(Juli 1932–Februar 1934)[1]
Das Ende des Reichsrats war ein Prozess, der sich in drei Schritten vollzog. In der Folge des „Preußenschlags“ vom 20. Juli 1932 wurde das innere Gefüge des Reichsrats wegen der faktischen Neutralisierung Preußens instabil. Diesen Zustand heilte auch das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 nur scheinbar. Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, das der Reichsrat übrigens einstimmig billigte, beseitigte die Mitwirkung der Vertretung der Länder bei der Gesetzgebung. Schließlich übertrug das Gesetz über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich und unterstellte die Landesregierungen der Reichsregierung. Hierdurch wurde die Vertretung der Länder überflüssig und systemimmanent der Reichsrat durch Gesetz vom 14. Februar 1934 „aufgehoben“.
Bevor die einzelnen Schritte auf dem Weg zum Ende des Reichsrats dargestellt werden, soll das Verfassungsorgan Reichsrat kurz vorgestellt werden, da es in der historischen wie verfassungsgeschichtlichen Literatur nach 1945 – mit wenigen Ausnahmen (etwa Arnold Brecht und Theodor Eschenburg) – allenfalls marginal berücksichtigt wird. Der Reichsrat entwickelte sich aus dem Bundesrat, der nach der Revolution von 1918 als Reichsorgan mit allerdings eingeschränkten Befugnissen[2] zunächst weiterbestand. Die letzte Sitzung des Bundesrats fand am 30. Januar 1919 statt. An seine Stelle trat durch § 2 des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt vom 10. Februar 1919[3] der Staatenausschuss, der gebildet wurde „von Vertretern derjenigen deutschen Freistaaten, deren Regierungen auf dem Vertrauen einer aus allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung beruhen“[4]. Im Staatenausschuss führte jeder Freistaat mindestens eine Stimme, wobei größere Freistaaten pro einer Million Einwohner eine Stimme erhielten. Seine wesentlichen Zuständigkeiten waren die verpflichtende „Zustimmung“ zur Einbringung von Vorlagen der Reichsregierung an die Nationalversammlung sowie für den Fall, dass eine Übereinstimmung mit der Reichsregierung nicht erzielt werden konnte, ein eigenes Initiativrecht in der Nationalversammlung[5]. Durch § 4 des Übergangsgesetzes vom 4. März 1919[6] trat er zudem an die Stelle des Bundesrats, „soweit in Gesetzen und Verordnungen des Reichs auf den Bundesrat verwiesen wird“. Zeitgleich begannen in der Nationalversammlung die Verfassungsberatungen, in denen auch Art und Umfang der Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs eine zentrale Rolle spielten[7]. Die Darstellung dieser Beratungen im Detail würde das Thema dieses Beitrag sprengen, es ging in ihnen aber unter anderem um die nicht unwesentliche Frage, ob der Reichsrat als „Staatenhaus“, also mit von den Ländern gewählten Vertretern, errichtet werden sollte. Die Folge wäre eine dem Reichstag gleichberechtigt gegenüberstehende „Zweite Kammer“ gewesen. In der dann von der Nationalversammlung beschlossenen Reichsverfassung (Art. 63 WRV) blieb es bei einem Reichsrat mit von den Landesregierungen entsandten und instruierten Vertretern, allerdings mit der besonderen Regelung, daß die Hälfte der (zudem auf höchstens Zwei Fünftel der Stimmen im Reichsrat beschränkten) preußischen Stimmen im Reichsrat von den Provinzialverwaltungen bestellt wurde. Hierdurch wollte der Verfassungsgeber zweierlei bezwecken: Zum einen wollte er ein Übergewicht der preußischen Staatsregierung im Reichsrat verhindern[8]. Zum anderen wollte er – im Sinne einer angestrebten „Autonomisierung“ der preußischen Provinzen – diesen, wie es Gerhard Anschütz ausdrückte, „die freie, autonome Wahrnehmung ihrer besonderen Interessen im Reichsrat, und damit ein gewisses Maß selbständiger Reichspolitik ermöglichen“[9]. Carl Bilfinger sah in dieser Verfassungsbestimmung „eine unzweifelhafte Annäherung an das Staatenhausprinzip, zugleich aber eine unlösbare Anomalie innerhalb der Organisation des Staates Preußen und innerhalb des Reichsratssystems“[10].
