Der „Blitzkrieg“ im Zweiten Weltkrieg war ein herausragendes Beispiel für die Wirksamkeit innovativer militärischer Taktiken und Strategien. Es zeigte, wie eine gut koordinierte und mobilisierte Streitmacht in der Lage war, scheinbar übermächtige Feinde zu besiegen. Der „Blitzkrieg“ hat die Kriegsführung nachhaltig beeinflusst und ist ein wichtiger Bestandteil der Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Begriffsbestimmung
Der Begriff „Blitzkrieg“ ist untrennbar mit der deutschen Kriegsführung während des Zweiten Weltkriegs verbunden. Es bezieht sich auf die militärische Strategie und Taktik, die von der Wehrmacht, der deutschen Streitkräfte, entwickelt und eingesetzt wurde, um ihre Feinde in den Jahren 1939 bis 1941 zu überrollen.
I. Die Entstehung des „Blitzkriegs“
Der „Blitzkrieg“ war das Ergebnis einer evolutionären Entwicklung der deutschen Kriegstaktik, die sich aus den Lehren des Ersten Weltkriegs und den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit entwickelte. Schlüsselkonzepte und Prinzipien des Blitzkriegs hatten ihre Wurzeln in den Werken von Militärtheoretikern wie General Hans von Seeckt und Oberstleutnant Ludwig Beck. Diese Theoretiker betonten Beweglichkeit, Initiative und Überraschung als grundlegende Elemente der künftigen Kriegsführung. (Quelle: Heeresdienstvorschrift 100 (HDv 100), „Truppenführung“ (1933))
Die entscheidenden Durchbrüche kamen jedoch während der späten 1920er und frühen 1930er Jahre, als deutsche Offiziere in geheimen Manövern und Schulungen neue Taktiken und Techniken entwickelten. Generaloberst Walther von Reichenau, der die neu gegründete Panzertruppe führte, spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Taktik, bei der die Panzerwaffe eine zentrale Rolle spielte.
II. Die Merkmale des „Blitzkriegs“
Der „Blitzkrieg“ war durch eine Reihe von Merkmalen gekennzeichnet, die ihn von den herkömmlichen Kriegstaktiken seiner Zeit abhoben. Diese Merkmale umfassten:
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Konzentration von Kräften: Der Ansatz betonte die Notwendigkeit, starke, hochmobile Einheiten zu schaffen, die in der Lage waren, an entscheidenden Stellen aufzutreten und feindliche Verteidigungen zu durchbrechen.
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Überraschung: Überraschungsangriffe waren ein Schlüsselelement des Blitzkriegs. Die deutschen Truppen sollten den Feind verwirren und seine Verteidigung überrennen, bevor er sich angemessen organisieren konnte.
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Beweglichkeit: Die schnelle Bewegung von Truppen, insbesondere Panzerdivisionen, spielte eine entscheidende Rolle. Panzer waren das Herzstück des Blitzkriegs und erlaubten es den deutschen Streitkräften, sich schnell und tief ins feindliche Gebiet vorzuarbeiten.
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Verwendung von Luftunterstützung: Die Koordination zwischen Bodentruppen und Luftwaffe war ein weiteres wichtiges Merkmal des Blitzkriegs. Die deutsche Luftwaffe, die Luftüberlegenheit errang, unterstützte die Truppen am Boden und verfolgte die feindlichen Streitkräfte.
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Einheit der Führung: Die deutsche Führung betonte die klare Kette des Befehls und die Dezentralisierung der Entscheidungsfindung. Dies erlaubte den Truppen vor Ort, flexibel auf die sich entwickelnde Situation zu reagieren.
III. Der „Blitzkrieg“ im Zweiten Weltkrieg
Der „Blitzkrieg“ wurde erstmals im Zweiten Weltkrieg in Polen im September 1939 eingesetzt. Die deutsche Armee erzielte rasche Erfolge, indem sie die polnische Verteidigung durchbrach und in kurzer Zeit das Land eroberte. Dieser Sieg verdeutlichte die Effektivität der neuen Taktik und erregte internationale Aufmerksamkeit. (Quelle: „Der Überfall auf Polen 1939“ – Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht, 1. September 1939)
Die Anwendung setzte sich in Westeuropa im Jahr 1940 fort, als deutsche Truppen Belgien, die Niederlande und Frankreich überrannten. Die Panzertruppen unter Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt durchbrachen die starken Verteidigungslinien und eroberten Paris. Die französische Armee wurde überrascht und in die Defensive gedrängt.
Das Konzept setzte sich in Osteuropa im Jahr 1941 fort, als Deutschland die Sowjetunion angriff. Die deutschen Truppen erzielten schnelle Fortschritte, nahmen Hunderttausende von sowjetischen Soldaten gefangen und eroberten große Gebiete. Dieser Erfolg wurde jedoch im Verlauf des Krieges von sowjetischen Gegenoffensiven gebremst.
IV. Die Auswirkungen
Der „Blitzkrieg“ hatte erhebliche Auswirkungen auf den Verlauf des Zweiten Weltkriegs. In den ersten Jahren des Krieges führte die erfolgreiche Anwendung des Blitzkriegs zu bedeutenden territorialen Gewinnen für Deutschland und dazu, dass sich die Alliierten vorübergehend in die Defensive drängen ließen. Dies führte zu einem dramatischen Wandel in der Wahrnehmung der deutschen Streitkräfte und ihrer militärischen Überlegenheit. (Quelle: „Armeebericht“ des Oberkommandos der Wehrmacht, 1940)
Die schnellen Erfolge führten jedoch auch dazu, dass die deutschen Truppen in weiten Gebieten in West- und Osteuropa überdehnt waren und die Nachschublinien überlastet waren. Dies zwang die deutschen Streitkräfte dazu, sich auf vielen Fronten zu verteidigen, was zu Erschöpfung und einer zunehmenden Schwächung der Wehrmacht führte.
Die Anwendung in der Sowjetunion war ein Wendepunkt. Obwohl Deutschland zunächst erhebliche Gebietsgewinne verzeichnete, stieß es auf den entschlossenen Widerstand der Roten Armee und wurde schließlich in die Defensive gedrängt. Dies leitete das Ende der schnellen deutschen Expansion im Osten ein.
V. Die langfristige Bedeutung des „Blitzkriegs“-Konzeptes
Das Konzept hatte langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung der Kriegsführung. Seine Prinzipien der Beweglichkeit, der Konzentration von Kräften und der Luftunterstützung beeinflussten nachfolgende Generationen von Militärstrategen. Der „Blitzkrieg“ legte den Grundstein für die modernen Konzepte der mobilen Kriegsführung, die in späteren Konflikten wie dem Kalten Krieg und dem Golfkrieg angewendet wurden.
Literatur
Charles Messenger: Blitzkrieg, Eine Strategie macht Geschichte. Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 1980.
Bernhard R. Kroener: Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen Wehrmacht, Bürokratie und Kriegswirtschaft 1939–1942. In: Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 5, 1: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. Teilband 1: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1939 bis 1941. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988.
George Raudzens: Blitzkrieg Ambiguities. Doubtful Usage of a Famous Word. In: War and Society. 7, 1989, S. 77–94.
William J. Fanning, Jr.: The Origin of the Term „Blitzkrieg“. Another View. In: The Journal of Military History. 61, No. 2, (April) 1997, S. 283–302. Artikel bei jstor.
Robert M. Citino: Quest for Decisive Victory: From Stalemate to Blitzkrieg in Europe, 1899–1940. Modern War Studies, University Press of Kansas 2002.