Panzerschlacht Kursk: Die größte Panzerschlacht aller Zeiten?
Nach der deutschen Niederlage in Stalingrad forderte der „totale Krieger“ Dr. Joseph Goebbels (Sportpalast – Rede 18. Februar 1943), Revanche. Als Austragungsort jener Revanche war der Raum Kursk ausersehen worden. Es sollte eine der größten, wenn nicht gar die größte Landschlacht des Zweiten Weltkrieges werden. Was bei der Rezeption der Kursker Schlacht oft zu wenig beachtet hinten runter fällt, es war auch eine riesige Luftschlacht, wo deutsche Luftflotten und sowjetische Luftarmeen um die Luftherrschaft rangen. So viel sei schon verraten: Den „luftigen Ringkampf“ konnten die sowjetischen Flieger mit dem Gewinn der Luftherrschaft für sich entscheiden. Hinsichtlich der Luftschlacht über Kursk sollte eine Personalie hervorgehoben werden. Es geht um Generaloberst Robert von Greim, der in Kursk das Kommando über die Luftflotte 6 (Bestand: Juli 1943 730 Maschinen) inne hatte. Als kurz vor Kriegsende der Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Hermann Göring durch Hitler aller Ämter enthoben wurde, da durfte von Greim, der schnell noch zum Generalfeldmarschall befördert wurde, noch für wenige Wochen Oberbefehlshaber der Luftwaffe spielen. Als der hohe Fliegeroffizier in US – amerikanischer Kriegsgefangenschaft erfuhr, er solle in die sowjetische Kriegsgefangenschaft überstellt werden, da zog er mittels Blausäure den Absturz in den Tod vor.
Im weiteren sollen hier einzelne Aspekte über Vorbereitung, Kampfverlauf sowie über die Folgen dieser Schlacht des Sommerfeldzuges des Kriegsjahrgangs1943 angezeigt werden.
Kriege verändern die Menschen. Dabei ist man sich oft nicht bewusst, auch Landschaften bekommen ein anderes Gesicht. Das war im Kursker Frontbogen nicht anders. Bevor in dem „titanischen“ Kräftemessen der beiden Kriegsparteien die erste Bombe den ersten Klumpen Erde aufgewirbelt hat, bevor das erste Blut floss, bevor das erste Bein weggesprengt und der erste Panzerfahrer verbrannt war, schufen die Rotarmisten unterstützt von circa 300.000 Einwohnern der Region Kursk ein riesiges, tief gestaffeltes Systems an Verteidigungsstellungen. Das Kursker Gebietskomitee der KPdSU verlieh dem noch mit einem Beschluss den gewohnten parteipolitischen Nachdruck. Einem Parteibeschluss folgend wurden für den Aufbau der Verteidigungsstellungen vier Arbeitskolonnen mit je 1.000 Mann zusammengestellt (siehe Boris Semjonowitsch Telpuchowski, Die sowjetische Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges 1941 -1945, Bernhard & Graefe Verlag für Wehrwesen 1961, Seite 235). Zum Ergebnis des Aufbauwerkes: Der Hauptverteidigungsstreifen jeder Armee erreichte eine Tiefe von fünf bis sechs Kilometer Mehrere Reihen untereinander verbundener Kampfgräben, Pioniersperren, Stützpunkte, Panzerabwehrräume, Feuernester, Bunker, Minenfelder und Deckungen bildeten ein schwer zu durchdringendes Verteidigungssystem. (…) dazu kamen 15.000 Panzermimen und 17.000 Infanterieminen (siehe Deutschland im Zweiten Weltkrieg Band 3, Akademie Verlag Berlin 2. durchgesehene Auflage 1982, Seite 550f). Um den Nachschub der Sowjettruppen zu verbessern wurden 96 Gleiskilometer verlegt. Bei manchem inzwischen – generalisierten – deutschen Veteran des Ersten Weltkrieges (1914 – 1918) dürften bei der Konfrontation mit dem besonders gründlich und umfassend ausgebauten Stellungssystem der „Festung Kursk“, Erinnerungen an den damals verheerenden Stellungskrieg geweckt worden sein.
Immerhin wollte man nach der Niederlage in Stalingrad, in Kursk die brüchige Achse wieder stärken, sowjetische Armeen wie zuvor doch so oft erfolgreich praktiziert, mit Zangengriffen einkesseln und vernichten. Vor allem sollte die strategische Initiative wieder erlangt werden. Der Sieg von Kursk, so befahl es Hitler „muss für die Welt wie ein Fanal wirken“ (siehe Operationsbefehl des Oberkommandos des Heeres Nummer 6 Zitadelle, 15. April 1943 in Dokumente Der Zweite Weltkrieg ,Förster/Groehler, Militärverlag der DDR, 3. überarbeitete. und erweiterte Auflage 1989, Seite 236). Entsprechend umfangreich waren auch die deutschen Vorbereitungen. Demgemäß unterzeichneten Adolf Hitler, der Chef des OKW, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, der Chef des Reichskanzleramtes, Hans Heinrich Lammers und der Chef der NSDAP-Parteikanzlei, Martin Bormann am 13. Januar 1943 einen „Erlass über die totale Mobilisierung aller Männer und Frauen für den Kriegseinsatz“ (siehe Dokumente Der Zweite Weltkrieg ,Förster/Groehler, Militärverlag der DDR, 3. überarbeitete. und erweiterte Auflage 1989, Seite 218). Laut Angaben des US-amerikanischen Militärhistorikers Oberst a. D. David Glantz schoss aufgrund dieser personellen Mobilisierung der Personalbestand der Wehrmacht im Zeitraum vom Januar 1943 bis Mai 1943 auf 9,5 Millionen Mann. Damit hatte man die während des ganzen Krieges größte Zahl an Waffenträgern in Hitlers Armee erreicht. Wie notwendig diese personelle Mobilisierung für die Deutschen war, belegen Angaben des Generalstabs der Wehrmacht. Danach verlor Hitlers Streitmacht in den ersten zwei Kriegsjahren an der sowjetisch-deutschen Front allein 4.126.000 Soldaten und Offiziere (siehe Nationale Volksarmee, Militärakademie „Friedrich Engels“, Die Kriegskunst der Sowjetarmee in der Schlacht bei Kursk. Studienmaterial 1966, Seite 6). Ein weiterer Mosaikstein der zur deutschen Vorbereitung auf den Sommerfeldzug 1943 eingefügt werden muss, waren enorme Rüstungsanstrengungen; Schwerpunkt waren die Panzer – und Flugzeugproduktion. „Amtsgebunden“ blickte der Generalinspekteur der Panzertruppe, Generaloberst Heinz Guderian mit besonderer Sorge auf die absinkende Kampfkraft der deutschen Panzerwaffe, während der sowjetische Gegner zunehmend Fortschritte machte. Deshalb war es nötig neue Panzer auf die Ketten zu bringen, die in Kampf – und Gefechtseigenschaften dem T -34 ebenbürtig bis überlegen waren.