Die Länder wurden im Reichsrat gemäß Art. 63 WRV „durch Mitglieder ihrer Regierungen“ vertreten, das heißt, die regulären Bevollmächtigten zum Reichsrat mussten Mitglieder der jeweiligen Landesregierung (Senat) sein. Jedes Land konnte in den Reichsrat jedoch nur so viele Vertreter (Bevollmächtigte) entsenden, als es Stimmen im Reichsrat führte[11]. Die bereits im Bundesrat bewährte Praxis war indes, dass die Bevollmächtigten die laufenden Geschäfte durch „stellvertretende Bevollmächtigte“[12], in der Regel höhere Beamte des jeweiligen Landes, die Gesandten bei der Reichsregierung sowie der Vertretung des Landes in Berlin zugeteilte Bedienstete wahrnehmen ließen. Jedes Land verfügte über einen stimmführenden Vertreter, in Preußen gab des zudem das Institut des „stellvertretenden Bevollmächtigten im Hauptamt“.
Im Gegensatz zu den bisher genannten Bevollmächtigten usw. – die sämtlich von ihren Regierungen zu instruieren und folglich in gewisser Weise „abhängig“ waren – verfügten die Vertreter der 13 preußischen Stimmen über ein freies Stimmrecht. Dieses freie Stimmrecht war in der Praxis durchaus von Bedeutung und führte häufiger zur „Zersplitterung“ der preußischen Stimmen. So stimmten die preußischen Provinzialvertreter im Reichsrat relativ häufig anders als die von der Staatsregierung bestellten Bevollmächtigten. Trotz der Tatsache, daß das Staatsministerium (zumindest bis 1926 oder 1927) vor jeder Sitzung des Reichsrats die im Gesetz vorgesehene „gemeinsame Beratung“ anberaumte, konnte Preußen zwischen dem 21. Juli 1921 und Mitte Juli 1928 nur bei 48 von insgesamt 259 Abstimmungen seine volle Stimmenzahl zur Geltung bringen. In 63 Fällen führte es nur gleich viele (oder weniger) Stimmen wie Bayern, und in 54 Fällen wurde die Staatsregierung im Reichsrat überstimmt, weil die Provinzialvertreter in Gänze oder teilweise gegen die Vertreter der Staatsregierung gestimmt hatten[13]. Ministerpräsident Otto Braun brandmarkte im Juni 1922 im preußischen Landtag die so erfolgende „Eliminierung der preußischen Stimmen im Reichsrat“[14]. Zwar hatte Preußen in § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Bestellung von Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialverwaltungen vom 3. Juni 1921 die Möglichkeit „gemeinschaftlicher Beratung“ zwischen bestellten und gewählten Mitgliedern zur „Herbeiführung einer einheitlichen Stimmabgabe“ vorgesehen; dies war ein Versuch, im Rahmen des verfassungsrechtlich noch Zulässigen einer durch die „freie“ Abstimmung der Provinzvertreter durchaus möglichen Zersplitterung (im Extremfall, wenn alle 13 Provinzvertreter anders als die Regierungsvertreter stimmten, sogar Neutralisierung) der preußischen Stimmen im Reichsrat vorzubeugen. Mehrere Versuche der preußischen Staatsregierung, das freie Stimmrecht der Provinzen zu beschneiden oder gar abzuschaffen, blieben erfolglos.
Die umfassende und regelmäßige Tätigkeit des Reichsrats auch nur annähernd zu skizzieren, ist auf diesen Seiten nicht möglich[15]. Statt dessen möge seine Stellung im Gesetzgebungsverfahren durch Mitteilung der einschlägigen Artikel der Weimarer Reichsverfassung angedeutet werden:
Artikel 60: Zur Vertretung der deutschen Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs wird ein Reichsrat gebildet.
