….Leider nutzt es nichts, aber immerhin haben wir unsere eigene Ehre gerettet.”
28. Juni Moltke nimmt den Kontakt zu Adolf Reichwein wieder auf, den er aus der Zeit der work camps in Schlesien kennt. Reichwein, Pädagoge und Sozialdemokrat, hat Kontakte zu den Arbeiterführern und im besonderen zu Carlo Mierendorff. Moltke kündigt seiner Frau Freya am selben Tag “eine systematische Pflege” der Verbindung (zu Reichwein) an.
7. Juli Brief Yorcks an Moltke: “(…) Der Freiheitsbegriff ist nun soviel Wandlungen unterworfen gewesen, daß es der Klarstellung bedarf, in welchem Sinne er an dieser Stelle gebraucht wird. (…) Diese Rückbezogenheit von Einzelmensch und Gemeinschaft scheint mir bei der Erörterung das Wesentliche und in ihr liegt die Kumulation von Recht und Pflicht, die ich in dem Gespräch als Hypothek auf dem Einzelmenschen bezeichnete. Ich wollte damit die Freiheit für sich selbst umwerten zu der Freiheit für die Anderen, die nach meinem Dafürhalten nur die Grundlage staatlichen Lebens sein kann. Ich wollte zum Ausdruck bringen, daß die Zeit der Bedrängnis, die trotz der äußeren Erfolge kommen wird, die Pflicht zum gemeinnützigen Handeln, zum ‚Dienen‘ besonders hervortreten lassen wird. Doch das geschieht im Rahmen der Rechtsidee, wonach die objektive staatliche und rechtliche Ordnung zugleich ein persönliches Rechtsgut des Einzelnen ist, der nicht der politischen Willkür des allgewaltigen Staates ausgeliefert sein darf, demgegenüber sich der Staat vielmehr auch in dem Verhältnis von Pflicht und Recht befindet.
Ein Zweites Wesentliches gilt es noch zu beachten, daß nämlich Recht und Sittlichkeit untrennbar zusammengehören und auch der Staatswille sich der Sittlichkeit beugen muß. Der Wahre Inhalt des Staates ergibt sich mir nun dort, wo er als Trieb göttlicher Ordnung den Menschen erscheint und von ihnen empfunden wird. …”
12. Juli Brief Moltkes an Yorck: „… M.E: würden wir die geistige Gemeinschaft mit den Besten der anderen Nationen zerstören, falls wir uns dazu hergeben würden, sie mit einem Zustand auszusöhnen, der gerade beseitigt werden muß, um sie wie uns aus der Spannung zwischen Erkenntnis und Erscheinungsform zu lösen. … Es ist unsere Aufgabe, uns zu einer so klaren Erkenntnis durchzuringen, daß wir es uns und anderen ermöglichen, aus dieser Klarheit heraus die jetzige Erscheinungsform zu überwinden. … „
15. Juli – Brief Moltkes an Yorck: “(…) 1. Ich habe den Eindruck, daß wir noch über zwei verschiedene Dinge sprechen: ich über das Staatsrecht, Sie über die Stellung des Einzelnen zum Staate. ‚Freiheit für die Anderen‘ kann nur ein Einzelner haben; zwingt der Staat sie ihm auf, dann ist es eben nicht mehr Freiheit. ‚Dienen‘ in dem von uns gebrauchten Sinne kann man nur freiwillig. (…) 2. Ich bin mir nicht klar, ob Ihre These, daß der Staat einem sittlichen Gebot untersteht, richtig ist. Ich neige zu der Auffassung, daß Ethik ein Postulat an den Einzelnen ist; jeder Inhaber der staatlichen Macht muß sich zwar unter einem ethischen Gesetz stehend fühlen, aber nicht der Staat als solcher. … Für den Einzelnen aber gilt der Satz Kant’s: Handele so, daß Dein Handeln als allgemeine Richtschnur genommen werden könnte.(…)
3. Ihr Wort, daß ‚der Staat … als Trieb göttlicher Ordnung …erscheint‘, hätte ich auch gerne mit Ihnen erörtert. (…) Ich halte es für außerordentlich gefährlich, einer staatlichen Ordnung eine religiöse Erklärung und einen religiösen Unterbau zu geben. (…).”
– Brief Moltkes an Einsiedel.
Wirtschaftsfragen werden erörtert und neu formuliert.
20. Juli Infolge des Briefwechsels treffen sich Yorck und Moltke bei Yorcks an der Hortensienstraße.
21. Juli Brief Moltkes an Yorck. Er schickt ihm einen Aufsatz “Das Bild des abendländischen Staates“ zurück und begründet, warum er den Aufsatz nicht überzeugend findet: „(…) Die Schrift ‚Das Bild des abendländischen Staates‘ nimmt (…) auch neben der Offenbarung die christliche Morallehre zu Hilfe. Wenn aber die Offenbarung kein Staatsrecht enthält, kann sie auch über das Verhältnis von Morallehre und Staatsrecht nichts aussagen. Verläßt uns aber die Offenbarung, so bleiben uns von dem Standpunkt dieser Schrift aus neben der freien Spekulation nur die Vernunftschlüsse vor. – Nach meiner Auffassung beruht das Staatsrecht überhaupt auf Vernunftschlüssen ohne Offenbarungsgehalt, so daß sich für mich diese Wahl überhaupt nicht stellt.(…)”
6. August In einem Brief an Annemarie Pallat (nahe Verwandte von A. Reichwein) erwähnt Adolf Reichwein eine Besprechung mit Carl Dietrich von Trotha. (Carl Dietrich von Trotha, ein Vetter von Helmuth James von Moltke, stand u.a. durch seine Arbeit im Reichswirtschaftsministerium in Verbindung mit der Widerstandsgruppe um Arvid Harnack).
7. August In einer Besprechung mit dem Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, General der Infanterie Alexander Freiherr von Falkenhausen, versucht Moltke mit der Frage des Internationalen Rechts für die Behandlung Belgiens durch die SS – Frage der wirtschaftlichen und politischen Folgen der Ausplünderung Belgiens – auf ihn einzuwirken. Der General zeigt sich „tief bekümmert“, dennoch kann Moltke leider nichts mehr erwirken.
9. August Brief von Peter Yorck an Moltke, in dem er die Staatslehre theologisch begründet. Yorck zitiert eine Stelle aus dem Matthäus-Evangelium: “(…) Im Gegensatz zu Ihnen meine ich, daß Staatslehre überhaupt nur von der Theologie her zu begründen ist. Ohne eine solche Begründung kommt man rettungslos in das Dilemma zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, wie es Max Weber in seinem Vortrag ‚Politik als Beruf‘ aufgezeichnet hat. (…) Der Fehler sowohl der Gesinnungs- wie der Verantwortungsethik ist, daß beide ausgerichtet sind auf Selbstbehauptung, und nicht auf Hingabe. ‚Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?’ Oder lateinisch: ‚Propter vatam vivendi perdere causas’. Die Frage nach den Causae vitae ist nur zu beantworten, wenn ich das Vertrauen habe, daß die Welt sinnvoll ist, und daß der demütige Mensch diesen Sinn verstehen und nach diesem Verständnis gestalten kann. Die richtige Ethik hat also ‚theonom’ zu sein (Tillich). Das heißt nun für die Staatslehre: Der Staat hat einen Sinn, soweit er sich ausrichtet nach dem Maßstab des Reiches Gottes, nämlich durch den freien Menschen die richtige Ordnung der Dinge zu verwirklichen. Der Staatsmann, der um diesen Maßstab weiß, kommt nicht mehr in Zwiespalt zwischen persönlicher und politischer Ethik. Es ist seine politische Pflicht, aus Liebe und Achtung zu handeln, und nicht aus dem Haß (…).”
15. August Ein Brief von Moltke an Freya vom 15.8. erwähnt zum ersten Mal das Kennenlernen des Reichsgerichtsrats Hans von Dohnanyi. Dohnanyi, auch Jurist, wurde wie Moltke bei Kriegsbeginn zum Amt Ausland/Abwehr einberufen. Dort arbeitete er als Sonderführer eng mit Oster. Bis zur Verhaftung Moltkes versuchen Dohnanyi und Moltke von ihrer Position aus im Amt Ausland/Abwehr verbrecherischen Verordnungen und Befehlen des OKW entgegenzuwirken.
16.-19. August In Kreisau treffen sich Moltke, Peter und Marion Yorck, Einsiedel und Waetjen. Fragen der Erziehung werden besprochen.
23. August Treffen zwischen Peter Yorck und Moltke.
Besprechung zwischen Moltke und Reichwein und zwischen Moltke und Gablentz.
31. August Brief von Moltke an Otto von der Gablentz bzw. an Yorck bez. Formulierungen der Grundsätze der Staatslehre.
1. September Brief Moltkes an Yorck: “(…) Das Merkmal der gerechten Staates (ist) die Freiheit des Einzelnen, und zwar jedes Einzelnen. (…) Nun kommt der Gegenpol, die Gebundenheit des Einzelnen, die genau so wichtig ist, und die Sie einmal ‚die Hypothek auf die Freiheit‘ und einmal ‚die Pflicht zum Dienen‘ an der Allgemeinheit und die ‚Rückbezogenheit auf die Gemeinschaft‘ nennen. Diese Worte befriedigen mich nicht; einen Teil der Gründe habe ich Ihnen bereits auseinandergesetzt. Ich will Sie hiermit fragen, ob Sie mit dem Begriff der ‚natürlichen Ordnung‘ oder der ‚Ordnung aus der Natur der Dinge‘ etwas anfangen können. Die Gegenpole lauteten dann: Freiheit im Rahmen der natürlichen Ordnung. Das wäre es, was das Staatsrecht zu verwirklichen bestrebt sein müßte. (…)”
7. September – Antwort von Otto von der Gablentz auf den Brief von Moltke vom 31.8.
– Erste Sitzung des am 30. August auf Initiative von Moltke und Schmitz gebildeten Ausschusses zur Fortbildung des Kriegsrechts. Vorsitz: Admiral Gladisch. Mitglieder: Moltke, Schmitz und Berthold von Stauffenberg. (Dieser Ausschuss war Nachfolger eines ebenfalls unter Gladischs Leitung stehenden “Ausschusses Kriegsrecht” aus den Jahren 1935 bis 1938. Berthold Stauffenberg hatte in dessen Rahmen eine “Prisenordnung” und eine “Prisengerichtsordnung” bearbeitet, die 1939 erlassen wurden. Vom neugebildeten Ausschuss werden im Laufe des Krieges mehrere Gutachten zum Seekriegsrechts sowie zur Landkriegsordnung entworfen, die aber vom Wehrmachtsführungsstab nicht beachtet werden.)
9. September Besprechung zwischen Moltke und Adolf Reichwein.
10. September Besprechung zwischen Moltke und Adam von Trott zu Solz.
Ende September Aufenthalt Freya und Helmuth Moltkes bei den Yorcks in Kauern.
11.Oktober Alexander Comstock Kirk, der Geschäftsträger der amerikanischen Botschaft, scheidet aus Deutschland: Er überträgt die Pflege des Kontaktes zu Moltke dem Diplomaten George F. Kennan. Kennan schreibt später in seinen Memoiren: “Kirk übergab, ehe er im Oktober 1940 aus Deutschland schied, den heikelsten und wertvollsten seiner heimlichen ‚Kontakte‘ zum deutschen Widerstand in meine persönliche Obhut.” Kennan schätzte Moltke sehr hoch ein, er betrachtete ihn als “eine moralische Stütze und eine stete Quelle politischer und geistiger Inspiration”, dennoch verschwieg er Washington seine Kontakte. Nie berichtete er nach Washington, was ihm Moltke mitteilte. Grund: Die amerikanische Regierung konnte sich nicht vorstellen, dass es einen deutschen Widerstand gab. Den Kontakt zwischen Kennan und Moltke gab es bis Dezember 1941. Im Dezember 1941 wird Kennan inhaftiert. Im Sommer 1942 kann er in die USA zurückkehren. Er wird dann als Botschaftsrat nach Lissabon geschickt.
20. Oktober In einer Denkschrift “Über die Grundlagen der Staatslehre” faßt Moltke die Ergebnisse des Gedankenaustausches mit Peter Yorck, Horst von Einsiedel und Otto Heinrich von der Gablentz zusammen. Moltke und Yorck haben jetzt eine tragfähige Basis für die weitere Zusammenarbeit:
“(…) Es ist der Sinn des Staates, Menschen die Freiheit zu verschaffen, die es ihnen ermöglicht, die natürliche Ordnung zu erkennen und zu ihrer Verwirklichung beizutragen. (…)
Dem Einzelnen die Freiheit zu verschaffen, ist eine wesentliche Aufgabe des Staates. Das erfordert, den Menschen von Unterdrückung durch andere Menschen freizuhalten, ihm die Gelegenheit zu geben, sich durch Betätigung die Wirtschaftsgüter zu verschaffen, die ihn zum Herrn über die Natur werden lassen und ihm hierdurch den Grund zu Haß und Furcht zu nehmen. Dieser Teil der These ist offenbar und bedarf daher keiner weiteren Erörterung: der unfreie Mensch ist ein Tier oder eine Maschine. (…)
Soweit das Recht (…) meine Freiheit begrenzt, beeinträchtigt es nicht meine Freiheit sondern schränkt meine Willkür auf das Gebiet der Freiheit ein. Die Macht, die eingesetzt wird, um meine Willkür zwangsweise einzuschränken, erkenne ich als rechtmäßig an. Ich erkenne als Recht in diesem Sinne jedoch nur diejenigen mich einschränkenden Maßnahmen an, die nicht der Willkür anderer Menschen entspringen, die unter Überschreitung der Grenzen ihrer Freiheit, die meine zu beeinträchtigen trachten. Das gilt vor allem von der Willkür des Rechtsetzers. Recht im wahren Sinn des Wortes kann daher nicht aus der Willkür Einzelner stammen, sondern muß sich aus der Natur der Dinge, oder, wie ich es oben genannt habe, der natürlichen Ordnung ergeben. Machtanwendung ohne solches Recht ist Willkür. ; Recht ohne die Stütze der Macht ist wertlos gegen rechtswidrige Willkür. Damit komme ich zu dem Ergebnis, daß die Machtanwendung zum Zwecke der Durchsetzung der natürlichen Ordnung rechtmäßig und keine Beschränkung der Freiheit, sondern lediglich der Willkür ist. (…)
Staatsmänner sind diejenigen, die den Sinn des Staates zu erfüllen beauftragt sind. Sie leiten eine amoralische Maschine, deren Tätigkeit ihren Sinn von ihnen ableitet. (…) Daher ist der rechte Staatsmann in der Regel der christliche Staatsmann. Er wird den christlichen Glauben als den Quell benutzen, aus dem er die Kraft schöpft, die Gebote der Morallehre in seinen Handlungen als Organ des Staates zu befolgen. (…)
Schließlich ist der Glaube ein wesentlicher Faktor in der Kritik an dem Staate und an den Handlungen seiner Organe. Eine breite Schicht gläubiger Menschen wird den Staatsmann nach den ethischen Geboten beurteilen, die sie aus ihrem Glauben schöpft, und das Bewußtsein dieser Kritik wird wieder geeignet sein, den Staatsmann auf dem rechten Wege zu halten. Eine glaubenslose Masse kann jeder Staatsmann bestechen, eine Schicht gläubiger Menschen jedoch nicht. (…)
Der Staat bedarf des Glaubens: Zur Ausbildung des rechten Staatsmannes, zur Erziehung des Staatsbürgers zur Erkenntnis der natürlichen Ordnung und zur Erhaltung einer wirklichen Kritik an den Handlungen der Organe des Staates.”
4. November In einem Brief an Pfarrer Konrad Möckel (ev. Pfarrer in Kronstadt) schreibt Hans-Bernd von Haeften: “(…) Geben Sie alle säkularisierbaren Vorfelder frei, aber widerstehen Sie auf dem eigentlichen, dem geistlichen Kampffeld ohne Rücksicht auf Trümmer. Die Fassade des 800jährigen Gebäudes wird ohnehin zu Bruch gehen. Legen Sie unbekümmert um den prasselnden Schutt den Grundstein zu dem künftigen Neubau, es wird ein lächerlich kleiner Stein sein, aber der erste Anfang eines Domes. (…).”