Das Ergebnis waren der Panther, der Tiger und der Ferdinand. Am 22. Januar 1943 wurde per Sonderbefehl Hitlers ein ehrgeiziges „Adolf – Hitler Panzerprogramm“ aufgelegt. Gefordert wurde eine Vervierfachung der Panzerproduktion. Verantwortlich für die Umsetzung dieser Forderung zeichneten Rüstungsminister Albert Speer und Panzergeneral Heinz Guderian. Für die Panzerwerker bedeutete das mitunter 72 Stunden-Wochen. Das endgültige Ziel war es, bis zum Spätherbst 1943 eine Monatsfertigung von 1.500 Panzerfahrzeugen zu erreichen und bis Ende 1944 visierte man 2.100 Stück an (Investitionsaufwand 300 Millionen Reichsmark). Glaubt man sowjetischen Veröffentlichungen, dann hat die Sowjetunion schon 1943 eine Monatsproduktion von 2.000 Panzern vor allem von mittleren und schweren Typen für sich gutschreiben können. Seit 1941 hat die sowjetische Rüstungsindustrie auch bei anderen Waffensystemen quantitativ und qualitativ erstaunliche Entwicklungen und Steigerungen zustande gebracht. So berichtete der mit 31 Jahren jüngste Volkskommissar für Bewaffnung (1941 – 1953, ab 1946 Minister) Dmitri F. Ustinow (1908 – 1984) bezüglich der Artillerieausrüstung: (…) „Ein solches Wachstum der Industrie (1943; die Lieferung von 130.000 Geschützen aller Arten) gestattete es, die Rote Armee in dem erforderlichen Maße mit Artilleriewaffen zu versorgen. (…) Dichtes Artilleriefeuer und eine dichte Besetzung jedes Frontkilometers mit einer Vielzahl von Artillerierohren wurden jetzt zu einer alltäglichen Erscheinung (siehe Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion Band 3, Institut für Marxismus und Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU, Deutscher Militärverlag 1964, Seite 206)“.In den Barbarossa-Monaten erwarb sich Volkskommissar Ustinow große Verdienste dabei, Tausende Industriebetriebe vor dem Zugriff der deutschen Truppen schützend, hinter den Ural zu verlagern. So trug er erheblich zum Sieg seines Landes im Zweiten Weltkrieg bei Dennoch gehört in diesem Zusammenhang sein Dienstherr Stalin zitiert, „…wenn wir uns ohne fremde Hilfe (Kriegslieferungen aus dem Westen) mit Deutschland hätten messen lassen müssen, hätten wir es nicht geschafft, weil ein so großer Teil unserer Industrie verloren gegangen war“ (siehe Richard Overy, Russlands Krieg 1941 – 1945, Rowohlt Berlin, 1. Auflage 2003, Seite 301). So wusste Generaloberst Konew das amerikanische Lieferprodukt, den Willys Jeep durchaus zu schätzen. „Feine Kutsche“ nannte er ihn. Und :„Das beste Geschenk, das uns die Amerikaner machen konnten“ (siehe Oberst Kyrill D. Kalinow, Sowjetmarschälle haben das Wort, Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1950, Seite 253). Kurz zurück zu Ustinow: Mit seinem amtieren als Verteidigungsminister (1976 – 1984) sorgte Marschall Ustinow für einen weniger positiven Vermerk in seiner politischen Personalakte; seine Zustimmung zum sowjetischen Krieg gegen Afghanistan (1979 – 1989). Schließlich war er der letzte sowjetische Politiker, der nach einem Staatsbegräbnis an der Kremlmauer beigesetzt wurde.
Veränderungen
Doch wenden wir uns wieder den Geschehnissen in und um Kursk zu, wo sich alsbald die größte Schlacht des Zweiten Weltkrieges entfalten sollte. Dazwischen bemerkt, Kursk (1943) wird dabei oftmals allein, als die größte Panzerschlacht etikettiert. Korrekter Weise muss man hier auch die in Dubno (1941) mit einreihen. Immerhin gingen dort zwei Panzerheere; 728 deutsche und 2.803 sowjetische, aufeinander los.
Weiter im Text: Im Rückgriff auf John Erickson (1929 -2004) erwähnt Overy dessen Auffassung: „Vielmehr war der sowjetische Sieg (1943/1944) die Folge eines tief greifenden Wandels in der Kriegsführung der Roten Armee. Dieser Wandel begann an der Spitze und am Höhepunkt des Krieges mit Deutschland. Zu den bedeutenden – Wandelgängen – gehörte die Ernennung von Georgi Shukow zum Ersten Stellvertreter des Obersten Befehlshabers. Unfähige hohe Offiziere wurden abgelöst (Lew Mechlis) und mit niederen Tätigkeiten betraut. Die Militärs konnten mit Stalin bislang ungewohnt freimütig diskutieren. Er lernte zumindest in den Kriegsjahren.zunehmend auf Fachleute zu hören. Im Laufe des Jahres 1943 wurden 122.000 ehemalige Funktionäre als Subalternoffiziere zur Front eingezogen. Statt Papier zu bewegen mussten sie jetzt was über Truppenbewegung lernen. Viele militärische Talente wie der jungen Fliegeroffizier Alexander Nowikow (1900 – 1976) bekamen die Möglichkeit aufzusteigen. Er wurde 1942 Oberbefehlshaber der Luftstreitkräfte. Der Mann hatte verstanden, dass die Mängel seiner Teilstreitkraft sowohl von organisatorischer und technischer Art waren. Als Oberbefehlshaber setzte Nowikow tiefgreifende Reformen durch. Seine Fähigkeiten und Erfolge brachten dem sowjetischen Luftwaffenchef 1943 die Beförderung zum Marschall der Luftstreitkräfte ein. Doch Nowikows Höhenflug sollte 1946 mit einer Neuauflage der Armeesäuberungen enden. Der Offizier, der im Krieg die sowjetischen Luftstreitkräfte modernisiert hat und der mit seiner Luftkriegsführung zum Sieg beitrug, wurde als Hauptmarschall der Fliegerkräfte verhaftet und zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt. Nach Stalins Tod wurde er freigelassen und rehabilitiert. Sein Kollege K. Rokkossowski (1896 1968) ereilte der paranoide Verfolgungswahn Stalins schon vor dem Krieg (1937); Urteil 10 Jahre GULAG; gebrochene Rippen, Scheinhinrichtungen, ausgeschlagene Zähne inklusive. Im Vorkriegsjahr 1940 wurde er überraschend aus der Haft entlassen und wieder als Generalmajor eingesetzt. In Kursk kommandierte der „sowjetische Clausewitz“ (siehe Oberst Kyrill D. Kalinow, Sowjetmarschälle haben das Wort ,Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1950, Seite 216) im Rang eines Armeegenerals die Zentralfront. Nach dem Krieg erlebte der gebürtige Pole K. Rokossowski für einige Jahre einen Transfer in seine alte Heimat und fungierte dort als Marschall von Polen in der Rolle des Verteidigungsministers.