Artikel 67: Der Reichsrat ist von den Reichsministerien über die Führung der Reichsgeschäfte auf dem laufenden zu halten. Zu Beratungen über wichtige Gegenstände sollen von den Reichsministerien die zuständigen Ausschüsse des Reichsrats zugezogen werden.
Artikel 69: Die Einbringung von Gesetzesvorlagen der Reichsregierung bedarf der Zustimmung des Reichsrats. Kommt eine Übereinstimmung zwischen der Reichsregierung und dem Reichsrat nicht zustande, so kann die Reichsregierung die Vorlage gleichwohl einbringen, hat aber hierbei die abweichende Auffassung des Reichsrats darzulegen.
Artikel 74: Gegen die vom Reichstag beschlossenen Gesetze steht dem Reichsrat der Einspruch zu.
Der Einspruch muss innerhalb zweier Wochen nach der Schlussabstimmung im Reichstag bei der Reichsregierung eingebracht und spätestens binnen zwei weiteren Wochen mit Gründen versehen werden.
Im Falle des Einspruchs wird das Gesetz dem Reichstag zur nochmaligen Beschlussfassung vorgelegt. Kommt hierbei keine Übereinstimmung zwischen Reichstag und Reichsrat zustande, so kann der Reichspräsident binnen drei Monaten über den Gegenstand der Meinungsverschiedenheit einen Volksentscheid anordnen. Macht der Präsident von diesem Rechte keinen Gebrauch, so gilt das Gesetz als nicht zustande gekommen. Hat der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit entgegen dem Einspruch des Reichsrats beschlossen, so hat der Präsident das Gesetz binnen drei Monaten in der vom Reichstag beschlossenen Fassung zu verkünden oder einen Volksentscheid anzuordnen.
Artikel 76: Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden. Jedoch kommen Beschlüsse des Reichstags auf Abänderung der Verfassung nur zustande, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend sind und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden zustimmen. Auch Beschlüsse des Reichsrats auf Abänderung der Verfassung bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Soll auf Volksbegehren durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.
Hat der Reichstag entgegen dem Einspruch des Reichsrats eine Verfassungsänderung beschlossen, so darf der Reichspräsident dieses Gesetz nicht verkünden wenn der Reichsrat binnen zwei Wochen den Volksentscheid verlangt.
Artikel 77: Die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlässt, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, die Reichsregierung. Sie bedarf dazu der Zustimmung des Reichsrats, wenn die Ausführung der Reichsgesetze den Landesbehörden zusteht.
Hinzu kamen noch die vielfältigen Verwaltungsaufgaben, die dem Reichsrat durch Gesetze und Verordnungen des Reichs zugewiesen waren.
Durch Verordnung des Reichspräsidenten, betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 20. Juli 1932[16] wurde Reichskanzler Franz v. Papen zum „Reichskommissar für das Land Preußen“ bestellt. In dieser Eigenschaft standen ihm (laut Verordnung) „alle Befugnisse des Preußischen Ministerpräsidenten“ zu. Der Reichskommissar konnte „Personen“ mit der Führung der Preußischen Ministerien betrauen; er und „die von ihm mit der Führung der Preußischen Ministerien betrauten Personen üben gemeinsam die Befugnisse des Preußischen Staatsministeriums aus“. Reichskanzler v. Papen war der Auffassung, daß sich die ihm übertragenen Befugnisse auch auf die Vertretung Preußens im Reichsrat erstreckten; so beschloß das Preußische Staatsministerium (Kommissare des Reichs)[17] schon am 21. Juli die Ernennung von drei Reichskommissaren zu stellvertretenden Bevollmächtigten zum Reichsrat[18]. Nicht nur die preußische Staatsregierung und die preußischen Staatsminister, die unverzüglich Klage beim Staatsgerichtshof eingereicht hatten[19], sondern auch die anderen Länder waren der Auffassung, daß der Reichskanzler „nicht preußische Stimmen für sich in Anspruch nehmen“ könne, weil dies „eine völlige Verkennung der Grundlagen des Reichsrats überhaupt“ bedeute – wie es etwa der Bayerische Ministerpräsident Heinrich Held in einer Besprechung zwischen Reichsregierung und den Staats- und Ministerpräsidenten am 23. Juli 1932 in Stuttgart[20] zum Ausdruck brachte. Vor diesem