Seine Eltern waren Generalleutnant Friedrich Guderian und Irtha Ottilie (geborene Kirchhoff). Im westpreußischen Kulm wurde ihnen am 17. Juni 1888 ihr Soldatenkind Heinz geboren. Nur drei Jahre später folgte der Umzug nach Elsass – Lothringen. Schon berufsbedingt, als künftiger Militärangehöriger wird es nicht sein letzter Umzug sein.
Es war ein weiter Weg: vom Fähnrich unter dem Kommando seines Vaters im Hannoverischen Jäger – Bataillon Nr. 10 (ab 1907), hin zu seinen Kriegseinsätzen im Ersten und Zweiten Weltkrieg und seiner wesentlichen Rolle als „Schöpfer der deutschen Panzerwaffe“ in der Zwischenkriegszeit.
Letztgenannt: Am – Schöpfungsakt – der neuen Waffengattung waren lange vor ihm andere Kollegen beteiligt. Militärs, die schon früheren Datums entsprechende Zeichen der Zeit erkannt und sich mit Panzern, sowie mit Fragen der Panzerkriegsführung auseinandergesetzt haben.
Dazu später mehr.
Zunächst zieht Guderian 1901 in Karlsruhe in das Kadettenhaus ein. Von dort ging es 1903 weiter in die Hauptkadettenanstalt in Berlin Lichterfelde. Und nachdem der Fähnrich 1907 seine Reifeprüfung abgelegt hat, bekommt er ein Jahr später das Leutnantsspatent. Seine Lehrer schienen ohnehin sehr zufrieden mit ihrem Schüler gewesen zu sein. Ob in Karlsruhe, in Groß – Lichterfelde, später an der Kriegsschule in Metz, stets gehörte er zu den Klassenbesten. Lehrer und Ausbilder attestierten ihrem Schützling, Ehrgeiz, Pflichtbewusstsein, einen gefestigten Charakter, liebenswürdige Umgangsformen und eine „hervorstechende Neigung für den Beruf“ (siehe Militär & Geschichte EXTRA, Guderian und die deutsche Panzerwaffe, Seite 12).
Mit solchen Eigenschaften lässt sich sicher auch gut Krieg führen. Der kam dann auch bald.
Zuvor „funkte“ dem Panzermann in spe, aber eine Spezialfunkausbildung (1912 -1913) beim 3. Telegraphen Bataillon in Koblenz dazwischen. Abgesehen davon, dass Guderian den Ersten Weltkrieg als Nachrichtenoffizier verbrachte, darf man annehmen, dass diese Ausbildung dazu beigetragen hat, ihn von der Sinnhaftigkeit einer Funkausrüstung der neuen Waffengattung, der Panzertruppe zu sensibilisieren: Panzeroperationen isoliert von ständigem Funkkontakt zwischen allen Fahrzeugen haben wenig Aussicht auf Erfolg. Dem entgegen musste der sowjetische Gegner im Russland – Feldzug anfänglich (ab 1941) oft bitter dafür bezahlen, weil er die – funktionale – Bedeutung des Funks im Panzerkrieg unterschätzte. Funk und dann noch in schlechter Qualität hatte zu jener Zeit bei den sowjetischen Panzertruppen nur sein Vorkommnis im Kommandopanzer. Anders Guderian, der in kriegerischer Absicht am 1. September 1939 mit seinem Begleitoffizier und zwei Kradfahren im Verband mit der Panzerbrigade 3 die polnische Grenze überschritt und damit „seinen“ Zweiten Weltkrieg begann. Dabei benutzte er als erster General ein gepanzertes Halbkettenfahrzeug mit Funkverbindung zur Führungsstaffel und allen ihm unterstellten Einheiten, einschließlich der Panzer.