Ist man schon dabei einzelne Truppengattungen der Roten Armee aufgrund ihrer Rolle und Bedeutung im Zweiten Weltkrieg zu würdigen, dann ist unbedingt die Artillerie zu nennen. Der ehemalige Priesterschüler Stalin nannte sie „Gott des Krieges“. Ihr Oberbefehlshaber Nikolai Woronow (1899 – 1968), Marschall der Artillerie (ab Januar 1943) beziehungsweise Hauptmarschall der Artillerie (ab Februar 1944) machte die sowjetische Artillerie zur damals besten der Welt. In Kursk nahm der Artilleriemarschall die Aufgaben eines Vertreters des Hauptquartiers wahr.
Debatten, Entscheidungen, Zustände vor „Zitadelle“
Vor den – Kursker Schlachtwochen – beschäftigten die deutsche Generalität und ihren Obersten Befehlshaber langwierige Diskussionen sowie ein mehrmaliges Abwägen über das Für und Wider von „Zitadelle“. Stalingrad hat offensichtlich den „Erwartungshorizont“ des Führers reduziert und seine Entschlusskraft gemindert. Noch am 18. Februar 1943 ließ der Führer seiner Gefolgschaft wissen: „Wir können in diesem Jahr keine großen Operationen machen. Wir müssen jedes Risiko vermeiden. Ich denke mir, dass wir nur kleine Haken schlagen (siehe Roman Töppel, Die Schlacht bei Kursk 1943, in Militärgeschichte Heft 3/2023, Seite 15). Für diesen“ kleine Haken“ hatte das deutschen Ostheer letztlich 70 Prozent seiner Panzerstärke und 65 Prozent seiner Flugzeuge am Kursker Bogen versammelt (siehe Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges – Das deutsche Heer in Russland 1941 – 1945 – Der Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht – Piper München Zürich 1995, Seite 508). Ihm (Hitler) sei bei dem Gedanken an die Offensive („Zitadelle“) „immer ganz mulmig im Bauch“ (siehe Heinz Guderian, Erinnerung eines Soldaten, Motorbuch Verlag 2001, 17. Auflage, Seite 280). Diese Unsicherheiten waren es, die viele Male zur Verschiebung des Angriffstermins geführt haben dürften. Zudem versprach sich der deutsche Kriegsherr in seinem „Technikwahn“ viel von den neuen Panzern Panther, Tiger und Ferdinand, aber das neue Gerät war noch nicht zahlreich genug in das Frontgebiet gelangt (siehe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, DVA 2007, Seite 76). Die hohen Ansprüche des Führers an die neue Panzertechnik sollten jedoch enttäuscht werden. Panther und Tiger hatten noch zu viele Kinderkrankheiten, die sie im Gefecht erwartungsgemäß bockig werden ließen; sie blieben mit Motorschäden stehen oder sie brannten vor dem ersten Schuss aus. Den Panther hielt der Panzerfachmann dabei für das „Sorgenkind und „eben noch nicht für frontreif“(siehe Heinz Guderian, Erinnerung eines Soldaten, Motorbuch Verlag 2001 17. Auflage, Seite 281). Dem Panzerjäger Ferdinand aus dem Hause Porsche hat man zur Infanteriebekämpfung nicht mal ein Maschinengewehr gegönnt.
Der „wenig intelligente und aufgeblasene“ OKW – Chef Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel (siehe Antony Beevor, Der Zweite Weltkrieg, C.Bertelsmann 2014, Seite 556) gab an, „man müsse aus politischen Gründen angreifen“. Der Generalstabschef Generaloberst Kurt Zeitzler befürwortete zwar zugunsten der Lieferung zusätzlicher Panzerkontingente eine Verschiebung der Operation, hielt aber an ihrer Durchführung fest. Und der Panzergeneral Guderian fragte gar, wen es interessiere, ob wir Kursk halten oder nicht. Man kann wohl davon ausgehen, das der Generalinspekteur im Wissen um den prekären technischen Zustand der Panzertruppe äußerte. Vorbei die Zeiten, da der „Schnelle Heinz“ Westfeldzug) sagen konnte: „Nichts kann den Siegeszug der jungen deutschen Panzerwaffe hemmen – keine Straßensperre, kein Flussübergang“ (siehe Der Zweite Weltkrieg Texte, Bilder, Dokumente garant Verlag 2005, Seite 223).
Der inzwischen erlegte Wüstenfuchs (Niederlage im Afrika Feldzug), Generalfeldmarschall Erwin Rommel, äußerte gegenüber Hitler gar; „der Krieg sei verloren“. Der „Sandmann“ (Rommel) plädierte stattdessen für Friedensverhandlungen. Darauf der Oberbefehlshaber der Wehrmacht zu ihm: Dass der Krieg verloren sei, wisse er selbst. Aber nun führe er den Krieg „bis zum Ende“
Gut ein Jahr später war Hitlers einstiger „Lieblingsgeneral“ tot. Wegen vermeintlicher Verstrickungen in das Attentat auf den Führer am 20. Juli 1944 beging der General gezwungenermaßen Suizid. Der Preis für die Erfüllung dieser – zwanghaften – Forderung durch Rommel, war ein (verlogenes) Staatsbegräbnis und die Sicherheit seiner Familie.
Der Militärhistoriker R. Töppel zitiert in seinem Kursk – Buch aus einem Fernschreiben (Datum 15. Juni) des Generalfeldmarschalls von Manstein an den Generalstabschef Generaloberst Zeitzler. Darin erklärte der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd, „je länger „Zitadelle“ hinausgeschoben würde, desto geringer wären die operativen Erfolgsmöglichkeiten, selbst wenn die taktischen Chancen durch weitere Zuführung von Panzern verbessert würden. Wichtig auch diese Anmerkungen: Währenddessen erstellte der Wehrmachtsführungsstab für Hitler eine Lagebeurteilung, die in dem Vorschlag gipfelte: „bis zur Klärung der strategischen Gesamtlage auf die Offensive „Zitadelle“ zu verzichten und stattdessen an der Ostfront und in Deutschland starke operative Reserven zu bilden“. Das war am 18. Juni. Aber Hitler lehnte ab und entschied nunmehr endgültig, das im zweiten Kriegsjahr gegen die Sowjetunion „Zitadelle“ auf den – sommerlichen – Operationsplan zu setzten ist. Nach langem hin und her sowie unzähligen Mitarbeitergesprächen kürte der Diktator letztlich den 5. Juli zum Angriffstag (siehe Roman Töppel, Kursk 1943, Die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs, Ferdinand Schöningh Verlag 2017, Seite 41ff).
