Leiter der Partei-Kanzlei, enger Vertrauter von Adolf Hitler

Martin Bormann
Martin Bormann wurde in Wegeleben bei Halberstadt als Sohn eines Postbeamten geboren. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurde er zu einem Artillerie-Regiment eingezogen, aber der Krieg endete, bevor er an die Front kam. Nach Kriegsende begann er eine Landwirtschaftslehre und wurde anschließend Gutsinspektor in Mecklenburg. Als Mitglied des Freikorps Roßbach in rechtsradikale Aktivitäten verwickelt, wurde er 1924 wegen Beteiligung an einem Fememord zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Im Gefängnis lernte er Rudolf Höß kennen, den späteren Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz. Nach Verbüßung seiner Strafe zog er 1926 nach Weimar. Hier betätigte er sich innerhalb des von Ernst Röhm geführten nationalsozialistischen Wehrverbandes „Frontbann“ und bekleidete verschiedene Funktionen innerhalb der NSDAP, zuletzt die eines Gaugeschäftsführers. Im Oktober 1928 übernahm er die „SA-Versicherung“ in der Münchner Parteizentrale, die unter seiner Leitung als „Hilfskasse der NSDAP“ erheblich erweitert wurde. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Bormann Stabsleiter von Rudolf Heß, der zu Hitlers Stellvertreter in der Partei ernannt worden war. Im Oktober 1933 erhielt er den Titel eines Reichsleiters der NSDAP, im November 1933 wurde er Mitglied des Reichstags. Von da an blieb Bormann im Zentrum der nationalsozialistischen Macht, in der unmittelbaren Umgebung Hitlers. Bormann baute den „Stab des Stellvertreters des Führers“ zu einem Führungsorgan sowohl für den Partei- wie den Staatsbereich aus. Zusätzlich machte er sich unentbehrlich, indem er, sich stets in Hitlers Nähe aufhaltend, die Verwaltung der persönlichen Finanzangelegenheiten des „Führers“ übernahm und auf dem Obersalzberg, der unter seiner Leitung erheblich ausgebaut wurde, als eine Art Majordomus fungierte. Zunehmend gelang es ihm, den Zugang zu Hitler zu kontrollieren und in seinem Namen „Führerentscheidungen“ bekanntzugeben. Hierbei vertrat Bormann jedoch keine eigenständigen Konzeptionen, sondern er identifizierte sich mit Hitlers Vorstellungswelt und vertrat dessen Gedankengänge bürokratisch effizient und mit brutalem Durchsetzungsvermögen.
Während des Kriegs ließ Bormann Hitlers Reden und Monologe beim Essen mit seinen Günstlingen mitstenographieren und benutzte diese später als „Tischgespräche“ bekannt gewordenen Texte, um gegenüber anderen NS-Größen den „Führerwillen“ zu dokumentieren. Trotz seiner wichtigen Stellung trat Bormann kaum in die Öffentlichkeit. Nach Heß’ vieldiskutiertem Flug nach Schottland im Mai 1941 nahm Bormanns Macht weiter zu: Der „Stab des Stellvertreters des Führers“ wurde in Partei-Kanzlei umbenannt, Bormann wurde deren Leiter und erhielt den Rang eines Reichsministers. Es gelang ihm, seine Vormachtstellung gegenüber den anderen Kanzleien und Adjutanturen des „Führerstaates“ endgültig durchzusetzen. Im April 1943 wurde Bormann zum „Sekretär des Führers“ ernannt. Martin Bormann war – neben dem Kampf gegen die Kirchen – besonders aktiv auf dem gesamten Feld der rassistischen Politik: In den besetzten Gebieten Polens und der Sowjetunion trat er dafür ein, die einheimische Bevölkerung mit größter Härte zu behandeln, sie strikt von Deutschen zu trennen und ihre Geburtenrate mit allen nur denkbaren Methoden zu senken. Er trat für eine Ausweitung der Zwangsarbeitsprogramme und die rücksichtslose Behandlung der „Fremdarbeiter“ ein. Ebenso führte er einen hartnäckigen Kampf für die Verdrängung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben. Vor allem war Bormann an jeder Phase der Judenverfolgung aktiv beteiligt: Im staatlichen Bereich schaltete er sich in die antisemitische Gesetzgebung und in die administrative Durchführung der Judenverfolgung ein, innerhalb der NSDAP trieb er die Parteibasis zu immer neuen antijüdischen Maßnahmen an. Im Oktober gab Bormann einen Erlass an die Partei heraus, in dem er Stellung zu Gerüchten über das Schicksal der Juden nahm: Dort wurde der Eindruck erweckt, die Juden würden in Zwangsarbeitslager im Osten deportiert, gleichzeitig war aber auch von „rücksichtsloser Härte“ die Rede, mit der den Juden zu begegnen sei. Bormann trug wesentlich dazu bei, die Politik gegenüber den Juden zu verschärfen; durch seine Doppelfunktion im Staats- und Parteibereich dehnte er die Verfolgung auf immer neue Lebensbereiche aus. Im Oktober wurde Bormann mit der politischen und organisatorischen Führung des „Volksturms“ betraut. Seine unbedingte Ergebenheit gegenüber Hitler und seine Machtgier fanden auch nach Hitlers Rückzug in seinen Berliner Bunker kein Ende. In der letzten Phase der nationalsozialistischen Herrschaft versuchte Bormann, Göring hinrichten zu lassen, war Zeuge bei Hitlers Heirat mit Eva Braun einen Tag vor ihrem Selbstmord und beobachtete den Selbstmord von Goebbels und seiner Familie. Vor der Kapitulation war es Bormann, der Admiral Karl Dönitz von seiner Ernennung zum Nachfolger des „Führers“ informierte. Nach Hitlers Tod versuchte Bormann angeblich, Verhandlungen mit den Sowjets einzuleiten, aber nachdem er sich von deren Aussichtslosigkeit überzeugt hatte, gab er den Befehl zur Flucht aus dem Bunker. Damit verschwanden zunächst seine Spuren. Am 29. Oktober 1945 wurde Bormann mit den anderen nationalsozialistischen Führern vom internationalen Militärgericht in Nürnberg in absentia angeklagt, am 1. Oktober 1946 wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Bormanns Schicksal schien lange ungewiss; widersprüchliche Zeugenaussagen lagen vor, Gerüchten zufolge entkam er nach Südamerika. Anfang 1973 stellte ein westdeutscher gerichtsmedizinischer Experte fest, daß eines von zwei Skeletten, die 1972 bei Ausgrabungen in Westberlin entdeckt worden waren, mit großer Sicherheit das von Martin Bormann war. Auf der Grundlage dieser Erklärung wurde Bormann offiziell für tot erklärt.
Autor: Redaktion Zukunft braucht Erinnerung
Literatur
Benz, Wigbert / Bredemeyer, Bernd / Fieberg, Klaus (Hrsg.): Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. CD-ROM (Westermann Multimedia. Praxis Geschichte). Braunschweig 2004.
Benz, Wolfgang / Graml, Hermann / Weiß, Hermann (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. München 1997.
Gutman, Israel / Jäckel, Eberhard (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. 4 Bände. 2., Auflage. München 1998.
Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt a, Main 2003.
Lang, Jochen von: Der Sekretär. Martin Bormann: Der Mann, der Hitler beherrschte. Frankfurt am Main 1980.