Nazi oder Widerständler – das Mysterium von „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel
Erwin Eugen Rommel (1891 – 1944), genannt „der Wüstenfuchs“ galt als Adolf Hitlers (1889 – 1945) Lieblingsgeneral und war im Dritten Reich auch beim deutschen Volk überaus beliebt. Seine Untergebenen schätzten ihn als streng, aber gerecht ein und auch bei seinen Gegnern war er geachtet. Rommel trat nie in die NSDAP ein und die heutige Forschung geht davon aus, dass er, selbst wenn er kein aktiver Teil des militärischen Widerstands gegen Hitler war, zumindest von den Attentatsplänen der Gruppe um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg (1907 – 1944) und General der Infanterie Friedrich Olbricht (1888 – 1944) wusste und sie billigte. Da auch Hitler dieser Ansicht war, sollte Rommel das Kriegsende nicht mehr erleben.
Erwin Rommel jr. erblickte am 15. November 1891 als Sohn des Lehrers Erwin Rommel sr. (1860 – 1913) und dessen Frau Helene Rommel (geborene Luz; Geburts- und Todesdatum konnten wir leider nicht ermitteln) in Heidenheim an der Brenz das Licht der Welt. Heidenheim an der Brenz ist übrigens auch die Geburtsstadt von NS-Widerstandskämpfer Franz Weiß (1892 – 1985) und NSDAP-Politiker Georg Rau (1892 – 1964). Erwin Rommel jr. wuchs allerdings in Aalen auf und besuchte das Realgymnasium in Schwäbisch Gmünd. Da im Kaiserreich das Militär einen extrem großen Stellenwert hatte, stellte Erwin Rommel sr. seinen Sohn vor die Wahl: Entweder er würde ebenfalls Lehrer werden oder ginge zur Armee. Er entschied sich für Letzteres und trat 1910 als Fahnenjunker in das württembergische Heer ein. Er diente zunächst beim Infanterieregiment Nr. 124 in Weingarten und absolvierte anschließend an der Königlichen Kadettenschule in Danzig, Preußen (heute: Gdansk, Polen) den Kriegsschullehrgang. Zu dieser Zeit lernte er Lucie Maria Mollin (1894 – 1971) kennen. 1912 wurde Rommel zum Leutnant befördert und begann selbst mit der Ausbildung neuer Rekruten in Weingarten, wo er abgesehen von einer kurzen Phase, in der er beim Feldartillerieregiment in Ulm war, bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs diente. In diese Zeit fiel auch die Liebesbeziehung mit Walburga Stemmer (1892 – 1928), aus der im Dezember 1913 die gemeinsame Tochter Gertrud Stemmer (1913 – 2000) hervorging.
In den ersten Kriegswochen kämpfte Rommel in Belgien und Verdun, wurde im September 1914 aber an der Hüfte verwundet und daraufhin mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. 1915 führte er zunächst ein Stoßtruppunternehmen in den Argonnen und wurde nun auch mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse ausgezeichnet. Im September 1915 wurde Rommel erneut verwundet, diesmal am Bein, des Weiteren erfolgte die Beförderung zum Oberleutnant. Als solcher kämpfte er mit dem Württembergischen Gebirgsbataillon in den Vogesen. Wie so viele Schlachten im Ersten Weltkrieg war es ein Stellungskrieg, bei dem sich die Frontlinie stets nur um wenige Meter in die ein oder andere Richtung verschob. Im Oktober 1916 verlegte man Rommel an die Front in Rumänien, was ihn nicht daran hinderte, im November in Danzig Lucie Maria Mollin zu heiraten. Mit ihr sollte er später einen gemeinsamen Sohn haben: Manfred Rommel (1928 – 2013). Im Herbst 1917 wurde Rommel nach Italien versetzt und mit dem Orden Pour le Mérite ausgezeichnet. Die letzten Kriegsmonate war Rommel Ordonnanzoffizier beim Generalkommando der Westfront, wo er im Oktober zum Hauptmann befördert wurde. Er kehrte nach Kriegsende zu seiner Einheit in Weingarten zurück.
Mit dem verlorenen Krieg kam der Friedensvertrag von Versailles, der die Entmilitarisierung des Deutschen Reichs forderte. Viele Soldaten und Offiziere wurden entlassen. Rommel gehörte jedoch zu jenen, die in der Reichswehr neu vereidigt wurden. Während der Weimarer Republik war Rommel zunächst Befehlshaber einer Maschinengewehrkompanie in Stuttgart und ab 1929 dann Lehrer an der Infanterieschule von Dresden. 1932 wurde er zum Major befördert.