9. November Treffen zwischen Moltke, Einsiedel und Gablentz.
10. November Treffen zwischen Moltke und Yorck an der Hortensienstraße, um die letzten Meinungsverschiedenheiten “Über die Grundlagen der Staatslehre” zu beseitigen.
27. November (Letztes) Treffen zwischen Moltke und Wallace Deuel, dem Korrespondenten der “Chicago Daily News”. Moltke übergibt ihm drei Botschaften für “Freunde ausserhalb Deutschlands”.
Ende 1940 bis Ende 1941: Bezugsgruppenphase. Erweiterung des Kreises und seiner Tätigkeit.
10. Dezember Bei Yorcks in der Hortensienstraße treffen sich: Peter Yorck, Moltke, Hermann Josef Abs (1901-1994) – Bank- und Finanzmann und Finanzdiplomat, der seit 1930 mit Yorck befreundet ist -, der Legationsrat Albrecht von Kessel und Schulenburg.
Albrecht von Kessel gehörte zu derjenigen Diplomatengruppe des Auswärtigen Amtes, die seit 1938 aktiv gegen den Nationalsozialismus arbeitete: Eduard Brücklmeier, Gottfried von Nostitz, Hans-Bernd von Haeften und Adam von Trott zu Solz. Es war Gottfried von Nostitz, von 1938 bis 1940 als Verbindungsbeamter des Auswärtigen Amtes zum OKW, der die Verbindung zwischen den Verschwörern im Auswärtigen Amt und der Widerstandsgruppe in der Abwehr hergestellt hatte.
(Schulenburg war am 9. November 1940 in Brest-Kujawsk Zeuge eines Judenpogroms gewesen. Seinem Regimentskameraden Axel von der Bussche äußerte er zu diesem Zeitpunkt: “Man müßte schießen, um diesen Methoden Einhalt zu gebieten. Nur der bewaffnete Aufstand werde eine Änderung, nur die gewaltsame Ausschaltung des allein befehlenden Mannes die heilsame Wandlung herbeiführen können.” (Detlef Graf von Schwerin).
1941
24. April Moltke, “Ausgangslage, Ziele und Aufgaben”. Denkschrift. (Staatsaufbau; Verhältnis zwischen dem Staat und dem Einzelnen).
14. Mai Treffen zwischen Moltke, Adam von Trott zu Solz und Hans-Bernd von Haeften – Legationsrat im Auswärtigen Amt -, um sich über eine intensive Zusammenarbeit zu einigen. Am 15. schreibt Moltke an seine Frau: “(…) Es ist eine große Anstrengung, solche Leute für die ‚große Lösung‘ zu gewinnen, weil sie zu sehr die Routine kennen. Ist es dann aber gelungen, dann hat man auch einen zuverlässigen Wegbereiter – ich meine Haeften…”
Mai In einem Brief an Prof. Herbert Krimm bringt Hans-Bernd von Haeften Gedanken zum Ausdruck, die mit anderen Kreisauern diskutiert werden. Beide gehören zur Michaelsbruderschaft. Beide stehen in Kontakt mit norwegischen Kirchenleuten und Widerstandskämpfern. Krimm ist wie Steltzer beim Heerestransportwesen tätig: “(…) Wenn nun in der weltlichen Ordnung oder Unordnung Ereignisse oder Zustände eintreten, die das geistliche Heil der Menschen gefährden, wenn die Politik die Bürger in Lagen bringt, die sie als Christen nicht verantworten können, dann kommt es zu jenen Kreuzungen und Schnittpunkten von Staat und Kirche, die häufig und unvermeidlich sind (…) An solchen Überschneidungsstellen aber, die natürlich mehr oder minder kritisch, Entscheidung fordernd, auch mehr oder weniger eindeutig sein können, verbietet es ihr Bischofsamt der Kirche ‚zu schweigen wie ein stummer Hund’. Hier gebietet ihr die seelsorgerlische Pflicht zu reden, zu verkünden und zu ermahnen… Wenn die christlichen Völker so wie heute vom Wahnsinn politischer Dämonien gepackt werden, dann muß die seelsorgerliche Stimme der Kirche auch öffentlich ertönen und Zeugnis ablegen vor aller Welt. (…).”
Juni In einem Brief an Percy E. Corbett fordert Adam von Trott zu Solz eine “europäische Revolution”. Klemens von Klemperer: “(…) Die ‚Europäische Revolution’, über die er im Juni 1941 an Professor Percy E. Corbett geschrieben hatte, verlangte nach einer umfassenderen Regelung, die eine gewisse Ostorientierung erforderlich machte und in der Russland ein bestimmter Platz zukam. (…)”
9. Juni Moltke, “Ausgangslage und Aufgaben”. Denkschrift. (Verortung Deutschlands in Europa; Außenpolitik).
Sommer 1941 – Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion verstärkt Moltke die Kontakte zuerst mit den Kirchen, die bisher durch Gablentz hergestellt worden waren.
Da er den Kommunismus gleich wie den Nationalsozialismus als “infâme” betrachtet, zeigt er sich besorgt über die schlechten Nachrichten aus der sowjetischen Front und er macht sich zur Aufgabe, auch die Kontakte mit den Arbeiterführern zu verstärken. Sein Ziel ist es, auch sie für eine Zusammenarbeit an dem gesellschaftlichen und politischen Wiederaufbau zu gewinnen. Im Juli 1941 lernt er durch Einsiedel den Sozialdemokraten und früheren Reichstagsabgeordneten, Carlo Mierendorff gründlich kennen. Aus einem intensiven Gedankenaustausch entwickelt sich eine programmatische Zusammenarbeit.
– Am 11. Juli wird Pastor Martin Niemöller als “persönlicher Gefangener Hitlers” ins Konzentrationslager Dachau verlegt. Dort bleibt er bis 1945.
– Im Sommer 1941 habe sich Peter Yorck von Wartenburg mit Männern des 20. Juli und mit Eberhard Zwirner (Bekannter von Adolf Reichwein) in Warschau getroffen. Polnische Freunde haben sie über die Verbrechen an Juden und Polen informiert. Aus der Auslegung von Römer 13 habe Peter Yorck schon zu diesem Zeitpunkt den Schluss gezogen, dass eine Obrigkeit, die ihren Pflichten nicht nachkomme, beseitigt werden müsse und dass die physische Beseitigung Hitlers notwendig sei. (Gabriele C. Pallat).
Juli und August Moltke trifft sich mehrmals mit Yorck, Einsiedel, Gablentz und Trott, um sich über Inhalt und Struktur von Nachkriegsplänen zu einigen.
5. September Erstes Treffen zwischen Moltke und dem katholischen Bischof von Berlin, Konrad Graf Preysing (bei dem Moltke von Hans Peters eingeführt worden war). Hauptthema des Gespräches ist der Protest des Bischofes von Münster, Clemens August von Galen – in Formen von Hirtenbriefen und Predigten – gegen das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten. (Aktion “T 4”, die im September 1939 offiziell erlassen worden war. Im besonderen am 14. und 21. Juli und 3. August 1941 hatte der Bischof von Galen drei Predigten über die Rechtlosigkeit und über die Tötung von Geisteskranken gehalten. Die Aktion „T 4“ wurde offiziell am 24. August 1941 eingestellt, dennoch wurde weiter gemordet.)
15. September Stellungnahme des Amtes Ausland/Abwehr gegen den „Kommissarbefehl“ und den „Gerichtsbarkeitserlaß ‚Barbarossa’“.
Als die Abt. Ausland nachträglich über den „Kommissarbefehl“, über die Weisung zur Einschränkung der Kriegsgerichtsbarkeit sowie über Heydrichs Einsatzbefehl Nr. 8 vom 17. Juli 1941 – der die Abstellung von Kommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD in die Kriegsgefangenenlager im besetzten Gebiet, im Operationsgebiet und im Reich anordnete – informiert wird, erhebt Moltke scharfe Einwendungen. Am 15. September schreibt er im Namen des Chefs der Amtsgruppe Ausland in der Form einer “Vortragsnotiz für den Chef des O.K.W” seine Einwendungen nieder. Die Vortragsnotiz, die von Canaris gezeichnet wird, erörtert die Frage der Behandlung russischer Kriegsgefangener. In einem Absatz wendet sich Moltke gegen Hitlers Erlaß vom 13. Mai 1941 über die Ausschaltung der Kriegsgerichtsbarkeit in den zu besetzenden sowjetischen Gebieten sowie gegen den “Kommissarbefehl” vom 6. Juni 1941 des O.K.W., der die “Liquidierung” politischer Kommissare in der UdSSR vorsah: “Gegen sie bestehen nach Ansicht Amt Ausl/Abw. sowohl vom grundsätzlichen Standpunkt aus als auch wegen der sicherlich eintretenden nachteiligen Folgen in politischer und militärischer Hinsicht schwere Bedenken”. Keitels Antwort war nur eine Randbemerkung: “Diese Bedenken entsprechen den soldatischen Auffassungen vom ritterlichen Krieg. Hier handelt es sich um die Vernichtung einer Weltanschauung. Deshalb billige ich die Maßnahmen und decke sie.” (23.9.1941)
23. September Moltke lernt den evangelischen Seelsorger Harald Poelchau (5.10.1903-29.4.1972) kennen. Wie Adolf Reichwein, Carlo Mierendorff und Theo Haubach war Harald Poelchau ein Religiöser Sozialist gewesen. Seit 1933 ist Poelchau Gefangenenseelsorger in Berlin-Tegel und kennt dadurch viele Regimegegner.
28. September Zusammenkunft an der Hortensienstraße 50: Peter Yorck von Wartenburg, Helmuth James von Moltke und Ludwig Beck. (Im August 1938 hatte Ludwig Beck sein Amt als Chef des Generalstabes der Armee niedergelegt. Seitdem wurde er als Führer und mögliches Staatsoberhaupt betrachtet.) Am gleichen Tag schreibt Moltke an Freya über die Besprechung: “(…) Zuerst hatte ich etwa eine halbe Stunde mit Yorck allein zu sprechen und dann kam der Gast des Abends und war sehr erfreulich. Es war ein sehr gelungener Abend und man kann nur hoffen, daß er zum Schmieden des Eisens beiträgt. (…)”
29. September Zusammenkunft: Peter Yorck von Wartenburg, Moltke, Carlo Mierendorff und Adolf Reichwein.
10.-12. Oktober Erstes vorbereitendes Gespräch über Agrarfragen. Es treffen sich auf dem Gut von Ernst und Barbara von Borsig in Groß-Behnitz: Helmuth und Freya von Moltke, Peter und Marion von Yorck, Adam und Clarita von Trott zu Solz, Botho von Wussow mit Margarete von Wussow.
15. Oktober Durch Carl Ludwig von Guttenberg lernt Moltke den Jesuiten Augustin Rösch (11.5.1893-7.11.1961) kennen. Peter Augustin Rösch steht als Jesuit schon seit 1935 im Konflikt mit dem Regime. Eine gründliche Diskussion über die innere Lage Deutschlands und die Stellung der Kirchen bildet den Auftakt zu einer Zusammenarbeit mit den Kreisauern.
18. Oktober Adolf Reichwein, Gedanken über Erziehung. Denkschrift. Einer der Kerngedanken: “(…) Ziel der Lehrerbildung also muß gerade künftig sein, einen geistig selbständigen, sittlich festen und verantwortungsfähigen Lehrer heranzubilden, dem man später in der Schule weitgehende Selbständigkeit geben kann. (…)
Zur inneren Festigung der schon länger im Berufe stehenden Lehrer, zur Erweckung ihrer Eigenkräfte und Stärkung ihres Selbstvertrauens ist ein sofort beginnendes Erziehungswerk vonnöten, das sich in Form von Lehrgängen übers ganze Land erstrecken muß und dessen Träger das der Erziehungsbehörde unterstehende Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, ein von bürokratischen Hemmungen freies, auf aktuelle Arbeitsaufgaben eingestelltes Institut, sein sollte. (…)” (Erziehungsfragen: Grundfragen der postdiktatorischen “Neuordnung”)
21. Oktober Unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen verzweifelt Moltke. Über die “mangelhaften Reaktionen des Militärs” ist er enttäuscht. In einem Brief an Freya schreibt er am 21. Oktober: “(…) Das, was mir augenblicklich am nächsten geht, sind die mangelhaften Reaktionen des Militärs. Falkenhausen und Stülpnagel sind an ihre Plätze zurückgekehrt, statt nach den letzten Vorfällen abzugehen; neue, schreckliche Befehle werden gegeben, und niemand scheint etwas dabei zu finden. Wie soll man die Mitschuld tragen?
In Serbien sind an einem Ort zwei Dörfer eingeäschert worden, 1700 Männer und 240 Frauen von den Einwohnern sind hingerichtet. Das ist die ‚Strafe’ für den Überfall auf drei deutsche Soldaten. In Griechenland sind 240 Männer eines Dorfes erschossen worden. Das Dorf wurde niedergebrannt, Frauen und Kinder an der Stätte zurückgelassen, um ihre Männer und Väter und ihre Heimstatt zu beweinen. In Frankreich finden umfangreiche Erschießungen statt, während ich hier schreibe. So werden täglich sicher mehr als tausend Menschen ermordet, und wieder Tausende deutscher Männer werden an den Mord gewöhnt. Und das alles ist noch ein Kinderspiel gegen das, was in Polen und Rußland geschieht. Darf ich denn das erfahren und trotzdem in meiner geheizten Wohnung am Tisch sitzen und Tee trinken? Mach ich mich dadurch nicht mitschuldig? (…) Seit Sonnabend werden die Berliner Juden zusammengetrieben. (…)”
6. November Auf die Verzweiflung und Enttäuschung über diejenigen, die nicht reagieren, folgt Entrüstung. Am 6. November schreibt Moltke an Freya: “(…) Sicher ist es bequemer, sich nur für einige wenige Leute verantwortlich zu fühlen und zugleich mit Scheuklappen nicht zu sehen oder vielmehr nicht sehen zu wollen, was für Unheil durch die Art angerichtet wird, in der man sich dieser Verantwortung entledigt, nicht sehen zu wollen, daß man Mord und Raub verteidigt. In Wirklichkeit sind diese Menschen die Crux und das Übel, nicht die Verbrecher. Verbrecher gibt es überall und hat es überall gegeben, aber es ist die unabweisbare Aufgabe aller Rechtschaffenen, die Verbrechen klein zu halten, und wer sich dieser Aufgabe entzieht, der ist mehr schuld an den Verbrechen als der Verbrecher selbst. (…)”
7. November In einer Sitzung im Auswärtigen Amt greift H. J. von Moltke dezidiert die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz an, die den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit sowie die Beschlagnahme des Vermögens der zur Deportation bestimmten deutschen Juden vorsah. Moltke gelingt es tatsächlich, für einige Tage “dem Rad der Judenverfolgung zumindest hemmend ein wenig in die Speichen zu fahren”, indem er ein Veto des O.K.W. erreicht. Die Verordnung, Teil der “Nürnberger Gesetze von 1935”, kann dennoch nur noch für ein paar Tage aufgehalten werden, denn sie hatte bereits die Zustimmung aller Minister und des Chefs des O.K.W. (Wilhelm Keitel) gefunden. Über diese Männer schreibt Moltke am 8. November an seine Frau: “Sie sind wie Chamäleons: in einer gesunden Gesellschaft machen sie einen gesunden Eindruck, in einer kranken, wie der unseren, machen sie einen kranken. In Wahrheit sind sie weder das eine noch das andere. Sie sind Füllsel. Auch Füllsel muss es geben. Aber unerträglich ist es, wenn Füllsel, der die kranken Teile vergrössert, so tut als habe er eine moralische Berechtigung.” Am 11. November schreibt er: “…In dem Kampf gegen die neueste Judenverordnung habe ich immerhin erreicht, dass die 3 wichtigsten Generäle des OKW (gemeint sind Canaris, Thomas und Jodl) dem vierten (Reinecke, Chef des Allgemeinen Wehrmachtsamtes) geschrieben haben, um ihm zu sagen, dass er sofort die von ihm für den Chef OKW erteilte Zustimmung zurückziehen muss. Der nächste Gang ist also der, ob er es nun tut. Danach wird dann erst der eigentliche Kampf losgehen. Wäre es nicht großartig, wegen einer solchen Sache aus diesem Verein herausgeworfen zu werden?…” Am 25. November 1941 tritt die Verordnung trotz der Proteste von Moltke dennoch in Kraft: die deutschen Juden sind nun “staatenlos”.
