Begriff
„Totaler Krieg“ bezeichnet eine Kriegsführung, bei der über die militärischen Mittel hinaus alle gesellschaftlichen und politischen Anstrengungen auf die Erreichung des Sieges ausgerichtet sind. Es gibt keine strenge Unterscheidung zwischen Heimat und Front mehr. Die gesamte Zivilbevölkerung wird durch den Arbeitseinsatz für die Rüstung zum Teil des Kriegsapparates. In letzter Konsequenz geht es im totalen Krieg nicht um die Erreichung konkreter militärischer Zwecke: Das eigentliche Ziel ist die Vernichtung des Gegners.
„Wollt ihr den totalen Krieg?“ – Der Beginn der totalen Kriegsführung seit 1942/43
Obwohl bereits seit Mitte der 30er Jahre die deutsche Wirtschaft auf die Kriegsvorbereitung ausgerichtet wurde, verlief bis zum Ende des Frankreichfeldzugs 1940 das zivile Leben weitgehend normal. Mit dem Scheitern der Offensive in der Sowjetunion und den verstärkten Luftangriffen auf deutsche Städte ab Ende 1942 jedoch war die Trennung von zivilem Leben und Krieg nicht mehr aufrecht zu erhalten. Durch eine Mobilisierung aller – auch ziviler – Kräfte, so hoffte die NS-Führung, sollte die absehbare Niederlage noch abgewendet werden. Die Totalisierung der Kriegsführung durch Einbeziehung aller Lebensbereiche wurde nun auch öffentlich zum Programm. Propagandaminister Joseph Goebbels nutzte die deutsche Niederlage in Stalingrad (Januar 1943), um die Deutschen endgültig auf den totalen Krieg einzuschwören.
In seiner – mehrfach vom Rundfunk übertragenen – Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 propagierte er die totale Indienststellung des gesamten zivilen Lebens für die Kriegführung. Die rund 14.000 Zuhörer konfrontierte er mit einer denkbaren Niederlage der Wehrmacht und ihren verheerenden Folgen für die Deutschen. Nur wenn jeder Einzelne bereit sei, sein ganzes Leben auf den Krieg auszurichten, wenn die Anstrengungen in der Rüstung und im Arbeitseinsatz verstärkt würden, bestünde noch Hoffnung auf den Endsieg. Solchermaßen aufgeputscht, stellte Goebbels den Anwesenden die berüchtigte Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg, wenn nötig, totaler und radikaler als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?“ Der anschließende tosende Beifall im Sportpalast wurde in der NS-Propaganda in den folgenden Wochen als Zustimmung des ganzen Volkes gewertet.
Maßnahmen des totalen Krieges
Die Mobilisierung des deutschen Volkes für den totalen Krieg hatte drei Elemente: Freisetzung zusätzlicher Kräfte für die Front, Verstärkung der Rüstungsanstrengungen und Gleichschaltung des Volkswillens. Bereits Anfang 1943 wurde der Personenkreis, der zum Militärdienst herangezogen werden konnte, erheblich erweitert. Verpflichtet werden konnten jetzt Männer zwischen 16 und 65, Frauen zwischen 17 und 45. Frauen waren dabei nicht im direkten Waffendienst, übernahmen aber kriegswichtige Aufgaben unter anderem im Funkwesen und dem Sanitätsbereich. Die Befreiungen vom Militärdienst – die sogenannten uk-Stellungen – wurden verringert. Die Arbeitspflicht wurde für nahezu alle Bevölkerungsteile erheblich ausgeweitet. Die wöchentliche Arbeitszeit steigerte sich teilweise bis auf 70 Stunden.
Organisatorische Maßnahmen und zentrale Planung erhöhten zugleich die Produktivität der Rüstungsbetriebe. Nicht kriegswichtige Wirtschaftszweige wurden dagegen reduziert. So konnte die Waffenproduktion bereits seit Ende 1942 deutlich gesteigert werden. Die Produktion allein von Panzern wurde zwischen 1942 und 1944 verfünffacht. Wesentlichen Anteil daran hatte Albert Speer, der seit Februar 1942 als „Reichsminister für Bewaffnung und Munition“, ab September 1943 als „Reichsminister für Rüstung“ die gesamte Kriegswirtschaft koordinierte. Möglich wurden diese Steigerungen aber vor allem durch die Ausbeutung von Zwangsarbeitern, die aus den besetzten Gebieten deportiert wurden. Verantwortlich für deren Organisation war vor allem Fritz Sauckel, „Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz“. Bis Ende 1944 stieg die Zahl der Zwangsarbeiter auf rund 7,5 Millionen. Das waren 20% aller in der deutschen Wirtschaft Beschäftigten. Sie mussten unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten, viele kamen ums Leben.
