Ludwig Beck – Vom Generalstabschef zum Widersacher Hitlers
Eine glückliche Kindheit, ein bewegtes Leben und einen tragischen Tod – so ließe sich das 64 Jahre währende Erdendasein des Generaloberst Ludwig Beck umschreiben. Wer mehr Details über sein Leben und über seine Umstände erfahren möchte, der sollte hier unbedingt weiterlesen. Denn das Becksche Leben ist in seinen zahlreichen Facetten bis heute vielen unbekannt. Aber seine geschichtliche Bekanntschaft lohnt.
Geboren wurde Ludwig am 29. Juni 1880 in Biebrich, und zwar auf dem Fabrikgelände der Eisengießerei Rheinhütte, die sein Vater Ludwig Beck (1841 – 1918) betrieb. Bis 1988 war die Gießerei im Familienbesitz. Beck senior legte auch einen Dr. phil. hin und eine fünfbändige „Geschichte des Eisens“ vor. Somit hatte auch die Wissenschaft eine Heimat im Hause Beck. Mutter Bertha (geborene Draudt) (1845 – 1909) brachte noch zwei Söhne zur Welt. Die Ehefrau und Mutter entstammte der hessischen Juristenfamilie Draudt, galt als hochgebildet, sehr musikalisch und als eine Person von großem Charme. Viel vortreffliche Hausmusik wurde gemacht: Bertha war eine hervorragende Klavierspielerin. Auch gelesen wurde viel. So oft es ging, wurden Ausflüge gemacht (siehe Gert Buchheit, Generaloberst Ludwig Beck – Ein Patriot gegen Hitler, Biographie, Lindenbaum Verlag 2005, Seite 8-9). Klaus-Jürgen Müller führte dazu in seiner Beck Biographie aus: „Die gediegene Erziehung in einer konservativ – liberalen, betont literatur – und musikbeflissenen Familie des wilhelminischen Bildungs – und Besitzbürgertums hat Beck geformt“ (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Verlag Ferdinand Schöningh 2008, Seite 32). Weiter oben (Seite 32) zeichnet uns Müller ein kleines Charakterbild – unseres Helden -. Demnach war er ein verschlossener Mensch mit hoher Selbstdisziplin, der ungern über sich selber sprach. Auf den überlieferten Fotos begegnet das – Motiv – dem Betrachter meist als ernst, ebenso aufmerksam wie nachdenklich blickender, bisweilen reserviert, bisweilen formal höflich lächelnder Offizier. Entspannt und lächelnd erlebt man Beck dagegen auf den Hochzeitsbildern. Am 12. Mai 1916 heiratet er die Kaufmannstochter Amalie (geb. Pagenstecher). Mit Gertrud wurde ihnen am 30. Januar 1917 eine Tochter geboren. Ihr gemeinsames Familienglück sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Denn schon anderthalb Jahre nach ihrer Hochzeit verstarb seine Frau am 16. November 1917 an Tuberkulose. In einem Interview für den Tagesspiegel (Ausgabe vom 16. April 2008), das der Vorstellung seiner hier des öfteren zitierten Beck – Biographie dienen sollte, resümierte der Autor über den Menschen Beck: “Beck hat sich über sich selbst nicht geäußert. Nur wenige Briefe sind überliefert. Es gibt kein Tagebuch, das uns Einblick in das Innenleben des Menschen Beck bietet. Nach knapp über einem Jahr starb seine Frau. Fortan hat er, der ein begeisterter Violinspieler war, und als junger Leutnant mit anderen Offizieren sogar ein Trio begründet hatte, die Violine nie mehr angefasst. Des Witwers ohnehin ernsthaften und in sich gekehrten Komponenten dürften nun noch mehr Besitz von seiner Person ergriffen haben. Das war 1917. Und nochmal Müller im damaligen Tagesspiegel: „Im selben Jahr starben auch sein älterer Bruder und sein Vater. Diese Schicksalsschläge haben ihn sehr hart getroffen. Hinfort lebte er nur für seine Arbeit und schließlich für seine historische Mission“.
Ergänzend dazu, ein Schulfreund bezeichnete den hier Porträtierten als „ernst und allen überlegen“, der aber auch einen „ausgeprägten Sinn für Humor“ gehabt habe und kein Spielverderber gewesen sei.