13. November – Besprechung zwischen Moltke und dem katholischen Bischof von Berlin, Konrad Graf Preysing. Moltke bewegt den Bischof, der nationalsozialistischen Führung kräftig entgegenzutreten und sich einer Zusammenarbeit anzuschließen. Die St. Clemens-Kirche war von den Nazis gerade beschlagnahmt worden und der Dompropst von St. Hedwig, Bernhard Lichtenberg, war einige Tage vorher, am 23. Oktober 1941, als er für Juden betete, infolge der Denunziation durch zwei Studentinnen von der SS verhaftet worden. (Dompropst Lichtenberg hatte auch am 28. Oktober 1941 in einem Brief an Reichsführer Leonardo Conti gegen das “Euthanasieprogramm” heftig protestiert. Im Laufe des dreizehnstündigen Verhörs bietet er an, als Seelsorger jüdischen Verfolgten auf dem Weg der Deportation beizustehen. Nach zwei Jahren Gefängnis stirbt er am 5. November 1943 bei dem Transport in das Konzentrationslager Dachau.)
– Bei Yorck treffen sich Yorck, Moltke und Schulenburg. Am 14. schreibt Moltke seiner Frau: “(…) Abends war ich bei Yorcks. Schulenburg war da. Yorck und ich haben ihn für uns geworben und ich muss mich jetzt bemühen, die Voraussetzungen, die wir besprachen (,) zu schaffen. Der Abend dauerte bis 12.10 und es war nach 1 Uhr als ich ins Bett kam. Es war aber notwendig. (…)”
27. November Moltke und Peter Yorck entschließen sich, ihre Konzeptionen schriftlich zu fixieren.
Themen werden verteilt, Kalender festgelegt. Mit Josef Abs, Carlo Mierendorff und Horst von Einsiedel soll nun – im Rahmen von kleinen und regelmäßigen Zusammenkünften an “der Vorbereitung der Pfingstdiskussion in Kreisau” gearbeitet werden.
Dezember Vorbereitende Gespräche für die erste Tagung in Kreisau werden von Moltke und Yorck initiiert.
15. Dezember In den Tagen vor dem 15.12.1941 treffen sich bei Moltke in der Derfflingerstraße Moltke, Peter Yorck und Wilhelm Leuschner. Es ist der erste Kontakt mit Leuschner, der von Mierendorff eingeführt worden ist.
30. Dezember Carl Bernd von Moltke, Bruder von Helmuth, ist wahrscheinlich am 30. Dez. 1941 gefallen.
1942 bis Sommer 1943: Programmphase.
1942
7. Januar Moltke und seine Mitarbeiter der völkerrechtlichen Gruppe wenden sich mit Erfolg gegen eine Maßnahme der Abteilung Kriegsgefangene unter Oberstleutnant Breyer, die vorsah, für jeden in sowjetischer Gefangenschaft getöteten deutschen Soldaten 500 Juden aus Deutschland zu deportieren.
Zweite Woche Januar
Die Besprechungen und Aussprachen verdichten sich. Am 12. Januar schreibt Moltke an Freya: “(…) Diese Woche hat ein Riesenprogramm: heute mittags Reichwein, abends Einsiedel, morgen Kadgien & Gramsch zu Mittag bei Mangoldt irgendein Mann zu Abend, Mittwoch mittags Trott, abends wohl Ulla oder Tanten, Donnerstag mittag Hans Adolf, nachmittags mit Steltzer bei Preysing, abends Steltzer, Rösch, Gablentz, Yorck, Freitag mittag Yorck, Haeften, Guttenberg, Schulenburg bei mir, abends Friedrich (Mierendorff) und Genossen. Dazwischen werden noch eine ganze Reihe von Einzelbesprechungen eingebaut werden müssen und im Büro ist auch einiges zu tun. (…)”
2. Februar Treffen zwischen Moltke und Schulenburg.
10. März Heinrich Yorck von Wartenburg, der jüngste Bruder von Peter Yorck, fällt im Krieg.
13. bis 16. März Erste große Sitzung zu den Agrarfragen. Auf dem Gut von Ernst und Barbara von Borsig in Groß-Benitz treffen sich: Ernst und Barbara von Borsig, Fritz Christiansen-Weniger (Gutsbesitzer und Professor für Agrarwirtschaft), Hans von Galli SJ (1903-1986; Ökonom am Jesuitenkolleg Stella Matutina in Feldkirch/Vorarlberg), Helmuth James von Moltke, Margarete von zur Mühlen (1899-1958; Gutsbesitzerin), Peter Yorck von Wartenburg, Friedrich-Karl von Zitzewitz-Muttrin (1880-1966; ein pommerscher Gutsbesitzer und Bekannter Borsigs).
19. März Bei Yorcks treffen sich Peter Yorck, Moltke und Schulenburg.
24. März Aussprache zwischen Moltke, Yorck, Guttenberg, Schulenburg und Carlo Mierendorff.
3.-6. April Vorbereitendes Gespräch für die Tagung in Kreisau vom 22.-25. Mai.
10.-18. April Durch Abwehrauftrag (von Canaris) gedeckt, fahren Moltke und Dietrich Bonhoeffer nach Oslo um den Bischof von Oslo, Eivind Berggrav, zu retten. Theodor Steltzer, der zum Stab des Militärbefehlshabers in Norwegen, General Falkenhorst, gehörte, hatte Moltke über den Versuch des Reichskommissars Terboven, die Kirchen gleichzuschalten sowie über den Hausarrest am 2.4. und die darauffolgende Verhaftung des Bischofs Berggrav am 8.4. unterrichtet. Bischof Berggrav ist der Motor der norwegischen Widerstandsbewegung. Mit dem Hinweis auf die “Wehrmachtinteressen” gelingt es Moltke und Bonhoeffer, “Schlimmeres zu verhüten”: Bischof Berggrav wird am 16.4. aus dem Gefängnis entlassen, er wird ohne Prozess – auf Anweisung Martin Bormanns – lediglich wieder in den Hausarrest gestellt.
Durch Steltzers Vermittlung treffen Moltke und Bonhoeffer norwegische Widerstandskämpfer. Diese Reise führt Moltke und Bonhoeffer zum ersten Mal zusammen. (Wahrscheinlich haben sich Moltke und Bonhoeffer nicht wieder getroffen).
18. April In Stockholm gibt Moltke dem Bischof Bell von Chichester einen Brief zur Weiterleitung an Lionel Curtis (Freund der Familie Rose Innes – Moltkes Mutter -, Mitbegründer des Royal Institute of International Affairs und Fellow von All Souls College in Oxford.): Teil der Versuche der Kreisauer, mit den Engländern Kontakt aufzunehmen und Suche nach Verbindungen mit Widerstandsgruppen aus anderen Ländern.
Ende April Adam von Trott zu Solz, der “außenpolitische Experte” des Kreisauer Kreises, fährt nach Genf um dem Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Willem A. Visser’t Hooft, eine Denkschrift zu geben, mit der Bitte, sie Lord Geheimsiegelbewahrer Sir Richard Stafford Cripps zu übermitteln. Die Denkschrift ist das Ergebnis von mehreren Arbeitsdiskussionen zwischen Hans Schönfeld (Direktor der Forschungsabteilung des Ökumenischen Rates in Genf und seit 1929 mit Bischof Bell bekannt), Eugen Gerstenmaier, Adam von Trott zu Solz und Hans-Bernd von Haeften. Sie ist der Versuch, über die Möglichkeiten einer gesamteuropäisch-föderativen Zukunftsplanung mit der englischen Regierung in ein Gespräch zu kommen. Nach der Angabe des Bischofs Bell von Chichester zeigte sie Stafford Cripps dem Premier Churchill. Churchill quittierte die Denkschrift zwar mit der Randbemerkung “very encouraging”, dennoch unternahm er leider nichts. In dieser Denkschrift heißt es: “… The most urgent and immediate task to stave off catastrophe in Europe is the earliest possible overthrow of the Regime in Germany. The change can take place either by way of anarchical dissolution or by the establishment of a Government which would return to the standards of civilized Europe.
The first possibility would be tantamount to a wholesale European catastrophe. It would be inevitably linked up with Soviet military success and form the first step towards world revolution by military means.
A success of the second possibility is only conceivable if it is also linked up outside Germany with the final overcoming of European nationalism particularly in ist military expression.
The forces in Germany striving for the latter possibility are inspired by the ideas and the circles of the Christian opposition which has crystallized in years of struggle against national socialism. Militant Christianism in his widest sense is the only unbroken core of resistance within the Nazi state, and it has now formed powerful contacts with groups hitherto indifferent to Church and Religion. The key to their common efforts is a desperate attempt to rescue the substance of personal human integrity, equally threatened by Nazism and anarchic Bolschevism. Restitution of the unalienable right, divine and natural, of the human person forms their basic aim. The political and constitutional reconstruction, for which they are working, is conceived in terms of practical application of the Christian European tradition to modern human needs in the social, political, economic and international sphere.
Seizure of power by these forces in Germany is hindered by the following obstacles:
a)The dire necessity of national defence against the Soviet Union and against anarchical developments on the eastern frontier of Germany as well as in the Balkans.
b)Existing control of the entire national life by police (Gestapo) and the anticipated difficulty of dealing with nazi remnants and anarchical outbreaks after the nazi overthrow.
c)The complete uncertainty of the British and American attitude towards a change of government in Germany.
d)The movements of indiscriminate hatred anticipated in the event of a sudden relaxation of German control in the occupied parts of Europe.
The last two problems cannot be overcome without international co-operation even at this stage. (…)”
15. Mai Carlo Mierendorff führt Wilhelm Leuschner, sozialdemokratischer Gewerkschaftsführer, bei Moltke ein. Wilhelm Leuschner ist in Kontakt mit dem militärischen Widerstand. Er ist auch Carl Friedrich Goerdelers wichtigste Verbindung zu den Arbeitern und Gewerkschaftlern.
Mitte Mai Die Kreisauer Vorstellung von Europa. In einem Brief an seinen Freund Lionel Curtis schreibt Moltke Mitte Mai 1942: “(…) Für uns ist Europa nach dem Kriege weniger eine Frage von Grenzen und Soldaten, von komplizierten Organisationen oder großen Plänen. Europa nach dem Krieg ist die Frage: Wie kann das Bild des Menschen in den Herzen unserer Mitbürger aufgerichtet werden. Das ist eine Frage der Religion, der Erziehungen, der Bindungen an Arbeit und Familie, des richtigen Verhältnisses zwischen Verantwortung und Rechten. (…)”
22. Mai In einem Brief an seinen Freund Martin von Katte schreibt Peter Yorck über den Tod seines und Moltkes Bruder: “(…) Was ist es denn, wofür sie kämpfend starben? Ist es der Geist, der unsere Heere führt? Und liegt der Sinn dieses grauenvollen Krieges wirklich nur darin, das Nationalitätenprinzip neu zu bestätigen, das 150 Jahre Europas Geschichte bestimmte, in der aber zugleich das Abendland sein Gesicht verlor? Die Werte, die sie zu lieben trachteten und für die sie starben, liegen in tieferem Grunde und auf höherer Ebene. (…)”
22.-25. Mai Erste Tagung in Kreisau.
Auf dem Gut von Moltkes treffen sich: Helmuth und Freya von Moltke, Peter und Marion Yorck von Wartenburg, Irene Yorck von Wartenburg (Peters Schwester), Theodor Steltzer, Hans Peters, Adolf Reichwein, Harald Poelchau, Augustin Rösch, Hans Lukaschek.
Ablauf der Tagung: Referate / Diskussionen / Protokolle – Niederschriften.
1. Thema der Tagung: Staatsaufbau.
2. Thema: Das Verhältnis von Staat und Kirche in einem nach-nationalsozialistischen Deutschland.
3. Thema: Erziehungsfragen.
4. Thema: Hochschulreform.
Zu dem Themen Nr. 1 und 2 referieren: Steltzer (evangelische Stellungnahme), Rösch (katholische Stellungnahme), Peters (Konkordat von 1933).
Zu dem Thema Nr. 3 referiert: Reichwein (Erziehung und Schule), Nr. 4: Moltke (Reform und Universität).
Die Ergebnisse der Tagung:
– Grundsätzliche Erklärungen zu Universitäten und Hochschulen.
(Der Text soll führenden Leuten der Kirchen, Sozialisten und Gewerkschaftlern vorgelegt werden.)
Der Erfolg der Tagung bewegt Moltke, Rösch aufzufordern, ein ganzes Basisprogramm zu entwickeln und Vertreter der Arbeiterführer anzuschließen.
31. Mai Erste Reise von Adam von Trott zu Solz als „außenpolitischer Experte des Kreisauer Kreises“ nach Schweden. In Stockholm Begegnung zwischen Bischof Bell von Chichester und Pfarrer Schönfeld und Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer hatte mit seinem Freund Hans-Bernd von Haeften die Besprechung mit Bischof Bell vorbereitet. In Sigtuna treffen Adam von Trott zu Solz, Harry Johansson (Direktor des Nordischen Ökumenischen Instituts in Sigtuna), Bischof Bell, Dietrich Bonhoeffer und Hans Schönfeld zusammen.
2. Juni Besprechung bei Yorcks. Es treffen sich: Peter Yorck, Moltke, Steltzer, Haeften. Hans-Bend von Haeften berichtet über sein Treffen mit Dietrich Bonhoeffer und mit Bischof Bell von Chichester, die er über die Vorstellungen der Kreisauer informiert hat.
3. Juni Bei Moltke in der Derfflingerstraße 10 treffen sich zur Besprechung der Ergebnisse der Tagung in Kreisau: Moltke, Yorck, Steltzer, Haeften, und Eugen Gerstenmaier. Eugen Gerstenmaier stellte eine Verbindung zwischen den Kreisauern und Theophil Wurm (1868-1953), Bischof von Württemberg.
17. Juni Moltke informiert den Bischof von Berlin, Konrad von Preysing, über die Programme, Arbeiten und Pläne des Kreisauer Kreises.
Frühsommer Harry Johansson ergreift die Initiative zur Bildung einer kleinen Gruppe von christlich orientierten und einflußreichen Schweden, die die Verbindung mit dem Kreisauer Kreis aufrechterhalten soll. Zu dieser Gruppe gehören: Harry Johansson, Ivar Anderson (Chefredakteur des “Svenska Dagbladet”), die Bischöfe Manfred Björkquist und John Cullberg, Hardy Göransson (Oberdirektor der schwedischen Gefängnisse), K.F. Göransson (der Chef von Sandvikens Jernverk) und Nils Quensel (Kammergerichtspräsident). Im April 1943 tritt auch Ingvar Svennilson, Dozent an der Stockholmer Hochschule, der Gruppe bei.
24. Juni Bei Moltke treffen sich Moltke, Yorck, Gerstenmaier und Bischof Wurm. Ergebnisse der Kreisauer Tagung werden dem Bischof mit Erfolg vorgelegt; Bischof Wurm gibt seine Zustimmung für eine Zusammenarbeit.