Hintergrund hielt es Held auch „für unmöglich, daß jetzt eine Sitzung des Reichsrats stattfinden könne, bevor diese Frage geklärt sei, da das Land Preußen jetzt keine Stimme für sich abgeben könne“. Hierzu erklärte Reichsinnenminister Wilhelm Frhr. v. Gayl – der übrigens bis Anfang Juni 1932 selbst Bevollmächtigter der Provinz Ostpreußen zum Reichstag gewesen war – namens der Kommissariatsregierung, daß „die Situation einer eingehenden Prüfung der Rechtslage bedürfe. Insbesondere sei die Frage zu prüfen, ob ein Mitglied des Reichsrats stimmführender Bevollmächtigter bleiben dürfe, wenn er an der Ausübung seines Amtes verhindert sei. Von 26 preußischen Stimmen seien 13 frei. Die Instruktion dieser [also der 13 nicht freien] Stimmen müsse vom zuständigen preußischen Innenminister erfolgen, nicht vom Reichskanzler. Dieser habe zwar das Recht, diese Stimmen zu instruieren, aber ob er Anspruch darauf erhebe, wisse er nicht. Es sei müßig, die Frage aufzuwerfen, ob der Reichsrat weitertagen könne oder nicht. Nach seiner Auffassung müsse er weitertagen.“
In einer Sitzung der Vereinigten Ausschüsse II und V des Reichsrats am 27. Juli 1932 gab v. Gayl die Erklärung ab, „daß der Reichskommissar für Preußen sich vorbehalte, die Instruktion der preußischen Stimmen durch die gegenwärtige Preußische Staatsregierung [KdR] so einzurichten, daß die Rechte und insbesondere die Interessen der übrigen deutschen Länder dadurch nicht beeinträchtigt würden“[21]. In den anschließenden Verhandlungen zwischen der Reichsregierung, einzelnen Länderregierungen und Mitgliedern der bisherigen preußischen Staatsregierung wurde vereinbart, daß in der nächsten Vollsitzung des Reichsrats weder vom Reichskommissar für Preußen noch von der bisherigen preußischen Staatsregierung instruierte Vertreter erscheinen und strittige Vorlagen nicht behandelt werden sollten[22].
Vor der regulär für den 2. August 1932 anberaumten 21. Sitzung des Reichsrats trafen sich auf Anregung der Reichsregierung Reichskanzler Franz v. Papen, Reichsinnenminister Wilhelm Frhr. v. Gayl und der Reichskommissar für das Preußische Minister des Innern, der Essener Oberbürgermeister Franz Bracht, zu einer Besprechung mit den Provinzialvertretern im Reichsrat.[23] An dieser Besprechung nahmen – mit Ausnahme von Domkapitular Dr. Waldemar Otte für Niederschlesien – sämtliche Vertreter der Provinzen teil. Reichskanzler und Reichsinnenminister erläuterten die von ihnen am 20. Juli getroffenen Maßnahmen. Offenbar ging es der Reichsregierung darum, eine von ihr nicht gewünschte Vertagung des Reichsrats bis zur Entscheidung des Staatsgerichtshofs zu vermeiden; zudem betonte er, daß die Reichsratsbevollmächtigten der Provinzen „durch Teilnahme an einer Sitzung des Reichsrats keinesfalls ihre eigene Stellungnahme zum Problem Reich-Preußen präjudizierten“. Von sieben Provinzvertretern hegte nur Landesrat Dr. Witte (Hessen-Nassau, SPD) Zweifel im Hinblick auf „die Rechtsgültigkeit einer Sitzung des Reichsrats“. Regierungspräsident z. D. Paul Weber (Provinz Sachsen, SPD, selbst am 21. Juli in den einstweiligen Ruhestand versetzt) sah den Reichsrat in der Pflicht, „die Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Reichsregierung nachzuprüfen“, eine Auffassung, die auch Studienrat Dr. Wilhelm Hamacher (Rheinprovinz, Zentrum) vertrat[24]. Hamacher hatte im übrigen „gegen eine kurze Beratung unpolitischer Dinge durch den Reichsrat, die eilig seien, keine Bedenken“. Fritz Graf zu Eulenburg (Ostpreußen, DNVP) vertrat die Auffassung, der Reichsrat „könne … tagen und die vordringlichen Punkte erledigen“. Carl Graf v. Behr (Pommern, DNVP) „wiederriet einer Vertagung des Reichsrats, da dieser sich nicht selbst ausschalten dürfe“. So konnte Reichsinnenminister Frhr. v. Gayl mit den Provinzvertretern die Tagesordnung der Sitzung des Reichsrats durchgehen, stellte ihnen aber „ausdrücklich anheim, zur eventuellen Wahrung ihres Rechtsstandpunktes eine … Erklärung … abzugeben“. Es ist bemerkenswert, daß gerade mal zwei Vertreter der Provinzen überhaupt die Erörterung der Rechtsfrage im Reichsrat für wünschenswert hielten.