Die Sowjetarmee war der Wehrmacht im Sommer 1943 erstmals qualitativ wie quantitativ überlegen. Darauf ging Marschall Georgi Shukow auch in seinen Memoiren ein (siehe Georgi K. Shukow, Erinnerungen und Gedanken Band 2, Militärverlag der DDR 1983 7. Auflage, Seite 150/151). Das eröffnete ihr und dem Hauptquartier, STAWKA neue und größere Perspektiven im künftigen Umgang mit dem deutschen Kriegsgegner.
Zum Kräftepotential: Stalins Armee konnte ca. 1.987.463 Soldaten, 8. 200 Panzer und Sturmgeschütze, 47.416 Geschütze und 5.965 Flugzeuge aufbieten. Im Gegensatz zu Hitlerdeutschland war die Sowjetunion in der Lage eine Reservefront, die Steppenfront zu formieren. Ihr Kommandeur war Generaloberst Iwan Konew (ab Februar 1944 Marschall). Er konnte über 573.195 Soldaten, 1.639 Panzer und 8.510 Geschütze verfügen.
Hitlers Armee konnte 625.271 Soldaten, 2.699 Panzer und Sturmgeschütze, 9.467 Geschütze und 1.372 Flugzeuge „zusammen sammeln“ (siehe Karl Heinz Frieser in Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, DVA 2007, Seite 101). Obwohl in der Position der Stärke befindlich, entschied die STAWKA die Schlacht zunächst mit Defensivhandlungen zu beginnen und erst danach mit einer Gegenoffensive fortzufahren. Dem oft ungestümen Stalin, was vor allem in der ersten Phase des Großen Vaterländischen Krieges unnötige Opfer (u.a.Verweigerung des Rückzugs aus Kiew, 1941) bedeutete, gefiel diese zunächst defensiv angelegte Operationsidee anfänglich nicht. Es dürfte ursächlich das Ergebnis militärfachlicher Überzeugungskraft eines Gesprächs, das sein Erster Stellvertreter, Marschall Georgi K. Shukow und sein Generalstabschef Marschall Alexander M. Wassilewski am 12. April mit dem Kremlherrscher führten: (siehe Roman Töppel, Kursk 1943, Die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs, Ferdinand Schöningh Verlag 2017, Seite 77). Danach nahm Stalin von der Idee Abstand, in Kursk Präventivschläge zu führen. Nur unmittelbar vor Beginn der Schlacht erlitt der Oberste Befehlshaber der Roten Armee – präventive Rückfalle -, von der ihn Shukow zu „heilen“ wusste. Retrospektiv unterstrich der Memoirenschreiber Shukow „Wir beschlossen, zugleich mit dem Plan zur Verteidigung und des Gegenangriffs einen Plan der Angriffshandlungen auszuarbeiten (…) Unsere Verteidigung war uns also nicht aufgezwungen, sondern ausgesprochen planmäßig. Den Zeitpunkt für die Offensive machte das Hauptquartier von der Lage abhängig“ (siehe Georgi K. Shukow, Erinnerungen und Gedanken Band 2, Militärverlag der DDR 1983 7. Auflage, Seite 147). Es handelten sich hierbei um die sowjetischen Gegenoffensiven Operation „Kutusow“ (12.7 – 18. 8.1943) sowie um die Operation „Rumjanzew“ (3.8. – 23.8. 1943).
In der Nacht vor dem Angriff wurde in allen Einheiten der Stoßgruppierungen ein von Hitler am 4. Juli unterzeichneter Aufruf verlesen. „Vom heutigen Tage an werdet ihr Teilnehmer gewaltiger, Angriffskämpfe, deren Ausgang den Krieg entscheiden kann. Euer Sieg wird mehr denn je die ganze Welt davon überzeugen, das jeder Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht letzten Endes vergeblich ist. Der gewaltige Hieb, der den sowjetischen Armeen versetzt wird, muss sie bis auf den Grund erschüttern…“ (siehe Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion Band 3, Institut für Marxismus und Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU, Deutscher Militärverlag 1964, Seite 292).
Während die einen Aufrufe an die Truppe verteilten, schickten die anderen in aufklärerischer Absicht Spähtrupps ins Gelände. Dabei wurden mehrfach Gefangene gemacht. Hier die Schilderung eines militärischen Vorkommnisses am Vorabend der Schlacht: „Am 4.Juli überschritt ein deutscher Pionier die sowjetischen Linien in der Nähe von Belgorod und gab sich gefangen. Er sagte aus, das sein Truppenteil Befehl erhalten habe, die Minenfelder zu räumen und die Drahtsperren zu beseitigen“ (…) „Die Soldaten haben für fünf Tage Kaltverpflegung und Branntwein empfangen…Der Angriffsbeginn ist vom deutschen Oberkommando etwa auf den 5. Juli festgelegt worden“ (siehe Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion Band 3, Institut für Marxismus und Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU, Deutscher Militärverlag 1964, Seite 308/309).
Es geht los – die Panzerschlacht Kursk beginnt
In dieser Situation, wo nicht viel Zeit zum nachdenken war, entschied sich Armeegeneral Rokossowski der Artillerie seiner Zentralfront den Feuerbefehl zu geben. So „zerriss der Donner der Geschütze an dem langen Frontabschnitt südlich Orjol die Morgenstille über der Steppe und den Stellungen“ (…) Das war am 5. Juli um 2:20 Uhr (siehe Konstantin Rokossowski, Soldatenpflicht, Deutscher Militärverlag 1971, Seite 261). Am Artillerieschlag den Rokossowki dann seinem Chef der Artillerie (Zentralfront ) befahl waren nach Angaben des Frontoberbefehlshabers 500 Geschütze, 460 Granatwerfer und 100 reaktiven Werfer beteiligt. In dem schon erwähnten Studienmaterial der NVA-Militärakademie „Friedrich Engels“ wurde dazu ausgeführt: „In der Zentralfront wurden die Artilleriegegenvorbereitungen zweimal durchgeführt; um 2:10 Uhr mit einer Dauer von 20 Minuten und um 4:35 Uhr mit einer Dauer von 30 Minuten. Ebenso handelte demnach auch die Woronesher Front unter dem Oberbefehl von Armeegeneral Nikolai Watutin (siehe Nationale Volksarmee Militärakademie „Friedrich Engels“, Die Kriegskunst der Sowjetarmee in der Schlacht bei Kursk. Studienmaterial 1966, Seite 35). Der Hitler – Armada mag durch die Feuerschläge der Artillerie, sowie durch die Angriffe sowjetischer Flieger auf deren Flugplätze der Überraschungseffekt auf die Verlustliste geraten sein, aber der erhoffte wie propagierte Schaden ging weitgehend ins Leere.