1. Juli Bei Moltke in der Derfflingerstraße treffen sich Moltke, Peter Yorck und Carlo Mierendorff. In einem Brief an Freya vom 1.7.42 schreibt Moltke: “(…) Unterhaltung mit Friedrich gut wie immer. Keine besonderen neuen Gesichtspunkte. Nur haben wir die Frage der Wiedergutmachung an Arbeitern, Juden, Polen etc. lange angesprochen. Der Haupt-Kampf in der Gewerkschaftsfrage kommt nächste Woche. Bin gespannt, wie das ausgeht. Morgen wird sein Mann für den Staatsaufbau von ihm, Peter & mir bearbeitet. (…)”
7. Juli Bei Moltke in der Derfflingerstraße treffen sich Moltke, Yorck und Wilhelm Leuschner. Zwischen dem früheren Gewerkschaftsführer Leuschner und den Kreisauern ergeben sich Differenzen über die Gewerkschaftsfrage. Weitere Arbeit wird dennoch von beiden Seiten angestrebt. Am 8.7. schreibt Moltke an seine Frau: “(…) … Der gestrige Abend war rasend anstrengend. Es gab einen schweren Kampf, und wir sind nur soweit gekommen, daß wir die Ursache des abgrundtiefen Misstrauens des Onkels (Leuschner) aufgedeckt haben. Das Ergebnis war jedenfalls, daß wir ihn soweit kriegten, daß er zugab: ja, wenn sich die Faktoren wirklich so einstellen, dann ist eine völlig neue Lage gegeben und in dieser Lage können auch wir zu anderen Ergebnissen gelangen. (…).”
10. Juli Besprechung bei Trott und bei Yorck. Am 11. Juli schreibt Moltke an Freya: “(…) Gestern mittag ass ich bei Trott und nachher fuhren A.T. & ich zu Peter, um die weiteren Pläne zu erörtern. Etwas besonders Neues ist nicht herausgekommen, nur haben wir nach meiner Vorbesprechung mit C.D. (Carl Dietrich von Trotha) & Einsiedel von Donnerstag abend beschlossen, am 19.7. in meiner Abwesenheit in Behnitz ein Wochenende mit diesen beiden, Peter & Schmölders zu veranstalten, weil wir in der Sache, mit der wir Ostern steckengeblieben sind für die Oktobertage weiterkommen müssen…”
13. Juli Besprechungen bei Moltke und bei Yorck. Am gleichen Tag schreibt Moltke an seine Frau: “(…) Heute abend kommen Gerstenmaier & Peter um die Besprechung Wurm vorzubereiten. Morgen mittag isst Poelchau bei mir, abends Friedrich & Onkel (Leuschner) zur Fortsetzung des Grosskampfes. Mittwoch kommt Steltzer. (…)”
14. Juli – Mittags: Besprechung bei Moltke: Moltke und Poelchau über die Frage der Wiedergutmachung.
– Abends: Besprechung mit Leuschner. Moltke und Leuschner einigen sich über eine tragfähige Basis für eine weitere Arbeit zu der Gewerkschaftsfrage. Leuschner stellt die Verbindung zwischen den Kreisauern und einem anderen Arbeiterführer her, dem Sozialdemokraten Hermann Maaß. Hermann Maaß, Gewerkschaftler und Publizist, arbeitet seit 1937 in der Fabrik von Wilhelm Leuschner (Firma für Apparatebau und Leichtmetallentwicklung, Kreuzberger Eisenbahnstraße 5 in Berlin). Er wird zu einem wichtigen Verbindungsmann zur Militäropposition.
Am 15. Juli schreibt Moltke an Freya: “(…) – Gestern mittag die Unterhaltung mit Poelchau war befriedigend. (…) Der Abend mit dem Onkel (Leuschner) dauerte bis 12 Uhr nachts, brachte aber ganz erhebliche Fortschritte. Wir sind also so weit gekommen, wie wir kommen wollten, nämlich daß der Onkel uns einen Mann für Oktober delegieren wird. Über manches sind wir noch hinweggeglitten, aber eine breite Grundlage für weitere Arbeit ist doch gewonnen. (…)”
18.-20. Juli Vorbereitendes Gespräch für die zweite Sitzung zu den Agrarfragen. Auf dem Gut von Ernst von Borsig Groß-Behnitz treffen sich Moltke, Yorck, Einsiedel, Trotha, Schmölders und Borsig.
25.-27. Juli Zweite große Sitzung zu den Agrarfragen. Auf dem Gut von Ernst und Barbara von Borsig in Groß-Benitz treffen sich: Constantin von Dietze (1891-1973; Professor für Volkswirtschaft, Angehöriger des “Freiburger Kreises”), Horst von Einsiedel, Hans Krüger (1884 -…; Staatssekretär a.D. im preußischen Landwirtschaftsministerium, Mitverfasser des Agrarprogramms der SPD von 1927), August von Joest (1892-1972; ein Verwandter Moltkes).
30. Juli Aussprache bei Mierendorff. Es treffen sich: Mierendorff, Moltke und Hermann Maaß. Am 31. Juli schreibt Moltke an Freya: “(…) Gestern war also die grosse Aussprache mit Maass und mir bei Friedrich. Peter konnte leider nicht mitkommen. Das Ergebnis war befriedigend. Maass ist pedantisch, etwas lehrerhaft, ein schwieriger Gesprächspartner; auf seinem Spezialgebiet hervorragend beschlagen, mit grossem Verantwortungsgefühl und Ernst, gut vorbereitet. In der allgemeinen politischen Linie passt er gut, in Kreisau wird er der ideale Repräsentant des Onkels (Leuschner) sein. Heute abend sind Friedrich – Delp bei mir, morgen mittag Delp – Maass bei Peter. (…)”
Über Delp kommt der Kreisauer Kreis mit der bayerischen Widerstandsbewegung um den früheren Gesandten Franz Sperr in Verbindung. Franz Sperr (12.2.1878-23.1.1945), Jurist, war 1934 seines Amtes als Bayerischer Gesandter beim Reich enthoben.
August Mehrere Gespräche zur Vorbereitung der zweiten Tagung in Kreisau.
1. August Große Aussprache bei Yorcks in der Hortensienstraße. Vertreter der Kirchen werden zum ersten Mal mit Vertretern der Arbeiter zusammengebracht. Es treffen sich: Peter Yorck, Moltke, Carlo Mierendorff, Hermann Maaß, Alfred Delp, Pater Rösch. Weitere Besprechungen werden für den 21., 22. und 23. August vorgenommen. Am 2. August schreibt Moltke an Freya: “(…) Der gute Maass ergötzte uns wieder mit professoralen Ausführungen von 90 Minuten Länge: trocken, humorlos, sehr viele Banalitäten. Wir andern schliefen durch lange Strecken des Vortrags, Peter und ich ganz schamlos, und Friedrich (Mierendorff) verlor im Schlaf immer die erkaltete Zigarre aus dem Mund und davon erwachte er immer, sah mich an, lachte, hob sie auf und schlief dann wieder, bis er sie erneut verlor. Aber in diesen 90 Minuten wurde uns doch klar, daß hier ein Mann sprach, der über den Zustand der Arbeiterschaft wirklich etwas zu sagen hatte und in den 90 Minuten gab es auch Höhepunkte, wo wir alle gemeinsam gespannt zuhörten und manche Perle war zwischen den Banalitäten versteckt. Aber immerhin, solche Diskurse werde ich ihm in Kreisau nicht gestatten. (…).”
September Denkschrift von Einsiedel und von Trotha, “Die Gestaltungsaufgaben in der Wirtschaft”. (Wird Moltke vorgelegt).
7. September Die Verbindung mit Gerstenmaier wird intensiviert. Gerstenmaier wird zum “Hauptverbindungsmann” der Kreisauer zur evangelischen Kirche. Am 8. September schreibt Moltke an Freya: “(…) Gerstenmaier ist ein Mann, um den man sich Mühe geben muss, und der nicht von alleine in die Kategorie fällt, die einem passt, aber dafür lohnt es sich auch, und wenn es gelänge, ihn voll zu integrieren, so wäre das ein erheblicher Fortschritt. (…) Ich habe die Gelegenheit benutzt, mich über allerhand Fragen theologischer Dogmatik und der Kirchengeschichte belehren zu lassen, so über die heutige Bedeutung von Tridentinum und Augustana, die Stellung von Karl Barth, usw. (…)”.
9. September Besprechung zwischen Moltke und Schulenburg in der Derfflingerstraße. Schulenburg will versuchen, die ältere Generation um Goerdeler/Beck mit der jüngeren um Moltke/Yorck an einen Tisch zu bringen.
17. September Trotz der Aufdeckung und Zerschlagung der Widerstandsgruppe “Rote Kapelle” im Luftfahrtministerium Görings (Ende August- Anfang September 1942) und der darauffolgenden Untersuchungen in den anderen Ministerien pflegen die Kreisauer das Netzwerk ihrer Verbindungen zu dem Ausland weiter. In Oslo treffen sich Moltke und Steltzer mit Leuten aus dem norwegischen Widerstand – u. a. mit dem Bischof Berggrav, der immer noch unter Hausarrest steht – zusammen.
18.-28. September
Adam von Trott zu Solz fährt nach Schweden, um die von Moltke, Schönfeld (dem Direktor der Forschungsabteilung des Rates) und der Theologen des Kreisauer Kreises initiierten Kontakte weiter zu pflegen. Treffen mit Ivar Anderson, dem damaligen Herausgeber des “Svenska Dagbladet” und Mitglied der ersten Kammer des schwedischen Parlaments: “(…) Several times my Swedish friends (…) and I met Mr. Adam von Trott zu Solz… The principle subject for our discussions was how to inform British authorities about the sentiments in Germany, the strenght of the resistance-movement and the necessity to let the German people know that the policy of the Western powers was to crush the Hitler rule, not to destroy Germany.” (Brief von Anderson vom 6.3.1963, zitiert nach Tobias Hoh). Über die Treffen mit den Kreisauern informiert Anderson den schwedischen Außenminister, John Günther.
– 24.9.1942: Trott besucht den Kammergerichtspräsidenten Quensel.
– Harry Johansson führt Adam von Trott zu Solz bei dem damaligen Bischof von Växjö, Yngve Brilioth, ein. Brilioth pflegt Kontakte zu Bischof Bell und kann somit bei der Vermittlung von Informationen über die Widerstandsbewegung helfen.
10. Oktober Moltke berichtet seiner Frau über die “Tötungsfabriken” in dem deutschverwalteten zentralpolnischen sogen. Generalgouvernement Polen (Erlaß Hitlers vom 12.10.1939), dessen Generalgouverneur Hans Frank war, sowie über die drei Vernichtungslager Treblinka, Sobibor und Belzec: “Gestern vormittag war es insofern interessant, als der Mann, mit dem ich aß, gerade aus dem Gouvernement kam und uns authentisch über den ‚SS-Hochofen‘ berichtete. Ich habe es bisher nicht geglaubt, aber er hat mir versichert, daß es stimmte: in diesen Hochöfen werden täglich 6.000 Menschen ‚verarbeitet‘. Er war in einem Gefangenenlager, etwa sechs Kilometer entfernt, und die Offiziere dieses Lagers haben es ihm als absolut sicher berichtet.”
16.-18. Oktober Zweite Tagung in Kreisau.
(Gleicher Ablauf wie bei der ersten Tagung). Auf dem Gut der Moltkes treffen sich: Helmuth und Freya von Moltke, Peter und Marion Yorck von Wartenburg, Irene Yorck von Wartenburg, Horst von Einsiedel, Theodor Haubach, Eugen Gerstenmaier, Theodor Steltzer, Hans Peters, Alfred Delp, Hermann Maaß.
1. Thema der Tagung: Verfassungsaufbau.
2. Thema der Tagung: Wirtschaftsfragen.
Zu dem Thema Nr. 1 referieren Steltzer und Moltke, zu dem Thema Nr. 2 referiert Einsiedel.
Ergebnisse der Tagung: vereinbarter Text mit grundsätzlichen Erklärungen zum Staatsaufbau und zur Wirtschaft.
23.-24. Oktober In einem Brief an Yngve Brilioth berichtet Harry Johansson über die Pläne der deutschen Widerstandsbewegung (Staatsstreich und Zeit Danach): “Er betont besonders die Notwendigkeit, irgendeine Form von Einverständnis zwischen den angelsächsischen Mächten und Nach-Hitler-Deutschland zu erreichen: ‚Verständnis zwischen den Westmächten und dem neuen Regime’, so heißt es in dem Brief, ‚würde weiter dazu beitragen, die Risiken einer Bolschewisierung Zentraleuropas zu eliminieren. Damit meint man – wie es in unserem gespräch betont wurde – nicht in erster Linie den von außenkommenden russischen Kommunismus, sondern die innere Bolschewisierung, die in ganz Groß-Deutschland erfolgt.”
(Harry Johansson an Bischof Brilioth, 23.10.42; Archiv N.E.I., Sigtuna, zitiert nach Henrik Lindgren).
27. Oktober – Treffen zwischen Moltke und dem Bischof Preysing. Gespräch über einen Hirtenbrief, den Bischof Preysing geschrieben hat. Preysing, den Moltke “in blendender Verfassung” getroffen haben will (Brief an Freya vom 28.10.), schlägt in seinem Hirtenbrief vor, einen härteren Kurs gegen die NS-Kirchenpolitik einzuschlagen. Jedoch muss der Bischof seinen Hirtenbrief neu formulieren, weil andere Bischöfe den Vorschlag als zu hart empfinden.
– Bei Moltke treffen sich Moltke, Yorck und Schulenburg.
2. November Durch seine Stellungnahme gegen Hitlers Mordbefehl vom 18.10.1942, der die “Vernichtung feindlicher Sabotagetrupps” auch im Westen und in Afrika vorsah, exponiert sich H. J. von Moltke weiter. In einer Auseinandersetzung mit dem Chef der Abteilung Ausland des Amtes Abwehr im OKW, Admiral Leopold Bürckner, sagt er ihm dazu – zitiert aus dem Bericht an Freya vom 3.11.1942: “Solange es für mich Befehle gibt, die durch keinen Führerbefehl aufgehoben und denen auch gegen einen Führerbefehl Folge geleistet werden muss, kann ich solche Sachen nicht durchgehen lassen, denn für mich steht eben der Unterschied zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht a priori fest. Das ist kein Gegenstand von Zweckmässigkeitserwägungen oder Argumenten.”
3. November Bei Yorcks treffen sich Peter Yorck, Moltke, Schulenburg und Oberstleutnant Caesar von Hofacker (bis 1943 in der Wirtschaftsabteilung der Militärverwaltung in Frankreich, dann im persönlichen Stab des Generals Karl-Heinrich von Stülpnagel). Besprechung über die “europäische Zusammenarbeit mit England” (Moltke an Freya, am 4.11.42).
10. November Bei Yorcks treffen sich Peter Yorck, Moltke und Schulenburg. Am 11. November schreibt Moltke an Freya: “(…) Der gestrige Abend war recht produktiv. Es dauert lange, bis Fritz (Schulenburg) so ganz integriert ist, aber er ist auf dem besten Wege, und ich hoffe sehr, daß es nun bald gelungen sein wird. Er hatte zu den Kreisauer Texten eine ganze Menge constructive criticism zu offerieren, aber das bezog sich auf Einzelheiten, beruhte manchmal auf Missverständnissen und ging zum Teil auf Dinge, die wir auch nie schön gefunden hatten, wie die ‚Reichsfachämter‘. (…)”.
16. November Moltke, Trott, Steltzer, Gerstenmaier treffen sich bei Peter Yorck an der Hortensienstraße. In der Besprechung geht es um die “Frage der Übersetzung auf das europäische Niveau”, also um die Bemühungen, Kontakte zu Widerstandsbewegungen in den besetzten Ländern aufzunehmen. (Vgl. Klemens von Klemperer)
17. November Treffen von Moltke und Bischof Preysing bei Moltke. Bischof Preysing zeigt ihm die endgültige Fassung des Hirtenbriefes, in dem es u.a. heißt: “(…) Liebe darf niemanden ausschließen; schon gar nicht deshalb, weil er vielleicht eine andere Sprache spricht oder fremden Blutes ist. Jeder Mensch trägt das Ebenbild Gottes in seiner Seele. Jeder Mensch hat Recht auf Leben und Liebe. (…) Nie ist es erlaubt, Angehörigen fremder Rassen die menschlichen Rechte zu nehmen, das Recht auf Freiheit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf eine unauflösliche Ehe; nie ist es erlaubt, gegen irgendeinen solche Grausamkeiten zu verüben. (…).” Der Hirtenbrief wird am 13. Dezember 1942 in allen westdeutschen Diözesen vorgelesen.