Am Vorabend der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, dem Ersten Weltkrieg, wurde noch geheiratet. Im Oktober 1913 gaben sich in Goslar Leutnant Guderian und die Generalarzt – Tochter Margarete Goerne (1893 -1972) das Ja Wort. Die Vermählte war eine Cousine zweiten Grades seines besten Freundes, Bodewin Keitel; dem Bruder von Wilhelm Keitel (siehe Gerd R. Ueberschär (Hrsg.) Hitlers militärische Elite, 68 Lebensläufe THEISS Verlag 2015, Kenneth Macksey, Seite 351). Während General Bodewin Keitel im Zweiten Weltkrieg zeitweilig das Heerespersonalamt leitete, war Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel durchgehend Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor, die auch Berufsoffiziere werden sollten, darunter Heinz Günther Guderian (1914 – 2004). Als Major der Wehrmacht und Träger des Ritterkreuzes zum Eisernen Kreuz brachte er es noch zum Generalmajor der Bundeswehr. Der Nachfahre des eigentlichen Protagonisten dieses Beitrages arbeitete unter anderem im Führungsstab der Bundeswehr und als Inspizient der Panzertruppe.
Kehren wir jetzt aber wieder zu dem alten Guderian zurück. Noch im Monat der Hochzeit ging es nach Berlin auf die Kriegsakademie. Die militärische Fortbildung war ursprünglich auf drei Jahre angesetzt, aber der Beginn des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 verkürzte diesen Bildungsweg: Weg von der Kaderschmiede des Generalstabs gaben nunmehr die Waffenschmiede den Ton an.
Als Teil der Nachrichtentruppen begann Guderian im August 1914 an der Westfront seinen ersten aktiven Kriegsdienst bei der 5. Kavalleriedivision. Im Oktober wird der Nachrichtenoffizier zur 4. Armee versetzt. 1915 schickt man ihn zum Armeeoberkomando (AOK). Die Schlacht von Verdun erlebt er als Nachrichtenmann im Stab des 5. AOK. Im April 1917 erreicht ihn die Berufung zum Generalstabsoffizier( Ic – Nachrichten) in der 4. Infanteriedivision. Ein Jahr vor Kriegsende wechselte er 1917 in den Generalstab des Oberkommandos. Zuvor (1918) erhielt Guderian in Sedan Zugang zu einem Generalstabskurs.
Obwohl dem jungen Offizier auf seinen Dienstposten die ganz schlimme Fronthölle (Graben – und Stellungskrieg) erspart bleiben sollte, einige dramatische Erfahrungen und bittere Lektionen blieben ihm nicht erspart. Begründen kann man dies wohl unter anderem damit, dass die Funktruppen damals noch vielfach in den Kinderschuhen steckten und entsprechende Defizite in der Praxis des Krieges offenbar wurden. Zum Ausgang des Ersten Weltkrieges sei auch dieser Gedanke erwähnt: „Wenn viele deutsche Militärs in den alliierten Panzern eine entscheidende Ursache für die Unterlegenheit und die sinkende Kampfkraft des kaiserlichen Heeres sahen, so war dieses Urteil übertrieben. (…) Wenn man allerdings bedenkt, dass die Panzertruppe im britischen und im französischen Heer nicht einmal ein Prozent der Gesamtstärke ausmachte, dann wird deutlich, dass in der neuen Waffe bedeutende Möglichkeiten steckten“ (siehe Gerhard Förster/ Nikolaus Paulus, Abriss der Panzerwaffe , Militärverlag der DDR 1977, Seite 60).
Auf seiner dekorativen Haben Seite standen nach dem „Großen Krieg“ zwei Beförderungen zum Oberleutnant und Hauptmann (1914/15) sowie das Eiserne Kreuz Klasse II und I. Da er längere Zeit unter Herzog Albrecht von Württemberg diente schmückte seine Brust auch das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Württembergischen Friedrichs – Ordens.
Im – Nachkrieg – kamen in der Weimarer Republik neue militärische Aufgaben auf ihn zu. Ab Mai 1919 ging er als Generalstabsoffizier für mehrere Monate zur „Eisernen Division“, einem Freikorps, das im Baltikum gegen die Bolschewiken kämpfte. Nach seiner Übernahme in die Reichswehr im Jahr 1920 wurde der Hauptmann zuerst als Kompaniechef im 10. Jäger Bataillon eingesetzt. Die Anschlussverwendung sollte drei Jahre dauern; als Lehrer an der Offiziersschule in Stettin für die Fächer Taktik und Militärgeschichte.