An der Diltheyschule in Wiesbaden bestand Ludwig Beck 1898 das Abitur mit Auszeichnung. Nicht unbeeindruckt von dem Umstand, dass beide Elternteile familiär militärische Hintergründe hatten, ergriff der frischgebackene Abiturient den Soldatenberuf. So waren der Bruder des Vaters und der Bruder der Mutter hessische Generale, die den Deutsch – Französischen Krieg in ihren Uniformen hatten. Demnach dürfte sich diese Berufswahl mit Neigung und Tradition begründen lassen. Folglich trat der Fahnenjunker Beck am 12. Mai 1898 in das preußische Feldartillerieregiment Nr. 15 in Straßburg ein. In den Jahren 1898 bis 1899 besuchte er die Kriegsschule Neiße (heute Woiwodschaft Opole). Am 18. März 1899 erfolgte seine Beförderung zum Leutnant und 1902 – 1903 lag die nächste Ausbildungsstrecke vor ihm: die Vereinigte Artillerie – und Ingenieurschule in Berlin – Charlottenburg. Im Anschluss schickte man den Oberleutnant von 1908 bis 1911 an die Kriegsakademie. Auch diesen militärakademischen Lehrpfad bewältigte der junge Offizier mit überragenden Leistungen. Sein Abteilungsleiter an der Akademie, General Albrecht von Thaer (1868 – 1957), bewertete ihn so: „Beck war ein ganz außergewöhnlich begabter Soldat (…) Ich war der erste Vorgesetzte, der ihn zum Generalstab qualifiziert hat, und schon damals die Ähnlichkeit zu Moltke hineinschrieb (… ) Auf der Abschlussreise des Akademielehrgangs führte ich ein Viertel der Teilnehmer aus Becks Hörsaal. Unter den 10 -12 Herren war Beck der beim weitem größte Könner, ja sogar aus dem ganzen Jahrgang“ (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Verlag Ferdinand Schöningh 2008, Seite 41). Allzu offensichtlich, dass ein derart Belobigter zu Höheren berufen ist. Ab März 1912 wurde er an den Großen Generalstab kommandiert. Dort wurde der Neuankömmling der 4. Abteilung „Fremde Festungen“ zugeteilt, zu deren wichtigsten Aufgaben die intensive Beschäftigung mit dem französischen Festungssystem zählte, wie es nach 1871 neu – und ausgebaut worden war. Für die strategische Planung des Heeres war das eine zentrale Aufgabe, Beck hat sie offenbar gut gemeistert. Denn nicht erst wie üblich nach drei erhielt Beck schon nach anderthalb Jahren eine Festanstellung beim Großen Generalstab. Am 1. Oktober 1913 wurde er zum Hauptmann i.G. (im Generalstab) befördert.
Als Generalstabsoffizier nahm er ausnahmslos an der Westfront am Ersten Weltkrieg teil. Fernab vom Schuss, waren eher die Karten als die Gräben sein Arbeitsgebiet. Erste Station seines Kriegsdienstes war das Generalkommando des VI. Reservekorps, dann führte ihn sein Kampfweg zur 117. Infanteriedivision, im Anschluss verschlug es den Offizier zur 13. Reservedivision. Im Winter 1916 wechselte er zum Generalstab beim Oberkommando der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Soweit die nüchternen Fakten über die einzelnen Verwendungen des Generalstäblers Beck im Ersten Weltkrieg, den er als Major beendete (Beförderung 18. April 1918). Der Autor Klaus – Jürgen Müller eröffnet dem Leser seiner Beck – Biographie hingegen auch die blutige und verlustreiche Sicht auf die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, wie sie sich jedem Stabsarbeiter und vor allem Frontsoldaten offenbarte. Anfangs hat Beck den Krieg noch optimistisch als professionelle Bewährungszeit der Berufsmilitärs verstanden. Das belegt ein Brief an seinen damaligen Kommandierenden General, datiert von April 1915. Er bezeichnet darin die Zeit der Kämpfe, die er mit dem VI. Reservekorps unter General von Gossler mitgemacht hatte, als „einzig schöne und große Zeit“, die er als „eine bleibende, unvergessliche Erinnerung bewahre (n)“ werde (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Verlag Ferdinand Schöningh 2008, Seite 47). Aber die weiteren Ereignisse ließen bei ihm ein kritischeres Kriegsbild entstehen: Vom Bewegungskrieg zum Abnutzungskrieg und seinen Materialschlachten. Seine 177. Infanteriedivision wurde in den Sommer – und Herbstschlachten bei Artois schwer mitgenommen. (…) Mit der 13. Reservedivision erlebte er 1916 wieder im Rahmen der 5. Armee die für beide Seiten schrecklichen unvorstellbar verlustreichen Kämpfe um die Festung Verdun, die zum Inbegriff einer sinnlosen menschenverachtenden Materialschlacht wurde. Militärisch vordefiniert hat diesen – Inbegriff – einer seiner Vorgänger im Amt des Generalstabschefs: General Erich von Falkenhayn (1861 – 1922). Die Verdun – Pläne Falkenhayns scheiterten. Angesicht der besonders hohen Verluste beider Kriegsparteien auf diesem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges spricht man seitdem von Blutpumpe oder von Knochenmühle. Becks damalige Division war hart westlich des umkämpften Forts Douaumont eingesetzt, das später zum Symbol der Verdun – Schlacht werden sollte – so die Ausführungen des Biographen Klaus – Jürgen Müller dazu. Zudem dürfte das – prozessuale – Umdenken Becks in Bezug auf diesen Krieg wohl auch durch seine Dienststellung in der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz wesentlich gefördert worden sein. Unter dem Kommando des Kronprinzen und seines Generalstabschefs, General Friedrich Graf von der Schulenburg erhielt Beck außergewöhnliche Einsichten und konnte wertvolle Erfahrungen machen. Vor allem erschloss sich dem jungen Offizier im Stab einer Heeresgruppe die Welt der „Großen Strategie“, in der sich Politik, Militärstrategie und operative Führung zur großen Kriegspolitik vereinen (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck Eine Biographie, Verlag Ferdinand Schöningh 2008, Seite 48). Ab 1917 wurde Beck nicht nur zeitweilig mit der Ausbildung angehender Generalstabsoffiziere in den sogenannten „Sedan – Lehrgängen“ betraut. Ferner hatte er auch operative Erkundungsaufträge auszuführen. Für das Vertrauen das seine beiden Vorgesetzten in seine Person setzen sprach, dass sie den Stabsoffizier zur besonderen Verwendung, zunehmend zu Besprechungen der Obersten Heeresleitung (OHL) entsandten, wo er unter anderem auf General Erich Ludendorff traf.