In der anschließenden Sitzung des Reichsrats[25] unter Vorsitz von Reichsinnenminister Frhr. v. Gayl war Preußen ausschließlich, und das war in der fast 15 jährigen Geschichte des Reichsrats einzigartig, ausschließlich durch die Bevollmächtigten der Provinzen vertreten, die zudem fast vollständig anwesend waren (nur Domkapitular Dr. Waldemar Otte für Niederschlesien ließ sich durch den oberschlesischen Vertreter Stephan Moesle vertreten, und Ferdinand Steves, Grenzmark Posen-Westpreußen, durch Studienrat Dr. Wilhelm Hamacher, Rheinprovinz). Die Sitze der preußischen Regierungsvertreter blieben absprachegemäß unbesetzt. Einleitend gab Reichsinnenminister Frhr. v. Gayl seiner Hoffnung Ausdruck, „daß die Zusammenarbeit zwischen der Reichsregierung und den Ländern im Reichsrat sich weiterhin reibungslos vollziehen wird. Die Reichsregierung glaubt sich zu einer solchen Erwartung umsomehr berechtigt, als die Gewähr gegeben ist, daß die Rechtsfragen durch eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs, der praktisch in keiner Weise vorgegriffen werden kann, eine baldige endgültige Klärung erfährt.“ Der Vertreter Bayerns, Ministerialdirektor Franz Sperr, vertrat die Auffassung, „daß die derzeitige Zusammensetzung des Reichsrats der Reichsverfassung nicht entspricht“ und erklärte, daß er bis zur rechtlichen Klärung der Situation durch ein Urteil des Staatsgerichtshofs „nur unter … Vorbehalt in der Lage [sei], sich an den Verhandlungen des Reichsrats zu beteiligen. Dieser Vorbehaltserklärung schlossen sich die Länder Württemberg, Baden, Hessen, Hamburg, Lübeck, Bremen, Lippe und Schaumburg-Lippe an[26].
Zugleich namens der Provinzen Grenzmark Posen-Westpreußen, Niederschlesien, Oberschlesien, Sachsen, Westfalen, Hessen-Nassau und der Rheinprovinz, wobei es sich um die sieben Provinzen handelte[27], deren Bevollmächtigten dem Zentrum oder der SPD angehörten, erklärte der Bevollmächtigte der Rheinprovinz, Wilhelm Hamacher (Zentrum):
„Die Zusammensetzung des Reichsrats kann nach unserer Auffassung nicht durch Akte eines Reichskommissars verändert werden. Wir legen daher Verwahrung dagegen ein, daß eine solche Veränderung versucht worden ist, daß in Ausschüssen des Reichsrats Vertreter für Preußen aufgetaucht sind, die nicht im Namen der preußischen Minister gehandelt haben, und daß preußische Staatsminister und ihre Bevollmächtigten an der Teilnahme an den Reichsratsverhandlungen verhindert worden sind.