Im Januar 1922 trat er in München seinen Dienst bei der Inspektion der Verkehrstruppen an. Schon im April wird er in die Kraftfahrabteilung des Berliner Reichswehrministeriums befohlen. Hier befasst sich der innovative Offizier erstmals mit „Gedanken über die Aufstellung von schnellen Verbänden aus Panzern“. Dazu studiert er unter anderem Arbeiten des britischen Militärtheoretikers Basil Liddell Hart. Liddell Hart, der über den Ersten Weltkrieg schrieb: „Als Ergebnis seiner (d.h. Clausewitz) Lehre von gedankenlosen Schülern angewandt, wurden Generäle dazu angeregt, bei der ersten Gelegenheit den Kampf zu suchen, anstatt eine vorteilhafte Gelegenheit zu schaffen. Somit wurde die Kriegskunst von 1914 bis 1918 auf ein beidseitiges Gemetzel reduziert.“ Basil H. Liddell Hart: The Strategy of Indirect Approach, Kapitel XVII, S. 293. Liddell Hart, der nach dem Zweiten Weltkrieg Hitlers Generälen in Buchform ein Podium gab; „Jetzt dürfen sie reden – Hitlers Generäle berichten, DVA Stuttgart 1950.
Zwischen bemerkt; bei all der „Panzerei“ absolviert Guderian 1926 an der Universität Lausanne einen Französisch Kurs und erwirbt das Dolmetscher Patent der Reichswehr.
Im Jahr 1927 wird er zum Major ernannt. Mit dem neuen Dienstgrad kommt auch neue Arbeit auf ihn zu: Kommandant des Truppenamtes für Heerestransport und Ausbilder für Taktik motorisierter Transportverbände. In dieser Tätigkeit sammelte und studierte er weiterhin Material über Panzer und deren Taktik. Auf dem Dienstplan standen der Besuch von Panzereinheiten anderer Länder. Erst 1929 konnte der „Schöpfer der deutschen Panzertruppe“ bei einem Aufenthalt in Schweden selbst einen Panzer fahren. Die Ursache für die rege Reisetätigkeit und dass die Ausbildung nur mit Attrappen sowie nur mit „Großtraktoren“ durchgeführt werden konnte, als es um den Aufbau der deutschen Panzerwaffe ging, findet sich im Artikel 171 des Versailler Vertrages. Ihm gemäß war es Deutschland untersagt, „Panzerwagen, Tanks oder irgendwelche andere Vorrichtungen die Kriegszwecken dienen können“, zu entwickeln, herzustellen oder zu importieren. Doch hier kam der – sowjetische Waffenbruder – zur Hilfe. Im Rahmen der Militärbeziehungen zwischen Reichswehr und Roter Armee, die 1920 begannen schloss man 1926 ein Abkommen, das der Reichswehr erlaubte in Kasan ein Kampfwagenausbildungszentrum zu unterhalten. Guderian wurde 1932 an die Kasaner Panzerschule kommandiert. Davor (1931) war der Oberstleutnant Stabschef in der Inspektion der Verkehrstruppen. Sein Chef; Generalmajor Oswald Lutz. Seine Eindrücke über Russland schilderte Generaloberst Guderian am 24. Januar 1949 in einem Brief an Hauptmann Liddell Hart: „Ich glaube nicht, dass die Russen ein rückständiges Volk sind, denn ich hatte 1933 Gelegenheit, ihre Traktorenfabrik bei Charkow zu besichtigen. Nebenan befand sich eine Fabrik für Panzerkampfwagen und ich beobachte, dass 20 -25 Christie – Tanks sie verließen. Die Russen sagten mir, das sei jeden Tag so – 1933! (siehe Divisonär Karl J. Walde Guderian, Ullstein Buch 1976, Seite 40)“.