Auch Marschall Shukow musste sich Jahrzehnte später in seinen Erinnerungen eingestehen, der „präventive Artillerieschlag (habe) keine allzu große Wirkung (gehabt)“. Die beiden Fronten hätten zu früh mit ihren Artillerie Gegenvorbereitungen begonnen, was wohl auch daran lag, das ein gefangener deutsche Gefreiter, um den „robusten sowjetischen Verhörmethoden“ zu entgehen, offensichtlich eine falsche Angriffszeit nannte und so zwei Frontoberbefehlshaber in die Irre führte. Der britische Militärhistoriker Richard Overy gab dazu zu Protokoll: „Die deutschen Befehlshaber waren vollkommen überrascht. Eine Zeit lang glaubten sie, Opfer der sowjetischen Offensive geworden zu sein, von der sie nichts geahnt oder bemerkt hatten. Als deutlich wurde, dass es sich lediglich um einen sowjetischen Störangriff handelte, lautete ihr Befehl: „Weitermachen!“ (siehe Richard Overy, Russlands Krieg 1941 – 1945, Rowohlt Verlag, 1. Auflage 2003, Seite 312). Damit war auch klar: Was bisher geschah war nur die Ouvertüre, jetzt setzte ein, was Shukow als „Symphonie der Hölle“ bezeichnete.
Und so kam am 5. Juli, wenn auch mit Verzögerung die als Umfassungsoperation gedachte deutsche „Zitadelle“ ins Rollen. Die zwei Heeresgruppen Süd (OB Feldmarschall von Manstein) und Mitte (OB Feldmarschall von Kluge) bekamen es demnach mit dem sowjetischen Gegner zu tun. Im Vorfeld der letzten deutschen Großoffensive an der Ostfront schienen viele Soldaten noch in Hochstimmung zu sein. So schrieb ein Fahnenjunker eines Flakbataillons: „Ich glaube, dass der Russe diesmal einen ganz schweren Schlag bekommt“. Ein Unteroffizier der 19. Panzerdivision meinte, die Explosionen und abgeschossenen sowjetischen Jagdflugzeuge wären ein herrliche Bild für die Wochenschau, nur wahrscheinlich würde man es da wieder nicht glauben (siehe Antony Beevor, Der Zweite Weltkrieg, C.Bertelsmann 2014, Seite 542).
In der Luft sah es anfangs für die sowjetischen Fliegerkräfte nicht gut aus. Unter anderem waren die Bomber ohne Jagdschutz. Die sowjetische Luftwaffe verlor allein am 5. Juli 425 Maschinen, während die Deutschen nur 36 Maschinen verloren (siehe Karl Heinz Frieser in Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, DVA 2007, Seite104/105).
Zugehörig zur Heeresgruppe Mitte war die 9. Armee des Generaloberst Walter Model. Er galt als hervorragender Defensiv-Stratege, der sich in komplizierten Lagen mehrfach als Feuerwehrmann bewährt hatte. In Kursk gehörte er nun zu den Angriffstruppen. Folgen wir dem Kampfweg in Kursk von Models Armee: Dazu schrieb R. Töppel: „Von Norden, aus dem Bereich der Heeresgruppe Mitte, griff die 9. Armee unter Generaloberst Model mit insgesamt 17 Divisionen an, und zwar zehn Infanteriedivisionen, einer Panzergrenadierdivision sowie Panzerdivisionen.(…) Models Armee stand auf sowjetischer Seite die Zentralfront des Armeegeneral Rokossowski gegenüber. Ihr waren (neben einer eigenen) Luftarmee sechs Armeen unterstellt, von denen drei an der Abwehrschlacht gegen Models Armee beteiligt waren. Die sowjetische Verteidigung stützte sich sehr stark auf Minen, von denen allein im Abschnitt der Zentralfront 400.000 verlegt worden waren, sowie auf ihre zahlenmäßig weit überlegene Artillerie. So konnte die 13. sowjetische Armee, die Models Hauptstoß auffangen sollte auf einer Frontbreite von lediglich 32 Kilometern mehr als 3.000 Geschütze, Granat – und Raketenwerfer einsetzen“ (siehe Dr. Roman Töppel, in Militärgeschichte Heft 3/2023, Seite 15 – 17). Laut Generaloberst Guderian blieb der Angriff des Ritterkreuzträgers nach 10 Kilometern stecken (siehe Heinz Guderian Erinnerungen eines Soldaten, Motorbuch Verlag 17. Auflage 2001, Seite 282). Der Chef der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Günther von Kluge, hatte durchaus Recht, als er am 11. Juli bemerkte, das Scheitern des Angriffs der 9. Armee sei „lediglich auf die Wirkung des feindlichen Artillerie, Salvengeschütz – und Granatwerferfeuers“ zurückzuführen (siehe Dr. Roman Töppel, in Militärgeschichte Heft 3/2023, Seite 18).
Seine – Verteidigungsfähigkeiten – bewies der deutsche Armeeführer dafür erneut während der sowjetischen Offensivoperation „Kutusow“(nach dem Scheitern von „Zitadelle“), wo Model den Truppen den Sowjettruppen unverhältnismäßig hohe Verluste zufügen und zwei Drittel seiner Panzerfahrzeuge retten konnte. Nachdem jedoch 1945 die Niederlage im Ruhrkessel unabwendbar und die Kapitulation inklusive Kriegsgefangenschaft bevorstand beziehungsweise absehbar waren, gab sich Generalfeldmarschall (1944) Model am 21. April in einem Waldstück die Kugel und beendete damit sein uniformiertes Leben, das er 1909 in einem Cottbuser Infanterieregiment begonnen hatte. Möglicherweise entkam der „Löwe der Verteidigung“ so auch einer Anklage in den Nürnberger Prozessen, wo sich einst hohe Militärs wie von Manstein, von Leeb, Hoth, Hollidt, von Küchler u.a.wiedergefunden haben. Denn „Hitlers (treuer) Krieger“ kooperierte in seinem Operationsgebieten eng mit den Einsatzgruppen. Ferner war Model ein williger Vollstrecker der „Taktik der verbrannten Erde“. Was natürlich allesamt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung waren! Insoweit ein Abriss aus dem Leben eines „schrecklichen Generals“.
Doch vorläufig ging der Krieg mit all seinen Schrecknissen weiter. Ein SS-Angehöriger sollte das Kursker Frontgeschehen mit den Worten kommentieren: “Es war die Hölle“.
Im Süden versuchte Generaloberst Hermann Hoth sein Feldherrenglück. Aber: „Als Hoths 4. Panzerarmee am Morgen des 5. Juli von Süden her zum Außenring des Kursker Verteidigungssystems einbog fuhr sie in das dichtestes je erlebte Batteriefeuer. In dem kreuz über quer verlaufenden Wabenmuster der Gräben,den Minenfeldern, betonierten Sperren war kein Fortkommen. Nach fünf Tage hatte Hoth dreißig Kilometer zurückgelegt.(…) Von den neuen Panther-Panzern verblieben am Abend ersten Angriffstags 40 der eingesetzten 200 Exemplaren fahrtüchtig“ (siehe Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges, – Das deutsche Heer in Russland 1941 1945 – Der Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht – Piper München Zürich 1995, Seite 508/509). Der sowjetischer Kontrahent des deutschen Panzerführers Generaloberst H. Hoth, war der Oberbefehlshaber der Woronesher Front, Armeegeneral N. Watutin.