Im Januar 1933 übernahmen die Nazis die Macht im Deutschen Reich, was Rommel zum damaligen Zeitpunkt noch begrüßte, da sie eine Revision des Vertrages von Versailles anstrebten und damit einhergehend das Militär wieder ausbauten. Im Oktober wurde Rommel dann zum Major befördert und bekam das Kommando über ein Bataillon in Goslar, wo er etwa ein Jahr später beim Reichsbauerntag durchsetzte, dass die Schutzstaffel (SS) eine Position hinter der Armee einnahm. Er schritt Seite-an-Seite mit Hitler, der Rommel 1936 in sein Begleitkommando berufen sollte, die Truppen ab. Am 1. Januar 1935 wurde Rommel zum Oberstleutnant befördert. 1937 erschien sein Buch „Infanterie greift an“, das sich in der Zeit des NS-Regimes etwa 400.000-mal verkaufte. Als im Oktober 1938 das Deutsche Reich ins Sudetenland einmarschierte, erhielt Rommel den Oberbefehl über das Führerbegleitkommando. In Folge wurde Rommel Kommandant des Führerhauptquartiers, eine Position, die er auch bei Kriegsbeginn innehatte.
Beim Überfall auf Polen ernannte Hitler den Oberst Rommel rückwirkend zum 1. August 1939 zum Generalmajor. Auf Hitlers persönlichen Wunsch hin erhielt Rommel beim Frankreichfeldzug 1940 das Kommando über die 7. Panzerdivision. Dabei war Rommel stets mitten im Geschehen, was seine rasch agierende Division weit flexibler machte als aus der Distanz befehligte Einheiten. Es wurde von einer „Gespensterdivision“ gesprochen.
Im Februar 1941 wurde Rommel von Hitler gegen den Widerstand von Generalfeldmarschall Walther von Brauchitsch (1881 – 1948), Oberbefehlshaber des Heeres, zum Generalleutnant befördert und mit dem Oberbefehl über die Afrikakorps der Wehrmacht betraut. Der Krieg gegen die französischen und britischen Kolonialgebiete war wichtig, weil die vom Deutschen Reich kontrollierten Gebiete in Europa zwar nach Norden relativ gut abgesichert waren, von Süden her wegen des schwächeren Bündnispartners Italien hingegen angreifbar waren. Deshalb musste Rommel verhindern, dass die Briten nach dem Angriff der Italiener auf Ägypten und der britischen Gegenoffensive die italienischen Truppen noch weiter zurückdrängen und das von Italien annektierte Libyen einnehmen würden, um dort eine Armee zu formieren, mit der sie das Mittelmeer überqueren und nach Italien übersetzen könnten. Rommel gelang die Rückeroberung der ostlibyschen Gebiete der Cyrenaika im Frühjahr 1941, was ihm den Befehl über die Panzergruppe Afrika einbrachte. Im Juli folgte die Beförderung zum General der Panzertruppe. Im November musste Rommel der britischen Operation „Crusader“ weichen und sich aus der Cyrenaika zurückziehen, doch im Januar 1942 eroberte er sie zurück, was ihm als ersten Soldaten die Auszeichnung Schwerter zum Ritterkreuz mit Eichenlaub einbrachte. Durch die Aufwertung seiner Panzergruppe zur Panzerarmee wurde Rommel Armee-Oberbefehlshaber. Nach dem Sieg bei der zweiten Cyrenaika-Offensive wurde er zum Generaloberst befördert.
Im Mai desselben Jahres startete dann die große Sommeroffensive Unternehmen „Theseus“. Nachdem er am 22. Juni Tobruk erobert hatte, wurde Rommel von Hitler in den höchsten Dienstgrad der Wehrmacht erhoben, in den eines Generalfeldmarschalls. Bei den aktuellen Oberbefehlshabern der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel (1882 – 1946) und Generaloberst Alfred Jodl (1890 – 1946), stieß diese Ernennung wegen Rommels raschem Aufstieg und der engen Beziehung zu Hitler auf wenig Gegenliebe.
Als Rommel bis nach El Alamein in Ägypten vorrückte, endete seine Glückssträhne, denn er traf erstmals auf seine Nemesis: General Bernard Law Montgomery (1887 – 1976), der den Befehl über die 8th Army der britischen Streitkräfte nach dem Tod des vorherigen Kommandanten Lieutenant-General William Gott (1897 – 1942) übernommen hatte. Gott war bei einem Flugzeugabsturz gestorben. Noch im September hatte Hitler Rommel im Sportpalast als Kriegsheld inszeniert, was der eitle Rommel durchaus genoss, da wendete sich das Blatt und Montgomery konnte Rommel bei der Zweiten Schlacht von El Alamein zum Rückzug zwingen. Hitler hatte befohlen, die Stellungen zu halten, doch Rommel war nicht bereit, seine Männer für ein hoffnungsloses Unterfangen zu opfern. Nun landeten die Briten auch in Algerien. Rommel, nun Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Afrika, sah sich im Mai 1943 mit dem Rücken zur Wand. Auch wenn Hitler seinen „Wüstenfuchs“ daraufhin abzog, stand er noch in der Gunst der NS-Führung.