An dieser Stelle sei deutlich gemacht, dass die Darstellung Guderians allein der (!) „Schöpfer der deutschen Panzerwaffe“ gewesen zu sein, überzogen und nicht korrekt ist. Denn lange vor ihm erwiesen sich im In – und Ausland andere Persönlichkeiten als Vordenker für diese neue Waffe von deren Arbeiten er schließlich profitieren konnte. In diese Reihe gehören: Oberst Charles de Gaulle (Frankreichs Stoßarmee: Das Berufsheer, die Lösung von morgen, Voggenreiter, Potsdam 1935), Leutnant Erich Volckheim, er war aktiver Panzerkommandant im Ersten Weltkrieg (Der Kampfwagen, 1923), der österreichische General Ludwig Eimannsberger (Der Kampfwagenkrieg, 1934). Anlässlich seiner Verabschiedung aus der Wehrmacht schrieb General Eimannsberger am 17. Juli 1940 an das Heerespersonalamt: „Ich weiß, dass ich auch im Bürgerkleide der Schöpfer der deutschen Panzertaktik bleibe, also an den ungeheuren Erfolgen der deutschen Heere im Westen ein gewisses Maß persönlichen Verdienstes beanspruchen kann“ (siehe Markus Pöhlmann, Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges, Eine deutsche Geschichte 1890 -1945, Schöningh 2016, Seite 199). Der Verdacht Eimannsbergers Leistung sei durch die Wehrmacht nicht ausreichend gewürdigt worden, nährt sich durch die Tatsache, dass Guderian den Österreicher in seinen Lebenserinnerungen zunächst nicht erwähnte und erst auf Drängen von Eimannsbergers Sohn in der vierten Ausgabe einen entsprechenden Passus ergänzte, so Pöhlmann in seiner 2016 bei Schöningh erschienenen Habilitationsschrift (Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges, Eine deutsche Geschichte 1990 – 1945). Ein anderer Name der hierbei genannt werden müsste ist der von Generalleutnant Ludwig von Radlmaier. Ab Februar 1927 im Reichswehrministerium tätig, arbeitete er als Panzerreferent. Schon 1927 plädierte er für die unabhängige Verwendung von Panzerdivisionen und 1929 erhielt er an der geheimem Panzerschule in Kasan eine Ausbildung zum Panzeroffizier. Wie andere auch ging Guderian selbst unter die „schreibenden Soldaten“. Ende 1927 hat er im Militär – Wochenblatt eine mehrteilige Studie „Bewegliche Truppenkörper“ veröffentlicht. Darin war der Truppentransport der hauptsächliche Untersuchungsgegenstand des Majors, die Panzerwaffe hat er dabei jedoch nur gestreift. Guderian hat bis 1935 publizistisch vor allem koordiniert, was seiner Stellung als Chef des Stabes entsprach. Pöhlmann: „Damit präsentiert er (Guderian) sich für diese Jahre eher als ein gut vernetzter Medienmanager, denn als ein schriftstellerischer Einzelkämpfer“ (siehe Markus Pöhlmann, Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges, Eine deutsche Geschichte 1890 -1945, Schöningh 2016, Seite 206). Inzwischen Generalmajor (ab 1936), erweiterte er mit „Die Panzertruppen und ihr Zusammenwirken mit anderen Waffen“ (1936) und mit „Achtung Panzer“ (1937) sein militärisches Schrifttum. Das alles aber nicht ohne auch Anleihen bei anderen Militärtheoretikern zu nehmen.