Die Akzeptanz der Bevölkerung für den totalen Krieg sollte durch eine massive Unterdrückung jeder Kritik und mit einer Propagandakampagne erzwungen werden. Todesstrafe drohte allen, die sich Dienstpflichten entzogen oder kritisch äußerten. Nach Stalingrad nahm die Zahl der Verurteilungen massiv zu. Neben Rundfunk und Wochenschau waren es zahlreiche Plakate, die für den totalen Krieg warben. Die Parole „Totaler Krieg – kürzester Krieg“ sollte der Bevölkerung die massiven zusätzlichen Kriegsbelastungen plausibel machen. Bestandteil dieser Propaganda war auch eine antirussische Hetze. Die Menschen sollten glauben, dass ihnen nach einem künftigen Sieg der Roten Armee nur schlimmste Grausamkeiten drohten. In der konkreten Wirklichkeit erlebten die Menschen in den letzten Kriegsjahren den totalen Krieg allerdings vor allem als fortschreitende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen in einem vernichtenden Bombenkrieg. Mit der gezielten Zerstörung deutscher Städte und den Angriffen auch auf rein zivile Ziele nahmen die Alliierten ihrerseits das Konzept des totalen Krieges auf. Auch sie unterschieden nicht mehr strikt zwischen Militär und Zivil, sondern betrachteten das gesamte Volk als Teil des nationalsozialistischen Kriegsapparates. Mit der Aushebung des sogenannten „Volkssturmes“ schließlich ab September 1944 erreichte der totale Krieg als Volkskrieg seinen Höhepunkt. Insbesondere Propagandaminister Goebbels hatte sich dafür eingesetzt. Wenige Wochen zuvor war er zum „Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz“ ernannt worden. Alle noch kampffähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren wurden mit einfachsten Waffen an der Heimatfront eingesetzt. Teilweise kamen Anfang 1945 noch ältere Personen und jetzt sogar auch Frauen zum Einsatz. Militärisch blieb der Volkssturm ohne Bedeutung.
Idee und Vorgeschichte des totalen Krieges
Der „totale Krieg“ war keine Erfindung des Dritten Reiches. In der militärischen Wirklichkeit zeigten die Kriege der Neuzeit generell eine Tendenz zur „Totalisierung“: War in den vormodernen Kriegen die Zivilbevölkerung allenfalls durch höhere Abgaben und punktuelle Plünderungen betroffen, wurden Kriege seit der französischen Revolution schon verstärkt als Vernichtungskriege geführt, die auch die Zivilbevölkerung zum Opfer machten. Vor allem der 1. Weltkrieg brachte eine bis dahin nicht gekannte Verschränkung zwischen Heimat und Front. Erst durch die Ausrichtung der industriellen Produktion auf Kriegszwecke konnten die für einen modernen Krieg typischen aufwendigen Waffen bereit gestellt werden. Erich Ludendorff, General im 1. Weltkrieg und späterer Verbündeter Hitlers, zog daraus die Konsequenzen und formulierte eine Doktrin des künftigen totalen Krieges. „Nicht nur die Heere, auch die Völker sind der unmittelbaren Kriegshandlung, wenn auch in ihren einzelnen Teilen abgestuft, unterworfen“, schrieb er 1935 in einer Abhandlung, die in Nazi-Deutschland mehrfach neu aufgelegt wurde. Darin betonte Ludendorff auch die Bedeutung des Kriegswillens eines Volkes, das geschlossen hinter seiner Führung stehen müsse. Zu diesem Zweck verlangte er eine intensive Propaganda. Ob Goebbels und Hitler diese Schrift kannten, lässt sich nicht nachweisen, in ihren Grundgedanken stimmten sie jedenfalls mit Ludendorff überein.
Autor: Dr. Bernd Kleinhans
Literatur
Bauemler, A.: Der totale Krieg, in: A. Baeumler: Bildung und Gemeinschaft, Berlin 1942.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Fetscher, I.: Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast 1943 „Wollt ihr den totalen Krieg, Hamburg 1998.
Gruchmann, L.: Totaler Krieg. Vom Blitzkrieg zur bedingungslosen Kapitulation, München 1991.
Ludendorff, E.: Der totale Krieg, München 1935.
Weinberg, Gerhard: A World at Arms : A Global History of World War II, Cambridge 1995.