Bemerkenswert wie interessant: Beck kleidet den Obersten Kriegsherren, Kaiser Wilhelm II, trotz durchaus auch vorhandener Kritik an ihm, in warme Worte. Demnach war der Monarch „ein durch und durch edle (r) vornehme (r), und sittlich hochstehende (r) Mann gewesen“ (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Ferdinand Schöningh Verlag 2008, Seite 58). Um so heftiger ging der national – konservative Offizier in einem Brief an seine Schwägerin (28.11.1918) mit den Wirren der Revolution ins Gericht mit denen er nach dem Krieg konfrontiert wurde. In jenem Brief schrieb der Kriegsheimkehrer zu den „revolutionären Vorgängen“ unter anderem: „Im schwersten Augenblick des Krieges ist uns die – wie ich jetzt keinen Moment zweifle – von langer Hand her eine vorbereitete Revolution in den Rücken gefallen. (…) Ich kenne keine Revolution in der Geschichte, die so feige unternommen wurde, und die, und das ist viel schlimmer mit absoluter Notwendigkeit die schwere Not, in der wir schon längst alle stecken, noch vervielfacht hat, vielleicht zu völligem Untergang führt“…(siehe Klaus – Jürgen Müller, General Ludwig Beck, Studien und Dokumente zur militärischen Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938, Harald Boldt Verlag – Boppard am Rhein 1980, der komplette Brief, Seite 323 – 328). Der Chronistenpflicht folgend; Beck beendete den Ersten Weltkrieg als Major (Beförderung April 1918) sowie mit den Eisernen Kreuz II. und I. Klasse an der Brust. Neben anderen Orden wurde ihm noch das Ritterkreuz mit Schwertern des Hausordens von Hohenzollern verliehen.
Nach dem Krieg setzte Beck weiterhin uniformiert, jetzt in der durch den Versailler Vertrag auf 100.000 Mann (+ 15.000 Mann der Marine) geschrumpften Reichswehr seinen Militärdienst fort. Im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden hatte er als langjähriger Monarchist offenbar weniger Schwierigkeiten damit, nunmehr der Republik zu dienen. Aber die Distanz zu den demokratischen Kräften der Weimarer Republik sollte bleiben. Dazu passt eine Aussage, die der damalige Chef der Heeresleitung (1920 – 1926), Generaloberst Hans von Seeckt in einem vertraulichen Brief (vom 5.11.1923) an den bayerischen Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr übermittelte: Demnach war die Reichswehr dem Staat „wesensfremd“.
Zunächst wurde der Major in die Abwicklungsstelle des Großen Generalstabes befohlen, denn auch diese traditionsreiche Institution bekam von Versailles das Verbotsschild umgehängt. Doch erfinderisch wie die Deutschen waren, wurde aus dem Generalstab das Truppenamt, dessen einstiger (Mit) Abwickler Beck 1933 selbst deren Chef werden sollte, ehe er 1935 – ordentlicher – Chef des Generalstabes des Heeres wurde. Die Generalstabsausbildung firmierte eine Zeit lang als „Führergehilfenausbildung“. Auf seinem militärischen Dienstweg lagen in den nächsten Jahren verschiedene Verwendungen im Truppen- und im Stabsdienst. Doch einige Jahre (1919 – 1922) spannte ihn der Chef der Heeresleitung Generaloberst Hans von Seeckt, noch für Sonderaufträge ein. Ab Oktober 1922 war Beck Abteilungskommandeur im 6. Preußischen Artillerie Regiment in Münster. Ein Jahr darauf übernahm er die „Führergehilfenausbildung“, der ehemaligen Kriegsakademie beim Wehrkreiskommando VI, ebenfalls in Münster. Im Anschluss folgte für vier Jahre die Versetzung nach Dresden. In der Elbmetropole war Beck im Stab der 4. Division tätig, zuerst als Erster Generalstabsoffizier und dann als Chef des Stabes. Als kulturbegeisterter musischer Mensch war er derart von Dresden beeindruckt, dass er daran dachte, seinen Ruhesitz in dieser Stadt zu nehmen. Eine Dienstreise nach Rom nutzte der General 1932 auch, um die dortigen Schätze an Kunst und Kultur zu erkunden. In seiner Beck – Biographie lässt Müller diesbezüglich