Viele seiner Standesgenossen hoffen mit der „Machtergreifung der Plebejer“ (Golo Mann) auf die „Abheilung des Versailler Syndroms“, auf neue militärische wie politische Größe und auf Karriere. Rasch wurde Guderian befördert: 1933 Oberst, 1936 Generalmajor, Februar 1938 Generalleutnant, November 1938 General der Panzertruppe. Aber: Er äußerte trotz mancher Erfolge Bedenken gegen die Entwicklung Deutschlands in einer Zeit institutioneller Veränderungen. Als die Reichswehr im August 1934 nach dem Tod Hindenburgs den Treueeid auf Hitler leistete, schrieb er an seine Frau: „Gebe Gott, dass er beiderseits mit der gleichen Treue gehalten wird zum Wohle Deutschland. Die Armee ist gewohnt, Eid zu halten. Möge sie es in Ehren tun können“ (siehe Kenneth Macksey, Guderian, Der Panzergeneral, Verlag Buch und Welt, Seite 91).
Später kümmerte den – Bedenkenträger – nur noch, ob die Wehrmacht schon kriegstauglich war und noch später wurde er Komplize in Hitlers Zweiten Weltkrieg, der vor allem im Osten zu einem beispiellosen Völkermord und Raubkrieg werden sollte. In Hitler hatte man jedenfalls einen starken Fürsprecher für den Aufbau einer Panzerwaffe gewonnen, nicht zuletzt durch Vorführungen/Schriften/Gespräche. Erinnert sei hier an das erste öffentliche Auftreten von Panzern nach Wegfall der Rüstungsbeschränkungen in einer Panzerparade in Potsdam im Sommer 1935.
Bis dato Stabschef bei Lutz wechselte Guderian nach Würzburg, dort übernahm er als Oberst am 15. Oktober 1935 die neu aufgestellte 2. Panzerdivision. Bei den „Blumenkriegen“ (1938) streute er als Kommandierender General des XVI. Armeekorps, dem die bisherigen drei Panzerdivisionen unterstellt waren, mit die Saat, die in den Anschluss Österreichs und des Sudetenlandes aufging.
Umso blutiger wurde es mit dem Überfall auf Polen, dem 1. September 1939: Der Zweite Weltkrieg hat begonnen und er war dabei. Guderian kommandierte nunmehr das XIX. Armeekorps. Mit ihm stieß er bis nach Brest – Litowsk vor, wo er mit sowjetischen Truppen zusammentraf. Nach der Unterzeichnung des gemeinsamen Militärabkommens zur gegenseitigen Regelung der Besatzerfragen zwischen Deutschland und der Sowjetunion, bezogen auf das von beiden Ländern okkupierte Gebiet Polens nahm er am 3. Oktober 1939 die Siegesparade der Roten Armee mit der deutschen Wehrmacht in Brest – Litowsk ab. Gemeinsam mit dem sowjetischen Brigadekommandeur Semjon Kriwoschein besiegelte er, für die Öffentlichkeit durch deutsche und sowjetische Journalisten dokumentiert, die deutsch-sowjetische Waffenbrüderschaft (siehe Claudia Weber, Der Pakt Stalin, Hitler und die Geschichte einer mörderischen Allianz 1939 -1941, C. H. Beck Verlag München 2019, Seite 87 ff.). Im Übrigen, Kriwoschein, zuletzt Generalleutnant (1953) hatte wesentlichen Anteil am Umbau der sowjetischen Panzerwaffe. Seine Truppen trugen erheblich zum sowjetischen Sieg in der Panzerschlacht bei Kursk bei.
Für sein militärisches Handeln wurde Guderian am 27. Oktober 1939 mit dem Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz belobigt. Der Ausgezeichnete selbst erblickte darin in erster Linie eine Rechtfertigung seines Kampfes für die Errichtung einer neuzeitlichen Panzertruppe (siehe Kenneth Macksey, Guderian Der Panzergeneral, Verlag Buch und Welt, Seite 132).