24. November Bei Yorcks treffen sich Peter Yorck, Moltke und Schulenburg. Die Differenzen werden aufgehoben. Am 25.11. schreibt Moltke an Freya: “(…) Wir haben also gestern abend zu dritt geackert von 7 bis 11.20 und das war eigentlich ganz befriedigend. Der leichte Abstand, den Fritzi zu uns immer hatte, hat sich sichtlich verringert und ist wohl auf dem besten Wege ganz zu verschwinden. (…)”.
22. Dezember Erste Phase der Hinrichtungen der Angehörigen der Berliner Roten Kapelle.
Weihnachten In einem Brief an Herbert Krimm informiert Hans-Bernd von Haeften ihn über den Selbstmord eines gemeinsamen Freundes, Jochen Klepper: “(…) Seine Frau war Jüdin und hatte aus erster Ehe eine jüdische Tochter, die jetzt abgeholt werden sollte: welche seelischen Qualen diesem Entschluß bei Jochen Klepper vorangegangen sein müssen, ist unausdenkbar. Und welch eine Anklage gegen uns in vielerlei Weise, auch in der, daß es so wenig echte Gemeinde, so wenig christliche Bruderschaft, wirkliche Seelsorge gibt (…)”.
1943
6. Januar Besprechung zwischen Moltke, Schulenburg, Trott zu Solz, Gerstenmaier und Peter Yorck. Anschließend Besprechung zwischen Moltke und Haubach.
8. Januar Große aber wenig erfolgreiche Aussprache zwischen den Kreisauern und der Gruppe um Carl Friedrich Goerdeler bei Peter Yorck in der Hortensienstraße. Es treffen sich: Beck, Goerdeler, Hassell, Popitz, Jessen für die “Älteren” mit Moltke, Yorck, Trott, Schulenburg und Gerstenmaier für die “Jüngeren”.
10. Januar In München trifft Moltke Rösch, Delp, König, Delp und den Rechtsanwalt Josef Müller. (Verbindungsmann der Abwehr zum Vatikan).
14.-26. Januar Ein Schlag für die Kreisauer und für den gesamten deutschen Widerstand ist die von US-Präsident Franklin D. Roosevelt und dem britischen Premier Churchill auf der Konferenz von Casablanca verkündete Formel von der “bedingungslosen Kapitulation”. Adam von Trott zu Solz und Helmuth James von Moltke versuchen von nun an vergeblich mit den Alliierten zu verhandeln, um eine Zusicherung zu erhalten, dass eine deutsche Regierung nach der Beseitigung der nationalsozialistischen Führung korrekt behandelt werden würde.
Ende Januar In der Schweiz nimmt Adam von Trott zu Solz über Mittelsmänner – u.a. Visser‘ t Hooft – Kontakt zu Allen Welsh Dulles, dem Leiter des Office of Strategic Service in Bern, auf. Über Visser’t Hooft lässt er ihm Warnsignale zukommen, “die pharisäische Generalverdammung Deutschlands zu revidieren, den Vorsprung der Russen auf dem Gebiet der psychologischen Kriegsführung einzuholen und den deutschen Arbeitern gewisse Zusicherungen für die Nachkriegszeit zu machen (…)”.
6.-7. Februar In Groß-Behnitz treffen sich: Yorck, Moltke, Christiansen-Weniger und Borsig. (Agrarfragen).
18.- 22. Februar
Hinrichtung der Studentengruppe der „Weißen Rose“. Die Geschwister Scholl werden mit Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf und Prof. Kurt Huber am 18. Februar verhaftet. Inge und Hans Scholl werden mit Christoph Probst schon am 22. Februar hingerichtet.
Der katholische Schriftsteller Michael Brink hatte längere Zeit versucht, eine Verbindung zwischen Kurt Huber und Pater Delp herzustellen. Die Begegnung wurde aber immer hinausgeschoben.
März Ab März 1943 wohnt Moltke zusammen mit Yorck in der Hortensienstraße.
Ab dem 16. März
Moltkes Aufenthalt in Skandinavien.
Während seines Aufenthalts in Stockholm / Norwegen im März 1943 informiert Moltke den Bischof Berggrav in einer ersten Besprechung über das Schicksal der “Weißen Rose” und er bittet ihn, die Information auch der ausländischen Öffentlichkeit zukommen zu lassen.
Nacht vom 18. zum 19. März
In einer zweiten Besprechung mit Bischof Berggrav stellt ihm Moltke die Frage nach der christlichen Rechtfertigung des Tyrannenmordes. In seinem Tagebuch schreibt Bischof Berggrav: “Ich war nicht nur fasziniert von Moltkes Persönlichkeit, mich berührte auch die komplizierte und tragische Situation der deutschen Opposition gegen Hitler. Herzzerreißend war es, daran zu denken, wie sie kämpften, während alles gegen sie gerichtet war.” (Zitiert nach Klemens von Klemperer).
20. März Moltkes Ankunft in Schweden. Treffen mit Harry Johansson, Pastor und damals Assistent im Nordischen Ökumenischen Institut in Sigtuna (später Direktor des Instituts).
22. März Besprechung zwischen Johansson, Moltke und Ivar Anderson, dem Herausgeber des “Svenska Dagbladet”. Hauptthema der Besprechung: das Schicksal der “Weißen Rose”. Moltke informiert Ivar Anderson über die Widerstandsgruppe sowie über die stattgefundenen Hinrichtungen und die weiteren, die noch folgen werden. Er hat auch ein Flugblatt der Weißen Rose mitgebracht. In der dritten Woche April 1943 erscheinen Berichte über die Geschwister Scholl in zwei schwedischen Zeitungen. Moltke muss allerdings aus Sicherheitsgründen den Plan fallen lassen, nach England zu fliegen, um die englischen Behörden über die “Weiße Rose” und die innere Lage in Deutschland sowie den deutschen Widerstand zu informieren.
24. März Theodor Steltzer kommt in Schweden an.
25. März In einem in Stockholm geschriebenen Brief an seinen Freund Lionel Curtis schildert Moltke die politische Lage in Deutschland. Er schreibt diesen Brief mit der Hoffnung, dass die Engländer einen Verbindungsmann für die deutsche Widerstandsbewegung nach Stockholm schicken werden: “(…) Aber politisch gesehen gilt für Diktaturen oder Tyranneien dasselbe Gesetz wie für Demokratien: Man kann eine Regierung nur beseitigen, wenn man eine andere Regierung anzubieten hat. Demnach kann mit der Zerstörung des Dritten Reiches erst begonnen werden, wenn man zumindest imstande ist, eine Alternative vorzuschlagen. (…) Nur wenige Kilometer von unserem Gut entfernt gibt es ein Konzentrationslager. Unser Landrat erzählte mir, er habe erst von der Existenz eines KZs in seinem Kreis erfahren, als er ersucht wurde, Maßnahmen anzuordnen, die das Übergreifen eines Typhusepidemie auf ein Nachbardorf verhindern sollten. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Lager bereits monatelang. Berechnungen über die Anzahl der KZ-Insassen schwanken zwischen 150000 und 350000. Niemand weiß, wie viele täglich umkommen. Zufällig habe ich festgestellt, daß im KZ Dachau in einem einzigen Monat 160 Menschen gestorben sind. Ausserdem wissen wir ziemlich zuverlässig, daß es 16 KZs mit eigenen Krematorien gibt. Wir haben vom Bau eines großen Konzentrationslagers in Oberschlesien gehört, welches für 40-50000 Personen angelegt ist, von denen monatlich 3-4000 getötet werden sollen. (…) Und wie steht es mit der Opposition (…)? In den übrigen von Hitler tyrannisierten Ländern hat sogar der gewöhnliche Verbrecher Aussicht, als Märtyrer angesehen zu werden. Bei uns ist das anders: Selbst der Märtyrer kann sicher sein, als gewöhnlicher Verbrecher zu gelten. (…)
Die ´kommunistische Gefahr´ist in unserer Lage etwas sehr Reales. So wie die Dinge liegen, kommt aber diese Gefahr hauptsächlich aus den Reihen der Intellektuellen und nicht von den Arbeitern her. Die Arbeiter, die kommunistisch werden könnten, sind nämlich schon Nazis. Und diejenigen, die Nazis sind, können jederzeit wieder kommunistisch werden. Wenn man nicht aufpaßt, werden alle jene brutalen SA- und SS-Leute sich als verfolgte Kommunisten ausgeben, die sich jetzt an ihren Gegnern rächen müsen. Aber die Arbeiter, die jetzt keine Nazis sind, und das trifft für die Mehrheit der älteren und der Facharbeiter zu, haben jedes totalitäre Regime satt. Auf diese Arbeiter müssen wir bauen und nicht auf jene, die mit einem einfachen Farbenwechsel wegkommen wollen, ohne dabei ihre Gesinnung zu ändern. Der Kampf gegen den Nazismus (…) wird innerhalb der Klassen ausgetragen, und es gibt Anhänger jeglicher Weltanschauungen in allen Gesellschaftsschichten, den oberen wie den unteren. ….Im allgemeinen ist der Mittelstand nazi oder zumindest von irgendeiner Form des Totalitarismus in hohem Maße infiziert. Der niedere preußische Adel ist, soweit er noch Land besitzt, am wenigsten anfällig, ja sogar fast immun gegen jede Art von Totalitarismus. Der höhere Adel, vom Herzog aufwärts, sowie der Adel Süd- und Westdeutschlands ist viel mehr von dieser Krankheit befallen; der städtische Adel gehört eigentlich zum Mittelstand. soweit dieser Mittelstand anti-nazi ist, neigt er dazu, bolschewikenfreundlich, russenfreundlich usw. zu sein. Er ist sich seiner selbst nicht sicher und hofft auf die große neue Kraft, die aus dem Osten kommen soll. (…)”
26. April Im Stockholmer Stadtmuseum treffen sich Moltke, Steltzer, Johansson, Anderson und zwei andere Mitglieder der “Sigtuna-Gruppe”. Moltke vertraut Johansson seinen am 25. März geschriebenen Brief an.
Der Brief wird an Curtis jedoch nicht weitergereicht. Harry Johansson hält den Brief für zu gefährlich. Allerdings zeigt er ihn im Juli 1943 Tracy Strong, dem amerikanischen Generalsekretär des Christlichen Vereins Junger Männer. Tracy Strong soll Bischoff Bell über den Inhalt des Briefes vortragen. Tracy Strong schreibt eine Zusammenfassung des Briefes, die er Bischof Bell abgibt. Bischof Bell sendet die Zusammenfassung Lionel Curtis zu. Eine Abschrift schickt Bell auch an den Chef des “Political Warfare Executive”, Sir Robert Bruce Lockhardt. Es erfolgt dennoch seinerseits keine Reaktion.
5. April Hans von Dohnanyi wird wegen angeblichen Devisenvergehens verhaftet. Hans Oster muss sein Amt niederlegen. Die gesamte Abwehr ist jetzt unter Verdacht der Gestapo.
Anfang April Dietrich Bonhoeffer wird verhaftet und im Gefängnis Tegel eingeliefert. Dort bleibt er ohne Gerichtsverfahren zwei Jahre.
8.-16. April Auf Moltkes Initiative wendet sich die völkerrechtliche Gruppe des Amtes Ausland/Abwehr gegen die Verwendung von entlassenen niederländischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter. Ziel der Gruppe ist es zu erreichen, dass die entlassenen niederländischen Kriegsgefangenen der Zuständigkeit der Wehrmacht unterstellt werden, und nicht der SS. Am 9. April schreibt Moltke an seine Frau darüber: “(…) Inzwischen hatte ich mir Wengler aufs Amt bestellt und eine Sekretärin und wir haben da bis Mitternacht gebrütet. Ausserdem musste ich mit allen Militärbefehlshabern in allen Westgebieten telephonieren. Immerhin hat mich die Nacht soweit gefördert, daß, als ich am 8. früh um 8 wieder im Amt (war), ich bis 9 eine Stellungnahme diktiert hatte, um ¾ 10 hatte ich die Unterschrift von Bürkner und dann ging es durch den Fernschreiber raus. Ob es noch etwas nutzen wird, weiss ich nicht, aber erstens habe ich mein Gewissen befriedigt und zweitens wirkt es vielleicht doch als Bremse. (…)”. Am 16. April berichtet er seiner Frau weiter: “(…) Gestern abend, als ich meinen Brief an Dich plötzlich beenden musste, wurde ich ins A.A. gerufen in der Sache, die ich (…) durch eine Nachtarbeit aufgehalten hatte. Das A.A. war gerade im Umfallen und ich kam gerade im richtigen Augenblick. So habe ich die mit einer Spritze gestützt und die ganze Sache Schlitter zugespielt und so hoffe ich, sie wieder gerettet zu haben. Und was auch immer geschieht, ich habe vielen hunderttausend Menschen bereits 10 Tage ihres Lebens gerettet, d.h. ihres normalen Lebens. Das freut einen doch immer wieder. (…).” Moltke gelingt es tatsächlich, einen Aufschub zu erreichen. Damit hat er wahrscheinlich Menschenleben gerettet.
Am 29. April erließ dennoch General Christiansen, der Generaloberbefehlshaber Niederlande, einen Befehl, dass die Kriegsgefangenen sich zum Arbeitseinsatz melden mussten.
14. April – Im Wald des Ortes Katyn werden Massengräber mit den Leichen von mehr als 4100 ermordeten polnischen Offizieren entdeckt. Die Sowjetunion, die für dieses Massaker verantwortlich ist, versuchte zu diesem Zeitpunkt den Deutschen die Schuld an den Ermordungen zu geben. Die Erschießungen hatten im März und April 1940 stattgefunden.
– Aussprache zwischen Moltke, Trott zu Solz und Gerstenmaier über außenpolitische Fragen (als vorbereitendes Gespräch für die dritte Tagung in Kreisau). Moltke schreibt an seine Frau: “Mit Adam & Eugen hatte ich eine eingehende Aussprache über aussenpolitische Fragen und zu meiner grossen Freude waren die Differenzen der vorigen Aussprache vollkommen überwunden. Das lag einmal an einem etwas anderen Ansatzpunkt zum anderen aber daran, dass sich inzwischen die militärische Lage für die beiden weiter geklärt hat, daß die englische Diskussion und die Konflikte Russland-Polen manches gefördert hatten(…).”
31. Mai – 4. Juni Im Rahmen einer Aktion gegen Geiselerschießungen kommt Moltke nach Holland und Belgien, um mit dem Wehrmachtbefehlshaber Niederlande, General Christiansen – von Moltke in seinem Brief an seine Frau vom 5.6.1943 als “netter Handelsschiffskapitän” bezeichnet -, mit dessen Stabschef von Wühlisch und dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in den Niederlanden, SS-Gruppenführer und Generalleutnant Harster zu verhandeln.
Während seines Aufenthaltes in Holland nimmt Moltke Kontakte zu zwei Führern der holländischen Widerstandsbewegung auf: Hans Wolf von Goerschen und J. H. van Roijen. In Goerschens Büro in der Alexanderstraat trifft er am Dienstag, den 1. Juni mit van Roijen zusammen. (Hans Wolf von Goerschen, ein Geschäftsmann aus Aachen, stellte Moltke weitere Verbindungen zum holländischen Widerstand her. J. H. van Roijen war hoher Beamter im holländischen Außenministerium gewesen, bevor er zum Botschafter in London berufen wurde).
16. Juni Heftige Auseinandersetzungen zwischen der völkerrechtlichen Gruppe des Amtes Ausland/Abwehr mit führerhörigen Generälen und Offizieren aus anderen Dienststellen des OKW zu der Frage der Rekrutierung von Zwangsarbeitern, der Frage der Kombattantenqualität (Einhaltung der Haager Landkriegsordnung von 1907 und des Abkommens über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929) und der Frage nach den von der Hitler-Führung geplanten massiven “Repressalien” nach dem “Partisanenkrieg” im Südosten. Auf einen Führerbefehl hingewiesen, erwidert H.J. von Moltke dem Wehrmachtsführungsstab schlicht – nach dem Brief an seine Gattin vom 17.6.1943: “Aber, meine Herren, Sie können sich doch nicht hinter einem Führerbefehl verkriechen. Wir würden doch unsere Pflicht dem Führer gegenüber auf das gröbste verletzen, wenn wir hinter unseren ruhigen Schreibtischen zu feige wären, dem Führer zu sagen, daß er bei Erlaß jenes Befehls falsch beraten worden ist und wenn wegen dieser unserer Feigheit draussen unsere Leute umgelegt werden!”