dessen mitreisenden Begleitoffizier zu Wort kommen: „Es war eine furchtbare Hitze. Beck hatte nur wenig Zeit…es interessierte ihn alles, und er kannte alles und er ließ mich an allem teilhaben. Sein Lieblingsaufenthalt war das Vatikan – Museum; auch die größte Hitze hielt ihn nicht davon ab, lieber dort zu weilen, als ein wenig auszuruhen. Schließlich streikte ich und ließ ihn allein…Sein Geist besiegte immer jede körperliche Schwäche, was ich von mir nicht sagen konnte. Aber schließlich hatte er sich doch zu viel zugemutet. Bei seiner Abreise…sah ich, dass sein Gesicht schneeweiß war… Er meinte lächelnd: Ich glaube, ich habe zuletzt doch noch eine zu schwere Zigarre geraucht“ (siehe Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Ferdinand Schöningh Verlag 2008, Seite 42 f.). Nach diesem Abstecher in zivile Gefilde kehren wir nun in den militärischen Dienstalltag des Offiziers zurück. Seine Kariere ging weiter: Noch in der Weimarer Republik wurde unser Mann in den Generalstand erhoben. Im Februar 1931 wurde er zum Generalmajor befördert. Schon im Dezember 1932 war er um einen Generalsrang höher geklettert; Generalleutnant. In den Jahren von 1931 bis 1933 überarbeitete er die Vorschrift zur Truppenführung (H Dv..300/1, 1936, 319 Seiten). Diese neue Heeresdienstvorschrift war offenbar von so durchschlagender Wirkung, dass sie Armeen anderer Staaten kopierten oder ganze Passagen übernahmen; Sowjetunion, USA, Türkei. Unterstützt wurde Beck bei dieser – vorschriftsmäßigen Arbeit – von Carl – Heinrich Stülpnagel, der zuständig für den die Infanterie betreffenden Abschnitt war. Ein Zeitsprung sei an dieser Stelle erlaubt: Beide mehr und mehr widerständigen Militärs sollten zunehmend in Opposition zum NS – Regime geraten. Jeder an seinem Platz; Generaloberst a. D. Beck in Berlin und der General der Infanterie Stülpnagel als Militärbefehlshaber Frankreichs in Paris: Schließlich waren sie gemeinsam am Attentat des 20. Juli auf Hitler beteiligt, dessen Scheitern sie auf jeweils verschiedene Weise mit ihrem Leben bezahlten. Stülpnagel erblindete nach einem Selbstmordversuch und wurde zunächst in einem Lazarett für Erblindete behandelt. Anschließend folgte seine Verlegung an den Volksgerichtshof, wo man ihn mit anderen Verschwörern zum Tode verurteilte (Tod am Strang).
Kehren wir nun aber wieder zum Ausgangspunkt unseres Zeitsprungs zurück.
Die kommenden Jahre von Becks Dienstlaufbahn könnte man als ewigen Kampf zwischen Anpassung und Widerstand charakterisieren. Hitlers Machtantritt begrüßte er als den „ersten großen Lichtblick seit 1918“. Obwohl er den Gewaltmethoden des neuen Regimes (Röhm-Putsch, 1934) kritisch gegenüberstand, blieb seine positive Einstellung zu den braunen Machthabern im Kern über Jahre bestehen. Ein erster ernstzunehmender Schatten über den genannten „Lichtblick“ legte sich auf Beck, als die Angehörigen der Wehrmacht nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1934) auf Hitler persönlich vereidigt wurden. Der frisch Vereidigte soll danach gesagt haben, „das sei der schwärzeste Tag meines Lebens“ (siehe Ian Kershaw, Hitler 1889 – 1936 Band 1, DVA Stuttgart 1998, Seite 660). Die Autorenschaft für diese neue Eidesformel ging ohne jedes Zutun des Führers auf den Reichswehrminister des Deutschen Reiches (1933 -1935) bzw. Reichskriegsminister (1935 – 1938) Generaloberst Werner von Blomberg sowie auf den Chef des Ministeramtes, Generalmajor Walter von Reichenau zurück. Den nach Ansicht von Historikern „ersten politischen General“ von Reichenau, sollte als Oberbefehlshaber der 6. Armee bei einem Waldlauf der Schlag treffen (Schlaganfall, er starb am 17. Mai 1942). Sein Nachfolger wurde mit General Friedrich Paulus jemand, der die Aufmarschpläne des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa) mit erarbeitet hat.