Dann stand der Westfeldzug auf Hitlers Kriegsplan. An ihm nahm er 1940 mit seinem Panzerkorps teil. Grundlage hierfür war der am Ende erfolgreiche Sichelschnittplan von Generalleutnant Erich von Manstein, zu dem dieser sich zuvor die Meinung des Panzerführers einholte. Nach dem Blitzsieg im Frankreich – Feldzug wurde Guderian auch von der damaligen Beförderungswelle erfasst und am 19. Juli 1940 zum Generaloberst befördert. Die Erhebung in den Marschallstand erfuhr er nie, denn komplikationslos war das Verhältnis zwischen Diktator und General nicht gerade. Hatte er schon angesichts des Haltebefehls in Dünkirchen sein Unverständnis geäußert, so wurde er nach Differenzen mit dem Obersten Befehlshaber im Dezember1941 (vor Moskau) als Chef der Panzergruppe 2 entlassen und in die Führerreserve versetzt. Vor seinem befristeten Abschied hat Guderian im Russland – Feldzug mit seinen Panzern erhebliche Erfolge eingefahren; Kesselschlacht Bialystok und Minsk, Schlacht um Smolensk, Kessel von Brjansk. Während der Schlacht um Smolensk wurde dem General am 17. Juli 1941 das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes angehängt. Dann, im Jahr seines Ruhestands (Oktober 1942)i kam Guderian in den Genuss von den zahlreichen Dotationen des Führers an die Generalität. Bei ihm war es das fast 1000 Hektar große Gut Deipendorf (Kreis Hohensalza), das circa 1,2 Millionen Reichsmark wert war (siehe Vgl. BA Koblenz R43II/1092; Groehler, Die Güter der Generale, Seite 657).
Die Reservezeit sollte bis Anfang 1943 andauern. Dann steckte Hitler ihn mit den Worten, ich brauche sie, wieder in die Uniform, wobei er zum Generalinspekteur der Panzertruppen ernannt wurde. Zu dessen Arbeitsplatzbeschreibung gehörte es jetzt gemeinsam mit Rüstungsminister Albert Speer, die Forschung, Entwicklung und Produktion zu rationalisieren. Grundlage dafür war eine ausgehandelte Dienstanweisung zur „Weiterentwicklung der Panzertruppe“ Im sogenannten Adolf Hitler Panzerbauprogramm wurde von ihnen die Vervierfachung der Panzerproduktion gefordert.
Eine Episode nebenbei: Als angespannt galt das Verhältnis zwischen Generalfeldmarschall Hans Günther von Kluge und Generaloberst Heinz Guderian. Kluge warf er zum Beispiel vor durch eine Intrige bei Hitler dessen Ablösung als Befehlshaber der Panzergruppe während der Rückzugsbewegungen im Dezember 1941 vor Moskau betrieben zu haben. Nachdem Guderian als Generalinspekteur der Panzertruppen wieder in den aktiven Dienst zurückgekehrt war und Kluge eine Versöhnung suchte, wurde er von diesem schroff zurückgewiesen. Daraufhin forderte der Verschmähte ein Duell mit Guderian, wobei er den Führer bat als sein Sekundant zu fungieren. Hitler wies die Kampfhähne in die Schranken und befahl den Generalen aufzuhören, sich wie Kinder zu benehmen (siehe Marcel Stein, Generalfeldmarschall Erich von Manstein – Kritische Betrachtung des Soldaten und Menschen, Hase & Koehler Verlag 2000, Seite 155). Auch in ihrer Art der Kriegsführung machten die streitlustigen Generale offensichtlich so ihren Unterschied. Während Kluge wegen seiner mit „viel Bedacht“ geführten Kommandos der „kluge Hans“ genannt wurde, bekam Guderian aufgrund seines hohen Vormarschtempos den Beinamen „schneller Hans“ verpasst.