Im Sommer (Juli und August) stand Rommel erneut Montgomery gegenüber: diesmal in Italien. Die Westalliierten hatten nach dem Täuschungsmanöver der Operation „Mincemeat“ erfolgreich Sizilien einnehmen und von dort zum italienischen Festland übersetzen können (Operation „Husky“). Rommel erhielt das Kommando über Heeresgruppe B und besetzte mit ihr nach Benito Mussolinis (1883 – 1945) Sturz und Inhaftierung Italien. Mussolini gelang die Flucht und er errichtete in Saló, in Norditalien eine neue faschistische Republik. Bis September hatte Rommel den Oberbefehl über den Norden des nun faktisch geteilten Italiens. Im November zog Hitler ihn ab und betraute ihn mit den Verteidigungsmaßnahmen an der französischen Atlantikküste. Er sollte den Atlantikwall kontrollieren und aufrüsten, wo es nötig erschien. Auch wenn Rommel im März 1944 noch ein Treuegelöbnis der Generalfeldmarschälle unterzeichnete und dies Hitler übergab, begann die Beziehung zum „Führer“ langsam zu bröckeln.
Rommel hatte nach zwei Niederlagen gegen die Westalliierten seine Lektion gelernt und drängte Hitler zu Friedensverhandlungen. Der Diktator verbat sich erzürnt, dass sich einer seine Offiziere in politische Angelegenheiten einmischte, und ignorierte zudem auch Rommels militärische Expertise. Als am 6. Juni 1944 die Alliierten überraschend in der Normandie landeten, war Rommel zu Hause in Herrlingen bei Ulm, um den Geburtstag seiner Frau zu feiern, eilte aber sofort an die Front. In einem Schreiben an Hitler vom 15. Juli 1944 erklärte er: „Die Truppe kämpft allerorts heldenmütig, jedoch der ungleiche Kampf neigt dem Ende entgegen. Es ist m. E. nötig, die [politischen] Folgerungen aus dieser Lage zu ziehen.“ Sein Generalstabschef Hans Speidel (1897 – 1984), der Rommel für den Widerstand gewinnen wollte, konnte seinen Vorgesetzten davon überzeugen, das Wort „politischen“ wieder zu streichen, weil es Hitler unnötig erzürnt hätte. Spätestens jetzt erfuhr Rommel von den Putschplänen und behielt dieses Wissen für sich. Es ist unklar, ob er von den Kriegsverbrechen der Nazis und dem Holocaust wusste, aber wahrscheinlich tat er dies, und vermutlich war es eben dieses Wissen, was aus einem loyalen Anhänger Hitlers einen Gegner machte, wurde Rommel doch auch von seinen Gegnern stets attestiert, Fairness und Anstand walten zu lassen. Am 17. Juli wurde Rommel bei einem Tieffliegerangriff bei Sainte-Foy-de-Montgommery schwer verwundet. Den 20. Juli 1944, den Tag von Unternehmen „Walküre“, dem Attentat auf Hitler in der Wolfsschanze erlebt Rommel im Lazarett. Unmittelbar nach dem gescheiterten Attentatsversuch wurde Rommel der Beteiligung beschuldigt.
Im August kehrte er zur weiteren Genesung heim nach Herrlingen. Dort erschienen zwei Generäle des OKW in Rommels Haus und beschuldigten ihn der Mittäterschaft am Attentat. Rommel hatte bis dahin geglaubt, es ginge darum, die Verantwortung für die Durchbrechung des Atlantikwalls zu übernehmen. Er verabschiedete sich von seiner Frau und seinem Sohn, wurde von den Generälen in einen nahen Wald gefahren, wo er sich mit einer von ihnen mitgebrachten Zyankalikapsel das Leben nahm. So bot sich für das Regime die Möglichkeit, ihn als Kriegsheld in einem Staatstrauerakt beizusetzen und ihn über seinen Tod hinaus zu instrumentalisieren, was auch der Hauptgrund war, warum Hitler ihn still und heimlich hatte aus dem Weg räumen lassen.
Literatur
David Fraser: Rommel. Die Biographie. Siedler, Berlin 1995
Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.): Erwin Rommel. Geschichte und Mythos. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2009, (Stuttgarter Symposion, Band 13).
Guido Knopp, Rudolf Gültner: Das Idol. In: Guido Knopp: Hitlers Krieger. C. Bertelsmann, München 1998
Ronald Lewin: Rommel as military commander. Aus dem Englischen übertragen von Hans Jürgen Baron von Koskull. Kohlhammer, Stuttgart 1969.
Heinz von Lichem: Rommel 1917 – der „Wüstenfuchs“ als Gebirgssoldat. Hornung, München 1975
Peter Lieb: Erwin Rommel: Widerstandskämpfer oder Nationalsozialist? In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 303–343. doi:10.1524/ vfzg.2013.0015
Sönke Neitzel: Rommel, Eugen Johannes Erwin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005
Maurice Philip Remy: Mythos Rommel. List, München 2002
Ralf Georg Reuth: Erwin Rommel. Des Führers General. Piper, München 1987
Ralf Georg Reuth: Erwin Rommel. Das Ende einer Legende. Piper, München 2012, ISBN 978-3-492-30218-0.
Manfred Rommel: 1944 – Das Jahr der Entscheidung: Erwin Rommel in Frankreich. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2010
Deutschlandfunk Beitrag: Rommels Rückzugsbefehl bei El Alamein.