Im Oktober 1933 bezog Generalleutnant Beck das Dienstzimmer des Chefs des Truppenamtes (ab 1935 Generalstabschef). Als nun ranghöchster Soldat legte er im Dezember 1933 ein Memorandum vor. Darin schrieb Beck, unsere militärpolitische Lage verlangt rasche Beseitigung des Zustandes völliger Wehrlosigkeit. In diesem Amt wurde er zu einem der Architekten und Planer der Aufrüstung der Wehrmacht. Klaus – Jürgen Müller brachte es auf den Punkt: „Überhaupt hat Beck die Aufrüstung intensiv vorangetrieben. Er war der Planer jener Aufrüstung und damit einer der Schöpfer der Wehrmacht des „Dritten Reiches“. Wie energisch der Generalstabschef des Heeres ganz im Sinne des Oberbefehlshabers der Wehrmacht die Aufrüstung der Armee forciert hat, davon legen zahlreiche Vortragsnotizen und Denkschriften Zeugnis ab. Sein Konzept sah vor, zunächst so rasch wie möglich Streitkräfte aufzubauen, die den Garantiemächten von Versailles eine militärische Intervention zu risikoreich erscheinen ließen; danach sollte man eine moderne schlagkräftige Armee aufbauen, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Struktur – ein Drittel sollten gepanzerte und mechanisierte Verbände bilden – auch eine offensive Kriegsführung erlauben würde (siehe Herausgeber Gerd R. Ueberschär, Hitlers militärische Elite 68 Lebensläufe, 3. Auflage, THEISS Verlag 2015, Klaus – Jürgen Müller, Seite 13). Der US – Historiker Dr. (für Militärgeschichte), Geoffrey P. Megargee schrieb: „Mitte Dezember 1933 unterzeichnete Beck eine grundsätzliche Weisung, ein Friedensheer von 300.000 Mann aufzustellen, und noch noch vor Jahresende ergingen Einzelverfügungen, mit dem tatsächliche Aufbau am 1. April 1934 zu beginnen. Dieses neue Aufrüstungsprogramm sollte innerhalb von vier Jahren ein 21 – Divisionen Heer (das Dreifache des bisherigen) schaffen“ (siehe Geoffrey P. Megargee, Hitler und die Generäle: Das Ringen um die Führung der Wehrmacht 1933 – 1945, Ferdinand Schöningh Verlag 2006, Seite 27). Beispielhaft sei hier noch Becks Denkschrift über die „Verbesserung der Angriffskraft des Heeres“ vom 30.12.1935 genannt. Sie betraf die Verbesserung und Verstärkung von Panzerverbänden sowie der Infanterie (siehe Klaus – Jürgen Müller, General Ludwig Beck, Studien und Dokumente zur politischen-militärischen Vorstellungswelt des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938, Harald Boldt Verlag – Boppard am Rhein 1980, Seite 469 -477). Mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ sowie der Einführung der Wehrpflicht am 16. März 1935 war der Startschuss für eine mit immensem Aufwand betriebene Aufrüstung und den Aufbau der deutschen Streitkräfte zu einer schlagkräftigen, zunächst zur Verteidigung und später auch zum Angriff befähigten Armee gegeben worden. Im November 1935 sollte der Pferdeliebhaber schon in die nächste Runde galoppieren und den Personalbestand der Armee auf 700.000 Mann hochschrauben. Die Herausgeber Bengt von und zu Mühlen/ Frank Bauer machen in ihrer Veröffentlichung; Der 20. Juli 1944 in Paris, Verlauf, Hauptbeteiligte, Augenzeugen (CHRONOS Verlag Berlin Kleinmachnow 1995) Angaben zu den Rüstungsanstrengungen des Generals: „Beck gehörte zu jener Gruppe hoher Militärs, die in Gegensatz zur Konzeption von Schleicher und Groener, eine rasche und umfassende deutsche Aufrüstung ohne Rücksicht auf Genfer Abrüstungsvereinbarungen und außenpolitische Vertragsvereinbarungen befürwortete und die Möglichkeiten dazu im Bunde mit den Nationalsozialisten gekommen sah“ (ebd. Seite 23). Beck mahnte in diesem Prozess an: „Unsere Kriegspläne, ebenso wie die großen Operationen in einem Krieg müssen das Ergebnis sorgfältigster, umfassendster Gedankenarbeit sein“. Bei allem Enthusiasmus, den der Stratege und Motor der Aufrüstung der Wehrmacht an den Tag legte, kritisch zu denken, wofür der General bekanntermaßen stand, hat er hier ebenso nicht aufgegeben. So muss erinnert werden; dem Generalstabschef Beck ging es vor allem um die Wiedererlangung der an Polen verlorenen Gebiete, wobei ihm Hitlers ausufernde Lebensraumideen und sozialdarwinistisches Denken fremd waren. Diese Erinnerungsarbeit leistet der Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel in seinem Buch: „Deutsche Krieger – Vom Kaiserreich zur Berliner Republik, eine Militärgeschichte“, Propyläen Ullstein 2020, Seite 125). Aber erwähnt gehört auch: „…dass Beck, wie eben ein beträchtlicher Teil nationalkonservativer Kräfte, zunächst offensichtlich die innenpolitische „Flurbereinigungen“ und ersten rassistischen Maßnahmen des Regimes seit 1933 nicht als Anstoß zur Opposition empfand, sondern erst das außenpolitische va banque – Spiel des Führers ab 1937. (…). „Der Tatsache, dass Beck den Auftrag des Kriegsministers eine Operationsstudie für eine mögliche militärische Intervention in Österreich anzufertigen unter energischem Protest zunächst zurückwies und den Auftrag nicht ausführte, im Frühjahr 1938 jedoch auf Hitlers Befehl innerhalb von 5 Stunden die militärische Besetzungsaktion organisiert hat“ – wurde entweder mit der Erklärung abgetan, dem preußisch erzogenen pflichtbewussten Offizier sei in der Situation von 1938 gar nichts anderes übrig geblieben als zu gehorchen; oder man beließ es einfach bei der Feststellung, Beck habe leider 1938 im Sinne des Regimes funktioniert“ (siehe Klaus – Jürgen Müller in Militärgeschichtlichen Mitteilungen, Heft 1/1972, Seite 5).