Es empfiehlt sich näher auf die Person des sowjetischen Spitzenmilitärs einzugehen. Watutin galt als talentierter, militärisch hochgebildeter und befähigter General.Während der Kriegszeit war er in Stäben oder als Frontoberbefehlshaber eingesetzt. Ab Februar 1941 war der junge Generalleutnant (1901 -1944) Chef der Operativen Verwaltung und damit Erster Stellvertreter des Generalstabschefs Armeegeneral Shukow. Über seinen damaligen Mitarbeiter urteilte Shukow in seinen Memoiren: „dass sich General N..F. Watutin durch außergewöhnlichen Fleiß und seine weitreichenden strategischen Überlegungen auszeichnete“(siehe Generaloberst Konstantin Krainjukow in Heerführer des Großen Vaterländischen Krieges 1941- 45, 2. Halbband, Militärverlag der DDR 1977, Seite 209). Was die sommerliche Kampfvorbereitung seiner Fronttruppen in Kursk schildert Krainjukow, mit welcher Aufmerksamkeit sich der Oberbefehlshaber darum kümmerte,wie gut seine Soldaten für den bevorstehenden Zweikampf ausgebildet und gewappnet waren. Der General nahm an zahlreichen Übungen teil und ließ sich mit den jungen Soldaten von Panzern überrollen, so der Autor (siehe Generaloberst Konstantin Krainjukow in Heerführer des Großen Vaterländischen Krieges 1941 45, 2. Halbband, Militärverlag der DDR 1977, Seite 221). Bei einem Überfall der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) auf seinen Fahrzeugkonvoi wurde General Watutin am 29. Februar 1944 schwerverwundet. Sein Kriegsrat, Generalmajor Krainjukow zog ihn aus dem Feuer. Aber weder Notoperation, noch die Amputation eines Beines konnten ihn retten, so dass er am 15. April verstarb. Zum Jahrestag des Sieges 1965 wurde ihm posthum der Heldenstern verliehen. Besonders tragisch, die beiden Söhne waren in diesem Krieg auch gefallen. Als ob das nicht reicht: Nach einem Beschluss des Kiewer Stadtrats (2017) erhielt der Watutin Prospekt den Namen eines nationalistischen UPA Offiziers; Roman Schuchewetysch.
Doch steigen wir nach dieser militärischen Personenbeschreibung erneut beim vorherigen – kämpferischen – Abschnitt ein: Ursächlich für die erwähnten hohen Hothschen Panzerverluste war nicht nur die übliche Feindeinwirkung. Wie so oft bei noch nicht ausgereiften Neukonstruktionen, die zu früh ins Feld geführt wurden, gab es zahlreiche technisch bedingte Ausfälle. Hier speziell des Panther. Andere gepanzerte Neuwagen hatten gleichfalls ihre Probleme; Tiger, Ferdinand. Guderian hatte das ja schon thematisiert,siehe oben. Stellen wir an dieser Stelle einen detaillierteren Waffensystem – Vergleich UdSSR : Drittes Reich an. Neben den schon erwähnten pannenartigen Vorfällen der neuen deutschen Panzermodelle war natürlich nicht alles schlecht: die Panzerung war stärker, dafür waren sie wiederum schwerer und weniger geländegängig als der sowjetische T-34, wo noch immer nur die Führungspanzer über eine Funkausrüstung verfügten. Die Kanone des T-34 war mit ihrem Kaliber von 76,2 mm und einer Reichweite von Reichweite von 500 Meter dem Tiger mit seiner 8,8 cm Kanone und 2.000 Meter Reichweite unterlegen. Als Trumpf blieb den sowjetischen Panzermännern nur die hohe Beweglichkeit ihrer Fahrzeuge. Antony Beevor gab in seinem Weltkriegsbuch die folgende Szene wider: „Die erfahrenen Bedienungen (von Panzerabwehrgeschützen) warteten häufig ab, bis ein Panzer kaum noch 20 Meter entfernt war. Im Nordabschnitt westlich von Ponyri, wo die Tiger durchbrachen, hörte Wassili Grossmann, wie die Granaten der 45 mm – Panzerabwehrgeschütze sie trafen, aber abprallten wie Erbsen. Es gab Fälle, da Artilleristen den Verstand verloren, als sie das sahen. „Ein Richtschütze feuerte mit seinem 45mm – Geschütz auf einen Panzer. Die Geschosse prallten ab. Der Mann rastete aus und ging selbst auf den Tiger los“ (siehe Antony Beevor, Der Zweite Weltkrieg, C.Bertelsmann 2014, Seite 543 / Grossmann Nachlass). Aber auch der mächtige Tiger hatte seine Schwachstellen und die Rotarmisten waren clever genug, sie zu finden. John Keegan ergänzt das sowjetische Panzerarsenal noch durch die Nennung der schweren Modelle KV -85 mit einem 85 cm Geschütz und das erste Modell des superschweren „Josef Stalin“, der am Ende mit einem 12,5 cm Geschütz bestückt wurde (…) (siehe John Keegan, Der Zweite Weltkrieg, Rowohlt 2004, Seite 681).
Karl Heinz Frieser konstatierte:„Die Rote Armee hatte im Verlauf der ersten beiden Kriegsjahre erhebliche qualitative Fortschritte gemacht. Doch bereits die Anfangsphase der Schlacht von Kursk demonstrierte, wie sehr sie der Wehrmacht immer noch taktisch unterlegen war. Auf strategischer Ebene hingegen glückte ihr ein Meisterstück, noch bevor überhaupt die erste taktische Aktion begonnen hatte“. Hiermit dürfte der renommierte Militärhistoriker darauf anspielen das es gelang eine Reservefront (Steppenfront) vor dem deutschen Gegner komplett zu verbergen (siehe Karl Heinz Frieser in Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, DVA 2007, Seite 119).