12.-14. Juni Dritte Tagung in Kreisau.
Auf dem Gut der Moltkes treffen sich: Helmuth und Freya von Moltke, Peter und Marion Yorck von Wartenburg, Irene Yorck von Wartenburg, Horst von Einsiedel, Adolf Reichwein, Eugen Gerstenmaier, Alfred Delp, Adam von Trott zu Solz, Paulus van Husen (26.2.1891-1.9.1971, Katholik, Jurist, Bekannter von Hans Lukaschek).
1. Thema der Tagung: Außenpolitik.
2. Thema: Internationale Wirtschaftsordnung.
3. Thema: Bestrafung der Kriegsverbrecher.
4. Thema: Instruktion für die Landesverweser.
Referenten: Adam von Trott zu Solz (Außenpolitik), van Husen (Bestrafung der Kriegsverbrecher), Moltke (Instruktion für die Landesverweser).
Ergebnisse der Tagung:
“Grundlagen einer Aussenpolitik für die Nachkriegszeit”.
“Fragestellung zur Wirtschaftspolitik in ihrer Beziehung zur Aussenpolitik”.
3 Grundsatzerklärungen über die Bestrafung von NS-Verbrechern: 1. “Deutsche Beteiligung an der Bestrafung für Schandtaten”; 2.“Bestrafung von Rechtsschändern”; 3.“Instruktion für Verhandlungen über die Bestrafung von Rechtsschändern durch die Völkergemeinschaft”.
14. Juni Unmittelbar nach dem Pfingsttreffen in Kreisau diktiert Carlo Mierendorff seinen Aufruf zur “Sozialistischen Aktion”. Carlo Mierendorffs Sozialistisches Aktionsprogramm wurde von dem niederländischen Historiker Ger van Roon in den frühren 60er Jahren bei den “Kreisauern Dokumenten” aufgefunden. Kerngedanken: “(…) Die Sozialistische Aktion ruft in dieser schweren Stunde das arbeitende Volk in Stadt und Land und unsere tapferen Soldaten zum Kampf auf in der Überzeugung, daß die Rettung des gemeinsamen Vaterlandes vor politischem, moralischem und wirtschaftlichem Verfall nur möglich durch:
1.Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit.
2.Beseitigung des Gewissenszwanges und unbedingte Toleranz in Glaubens-, Rassen- und Nationalitätenfragen.
3.Achtung vor den Grundlagen unserer Kultur, die ohne das Christentum nicht denkbar ist.
4.Sozialistische Ordnung der Wirtschaft, um Menschenwürde und politische Freiheit zu verwirklichen und die Existenzsicherheit der Angestellten und Arbeiter in Industrie und Landwirtschaft sowie des Bauern auf seiner Scholle zu schaffen, die die Voraussetzung von sozialer Gerechtigkeit und Freiheit ist.
5.Enteignung der Schlüsselbetriebe der Schwerindustrie zu Gunsten des deutschen Volkes als Grundlage der sozialistischen Ordnung der Wirtschaft, um mit dem verderblichen Mißbrauch der politischen Macht des Großkapitals Schluß zu machen.
6.Selbstverwaltung der Wirtschaft unter gleichberechtigter Mitwirkung des arbeitenden Volkes als Grundelement der sozialistischen Ordnung.
7.Sicherung der Landwirtschaft vor der Gefahr, zum Spielball kapitalistischer Interessen zu werden.
8.Abbau des bürokratischen Zentralismus und organischer Aufbau des Reiches aus den Ländern.
9.Aufrichtige Zusammenarbeit mit allen Völkern, insbesondere mit Großbritanniens und Sowjetrußland. (…)”
Juli – ab Juli 1943 engere Verbindungen zwischen Moltke und den Brüdern Stauffenberg.
Vorschlag Moltkes, die Front im Westen zu öffnen und die Front im Osten zu halten.
17.-18. Juli Große Aussprache und Konsens bei Moltke, Yorcks und Haeften. Es treffen sich: Marion und Peter Yorck, Moltke, Trott zu Solz, Gerstenmaier, Mierendorff, Haubach, Reichwein, Haeften, Peters. In einem Brief an seine Frau schreibt Moltke am 18. Juli 1943: “(…) Das ging am gestrigen Abend los, als Adam, Eugen, Peter & Marion, Friedrich (Mierendorff) & Haubach bei mir waren – und auch Reichwein – und bis um 1 Uhr blieben. Es war ein recht produktiver Abend, der aber eine Fortsetzung verlangte. Und so ging es heute um 1.30 ohne Reichwein bei Peters weiter und dauerte bis 7, dann fuhren Adam, Peters und ich zu Haeftens und um 9.30 bin ich gerade nach Hause gekommen. Es gab allerlei wichtige Differenzen und es war erfreulich zu sehen, wie stark das Gemeinsame doch war, welches solche Differenzen erträglich machte…(…)”.
23. Juli 2 Grundsatzerklärungen des Kreises erhalten eine neue Fassung:
– Bestrafung der Rechtsschänder. ( Zweiter Entwurf. Notiz von Moltke).
– Instruktion für Verhandlungen über die Bestrafung von Rechtsschändern durch die Völkergemeinschaft. (Zweiter Entwurf).
In der “Bestrafung von Rechtsschändern” heißt es einleitend: “Als Rechtsschänder ist zu bestrafen, wer wesentliche Grundsätze des göttlichen oder natürlichen Rechts, des Völkerrechts oder des in der Gemeinschaft der Völker überwiegend übereinstimmenden positiven Rechts in einer Art bricht, die erkennen läßt, daß er die bindende Kraft dieser Rechtssätze freventlich mißachtet.
Rechtsschänder ist auch, wer den Befehl zu einer rechtsschändenden Handlung gibt, in verantwortlicher Stellung dazu auffordert oder allgemeine Lehren oder Weisungen rechtsschändender Art erteilt.(…).”
Kerngedanken der “Instruktion für Verhandlungen über die Bestrafung von Rechtsschändern durch die Völkergemeinschaft”:
“Unter der nationalsozialistischen Herrschaft sind zahlreiche Verletzungen des Rechts begangen worden. Sie sind nach Art, Ausmaß und Willensrichtung schwerwiegend und verabscheuenswert. Ihre Bestrafung ist zur Wiederaufrichtung der Herrschaft des Rechts und damit des inneren und äußeren Friedens ein dringendes Gebot. Wenn dem Recht wieder zum Siege verholfen werden soll, so kann das nur auf dem Wege des Rechts selbst und nicht durch Maßnahmen geschehen, die von politischen Zwecken und von der Leidenschaft bestimmt werden.
Das deutsche Volk hat das größte Interesse daran, daß die gebührende Strafe für die Schändung des Rechts verhängt wird. Hier handelt es sich um eine ureigene Sache der Deutschen. Daneben ist aber dem Verlangen der Völkergemeinschaft nach Bestrafung die Berechtigung nicht abzustreiten.
(…)
Die Bestrafung durch ein gemeinsames Völkergericht und die Unterstellung der Rechtsschänder unter dessen richterliche Autorität verletzt nicht Recht und Würde. Es wird dadurch vielmehr ein Beitrag geleistet, der zur Grundlage und zum Prüfstein der zukünftigen gemeinsamen Zusammenarbeit der Völkergemeinschaft werden könnte. (…).”
Zweite Hälfte 1943: Organisatorische Phase.
Vom 4. bis 8. August:
Es treffen sich ununterbrochen und in Abwechslung bei Moltke / bei Yorcks: Yorck, Moltke, von Trott zu Solz, Haeften, Reichwein, Poelchau, Steltzer, van Husen.
8. August Tagung bei Yorcks an der Hortensienstraße. Es treffen sich: Peter Yorck, Moltke, Mierendorff, Haubach, Steltzer und van Husen. Über die Aussprache schreibt Moltke am 10. August an seine Frau: “(…) Sonntag mittag zog ich also zu Peter, um ihm über das befriedigende Ergebnis der Unterhaltung mit Friedrich (Mierendorff) und über die sich daraus ergebenden Bedingungen zu unterrichten. Um 4 waren wir dann mit Steltzer + Husen bei Trott, hatten bis 7 einen Ritt über das gesamte Gelände gemacht und hatten uns um 8 wieder bei Peter versammelt, wo Friedrich und Haubach zu uns stiessen. Friedrich war in ganz großer Form: klar, entschieden, klug, Taktvoll, witzig und in dieser Nachtsitzung, die bis 5 Uhr früh dauerte, wurde die Lücke, die der Onkel (Leuschner) gerissen hatte, geschlossen, indem Friedrich dafür gesorgt hatte, daß dessen Genossen mit ihm zu uns gingen und den Onkel allein ließen, und es wurde ein ungeheuerer Fortschritt in Praktischer und theoretischer Richtung erzielt. (…)”
9. August Ergebnis: Zusammenfassung der Ergebnisse der drei Kreisauer Tagungen. 3 neue Grundsatzerklärungen des Kreises liegen vor:
Grundsätze für die Neuordnung.
Erste Weisung an die Landesverweser.
Sonderweisung.
In den von Moltke verfassten „Grundsätzen für die Neuordnung“ heißt es einleitend:
“Die Regierung des Deutschen Reiches sieht im Christentum die Grundlage für die sittliche und religiöse Erneuerung unseres Volkes, für die Überwindung von Haß und Lüge, für den Neubau der europäischen Völkergemeinschaft. (…)
1.Das zertretene Recht muß wieder aufgerichtet und zur Herrschaft über alle Ordnungen des menschlichen Lebens gebracht werden. (…)
2.Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wird gewährleistet. (…)
3.Brechung des totalitären Gewissenszwangs und Anerkennung der unverletzlichen Würde der menschlichen Person als Grundlage der zu erstrebenden Rechts- und Friedensordnung. Jedermann wirkt in voller Verantwortung an den verschiedenen sozialen, politischen und internationalen Lebensbereichen mit. (…)
4.(…)
5.Die Arbeit muß so gestaltet werden, daß sie die persönliche Verantwortungsfreudigkeit fördert. (…)
6.Die persönliche politische Verantwortung eines Jeden erfordert seine mitbestimmende Beteiligung an der neu zu belebenden Selbstverwaltung der kleinen und überschaubaren Gemeinschaften. In ihnen verwurzelt und bewährt, muß seine Mitbestimmung im Staat und in der Völkergemeinschaft durch selbstgewählte Vertreter gesichert und ihm so die lebendige Überzeugung der Mitverantwortung für das politische Gesamtgeschehen vermittelt werden. (…).”
Kerngedanken der “Ersten(n) Weisung an die Landesverweser”:
“(…) Der Landesverweser ist dem Reich verantwortlich für die Gestaltung der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte des Landes:
1.Er soll für die Rechtssicherheit, persönliche Freiheit und echte Mitverantwortung der gesamten Landesbevölkerung Sorge tragen und so den politischen Ausdruckswillen des Landes in seiner natürlichen Entfaltung fördern und in der angestrebten Selbstverwaltung dem besonderen Charakter der Landschaften zur Geltung verhelfen. (…)
2.Der Landesverweser soll in engem Einvernehmen mit den anerkannten Kulturträgern des Landes dem Neuaufbau einer christlichen Erziehung und damit einer echten Erneuerung des geistigen Lebens den Weg bahnen. (…)
3.Insbesondere soll der Landesverweser die verantwortliche Mitwirkung der Werktätigen in Verwaltung und Wirtschaft herbeiführen. (…)
Die Befreiung der zu Unrecht ihrer Freiheit Beraubten ist sofort in die Wege zu leiten. (…)”
9. August Treffen zwischen Moltke und Hans Lukaschek. Moltke sagt ihm, Hitler solle demnächst samt Göring und Himmler durch eine Panzer-Division in der “Wolfschanze” festgesetzt und anschließend vor Gericht gestellt werden.
August Adam von Trott zu Solz reist nach den Haag. Kontakte zu Widerstandskämpfern.
Ende August /Anfang September
Gerstenmaier ausgebombt, wohnt zusammen mit Moltke bei Yorck in der Hortensienstraße 50.
September und Oktober
Häufigere Gespräche zwischen Peter Yorck von Wartenburg und Berthold von Stauffenberg über die Möglichkeiten eines Umsturzes.
7. September Berthold Stauffenberg trifft in Berlin Moltke, Steltzer, Yorck und Trott zu Solz: Thema des Gesprächs: Umsturzplanung.
8.-16. September Während eines Besuchs in der Schweiz faßt Adam von Trott zu Solz eine neue Denkschrift ab, die “Bemerkungen zum Friedensprogramm der Amerikanischen Kirche”: Antwort auf die sechs “Political Propositions for Peace”, die im März 1943 vom “Federal Council of the Churches of Christ in America” veröffentlicht und von Visser’t Hooft an Trott übermittelt wurden. (Thesen und Pläne zur europäischen Föderation für die unmittelbare Nachkriegszeit.)
Hauptthesen: “(…)Das Statut sollte der künftigen internationalen Organisation wirklich auf dem Boden der sittlichen und sachlichen Erfordernisse einer gleichberechtigten Zusammenarbeit der Nationen und Föderationen errichtet werden. In diesem Statut sollte der Machtgedanke dem des Rechts eindeutig untergeordnet werden. (…)
Die Notwendigkeit von Föderationen im Rahmen der allgemeinen internationalen Organisation wird auch von uns bejaht, zumal für Europa, wie in dem amerikanischen Dokument betont wird. Der rechtliche und politische Aufbau solcher Föderationen muß aber (…) das Grundprinzip der Selbstverwaltung verwirklichen. (…)
Eine Internationale Organisation, die den Grad der Rüstungen unter allgemeine Anordnungen stellen und die hierbei nur auf die moralische Unterstützung der Menschheit angewiesen sein sollte, ist nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts kaum vorstellbar, es sei denn, daß eine allgemeine Bußfertigkeit nach den furchtbaren Erfahrungen und nach der Strafe dieses Krieges und seiner voraussichtlichen Folgen die Vergötterung der politischen Staatsmacht zurückdrängt und damit auch die tatsächliche Einschränkung der Staatssouveränität zum Ziel einer überwiegenden Mehrheit oder führender Gruppen der Menschheit macht. Ohne die Einschränkung der staatlichen Souveränität durch eine wirksame internationale Instanz wird sich immer wieder ein Mißbrauch der bewaffneten Staatsmacht ergeben. (…).”
14. September Bei einem Besuch in Brüssel sagt Moltke General von Falkenhausen, trotz aller Bedenken müsse Hitler physisch beseitigt werden.
17. September – Bei Yorck treffen sich Yorck, Tresckow und Claus Stauffenberg.
– In Schweden trifft Steltzer mit Dr. Ivar Anderson, dem Chefredakteur des “Svenska Dagbladet” zusammen. Hauptthemen: Innere Situation in Deutschland und Pläne, um den Krieg zu beendigen.
22. September Bei Moltke treffen sich Moltke, Hans-Bernd von Haeften und Schulenburg.
25. September In einem Brief an Harry Johansson äußert sich Bischof Bell über Moltkes Brief an Curtis vom 25.3.1943 mit folgenden Worten: “(…) I was very glad to get news of you through Tracy Strong at the end of August. All that he told me was most interesting and I have shared the news with Lionel Curtis who was very grateful and took steps to follow it up. (…)” (Zitiert nach Henrik Lindgren).
Herbst Durch Vermittlung Yorcks entsteht eine Verbindung zwischen dem Sozialisten Julius Leber (Moltke-Kreis) und den Brüdern Stauffenberg einerseits und eine Verbindung zwischen Werner von Haeften und Claus Stauffenberg andererseits.