Nachdem das, nach Ian Kershaw zwischen 1933 und 1940 weltweit beliebteste, Staatsoberhaupt, Adolf Hitler, (siehe Ian Kershaw, Hitler Band 1, 1889 – 1936, DVA Stuttgart 1998, Seite 27) mit einer Weisung vom 30.05.1938 die „Zerschlagung der Tschechoslowakei“ ankündigte, warnte der ranghohe Offizier von Mai bis August 1938 (schon) auf verloren Posten(?) mittels Denkschriften, Vorträgen, Gesprächen und Appellen an die Führung von Wehrmacht und NSDAP vor dem Risiko eines nicht begrenzbaren Krieges. Er war der Meinung, selbst die Aggression gegen die kleine Tschechoslowakei würde einen Weltkrieg entfesseln. Auch, wenn der Weltkrieg erst mit dem deutschen Überfall auf Polen (1939) beginnen sollte schimpfte der Meldegänger aus dem Ersten Weltkrieg seinen Generalstabschef eine „Heulboje“. Die politischen Argumente, die der – Protestant – Beck in vielen Denkschriften an Hitler vorbrachte, stufte der Gefreite als anmaßende Bedenken eines in veralteten Anschauungen befangenen Generals ein (siehe Gert Buchheit, Generaloberst Ludwig Beck – Ein Patriot gegen Hitler, Biographie, Lindenbaum Verlag 2005, Seite 183f). Genauso erreichten seine militärfachlichen Einwänden gegen Hitlers Kriegspolitik nicht sein Ziel. Aber: Die Aufrüstung der Wehrmacht, ihre Ausbildung sowie ihre personelle Aufstockung ging in all den Jahren unter der wesentlichen Verantwortung Becks weiter. Laut dem sonstigen in einer Publikation des Dietz Verlages speziell hierzu veröffentlichten Zahlenwerk beliefen sich die Rüstungsausgaben in Deutschland bis 1939 auf 90 Milliarden Reichsmark. 1938 beanspruchte der Rüstungssektor 27 Prozent des Volkseinkommens, 24 Prozent der Industrieproduktion (siehe Gerhard Förster/Heinz Helmert/Helmut Otto/ Helmut Schnitter, Der preußisch – deutsche Generalstab, 1640 -1965, Dietz Verlag 1966, Seite 251).
Jedenfalls wurde der Mai 1938 (Sudetenkrise) zu einem Wendepunkt im Denken von General Beck. Fortan sah er seine Aufgabe darin: „Wie verhindere ich einen Krieg“. Die Sudetenkrise sollte damit zur Geburtsstunde einer national – konservativen Widerstandsbewegung werden (siehe Hans – Ulrich Thamer, Deutsche Geschichte, Verführung und Gewalt, Deutschland 1933 1945, Siedler 1986, Seite 588). Der künftige Mitverschwörer (20. Juli), der Diplomat Ulrich von Hassell sollte General a. D. Beck als „zentrale Figur“ des militärischen Widerstandes „akkreditieren“. An dieser Stelle sei noch einmal an den „Denkschriftenkrieg“ des zunehmend in die Rolle eines Militäroppositionellen hineinwachsenden Generals erinnert. Zitieren wir hierzu aus der besonders eindrücklich formulierten Denkschrift vom 16. Juli 1938: „Es stehen hier letzte Entscheidungen für den Bestand der Nation auf dem Spiel; die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbietet. Finden ihre Ratschläge und ihre Warnungen in solcher Lage kein Gehör, dann haben sie das Recht und die Pflicht vor dem Volk und der Geschichte, von ihren Ämtern abzutreten. (…) Wenn man die Augen und Ohren offen hält, wenn man sich durch falsche Zahlen nicht selbst betrügt, wenn man nicht in dem Rausch einer Ideologie lebt, dann kann man nur zu der Erkenntnis kommen, dass wir zur Zeit wehrpolitisch (Führung, Ausbildung und Ausrüstung), wirtschaftspolitisch und stimmungspolitisch für einen Krieg nicht gerüstet sind“ (siehe Der zweite Weltkrieg – Dokumente, Militärverlag der DDR 1989, Ausgewählt und eingeleitet Gerhard Förster/Olaf Groehler, Seite 25). Nach hartnäckigen Drängen konnte der Generalstabschef beim neuen Oberbefehlshaber des Heeres (ab Februar 1938), Generaloberst Walther von Brauchitsch durchsetzen, dass er jene Denkschrift auf einer Generalskonferenz am 4. August zur Verlesung bringt. Angesichts der Lage versuchte Beck die Konferenzteilnehmer zu einem „General – Streik“, sprich zu einem kollektiven Rücktritt zu bewegen. Aber niemand wollte seiner Autorität folgend, seinen Schritt mit gehen. Mit einer dermaßen „generalisierten“ Isolation konfrontiert, reichte der Generalstabschef am 18. August 1938 seinen Rücktritt ein. Der künftige Mitverschwörer Ulrich von Hassell notiert zu den Gründen für Becks Rücktritt in seinem Tagebuch: „Die ganze Entwicklung ekelt ihn (Beck) an, und der Kriegsleichtsinn der führenden Leute empört und entsetzt ihn (Dezember 1938). Am 27. August übergab er seine Dienstgeschäfte an den „stromlinienförmigen“ General der Artillerie, Franz Halder (siehe Jochen Böhler, Der Überfall: Deutschlands Krieg gegen Polen, Eichborn Verlag 2009, Seite 38).