Vom Mythos Prochorowka
Kommen wir zu einem Schlüsselereignis am Kursker Frontbogen. Kaum eine der kriegerischen Begebenheiten jener Jahre, hat im Nachgang soviel an Mythologisierung, Anproben von Parteikorsetts und Mangelerscheinungen von objektiv-kritischer Wissenschaft erfahren, wie das „Panzerbegegnungsgefecht“ am 12. Juli in in Prochorowka. Umstritten ist schon die Teilnehmerzahl. Unbestritten ist jedoch, das der Sohn des deutschen Außenministers der SS – Obersturmführer Rudolf von Ribbentrop zu dem Teilnehmerfeld gehörte. Für Führer, Volk und Vaterland diente der Ministersohn in der SS – Panzergrenadierdivision Leibstandarte Adolf Hitler und bekam entsprechend einer Notiz auf der ersten Seite des Völkischen Beobachters (Wiener Ausgabe, 18. Juli 1943), das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verliehen. Ausschlaggebend für das Kreuz war sein Einsatz in Prochorowka. Über „sein“ Prochorowka erinnerte sich Ribbentrop junior so: „Was ich sah, verschlug mir die Sprache. Hinter der flachen Anhöhe von etwa 150 bis 200 Meter vor uns kamen erst 15, dann 30, dann 40 Panzer hervor.. Schließlich gab ich das Zählen auf. Die T-34 mit aufgesessener Infanterie rollten in hohem Tempo auf uns zu“ (siehe Antony Beevor, Der Zweite Weltkrieg, C.Bertelsmann 2014, Seite 552). Zugeschrieben wird dem SS – Offizier mit seinem Tiger Panzer, 14 T-34 vernichtet zu haben, in dem es ihm gelang unbemerkt in ihren Verband einzudringen.
Früher als gedacht wurde der führende „Steppenkrieger“,Generaloberst I. Konew, dazu angehalten, seine Reserven anzutasten und in die Schlacht zu schicken. Gefragt war vor allem die 5. Gardepanzerarmee des Generalleutnants Pawel Rotmistrow. Vor den Gardepanzern lag zunächst bei ein Gewaltmarsch von über 300 Kilometer bei sengender Hitze. In Prochorowka angekommen bezog General Rotmistrow seinen Unterstand. Die Morgenstunden des 12.Juli sollten die mehrstündige metallisch – blutig klingende erbittert geführte Choreografie des Panzer – Balletts einläuten. Vorab: Konew sprach nach der Panzerschlacht Kursk vom „Schwanengesang der deutschen Panzertruppe“. Dennoch war es am 12. Juli vor allem die sowjetische – Tonleiter – von der besonders viel Blut rann. Zu den Vorgängen in Prochorowka äußerte sich der langjährige Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr, Oberst a. D. Frieser in einem Interview für die WELT (15.07.2013). Daraus die folgenden Auszüge.
WELT: Der berühmteste Teil der Operation „Zitadelle“ ist die Panzerschlacht bei Prochorowka am 12. Juli 1943. Stießen damals tatsächlich „Lawinen aus Stahl“ aufeinander?
Frieser: Angeblich rasten 850 sowjetische und 800 deutsche Panzer wie zwei Ritterheere aufeinander zu. Prochorowka, wo vermeintlich 400 Kampfwagen der Wehrmacht zerstört wurden, soll zum „Grab der deutschen Panzerwaffe“ geworden sein. In Wirklichkeit kämpften 186 deutsche Kampfwagen gegen 672 sowjetische. Die Rote Armee hatte 235 Totalverluste und die Deutschen lediglich drei.
WELT: Wieso diese Diskrepanz bei den Verlusten?
Frieser: Die sowjetischen Generäle machten alles falsch, was man falsch machen kann, weil Stalin sie durch eine Fehleinschätzung in unnötigen Zeitdruck brachte. So endete ein „Kamikaze Angriff“ des XXIXX. Panzerkorps in einen (zuvor nicht aufgeklärten eigenen sowjetischen) Panzergraben. Von 219 verlor es 172, davon 118 Totalverluste.
Abschließend wertet der Interviewpartner Prochorowka taktisch gesehen als deutschen Sieg. Für die sowjetischen Panzer war es ein „flammendes Inferno“, aber auch ein operativer Teilerfolg, weil der deutsche Vorstoß aufgehalten werden konnte. Strategisch war es ein sowjetischer Misserfolg, denn die bei Prochorowka aufgeriebene 5. Gardepanzerarmee sollte bei der Sommeroffensive eine Hauptrolle spielen. Insoweit die WELT – Sicht von Oberst a.D. Frieser.
Für den 8. Band von „Das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg“ verfasste Frieser ein Kapitel über die Panzerschlacht Kursk. Darin ist zu lesen, schon unmittelbar nach dem desaströsen Verlauf des Panzer – Gefechts bei Prochorowka setzte sich ein Schweigekartell bestehend aus Stalin, Rotmistrow, Watutin und Frontkommissar Nikita Chruschtschow (war zuvor auch in Stalingrad) zusammen, um den wahren Hergang der Ereignisse, die zum Verlust von 53 Prozent der Panzer Rotmistrows geführt haben., zu vertuschen (siehe Das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, Band 8, DVA 2007, Seite 133). Ursprünglich wollte Stalin den Gardepanzer – General vor ein Kriegsgericht stellen. Aber der Krieg ging für ihn weiter, er stieg wieder ein; bei der anschließenden Operation Rumjanzew“, danach wurde er zum Generaloberst befördert. Die Operation „Bagration (1944) endete für den Marschall der Panzertruppen (1944) weniger gut. Wegen dessen hoher Verluste in der Schlacht um Vilnius wurde Rotmistrow auf Antrag des Armeegenerals, Iwan D. Tschernjachowski (1906 – 1945) von seinem Frontkommando entbunden. Er bekam auch keines mehr. Ab1948 war Rotmistrow als stellvertretender Leiter der Höheren Militärakademie Kliment Woroschilow tätig. Im Jahre 1956 hat der „Marschall mit dem Backenbart“ (siehe Oberst Kyrill D. Kalinow, Sowjetmarschälle haben das Wort ,Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1950, Seite 348ff.) habilitiert und 1958 als Professor an der Militärakademie der Panzertruppen gearbeitet. Gleichzeitig übernahm der Hauptmarschall der Panzertruppe (1962) bis 1964 die Funktion des Akademiechefs. Bei allem, an das Schweigekartell hat sich der „Panzer Professor“ bis zuletzt gehalten. Jedoch kommt insbesondere den Militärhistorikern R. Töppel und D. Glantz das Verdienst zu, den Mythos Prochochowka kritisch zu hinterfragen.
In dem Sammelband „Die Rote Armee“, den der britische Militärschriftsteller Basil Henry Liddell Hart (1895 – 1970) herausgab artikuliert Generalleutnant a. D. Fritz Bayerlein (1899 – 1970) seine Erkenntnisse über „Die sowjetischen Panzerverbände im II. Weltkrieg“. In einem Zwischenabschnitt macht der Autor Aussagen über die Operation „Zitadelle“.: „Von Orel bis Belgorod aus griffen die Deutschen am 5.Juli 1943 an. Die deutschen Panzerverbände fuhren sich aber bald in den sowjetischen Verteidigungsstellungen fest. Diese bestanden aus drei Hauptstellungen und aus ausgeklügelte Sperrriegeln. Fallgruben, Panzergräben, ausgedehnte Minengürtel, Flammenwerfer (…). Bereits am ersten Tag der Panzerschlacht Kursk erlitten die Deutschen hohe Verluste und kamen nur 4 bis 5 Meilen voran. Sowjetische, von General Rotmistrow geführte Panzerbrigaden wurden gegen die tiefe rechte Flanke der Deutschen am südlichen Arm der Zange angesetzt. Eine derartige Verteidigung ließ in Kürze den Angriff der Deutschen erlahmen, obgleich sie eine große Anzahl sowjetischer Panzer zerstörten. (…) Die letzten für eine deutsche Offensive geeigneten Formationen waren vernichtet und damit war die Panzerwaffe zerbrochen“ (siehe Captain Basil H. Liddell Hart (Herausgeber)„Die Rote Armee“, Verlag WEU/Offene Worte Bonn 1956, Seite 332).
