Berghof am Obersalzberg. Auch Diktatoren machen Urlaub, wobei sie wie andere Staats- und Regierungschefs auch selbst in ihren Feriendomizilen nicht wirklich frei haben. Adolf Hitler (1889 – 1945) empfing in seiner Ferienvilla, dem Berghof, Parteifunktionäre, Militärs und Diplomaten verbündeter Staaten. Heute ist das, was nach Kriegsende noch vom Gebäude übrig war, eine Gedenkstätte, die allzu oft auch die noch verbleibenden Fanclubs Hitlers anzieht. Die Villa in Obersalzberg ist sowohl ein geschichtsträchtiger Ort als auch ein fester Bestandteil der Popkultur geworden. Das Wort „Obersalzberg“, das eigentlich die Ortschaft bezeichnet, wird dabei meist Synonym mit der Villa, dem Anwesen oder dem Gipfel, auf dem diese sich befanden, verwendet und dann nicht selten zum Gegenstand von Spott. Da Hitler sich hier von einer privaten (wir vermeiden mal bewusst das Wort „menschlichen“) Seite zeigte und zahlreiche Filmaufnahmen des Diktators in dieser Atmosphäre entstanden, in denen er lacht, tanzt, Blondi (1941 – 1945) liebkost und ein wenig schäkert, bietet der Berghof eine recht breite Angriffsfläche. Und wenn man eines relativ sicher über Hitlers wahres Wesen weiß, dann, dass er extreme Minderwertigkeitskomplexe hatte und nichts schlimmer gefunden hätte als Spott und Hohn auf seine Kosten.
Obersalzberg war zu Hitlers Lebzeiten ein Teil der Gemeinde Salzberg, heute gehört es zum Markt Berchtesgaden. Es liegt recht nah an der deutsch-österreichchischen Grenze. Von München, wo Hitler vor 1933 seinen Hauptwirkungsbereich hatte, liegt der Berghof damit etwa 155 km Autostrecke entfernt, ist also in einer ungefähr zweistündigen Fahrt von München erreichbar.
Der Berghof befand sich auf einem Vorberg des Kehlsteins, der landläufig Salzberg genannt wurde. Die ursprüngliche Villa trug den Namen Haus Wachenfeld und wurde 1916 für einen Kommerzialrat namens Otto Asmus Winter (1855 – 1920) aus Buxtehude als Ferien- und Landhaus errichtet. Winter war mit Anna Margarete Winter (1857 – 1934, geb. Wachenfeld) verheiratet und hatte die Lederfabrik Wachenfeld vom Vater seiner Frau übernommen. 1923 besuchte Hitler erstmals Obersalzberg, also kurz vor seinem Putschversuch im November und der darauffolgenden Inhaftierung in Landsberg. Im Oktober 1928 mietete Hitler erstmals Haus Wachenfeld. Am 17. September 1932 machte Winter Hitler ein notariell beglaubigtes Verkaufsangebot in Höhe von 40.000 Reichsmark.
Ende Januar 1933 wurde Hitler deutscher Reichskanzler. Erst jetzt nahm er das Angebot an. Er benannte das Anwesen in Berghof um und ließ es in mehreren Umbauarbeiten zu seiner Zweitresidenz umgestalten. Den Haushalt ließ Hitler zunächst von seiner Halbschwester Angela Raubal (1883 – 1949), deren Tochter Angela Maria „Geli“ Raubal (1908 – 1931), also seine Nichte, die Hitler mit seiner pathologischen Besessenheit von ihr 1931 in den Suizid getrieben hatte, führen. Hausverwalter war Herbert Döhring (1913 – 2001), ein Mitglied der Leibstandarte SS Adolf Hitler und des Führerschutzkommandos. Daneben beschäftigte der Berghof etwa 22 Hausmädchen, deren Arbeitskleidung Hitlers Mätresse Eva Braun (1912 – 1945) entwarf. Doch nicht nur Hitler richtete sich auf dem Berghof häuslichen ein, auch wichtige Parteifunktionäre bezogen Quartier im Anwesen, etwa: Reichsmarschall Hermann Göring (1893 – 1946), Reichsminister für Bewaffnung und Munition Albert Speer (1905 – 1981) oder Reichskanzleichef Martin Bormann (1900 – 1945).