Angesichts der Tatsache, daß in der heutigen Plenarsitzung der Stuhl der preußischen Staatsregierung unbesetzt ist, sehen wir von der Stellung eines Antrags auf Vertagung dieser Vollsitzung ab. Dieser Umstand zeigt aber sinnfällig, daß die Frage, wer die preußische Staatsregierung zur Zeit im Reichsrat vertreten darf, noch nicht entschieden ist, sondern noch der Entscheidung bedarf. Unsere Teilnahme an heutigen Beratung und an der Beschlußfassung über die sachlich nicht umstrittenen Punkte kann daher nur mit der Einschränkung erfolgen, daß die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der heutigen Plenarsitzung, in der die Regierung nicht vertreten ist, vorbehalten bleibt.“
Hiernach trat der Reichsrat nicht mehr zusammen, bis der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich durch Urteil vom 25. Oktober 1932 in der strittigen Frage entschied[28]: Die Verordnung vom 20. Juli 1932 durfte sich „nicht darauf erstrecken, dem Preußischen Staatsministerium und seinen Mitgliedern die Vertretung des Landes Preußen im Reichstag, im Reichsrat oder sonst gegenüber Reich und Ländern oder gegenüber dem Landtag, dem Staatsrat oder gegenüber anderen Ländern zu entziehen“[29]. Zur Art der Vertretung der Länder im Reichsrat als Gegengewicht zur Reichsgewalt führte das Urteil aus: „Die Einrichtung des Reichsrats zielt nach seiner Zusammensetzung und seinen Aufgaben darauf ab, eine Gewähr dafür zu bieten, daß die besonderen Belange der einzelnen Länder neben denen des Reichs gebührend berücksichtigt werden. Das soll dadurch erreicht werden, daß dort die Stimmen durch die von der Reichsgewalt unabhängigen Landesregierungen geführt werden. Reichskommissare sind Organe des Reichs und von der Reichsgewalt abhängig. Sie können daher das Land im Reichsrat nicht vertreten.“[30] Auf diesen Satz wird sich übrigens im Februar 1933 eine Interpellation der Provinzialvertreter gegen eine Bestellung von Reichskommissaren zu preußischen Reichsratsbevollmächtigten stützen. Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs notierte der Staatsrechtler Carl Schmitt, einer der Prozeßvertreter des Reichs, in sein Tagebuch: „Reichsrat verloren, wir waren sehr traurig.“[31] Diese Zeilen lassen sich so deuten, daß hiermit das Ziel der Reichsregierung, über die Instruktion der preußischen Stimmen unmittelbar auf den Reichsrat einwirken zu können, als juristisch (zu diesem Zeitpunkt) nicht erreichbar erkannt wurde.
Eingangs der nächsten Sitzung des Reichsrats am 10. November 1932 stellte der stimmführende Vertreter Preußens[32], Ministerialdirektor Dr. Arnold Brecht, fest[33]: „Seit drei Monaten hat der Reichsrat nicht tagen können, weil die Reichsregierung durch ein, wie nunmehr feststeht, mit der Reichsverfassung nicht im Einklang stehendes Vorgehen die Preußische Staatsregierung an der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten im Reichsrat verhindert hat.“ Seine weiteren Ausführung beinhalteten neben grundsätzlichen Feststellungen zu der aus Sicht der Preußischen Staatsregierung sich aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs ergebenden Schlußfolgerungen auch mit den Problemen, die der Preußischen Staatsregierung bei der Wahrnehmung ihrer vom Gericht bestätigten Rechte seitens der Reichsregierung gemacht würden. Es sei der Wunsch der Staatsregierung gewesen, „das Vergangene im Reichsrat still zu übergehen. Sie hat daher in eine Aufschiebung der ersten Vollsitzung des Reichsrats bis auf mehr auf zwei Wochen gewilligt“, um „eine befriedigende Regelung herbeizuführen“[34]. Der Vorsitzende, Reichsinnenminister Wilhelm Frhr. v. Gayl, stellte hierzu fest, daß die Angelegenheit „nicht vor das Forum des Reichsrats“ gehöre, „sondern Sache der Vereinbarung zwischen den Beteiligten“ sei, und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß diese Verhandlungen „hoffentlich einen befriedigenden Abschluß finden“.