Schließlich vertraute der „beste deutsche General“ von Manstein am 13. Juli 1943 seinem Tagebuch an.: „Kluge stellt Angriff ein. Damit ist das Schicksal von Zitadelle besiegelt. Wenn man bei Krisen… sofort Zitadelle aufgeben wollte, dann hätte man gar nicht erst anfangen sollen“. Der Generalfeldmarschall empfand Kursk als „verschenkten Sieg“. Vielfältig wird seit jeher über die Gründe debattiert, die zum Abbruch der Operation führten .Hartnäckig hält sich die Behauptung (auch von Manstein), sie sei von Hitler verfügt worden, nachdem die Alliierten am 10. Juli 1943 auf Sizilien gelandet waren. Dem widersprach R. Töppel in seinem Beitrag „Mythen und Wirklichkeit einer Schlacht“, der in dem Vierteljahresheft für Zeitgeschichte (Ausgabe 3/2009, Seite 378ff) veröffentlicht wurde. Der Autor kritisiert darin die Ansichten Manstein & Co hierzu als „Legende“. Für Dr. Töppel führten vielmehr die sowjetischen Gegenoffensiven dazu, „Zitadelle“ zu beenden.
Schlussbemerkungen
Wenn man eine Bilanz der 50 Tage dauernden Schlacht am Kursker Bogen ziehen wollte, dann denkt man zuerst an ihre Ausmaße ; bezogen auf die Fläche, die Zahl der beteiligten Soldaten und an die Masse der eingesetzten Waffen. Es war für beide Armeen eine heftige Materialschlacht, verbunden mit unermesslichen Verlusten an Menschenleben. Dabei fällt auf, die Angaben über die sowjetischen Opfer (Mensch und Material) sind gegenüber der Wehrmacht ungleich höher.Während die Wehrmacht rund 203.000 getötete, verwundete und vermisste Soldaten, 12.000 zerstörte Geschütze, Panzer und Selbstfahrlafetten sowie 650 Flugzeuge zu beklagen hatten, verloren die sowjetischen Truppen 1,2 Millionen Soldaten, 7.000 Panzer und Selbstfahrlafetten sowie 3.000 Flugzeuge. Aber wie schon angedeutet, die UdSSR war anders als Deutschland in der Lage die extrem hohen Ausfälle zu ersetzten. Und so konnten Stalin und seine Generäle in Kursk trotz allem triumphieren und nahtlos zwei weitere Offensiven starten. Einerseits hatten die Deutschen nicht zum ersten Mal die Stärke der Sowjetarmee unterschätzt und nicht mit deren schier unerschöpflichen Reserven gerechnet. Von Manstein fand in diesem Zusammenhand das Wort von einer „Hydra“ für zutreffend. Andererseits war die Rote Armee längst nicht mehr die von 1941, aber auch die bis zum Schluss angewandte rücksichtslose Kriegsführung zu Lasten der eigenen Leute dürfte zu den sowjetischen Siegen beigetragen haben. In Stalins Sowjetunion galt ein Menschenleben nichts!
Gewähren wir dem britischen Kriegspremier Winston Churchill doch das Schlusswort. In seinem mit dem Nobelpreis für Literatur (1953) gewürdigten Buch „Der Zweite Weltkrieg“schrieb er also: „Nach der Frühjahrsschneeschmelze fassten beide Seiten ihre Kräfte für ihr gewaltiges Ringen zusammen. Die Russen hatten sowohl zu Land als auch in der Luft die Oberhand, und die Deutschen können wenig Hoffnungen auf den Endsieg gehegt haben. Die Wehrmacht hatte keine Gewinne aufzuweisen, die ihre großen Verluste wettmachen konnten, und die neuen „Tiger – Panzer“, auf die die Deutschen ihre Siegeshoffnungen gesetzt hatten, wurden in Massen von der russischen Artillerie abgeschossen. (…). Die drei gewaltigen Schlachten bei Kursk, Orel und Charkow, die innerhalb von zwei Monate ausgefochten wurden, bedeuteten den Ruin der deutschen Armeen im Osten“ (siehe Winston Churchill, Der Zweite Weltkrieg, ungekürzte Bertelsmann Ausgabe 1985, Seite 822/823).
Autor: René Lindenau
Literatur
Boris Semjonowitsch Telpuchowski, Die sowjetische Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges 1941 -1945, Bernhard & Graefe Verlag für Wehrwesen 1961
Nationale Volksarmee Militärakademie „Friedrich Engels“, Die Kriegskunst der Sowjetarmee in der Schlacht bei Kursk. Studienmaterial 1966
Roman Töppel, Kursk 1943, Die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs, Ferdinand Schöningh Verlag 2017,
Oberst Kyrill D. Kalinow, Sowjetmarschälle haben das Wort ,Hansa Verlag Josef Toth, Hamburg 1950
Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion Band 3, Institut für Marxismus und Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU, Deutscher Militärverlag 1964,
Konstantin Rokossowski, Soldatenpflicht, Deutscher Militärverlag 1971
Georgi K. Shukow, Erinnerungen und Gedanken Band 2, Militärverlag der DDR 1983 7. Auflage
Deutschland im Zweiten Weltkrieg Band 3, Akademie Verlag Berlin 2. durchgesehene Auflage 1982
Militärgeschichte Heft 3/2023
Antony Beevor, Der Zweite Weltkrieg, C.Bertelsmann 2014
Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die Ostfront 1943/44, DVA 2007, Karl Heinz Frieser, Seite 83 – bis 200
Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges, – Das deutsche Heer in Russland 1941 1945 – Der Prozess gegen das Oberkommando der Wehrmacht – Piper München Zürich 1995
Heerführer des Großen Vaterländischen Krieges 1941 – 45, 2. Halbband, Militärverlag der DDR 1977, Seite 201 ff. Watutin)
Heinz Guderian, Erinnerung eines Soldaten, Motorbuch Verlag 2001 17. Auflage
John Keegan, Der Zweite Weltkrieg, Rowohlt Berlin 2004
Richard Overy, Russlands Krieg 1941 – 1945, Rowohlt Berlin, 1. Auflage 2003
SpiegelTV: Panzerschlacht Kursk & Operation Zitadelle. (Youtube)