Aufschlussreich, das Verhalten des Generalinspekteurs der Panzertruppen, Heinz Guderian in Zusammenhang mit der Vorbereitung der Panzerschlacht in Kursk. In einer Besprechung in München meinte er, der Angriff bringe keinen Nutzen. Man dürfe die Reserven der Panzertruppen jetzt nicht aufs Spiel setzen, weil 1944 die alliierte Invasion in Frankreich zu erwarten sei. Die „Panther“ seien noch nicht frontreif. In ihrer ablehnenden Haltung waren sich Generalinspekteur und Rüstungsminister einig. Auf den Einwand des OKW – Chefs Generalfeldmarschall Keitel, dass Zitadelle (Kursk) politisch notwendig wäre antwortete er: „Es ist der Welt völlig gleichgültig, ob wir Kursk haben oder nicht. Glauben Sie, dass ein Mensch auf der Welt weiß, wo Kursk liegt? (…)“ (siehe Marcel Stein, Generalfeldmarschall Erich von Manstein Kritische Betrachtung des Soldaten und Menschen, Hase& Koehler Verlag 2000, Seite 159 f.). Nichtsdestotrotz erteilte Hitler der Wehrmacht den Marschbefehl in Richtung Kursk, um dort im Juli 1943 zu einer Offensive gegen die sowjetischen Truppen anzutreten. Es sollte die größte Panzerschlacht werden. In klaren Worten resümiert Dr. Roman Töppel das Ergebnis dieses Ringens: „Die Schlacht bei Kursk endete für die deutsche Seite mit einer klaren Niederlage. Keines der Ziele, die sich die deutsche Führung für den Sommer 1943 gesetzt hatte, konnte erreicht werden. (…)“ (siehe Roman Töppel, Kursk 1943, Ferdinand Schöningh 2017, Seite 199).
Was üblicherweise Weise der Höhepunkt einer Soldatenlaufbahn ist, die Berufung zum Generalstabschef, geriet bei Guderian aus mehreren Gründen zu einem Tiefpunkt. Vor allem, weil seine Armee im Begriff war, einen verbrecherischen Krieg zu verlieren. Und richten wir den Blick auf Zeit und Umstände, da ihm die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Generaloberst Kurt Zeitzler übertragen wurden: Nach der Niederlage in Kursk und nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte. So stieg der vormalige Generalinspekteur der Panzertruppen nach dem gescheiterten Attentat am 20 Juli 1944 zum Generalstabschef des Heeres (in Personalunion) auf, nachdem sich Zeitzler auch noch mit Hitler überworfen hatte. Zu konstatieren ist ferner, unter der Ägide des Meldegängers aus dem Ersten Weltkrieg (Hitler), der sich ohne vorhandene militärische Vorbildung zunehmend in operativ – militärische Entscheidungsprozesse eingemischt hat, wurde die Institution Generalstab zunehmend in seinen Handlungsoptionen und Spielräumen, sowie in seinem Einfluss beschnitten. Hatte der – Neue – angesichts dessen überhaupt was zu melden? Aber Guderian wagte es dennoch Hitler mehrfach zu widersprechen. Zuletzt an 27. März 1945 als der Oberste Befehlshaber die „Tapferkeit der Truppe“ anzweifelte und sein Generalstabschef daraufhin energisch dagegenhielt (siehe Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Hitlers militärische Elite, 68 Lebensläufe, THEISS Verlag 2015, 3. Auflage, Kenneth Macksey, Seite 356). Die Folge war, dass der Führer ihn in einen sechswöchigen Urlaub schickte. Innerhalb dieser sechs Wochen war Hitler tot und Guderian war seit dem 10. Mai 1945 in US-Kriegsgefangenschaft. Ein sehr belastendes Moment seiner kurzen Dienstzeit als Generalstabschef war der Umgang mit dem 20. Juli. Denn in dieser Funktion war er Mitglied des sogenannten Ehrenhofes, der zahlreiche Verschwörer des 20. Juli aus der Wehrmacht ausstieß und sie dem Volksgerichtshof übergab. Guderian soll alles getan haben, um einige Offiziere zu retten (siehe Gerd R. Ueberschär (Hrsg.), Hitlers militärische Elite, 68 Lebensläufe, THEISS Verlag 2015, 3. Auflage, Kenneth Macksey, Seite 356). In seinen Erinnerungen (1951) sollte der Leser von seiner strikten Ablehnung des Hitler Attentats erfahren.