Der bayerische Vertreter, Gesandter Dr. Konrad Ritter v. Preger, wünschte, daß das Urteil des Staatsgerichtshof „in dem Geiste vollzogen werden, in dem sie erlassen worden sind“, und wollte im übrigen „den unmittelbar Beteiligten die Regelung der Einzelheiten im Sinne einer gütlichen und loyalen Regelung überlassen“. Die Vertreter Württembergs (Gesandter Dr. Otto Bosler), Sachsens (Ministerialdirektor und bevollmächtigter Minister Hans Graf v. Holtzendorff), Hessens (Gesandter August Nuß) und Hamburgs (Gesandter Dr. Carl Piper) schlossen sich grundsätzlich der Stellungnahme Bayerns an, wobei die Gesandten Nuß und Piper noch wünschten, „daß im Interesse der inneren Befriedung das Urteil des Staatsgerichtshofs in Leipzig von allen Beteiligten in loyaler und ritterlicher Form ausgeführt werden möge“. Diesen Erklärungen schloß sich – als einziger Vertreter der Provinzen – auch der Bevollmächtigte der Rheinprovinz, Dr. Wilhelm Hamacher (Zentrum), an. – Vor Eintritt in die reguläre Tagesordnung bestätigte der Reichsrat – auf Vorschlag des Vorsitzenden – die in der Niederschrift vom 2. August 1932 enthaltenen Beschlüsse, „um alle Zweifel über die Rechtsgültigkeit … auszuschließen“.
Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung begann die zunehmende Bedeutungslosigkeit des Reichsrats, nicht erst mit dem Ermächtigungsgesetz, die mit seiner „Aufhebung“ ein Jahr später einen folgerichtigen Abschluß fand. In den ersten Wochen gab es im Reichsrat jedoch noch eingehendere Diskussionen, an denen sich die Vertreter der Provinzen rege beteiligten.
Am 2. Februar 1933 „stellte sich [Reichskanzler Hitler] der Versammlung vor“, hieß es in der Niederschrift der fünften Sitzung des Reichsrats[35]. In einer kurzen Ansprache führte er unter anderem aus: „Wir wollen nicht in den Fehler verfallen, zu reglementieren und zu zentralisieren, was man nur reglementieren und zentralisieren kann, sondern wir wollen uns immer vor Augen führen, daß einheitlich das gemacht werden muß, was unbedingt erforderlich ist, und wir möchten dabei selbstverständlich gern auf die Mithilfe der Länder rechnen, wir möchten dabei selbstverständlich gern nicht nur ideell, sondern auch tatsächlich unterstützt werden, genau so wie wir entschlossen sind, alles zu tun, was geschehen kann, um diesen historischen Bausteinen der deutschen Nation des Deutschen Reiches auch die eigene Lebensfähigkeit zu erhalten.“ Für den Reichsrat erwiderte der stimmführende Vertreter Preußens, Ministerialdirektor Dr. Arnold Brecht mit einer längeren Ausführung über Aufgaben und Zuständigkeiten des Reichsrats bei Gesetzgebung und Verwaltung. Er bezeichnete den Reichsrat als „Anker im deutschen Uhrwerk“, es sei nicht seine Aufgabe „Motor, Feder und Unruhe zu sein“. Sodann sprach er einen „Umstand“ an, der die Arbeit des Reichsrats „zur Zeit fühlbar“ beeinträchtige: „Durch das Vorgehen des Reichs in Preußen ist nicht nur das Verhältnis des Reichs zu Preußen, sondern auch zu anderen Ländern in Mitleidenschaft gezogen. Der Reichsrat hat den Wunsch, daß diese unnormale Lage so schnell wie möglich verfassungsmäßig bereinigt wird.“ Brecht schloß mit der Bitte „um möglichst enge Zusammenarbeit mit den Ländern im Reichsrat zum Wohle des deutschen Volkes und des deutschen Vaterlandes“, und dankte Hitler, daß er „so schnell Gelegenheit genommen [habe], sich dem Reichsrat persönlich vorzustellen“.