1. Oktober – Rettungsaktion in Dänemark, um eine Juden-Deportation zu verhindern. Reise Moltkes nach Kopenhagen, um vor einer Juden-Deportation zu warnen. Zuvor hatte er Kim Bonnesen, einem Beamten für soziale Angelegenheiten in Dänemark – dem Bruder einer Journalistin und Freundin, die für die Zeitung “Politiken” arbeitete, Merete Bonnesen – eine Warnung über die bevorstehende Judenrazzia zukommen lassen. Moltke versuchte auch bei dem Militärbefehlshaber, dem General der Infanterie Hermann von Hanneken, zu intervenieren. Als er erfuhr, dass die Wehrmacht eingesetzt werden sollte, um die SS zu unterstützen, soll er darauf geantwortet haben: “Sie sind wohl verrückt geworden. Das werden Sie eines Tages teuer bezahlen müssen. Verstehen Sie das nicht?”
– Claus Stauffenberg tritt seinen Dienst als Chef des Stabes bei General Olbricht an. Yorck pflegt regelmäßige und häufigere Kontakte zu ihm.
6. Oktober Steltzer und Gerstenmaier bei Anderson. Suche nach einer alliierten Lösung, um den Krieg zu beenden.
17. Oktober Aussprache bei Yorcks. Es treffen sich Peter Yorck, Moltke, Julius Leber, Carl Mierendorff, Paulus van Husen und Eugen Gerstenmaier.
27. Oktober Adam von Trott zu Solz übernimmt die Verbindungen nach Schweden. Es wird vermutet (von Henry Lindgren und Klemens von Klemperer), dass er nach Schweden reiste, um festzustellen, ob auf Moltkes Brief an Lionel Curtis vom 25. März hin eine “feste Verbindung” in Stockholm von den Briten hergestellt worden war. In Stockholm trifft er sich mit Harry Johansson. Johansson vermittelt ihm eine Besprechung mit 2 Angehörigen der schwedischen Kontaktgruppe, Manfred Björkquist und Ivar Anderson. (28. und 30. Oktober 1943).
30. Oktober Besprechung zwischen Trott und Anderson, dem Chefredakteur des „Svenska Dagbladet“. Es geht wieder um das Ersuchen bei den britischen Behörden, einen Engländer nach Stockholm zu schicken, um die Verbindung mit der deutschen Widerstandsbewegung herzustellen.
Anderson arrangiert ein Treffen zwischen Trott, dem schwedischen Außenminister Christian E. Günther und dem Under-Secretary im britischen Informationsministerium, Sir Walther Monckton. Weiterhin trifft Moltke – durch Inga Kempe – mit Roger P. Hinks und James Knapp-Fisher (beide Mitarbeiter des Political Intelligence Department) zusammen. Trott versucht, seine Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass die Formel des “unconditional surrender” das schwerste Hindernis für die Beendigung des Krieges und für eine fruchtbare Zusammenarbeit in der Zeit danach ist. Trott bringt “seine tiefen Befürchtungen wegen der wachsenden kommunistischen Gefahr” zum Ausdruck (Peter Hoffmann) und betont die “Gefahr der Bolschewisierung Deutschlands als Folge der fortschreitenden moralischen Auflösung”. (Tagebucheintragung von Ivar Anderson, zitiert nach Henrik Lindgren.)
– Durch Vermittlung von Werner Dankwort (Gesandschaftsrat) und Karl Geor Pfleiderer (Legationsrat) trifft Trott mit Gunnar Hägglöf, später Botschafter in London und Paris, zusammen.
3. November Vor seiner Abreise aus Stockholm schreibt Adam von Trott an Harry Johansson: “(…) Die von Ihnen vermittelten Besuche haben beide, soweit dies sachlich möglich war, einen guten Verlauf gehabt. Aber sowohl sie als alle meine anderen Eindrücke bestätigen für mich die dringende Erwünschtheit Ihrer eigenen Reise”. (Zitiert nach H. Lindgren). Wahrscheinlich wollte Trott H. J. dazu bewegen, noch 1943 nach England zu reisen, “um die führenden Politiker von den Problemen und Plänen der Widerstandsbewegung zu unterrichten. Der Chef der politischen Abteilung des schwedischen Aussenministeriums, Staffan Söderblom, stand aber dem Vorschlag der Gruppe absolut negativ gegenüber.” (H. Lindgren).
5. November Roger P. Hinks stellt Trotts Botschaft und Ersuchen in Form eines “Politischen Memorandums” zusammen. Dieses von Hinks unterzeichnete “Politische Memorandum” erreicht schließlich das Central Department des Foreign Office in London, dennoch wird es kaum berücksichtigt und nicht weitergeleitet. G.W. Harrison, vom Central Department des FO “gab zu Protokoll, ‚unser alter Freund Trott’, (…), habe propagandistisch geschickt mit der kommunistischen Gefahr argumentiert sowie Tatsachen und Propaganda vermischt.” (Zitiert nach Klemens von Klemperer).
Moltkes und Trotts Ersuchen, einen Engländer nach Stockholm zu schicken, um mit der deutschen Widerstandsbewegung eine Verbindung herzustellen, wird schließlich aufgrund einer allgemeinen Weisung des Premierministers abgelehnt.
6. November Adam von Trott zu Solz kehrt enttäuscht, aber nicht entmutigt, nach Berlin zurück. In einem Brief an seine Frau schreibt Moltke am 6. November über den Besuch von Trott am vorherigen Tag: “(…) Nachmittags kam Adam. Er hat sehr interessante Tage in Stockholm verlebt und hat auch manches erreicht. Dort traf er Steltzer, der Ende des Monats hierherkommen will, …(…).” (Was er als erreicht meinte, war die feste und zukünftige Unterstützung von Roger P. Hinks und James Knapp-Fisher).
6. November Auf der dritten Kreisauer Tagung hat die Gewerkschaftsfrage zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Schließlich haben sich mehrere Kreisauer durchgerungen, dem vorgelegten Modell von “Betriebsgewerkschaften” ihre Zustimmung zu geben: “(…) Mierendorff und Haubach rangen sich aus Gründen der Konsequenz unseres föderalistischen Gesamtkonzeptes dazu durch. Aber ich hatte nie den Eindruck, daß sie dafür die Zustimmung Leuschners und Lebers zu gewinnen vermochten (…)”, schreibt Gerstenmaier 1981 in seinen Memoiren, Streit und Friede hat seine Zeit. (Während W. Leuschner und H. Maaß eine Einheitsgewerkschaft anstrebten, die eine klassische reine Arbeitervertretung sein sollte, wurde das Modell der “Betriebsgewerkschaften” entworfen, welche betriebliche ‚Wirtschaftsgemeinschaft(en)‘ sein sollten. Ihnen sollten sowohl der jeweilige Eigentümer des Betriebes wie die Gesamtheit der Belegschaft angehören.)
Im November kommen diese Differenzen wieder ans Licht.
In einem Brief an Freya berichtet Moltke sorgenvoll über “die ungeheure Aktivität von Neumann (Julius Leber) und Genossen”, die “etwas ausser Tuchfühlung geraten ist. (…)”
7. November Eindeutig befürchtet Moltke, in der Arbeit von Julius Leber ersetzt zu werden. Seiner Frau schreibt er: “(…) Gestern mittag kam Friedrich (Mierendorff). Es stellte sich heraus, daß mein Urlaub schon inopportun gewesen war, denn die waren etwas gar zu stürmisch vorgegangen und hatten in etwa die Tuchfühlung verloren. Ich muss jetzt sehen, wie ich meine Garde hinterher bekomme. Das wird beachtliche Schwierigkeiten machen. – Aber im Grunde bin ich froh, daß nun plötzlich so viel Impetus da ist. (…)”
10. November Aussprache bei Yorcks. Es treffen sich Peter Yorck, Moltke, Mierendorff und Julius Leber. Differenzen zu der Gewerkschaftsfrage werden noch einmal festgestellt. Am 11. November schreibt Moltke an Freya: “(…) Sachlich drohen erhebliche Gefahren. Friedrich (Mierendorff) und Neumann (Leber) befinden sich auf Abwegen, die denen des Onkels (Leuschner) nicht unähnlich sind. Es wird grosser Anstrengungen bedürfen, sie wieder auf den rechten Pfad zurückzuführen. (…)”
27. November Weiterhin Auseinandersetzungen zwischen den Kreisauern. In einem Brief an seine Frau schreibt Moltke: “(…) Gestern mittag waren Carlo (Mierendorff) und Julius (Leber) da. C. ging weg, ehe wir so recht in Schuss gekommen waren und das Ergebnis der dann fortgesetzten Unterhaltung war ausserordentlich bedauerlich. Es bedeutet das Ende einer Hoffnung und mir scheint das Abbrennen der Derfflingerstr. Durchaus symbolisch berechtigt zu sein. Heute kommen Carlo und Theo (Haubach) noch ein Mal. Wenn das ganze Rezept, in das Julius sich hat einspannen lassen, nicht so völlig blödsinnig wäre, dann wäre alles gleichgültig. Aber das ist es. (…)”
4. Dezember Carlo Mierendorff wird durch eine Bombe ums Leben gebracht. Die Kontakte zwischen Moltke und Julius Leber werden intensiviert.
5. Dezember Marion und Peter Yorck von Wartenburg, Helmuth James von Moltke und Schulenburg bei einer Predigt von Hanns Lilje (20.8.1899 – 6.1.1977). Hanns Lilje hatte zusammen mit Martin Niemöller die “Jungreformatorische Bewegung” ins Leben gerufen und gehörte der Bekennenden Kirche an.
Dezember Adam von Trott zu Solz reist in den Haag. Informiert seine holländischen Partner über die Einzelheiten der Widerstandsarbeit in Deutschland.
Januar bis Juli 1944: Stockungsphase. Unter Führung Yorcks stellt sich der Berliner Teil der Kreisauer der Staatsstreichvorbereitung Stauffenbergs zur Verfügung.
1944
2. Januar Bei Peter Yorck treffen sich Yorck, Moltke, Leber und Adam von Trott zu Solz. Am gleichen Tag schreibt Moltke an seine Frau über Julius Leber: “(…) Er ist ein überzeugend guter Mann, der allerdings, jetzt, wo Carlo (Mierendorff) fehlt, doch sehr einseitig im rein Praktischen ist (…).”
9. Januar Treffen zwischen Julius Leber und Helmuth James von Moltke in der Kohlenhandlung von Leber. Moltke ist entschlossen, Leber auf seine Linie festzulegen. Am gleichen Tag schreibt er seiner Frau: “(…) Heute früh habe ich erst ein wenig gearbeitet, habe dann mit Eugen (Gerstenmaier) gefrühstückt und bin um 10 zu Julius (Leber) geradelt, bei dem ich bis 1 Uhr blieb. Es war ein nützlicher und im ganzen befriedigender Morgen. Ich werde mich aber neu anstrengen müssen, diesen Mann in unsere Bahnen zu lenken. Der Mann ist viel bäurischer als Carlo und mir viel weniger verwandt. Es wird also nicht die spontane Gleichrichtung geben, die uns Stabilität verliehen hat. Aber ich bin doch ganz hoffnungsvoll. Peter muss eben mehr ran und auch ein Mal die Woche hin. (…)”
19. Januar Helmuth James von Moltke wird von der Gestapo verhaftet. (Wegen seiner Widerstandsarbeit bei der Abwehr).
14.-19. März Adam von Trott zu Solz reist, entsprechend einer Verabredung mit den anderen Kreisauern sowie mit Claus Stauffenberg und Fritz-Dietlof von der Schulenburg, nach Schweden. Dort trifft er mit Willy Brandt zusammen.
14. März Adam von Trott zu Solz trifft mit Anderson zusammen. Thema des Gesprächs: allgemeine politische Situation sowie die Frage, wie sich Stalin zu einem Regimewechsel in Deutschland stellen würde. Aus der Tagebuchaufzeichnung Ivar Andersons vom 14. März: “(…) er fragte mich, ob ich wirklich glaubte, daß Stalin Frieden mit zum Beispiel den Generalen oder einer anderen deutschen Regierung schließen würde, und ich antwortete, dass es eine Reihe von Gründen dafür gäbe, die dafür sprächen, daß er sehr wohl eine solche Stellung beziehen würde. Gewisse Reden und auch gewisse Handlungen deuteten in eine solche Richtung. (…)” (Zitiert nach Henrik Lindgren).
18. März Zweites Gespräch zwischen Trott und Anderson. Thema des Gespräches: Bombenangriffe.
Aus der Tagebuchaufzeichnung von Anderson vom 18.3.1944: “(…) Die Hauptfrage war für ihn: Wie könnte man es den engländern zur Kenntnis bringen, daß das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, wenn sie ihre Luftangriffe gegen Deutschland auch dann fortsetzen würden, wenn eine Regimeveränderung durchgeführt worden wäre. Das würde das deutsche Volk so bewerten, daß England nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland als solches mit der Absicht kämpfte, es vollständig zu vernichten. Würde ein Regimewechsel dagegen dazu führen, daß die Luftangriffe aufhörten, würde das mehr als alles andere dem neuen Regime Möglichkeiten geben, sich durchzukämpfen und zu bestehen.” (Zitiert nach Henrik Lindgren).
Mitte April Mitte April reist Trott in die Schweiz. Dort trifft er sich mit Gaevernitz, der anschließend darauf einen Bericht an Allen Dulles verfasst.
April Gespräch zwischen Peter Yorck und Hans Lukaschek, bei dem Yorck Lukaschek berichtet, dass “Leber innerhalb des Kreises stark in den Vordergrund gerückt sei.” (D. Beck).
Mai/Juni Mr. Hinks teilt Inga Kempe mit, Trott solle unverzüglich nach Stockholm kommen. Inga Kempe versucht eine Nachricht nach Berlin zu schicken. Wegen einer Indiskretion der Presse ist von Trott gezwungen, die Reise nach Schweden einem Kollegen, Alexander Werth, zu überlassen.
Juni Adam von Trott zu Solz und sein Freund (und Kollege aus dem “Sonderreferat Indien”) Franz Josef Furtwängler verfassen ein Memorandum: “Deutschland zwischen Ost und West”. Die Denkschrift gilt als verschollen. Allerdings wurde von der Gestapo bei Ulrich Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld eine Schrift mit dem Titel “Europa zwischen Ost und West” gefunden. (SD-Bericht vom 24. Juli 1944 und vom 21. November 1944, in “Opposition gegen Hitler … in der SD-Berichterstattung”, S. 34f und 493.) Wahrscheinlich handelte es sich um eine Kopie der Denkschrift. (Vgl. Klemens von Klemperer und Gerhard Ritter).
19. Juni-3. Juli Adam von Trott zu Solz’ letzte Reise in Schweden, „(…) wohl um die Bereitschaft der Briten und Amerikaner zu erkunden, angesichts der russischen Erfolge an der Ostfront mit einer neuen Regierung in Deutschland zu verhandeln. (…) Durch Vermittlung von Professor Gunnar Myrdal, dem bekannten schwedischen Wirtschaftswissenschaftler und Parlamentarier, trifft Trott in dessen Büro im Reichstagsgebäude mit dem Korrespondenten von “Life” und “Time”, John Scott, zusammen, der seinerseits den U.S.-Gesandten Herschel V. Johnson genau über diese Besprechung informiert. ‚Mit der Intensität eines Mannes, der nicht nur wußte, daß sein Auftrag von größter Bedeutung war, sondern sich auch bewußt war, daß ein Scheitern ihm das Leben kosten könnte‘ (John Scott, >Mail Story<, plädierte Trott für eine Modifizierung der Forderung nach “bedingungsloser Kapitulation”, um den Widerstand zu einem Umsturzversuch in Deutschland zu ermutigen. (…)“ Zu diesem Zeitpunkt “konnte sich Scott des Verdachts nicht enthalten, daß Trott doch ein deutscher Propaganda-Agent sein könne. (…)” (Kl. Von Klemperer).
In der Wohnung von Inga Kempe trifft Trott mit David Mac Ewen von der britischen Gesandtschaft zusammen.