Von Mai 1945 bis Juni 1948 verbrachte der einstige Panzergeneral der Wehrmacht in Kriegsgefangenschaft. Es bestand der Verdacht, dass er beim Polenfeldzug 1939 in Kriegsverbrechen verwickelt war. Seine Rolle bei der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes 1944 (hier als Generalstabschef) war ebenso umstritten. Polen verlangte vergeblich seine Auslieferung. Mit seinen früheren Arbeitskollegen Halder, Zeitzler, Heusinger, Speidel und anderen, fand er bei der Historischen Abteilung im Oberkommando der Streitkräfte der USA eine neue Anstellung: Sie hatten eine schriftliche Darstellung des Kriegsverlaufs auszuarbeiten und „Lehren und Erkenntnisse für die Zukunft“ zu ziehen (siehe Gerhard Förster, Heinz Helmert, Helmut Otto, Helmut Schnitter in Der preußisch – deutsche Generalstab 1640 – 1945, Dietz Verlag Berlin 1966, Seite 296).
Nach Kriegsende hatten der Panzergeneral Guderian und der Stratege Generalfeldmarschall Manstein einen Dissens ausgetragen, als es um die Bewertung der Qualität der Führungsfähigkeit der Sowjettruppen ging. In seiner allgemein bekannten Überheblichkeit wollte Manstein der Roten Armee nur „eine Anzahl tüchtiger Soldaten“ zugestehen. Aber der Mehrzahl fehlte vor allem die geistige Selbständigkeit und die Verantwortungsfreudigkeit. Zu Erfolgen seien die sowjetischen Führer letzten Endes durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit gekommen (siehe Soldatenleben, Seite 157 ff). Dagegen zeigte sich Guderian objektiver und als – fairer – Verlierer – Guderian: „Während des Krieges gelang es den Russen eine Anzahl sehr fähiger Heerführer hervorzubringen, die die ihnen gebotenen Gelegenheiten gut ausnutzten…Das große Reservoir an russischen Offizieren ermöglichte es, die erforderliche kleine Anzahl von sehr begabten hohen Befehlsführern aufzustellen“ (Heinz Guderian, Russian Strategy in the War in Liddell Hart, The Soviet Army, London 1956, Seite 129).
Weniger uneins waren sich die Weltkriegsteilnehmer in ihrem Engagement für die Wiederbewaffnung und den Aufbau der Bundeswehr (Amt Blank). In einem Interview für die US News and World Report erklärte er Anfang September 1950, dass er sich die Aufstellung einer „deutschen Wehrmacht“ mit mindestens 20 – 30 Divisionen vorstelle. Manstein sollte der Oberbefehlshaber sein. Auf 85 Seiten stellte der Ex – General die Frage, Kann Westeuropa verteidigt werden (1950). Und ein Jahr darauf wurden seine „Erinnerungen eines Soldaten“ auf dem Buchmarkt käuflich.
Kurz vor seinem 66. Geburtstag starb Heinz Guderian am 14. Mai 1954 in Schwangau. Ehemalige „Goslarer Jäger“ hielten die Totenwache und eine Hundertschaft des Bundesgrenzschutzes schoss Salut. Soweit die äußeren Zeichen des Abschieds, aber was bleibt wirklich von Guderian?
Dazu Markus Pöhlmann in Militär & Geschichte EXTRA, Guderian und die deutsche Panzerwaffe, Seite 81: „Er war ein begnadeter Organisator und ein Motivator; taktisch ein Hasardeur, kein Steher. (…) Er war kein Kämpfer gegen Windmühlen, sondern ein Offizier, der wichtige Förderer gehabt hatte. Dem Galgen von Nürnberg oder dem sowjetischen Gulag ist Guderian nicht deshalb entgangen, weil sein Denken und Handeln nicht im Einklang mit dem nationalsozialistischen Rasse – und Vernichtungskrieg gestanden hätte. Vielmehr haben ihn in den kritischen Phasen die militärisch begründeten Entlassungen von 1941 und 1945 davor bewahrt, sich moralisch beweisen zu müssen“.
Autor: René Lindenau