Zunächst war der Architekt Alois Degano (1887 – 1960) für die Baumaßnahmen zuständig, danach ab 1936 Roderich Fick (1886 – 1955). Degano hatte noch verhältnismäßig kleine Umbauten vorgenommen, doch mit der Zeit wurden Hitlers Pläne für seine Zweitresidenz ambitionierter. Das anfangs nur mit einem Zaun nach außen abgesicherte Areal zog schaulustige Anhänger an und so ließ Hitler den gesamten Ort zum Führersperrgebiet Obersalzberg erklären und räumen. Weitere Gebäude wie das von Fick entworfene Kehlsteinhaus auf dem Gipfel des eigentlichen Kehlsteins kamen hinzu. Anwohner wurden enteignet und umgesiedelt, das Gelände hermetisch abgeriegelt und rund um die Uhr streng bewacht. Nur mit Berechtigungsausweis war der Zugang möglich. Diese Berechtigungsausweise wurden jedoch auch an Personen und Personengruppen ausgegeben, die eine Audienz beim Diktator erhaschen konnten. Hitler empfing neben gewissen Stammgästen auch Abordnungen der Hitlerjugend (HJ) oder des Bundes Deutscher Mädel (BDM), um sich als nahbarer Kanzler bzw. später Führer des Volkes zu inszenieren. Hier zeigte sich scheinbar der private Hitler abseits der Staatsführung. Und auch wenn heute bekannte Filmaufnahmen, die etwa von Eva Braun, aber auch von Hitlers persönlichem Kameramann Walter Frentz (1907 – 2004) angefertigt wurden, Hitler von seiner privaten Seite zeigen, bekamen normale Bürger, die er im Berghof empfing, diese Seite Hitlers selbstverständlich nicht zu sehen, und auch die Aufnahmen, welche vom Berghof an die Öffentlichkeit kamen, wurden streng ausgewählt oder gezielt zu diesem Zweck angefertigt.
Nach den großen Umbauten 1936 war der Berghof repräsentabel genug für den Empfang von Staatsgästen. Hitler verlieh dem Gebäude dazu eigenhändig eine letzte persönliche Note in Form von Gemälden, die er nicht nur persönlich auswählte, sondern auch selbst aufhing. Hohem Besuch präsentierte der gescheiterte Landschaftsmaler dann diese Bilder, um sich selbst als Mann mit Kunstverstand und Kultur darstellen zu können. Weitere Attraktionen, mit denen Hitler seine internationalen Gäste beeindrucken wollte, waren das elektronisch versenkbare Panoramafenster mit einer Größe von 4 m mal 8 m in der großen Halle und der Filmsaal.
Wichtige Gäste auf dem Berghof waren:
- Prinz Paul von Jugoslawien (1893 – 1976)
- Gian Galeazzo Ciano, Graf von Cortellazzo und Buccari (1903 – 1944)
- Aga Khan III. (1877 – 1957)
- Eduard David, Duke of Windsor (1894 – 1972) und Wallis Simpson, Duchess of Windsor (1896 – 1986)
- der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg (1897 – 1977) und Sekretär des Äußeren Guido Schmidt (1901 – 1957)
- der britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain (1869 – 1940)
- der polnische Außenminister Józef Beck (1894 – 1944)
- nach Kriegsbeginn der kroatische Diktator Ante Pavelić (1889 – 1959)
Während der Berghof 1944 noch als Führerhauptquartier fungiert hatte, obgleich er offiziell nie diese Bezeichnung erhielt, war Hitler, als die Alliierten sich seiner besannen, schon im Bunker in Berlin: Am 25. April 1945 bombardierten die Alliierten das Führersperrgebiet. Wirklich zerstört wurde der Berghof allerdings von der SS und der plündernden deutschen Bevölkerung, die den Truppen der Alliierten, die sich ein Wettrennen um den prestigeträchtigen Berghof lieferten wie um eine Trophäe, zuvorkam. Die 101. US-Airborne Division, die 3. US-Infanteriedivision und die 2. französische Panzerdivision Berchtesgaden waren an dem Wettstreit um Hitlers Feriendomizil beteiligt.
Literatur
Ulrich Chaussy: Nachbar Hitler. Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg. Mit aktuellen Fotos von Christoph Püschner. Links, Berlin 1995.
Hendrik van Capelle & A.P. van de Bovenkamp: Der Berghof, Adlerhorst – Hitlers verborgenes Machtzentrum. Tosa, Wien 2007.
RBB Beitrag: Das Problem mit der Vergangenheit – der Obersalzberg.