Auf Bitten von David Mac Ewen verfasst Adam von Trott zu Solz ein Memorandum über die Zusammensetzung der deutschen Widerstandsbewegung, über ihre Möglichkeiten, einen Staatsstreich durchzuführen. Schwerpunkt des Memorandums ist nach wie vor die Frage nach dem “unconditional surrender”: “(…) It is, I think, no exaggeration to state that the very persons now most effectively challenging Hitlers command will, if their present conception of Western intentions proves correct, be ultimately driven underground and form the leadership of a German resistance movement.
Some assurance, however, regarding the territorial integrity (or self-determination) of the main body of German speaking population, some understanding about the orderly procedure of military demobilisation by the German command in cooperation with Allied control of Nazi criminals by German courts (excepting perhaps those cases of flagrant outrages of a more local character where arrests have been effected on the spot) would remove the worst obstacles now barring confidence and contact between this opposition group and the Western allies.
In order to gain effective control within Germany it is, in turn, necessary for these men to rely on the unreserved cooperation of certain senior personalities in the Oberkommando, certain leading elements in the uncorrupted sectionss of the Ordnungspolizei and the municipal police authorities of several of the larger cities, and certain militant groups formerly belonging to the Social Democratic Party, Reichbanner, Trade Union movement etc.
These individuals are naturally unwilling to shoulder the burden and blame of Hitlers defeat unless they can hope to offer the people some improvement or advantage in their situation compared to what would follow Hitler’s own defeat. Accepting unconditional surrender now, they would feel unable later on to counteract, the mass slogan of having, stabbed in the back our fighting forces – a slogan which is bound to recur even more violently and immediately than it did after 1918. The country would inevitably split into a nationalist and a communist camp, possibly an interminable civil war the two sides of which would probably expect and find support from the respective great powers in the east and west. The emergence of two opposing post-nazi Germanies would become irresistable. (…)
As long as it seems necessary for the Western powers to confine their war policy exclusively to the military aspect of unconditional surrender this group feels that the only alternative to further immense sacrifices of life and to the risk of a completely unmanageable chaos in europe depends primarily on their own success bringing to a head their already advanced preparations to establish an effective and reliable political system, before or at least during the break down of Hitlers military and political machine. They know that this cannot be achieved by a military dictatorship. Though the first phase of taking over can only be effected by armed force, they know that internally and externally all depends on the establishment of a democratic civilian government broadly representative of all genuinely anti-nazi groups within the country, i.e. the two Churches, the moderate as opposed to the violently communist working class organisations, the conservative and progressive elements in the burocracy and army. A group of political leaders potentially representative of all these strata has been formed and works inclose contact with the military commanders who are engaged in their own preparations. (…)” (Zitiert nach Henrik Lindgren).
20. Juni Gespräch zwischen Trott und dem Attaché bei der schwedischen Gesandtschaft in Moskau, Sverker Äström.
23.-24. Juni Trott verbringt mit Hans Heinrich Brunner, einem Sohn des Theologen Emil Brunner, das Mitsommerfest in Sigtuna bei Harry Johansson. Am 25. Juni schreibt er Fanny Carlgren: “(…) Gestern war ich über Nacht in Sigtuna und hatte auch ein gutes Gespräch mit Ihrem Freunde Manfred. Er steht wirklich über den Dingen und schöpft aus seiner tiefen religiösen Erlebniskraft. Von Harry bin ich auch diesmal ganz besonders angetan. Er hat ein reifes und verantwortliches Urteil, vor allem auch in hohem Maße die in diesen Dingen absolut erforderliche Behutsamkeit. Das Schwergewicht des Geschehens liegt auch weiterhin nicht in diesen Gesprächen, die hier und da noch geführt werden können. Das wird später wieder kommen. Im Augenblick kann man dem fürchterlichen Gericht, das über die ganze Menschheit niedergehen wird, nicht Einhalt gebieten – nur dafür sorgen, daß nicht auch die guten Kräfte für die Zukunft mit zerschmettert werden. Im Grunde meines Herzens bin ich auch jedoch ganz ruhig in der Empfindung, daß dies wohl im einzelnen, aber nicht im ganzen zugelassen wird und daß vielleicht schon der nächste Friede ganz erstaunliche menschliche Möglichkeiten bei uns, wo man sie vielleicht am wenigsten erwartet, freilegen wird. Seien Sie also bitte nicht betrübt, wenn ich über jene Gespräche selbst im Augenblick etwas resigniert urteile. Wir müssen die Kraft haben, uns für den Augenblick bereitzuhalten, in dem wirklich alles von uns gefordert wird und wirklich ein nützlicher Beitrag zu leisten ist. (…)” (Zitiert nach Henrik Lindgren).
Anderer Gesprächspartner von Adam von Trott: Willy Brandt, der sich zum gleichen Zeitpunkt im schwedischen Exil befand. Auf Bitten Trotts vermittelt ihm Willy Brandt ein Gespräch mit der russischen Gesandtin in Stockholm, Alexandra M. Kollontay. Im letzten Augenblick kann das Gespräch jedoch nicht zustande kommen. (Kl. Von Klemperer vermutet, dass die Russen Trott abwiesen).
21. Juni Bei Yorcks in der Hortensienstraße treffen sich Peter Yorck, Leber, Reichwein, Haubach, Lukaschek, Trott zu Solz und van Husen. Erörterung des Planes der Ausweitung der Aktionsbasis durch Einbeziehung der Kommunisten. Frage nach der Einbeziehung der Kommunisten in eine überparteiliche Volksbewegung geht auf Carlo Mierendorffs Aktionsprogramm vom 14. Juni 1943 zurück.
22. Juni Treffen zwischen den Kreisauern Sozialdemokraten Julius Leber und Adolf Reichwein und Führern der kommunistischen Partei Anton Saefkow und Franz Jacob in der Wohnung eines Berliner Arztes, Dr. Rudolf Schmidt. Das Treffen erfolgt mit der Zustimmung von Claus Stauffenberg und trotz Goerdelers Bedenken.
4.–5. Juli Zweites Gespräch zwischen Reichwein – diesmal ohne Julius Leber – und den Kommunisten Saefkow und Jacob. Außer den beiden Kommunisten bringt der Vermittler, Ferdinand Thomas – aus dem kommunistischen Studentenbund kommend –, einen Spitzel der Gestapo mit. Reichwein wird am selben Tag, Leber am 5. Juli verhaftet.
5. Juli Besprechung bei Adam von Trott zu Solz in der Rheinbabenallee 47 in Berlin. Es treffen sich abends: Trott, Gogo Nostitz, Peter Yorck, Hans-Bernd von Haeften und wahrscheinlich Theo Haubach. Thema: Staatsstreich.
6. Juli Bei Ulrich Schwerin von Schwanenfeld in der Markgrafenstraße 5 in Potsdam treffen sich Berthold Graf Stauffenberg, Peter Yorck von Wartenburg, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Werner von Haeften und Adam von Trott zu Solz. Einzelheiten über das von dem Militär durchzuführende Attentat werden besprochen. Claus Schenk Graf von Stauffenberg soll und erklärt sich bereit, das Attentat durchzuführen.
10. Juli Bei Paulus van Husen treffen sich Claus Stauffenberg, Peter Yorck und Hans Lukaschek. Alle sprechen sich für “die Eilbedürftigkeit des Handelns” und “die sittliche Erlaubtheit der Gewaltanwendung” aus.
16. Juli In Berthold und Claus Stauffenbergs Wohnung in der Tristanstraße in Berlin-Wannsee treffen sich die Brüder Stauffenberg, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Adam von Trott zu Solz, Ulrich von Schwerin, Peter Yorck von Wartenburg, Albrecht Mertz von Quirnheim, Cäsar von Hofacker und Ulrich von Hansen. Lösungsansätze zur raschen Beendigung des Krieges werden ausgesprochen.
Alle Teilnehmer sprechen sich für die Durchführung des Attentats bei der nächsten Gelegenheit aus. (Zwei Gelegenheiten, am 11. und am 15. Juli konnten von Stauffenberg nicht genutzt werden).
19. Juli Am frühen Abend besucht Claus Schenk Graf von Stauffenberg kurz Adam von Trott zu Solz in dessen Wohnung in Berlin-Dahlem.
20. Juli Peter Graf Yorck von Wartenburg, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Fritz-Dietlof von der Schulenburg, Eugen Gerstenmaier bereiten den Staatsstreich im Bendlerblock mit vor. Die Sprengladung detoniert. In der Nacht zum 21. Juli werden Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Werner von Haeften, Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Friedrich Olbricht auf dem Hof des Bendlerblocks erschossen. Ludwig Beck wird auch erschossen. Peter Graf Yorck von Wartenburg, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und Eugen Gerstenmaier werden verhaftet. Sie werden zuerst in den Zellenbau in das KZ Ravensbrück, dann in die Polizeischule Drögen bei Fürstenberg gebracht.
In Breslau wird Hans Lukaschek verhaftet.
21. Juli Beginn der Verhöre im Gestapo-Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin.
23. Juli Hans-Bernd Haeften wird verhaftet.
25. Juli Adam von Trott zu Solz wird verhaftet.
28. Juli In München wird Pater Delp von der Gestapo verhaftet.
7./8. August Peter Graf Yorck von Wartenburg vor dem Volksgerichtshof. Todesurteil.
[Aus der Verhandlung:
“Freisler: … nicht einverstanden war! Sie haben, um es konkret zu sagen, erklärt, in der Judenfrage passe Ihnen die Judenausrottung nicht, die nationalsozialistische Auffassung vom Recht hätte Ihnen nicht gepasst.
Yorck: Das Wesentliche ist, was alle diese Fragen verbindet, der Totalitätsanspruch des Staates gegenüber dem Staatsbürger unter Ausschaltung seiner religiösen und sittlichen Verpflichtungen Gott gegenüber.
Freisler: Sagen Sie einmal: wo hat der Nationalsozialismus die sittlichen Verpflichtungen eines Deutschen ausgeschaltet? (…)”.]
8. August Hermann Maaß wird von der Gestapo verhaftet.
9. August Theodor Haubach wird verhaftet.
10. August Berthold Schenk Graf Stauffenberg vor dem Volksgerichtshof: Todesurteil.
15. August Hans Bernd von Haeften und Adam von Trott zu Solz vor dem Volksgerichtshof. Todesurteile.
[Aus der Verhandlung von Hans-Bernd von Haeften:
„Freisler: Was waren Sie zuletzt im Auswärtigen Amt?
Haeften: Vortragender Legationsrat.
Freisler: Vortragender Legationsrat. Zum Schluß waren Sie tätig, waren Sie stellvertretender … Leiter der kulturpolitischen Abteilung.
Haeften: Ja.
Freisler: Nun. Sehen Sie denn nicht ein, daß, wenn ein Volk schwer ringt und wenn dann einer von den wahrscheinlich tausenden von Obersten, die es in der Armee dieses Volkes gibt, einer solchen Meinung ist, Verrat ist, irgendwie abzuweichen von der Treue gegenüber dem Führer…?
Haeften: Diese Treuepflicht habe ich nicht mehr empfunden.
Freisler: Aha, so, es ist also klar, die haben Sie nicht empfunden und sagen wenn ich keine Treue empfinde, dann kann ich Verrat begehen.
Haeften: Nein, so ist es nicht ganz, sondern ich gehe … Nach der Auffassung, die ich von der weltgeschichtlichen Rolle des Führers habe, nämlich, daß er ein großer Vollstrecker des Bösen ist, war ich der Auffassung…
Freisler: Na, ja, das ist ja nun wohl klar. Da ist also kein Wort dazu zu sagen.
Haeften: Jawohl.
Freisler: Ein feiner Beamter im Auswärtigen Dienst. Dann stelle ich aber eine andere Frage: Und Sie haben es gewagt, Beamter im Auswärtigen Amt zu sein?
Haeften: Ja.
Freisler: So. Kein Wort weiter zu verlieren. Ich glaube jede weitere Frage würde den Eindruck nur abschwächen. (…)“ ]
16. August Wilhelm Leuschner wird von der Gestapo verhaftet.
20. Oktober Julius Leber, Adolf Reichwein, Hermann Maaß vor dem Volksgerichtshof. Todesurteile.
1945
1. Januar Pater Alfred Delp, Meditation über Europa in der Neujahrsnacht. Schrift über die Wiederaufrichtung Europas nach dem Krieg. Im Gefängnis einen Monat vor seiner Hinrichtung geschrieben. Kerngedanke: “(…) Die Zusammenhänge zwischen dem Trümmer- und Leichenfeld, in dem wir leben, und dem zerfallenen und zerstörten geistigen Kosmos unserer Anschauungen und Meinungen, dem zertrümmerten und zerfetzten sittlichen und religiösen Kosmos unserer Haltungen ahnt kaum noch jemand. Und wenn, dann werden sie als Tatsache festgestellt, um registriert zu werden, nicht, um darüber zu erschrecken oder die heilsamen Konsequenzen des neuen Aufbruchs zu ziehen. So weitgehend sind wir schon nihilisiert und bolschewisiert. (…).”
9./10./11. Januar Helmuth James Graf von Moltke, Eugen Gerstenmaier und Alfred Delp vor dem Volksgerichtshof. Todesurteil für Helmuth James von Moltke und für Pater Alfred Delp, 7 Jahre Zuchthaus für Eugen Gerstenmaier.
10. Januar In einem der letzten Briefe an seine Frau schreibt Moltke, während des Prozesses vor dem Volksgerichtshof und kurz vor seiner Ermordung: “(…) Mich fragte er (Freisler): ‚Sehen Sie ein, daß Sie schuldig sind?’ Ich sagte im wesentlichen nein. Darauf Freisler: ‚Sehen Sie, wenn Sie das immer noch nicht erkennen, wenn Sie immer noch darüber belehrt werden müssen, dann zeigt das eben, daß Sie anders denken und damit sich selbst aus der kämpfenden Volksgemeinschaft ausgeschlossen haben.’ Das Schöne an dem so aufgezogenen Urteil ist folgendes: wir haben keine Gewalt anwenden wollen – ist festgestellt; wir haben keinen einzigen organisatorischen Schritt unternommen, mit keinem einzigen Mann über die Frage gesprochen, ob er einen Posten übernehmen wolle – ist festgestellt; in der Anklage stand es anders. Wir haben nur gedacht (…) Und vor Gedanken (…), den bloßen Gedanken, hat der N.S. eine solche Angst, daß er alles, was damit infiziert ist, ausrotten will. Wenn das nicht ein Kompliment ist. (…)”
11. Januar Pater Augustin Rösch wird von der Gestapo verhaftet, gefoltert und in dem Gefängnis Lehrter Straße eingeliefert. Kurz vor dem Einmarsch der sowjetischen Armee am 25. April 1945 freigelassen.
15. April Theodor Haubach und Theodor Steltzer vor dem Volksgerichtshof. Todesurteile. Nach Intervention von schwedischen und norwegischen Freunden wurde die Hinrichtung von Steltzer aufgeschoben und Steltzer am 25. April aus der Lehrter Straße freigelassen.
19. April Hans Lukaschek und Paulus van Husen vor dem Volksgerichtshof. Beide jeweils 3 Jahre Zuchthaus. (Schließlich wurde Lukaschek wegen der erlittenen Folterungen freigelassen).
Autorin: Frédérique Dantonel.
Weblinks
Deutsches Historisches Museum:http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/StauffenbergClaus/index.html
Gedenkstätte Deutscher Widerstand: http://www.gdw-berlin.de
Stiftung Adam von Trott zu Solz e.V., Imshausen:http://www.stiftung-adam-von-trott.de/
Quellen
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Europa-Föderationspläne der Widerstandsbewegungen 1940-1945. Eine Dokumentation gesammelt und eingeleitet von Walter Lipgens, R. Oldenbourg Verlag, München 1968.
Festschrift der Tagung der Forschungsgemeinschaft 20. Juli e.V., Königswinter gemeinsam mit der Stiftung 20. Juli 1944 und der Kreisau-Initiative Berlin e.V. anläßlich der Enthüllung der Tafel zum Gedenken an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus von Peter Graf Yorck von Wartenburg am 22. November 2002 in Kreisau.
Gerstenmaier, Eugen: Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Propyläen, Frankfurt am Main 1981. S. 149-187.
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