Als Vermächtnis könnte man Becks Bemerkung in der oben erwähnten Juli – Denkschrift werten: „um unsere Stellung den Historikern gegenüber in der Zukunft klarzustellen und den Ruf des Oberkommandos sauber zu halten, wünsche ich als Generalstabschef zu Protokoll zu geben, das ich mich geweigert habe, irgendwelche nationalsozialistischer Abenteuer zu billigen. Ein endgültiger deutscher Sieg ist eine Unmöglichkeit“. Dem sei noch die Position von Prof. Neitzel beigegeben: „Selten gingen deutsche Streitkräfte so unvorbereitet in einen Krieg gegangen wie 1939. In nur sechs Jahren war aus der kleinen Reichswehr ein 2,6 Millionen Heer hervorgegangen. Es war unmöglich eine so große Anzahl von Soldaten in so kurzer Zeit gut auszubilden und auszurüsten“ (siehe Sönke Neitzel, Deutsche Krieger, Vom Kaiserreich zur Berliner Republik, eine Militärgeschichte, Propyläen Ullstein 2020, Seite 127). Auch vor dieser Entwicklung hatte Beck gewarnt, als er mehrfach meldete, die Armee ist noch nicht kriegstauglich. Noch im aktiven Dienst hatte er sich an den Oberbefehlshaber des Heeres, von Brauchitsch gewandt: Ein Krieg zum jetzigen Zeitpunkt werde „nach menschlicher Voraussicht mit einer nicht nur militärischen, sondern auch allgemeinen Katastrophe Deutschlands endigen“ (siehe Lukas Grawe, Clausewitz Heft 2/ 2016, Vom Vater der Aufrüstung zum “Verschwörer des 20. Juli“, Seite 78).
Ehe Beck nach fast 40 Jahren seine Uniformträgerschaft im November 1938 beendete, wurde er noch mit dem Dienstgrad eines Generalobersten „abgefunden“.
Es war ein langer Weg den der nunmehrige Generaloberst a. D. ging; von der letztlich höchsten Sprosse der Karriereleiter fiel er in ein Widerstandsnest. Begrüßte der Offizier Hitlers Machtantritt noch als den „ersten großen Lichtblick seit 1918“, so warf der Pensionär ihm vor: „Dieser Mensch hat ja gar kein Vaterland“ (siehe Hans – Ulrich Thamer, Deutsche Geschichte, Verführung und Gewalt, Deutschland 1933 – 1945, Siedler 1986, Seite 629).
Befreit von jahrzehntelangen militärischen Dienstpflichten widmete sich Beck militärwissenschaftlichen und kriegsgeschichtlichen Studien. Ein Podium, wo er die Ergebnisse seiner Gedankenarbeit freimütig im Kreise von hervorragenden Vertretern mehrerer Wissensgebiete (Ferdinand Sauerbruch, Werner Heisenberg), Ulrich von Hassell u.a.) diskutieren konnte, das war die Mittwochsgesellschaft. Nachdem Reichswehrminister Wilhelm Groener 1939 verstorben war, wurde Beck als neuer „Gesellschafter“ in diesen exklusiven Kreis (es waren nie mehr als 16 bis 17 Mitglieder) gewählt. Gegenstand von Referaten des Generals im Ruhestand waren; Über den Krieg (1940). Der deutsche Kriegsplan 1914 (1940). Über die Frage: West- oder Ostoffensive 1914 (1941). Die Lehre vom totalen Krieg (1942). Der 29. September 1918 (1942). Marschall Foch (1944). Unter Beteiligung von Popitz, von Hassell, Jessen und Beck entstand in der Mittwochsgesellschaft ein innerer Kreis. Bei Mitwirkung des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Carl Friedrich Goerdeler (er war nicht Teil der Mittwochsgesellschaft) haben sie im Februar 1940 ein „Regierungsprogramm“ aufschrieben (siehe dazu Hans – Ulrich Thamer, Deutsche Geschichte, Verführung und Gewalt , Deutschland 1933 – 1945, Siedler 1986, Seite 728 – 729). Anfang April 1941 erfuhren Beck und seine Freunde von Befehlen, die den Truppen im Vorfeld des Russland – Feldzuges zugingen; Kommissarbefehl, Einschränkung der Militärgerichtsbarkeit gegenüber der russischen Bevölkerung. Ihnen wurde sofort klar, dass damit die Truppenbefehlshaber im Osten vor eine gesinnungsethische Frage von hoher Bedeutung gestellt werden (…) Sie drängten Beck dazu auf, auf höchster Ebene gegen diese Befehle Protest einzulegen. Das „Hitler – Anhängsel“ (R.L.), der OKW – Chef Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel fiel dabei aus, die Protestadresse war stattdessen der Oberbefehlshaber des Heeres (1938 – 1941), Generalfeldmarschall von Brauchitsch (siehe Gert Buchheit, Generaloberst Ludwig Beck – Ein Patriot gegen Hitler, Biographie, Lindenbaum Verlag 2005, Seite 264).
Seit seinem Rücktritt lebte Beck sonst recht zurückgezogen in seinem Berliner Haus. Nebenher musste er sich bei Prof. Ferdinand Sauerbruch einer Krebsbehandlung unterziehen. Nächstens beteiligte er sich aktiv an vielen Umsturzplänen. Als sich das Kriegsgeschehen zu Ungunsten der Wehrmacht ab Winter 1941 veränderte, wuchs in den Widerstandskreisen wieder die Hoffnung – so Lukas Grawe. In Denkschriften setzte sich Beck bereits mit der politischen Nachkriegsgestaltung Deutschlands auseinander – einem Deutschland ohne Hitler, wo der frühere Generalstabschef Beck als vorläufiges Staatsoberhaupt vorgesehen war. Aber der für den 20. Juli 1944 geplante „Tyrannenmord“ wurde ein Fehlschlag. Hitler kam nur leicht verletzt davon. Das hatte nicht nur für die Hitler – Attentäter fatale Folgen: In den letzten Kriegsmonaten nach dem 20. Juli fielen mehr Menschen dem Krieg und der Gewaltherrschaft zum Opfer als in den vier Jahren zuvor.
Das NS-Regime nahm grausame Rache. Der Führer forderte, die Widerständler sollten mit Klavierdraht am Fleischerhaken wie Schlachtvieh gehängt werden. Der „deutsche Wyschinsky“, Roland Freisler erhielt als Präsident des Volksgerichtshofes von Hitler den entsprechenden Auftrag (siehe Hans – Ulrich Thamer, Deutsche Geschichte, Verführung und Gewalt, Deutschland 1933 – 1945, Siedler 1986, Seite 744 – 748).
Ludwig Beck war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben. Nachdem klar war, dass der Staatsstreich nicht den erwünschten Erfolg gebracht hatte, bat der General a. D. den Befehlshaber des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm, um seine Waffe zum „privaten Gebrauch“ zu überlassen. Zwei Versuche der Selbsttötung waren nicht tödlich, sodass Fromm einem Feldwebel den „Gnadenschuss“ befahl. Vielleicht auch gut so, denn so blieb dem Ex – General ein erniedrigender, demütigender Schauprozess des „Generals der Rechtspflege“ (Freisler) erspart.
Bis heute ist Beck unvergessen. Eine Bundeswehrkaserne in Sonthofen trägt seinen Namen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden vergibt einen Ludwig – Beck– Preis für Zivilcourage.
Sei dem Leser abschließend noch ein Gedanke des Weggefährten von Beck, dem General von Stülpnagel (1886 – 1944) übermittelt, der in Berlin – Plötzensee hingerichtet wurde: „In gewissen Lagen wird das Verlassen des Lebens des Tüchtigen zur Pflicht“.
Autor: René Lindenau
Literatur
Gert Buchheit, Generaloberst Ludwig Beck – Ein Patriot gegen Hitler, Biographie, Lindenbaum Verlag 2005
Klaus – Jürgen Müller, Generaloberst Ludwig Beck, Eine Biographie, Verlag Ferdinand Schöningh 2008
Klaus – Jürgen Müller, General Ludwig Beck, Studien und Dokumente zur militärischen Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933-1938, Harald Boldt Verlag – Boppard am Rhein 1980
Geoffrey P. Megargee, Hitler und die Generäle: Das Ringen um die Führung der Wehrmacht 1933 – 1945, Ferdinand Schöningh Verlag 2006
Gerd R. Ueberschär, Hitlers militärische Elite, 68 Lebensläufe, 3. Auflage, THEISS Verlag 2015
Sönke Neitzel, Deutsche Krieger – Vom Kaiserreich zur Berliner Republik, eine Militärgeschichte“ Propyläen Ullstein 2020
Gerhard Förster/Heinz Helmert/Helmut Otto/ Helmut Schnitter, Der preußisch – deutsche Generalstab, 1640 -1965, Dietz Verlag 1966
Der Zweite Weltkrieg – Dokumente, Militärverlag der DDR 1989, ausgewählt und eingeleitet Gerhard Förster/Olaf Groehler
Hans – Ulrich Thamer, Deutsche Geschichte, Verführung und Gewalt, Deutschland 1933 – 1945, Siedler 1986
Beitrag in der SWR Audiothek