Hierauf antwortete Hitler nicht, er erhob „sich zögernd, machte dem Reichsrat eine leichte, etwas steife Verbeugung, […] und verließ den Saal“, wie Arnold Brecht sich erinnerte. Die sehr maßvollen Ausführungen Brechts – nach seinen Worten „die letzte freie Rede im Deutschen Reichsrat“ – rief bei Hitler eine heftige negative Reaktion hervor, weil er die in Brechts Rede zahlreich enthaltenen Anspielungen sehr gut verstanden hatte. Der Staatssekretär der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, unterrichtete Brecht noch am Abend telefonisch darüber, daß Hitler sehr ungehalten gewesen sei[36]. Der „Völkische Beobachter“ schrieb über diesen Vorgang am 3. Februar, Brecht habe es für angebracht gehalten, den Reichskanzler „in unglaublich bevormundender Weise über das Verhältnis des Reiches zum Lande Preußen“ zu belehren und ihn „zu gewissenhafter Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten“ aufzufordern. Dieser „Vertreter des abgewirtschafteten Systems Braun-Severing“ habe damit „nochmals die Notwendigkeit der endgültigen Ausschaltung derjenigen Kräfte nachgewiesen, deren Zeit abgelaufen ist, weil sie Deutschland 14 Jahre lang in Grund und Boden ‚regiert’ haben“. In einer Zuschrift an die Schriftleitung des „Völkischen Beobachter“ wies Brecht darauf hin, daß er nicht als Vertreter Preußens, „sondern im Auftrag und als Vertreter des gesamten Reichsrats gesprochen“ habe. Im übrigen sei es „selbstverständlich und entspricht ständiger Übung, daß der Reichsrat auf die Wahrung der Verfassung, insbesondere seiner eigenen verfassungsmäßigen Rechte bei solcher Gelegenheit hinweist“. Die Reichskanzlei teilte dem „Völkischen Beobachter“ am 4. Februar mit, „daß der Herr Reichskanzler Wert darauf legt, daß das Schreiben von Herrn Brecht völlig ignoriert wird“ [37].
Auf kaum positivere Resonanz stieß der von Brecht noch am Ende der Sitzung des Reichsrats gestellte Antrag, den von der Reichsregierung am 1. Februar beschlossenen und im Rundfunk gesendeten Aufruf an das deutsche Volk den Reichsratsausschüssen zuzuleiten. Diesen Vorgang, wie auch die weitere Instruktion der preußischen Bevollmächtigten zum Reichsrat durch die Hoheitsregierung Braun, bezeichnete Reichsinnenminister Wilhelm Frick in einer Ministerbesprechung am Abend des 2. Februar als „unerträgliche Situation in den Ausschüssen und im Plenum des Reichsrats“. Hiernach sei es dringend geboten, „in Preußen bald klare Bahn zu schaffen.“ [38]
Wie rasch die von Brecht apostrophierte „unnormale Lage“ bereinigt wurde (allerdings in einem ganz anderen Sinn als von ihm beabsichtigt), zeigte sich in der folgenden sechsten Sitzung des Reichsrats am 16. Februar[39]. Vor Eintritt in die Tagesordnung gab der Bayerische Bevollmächtigte, Ministerialdirektor Franz Sperr, folgende Erklärung der Bayerischen Staatsregierung ab:
- Der Reichsrat ist eine ausgesprochen bundesmäßige Einrichtung zur Wahrung des Anteils der Länder an der Gesetzgebung und Verwaltung des Reichs
- Die Stimmführung der Länder im Reichsrat muß von der Reichsgewalt unabhängig sein.
- Die Beteiligung von Reichskommissaren an der Abstimmung im Reichsrat widerspricht also dem Grundaufbau des Reichs.
- Jedes deutsche Land ist berechtigt, die Einhaltung der verfassungsmäßigen Zusammensetzung des Reichsrats zu verlangen, ohne daß ihm hieraus der Vorwurf in die Einmischung in Angelegenheiten eines anderen Landes gemacht werden kann.
Die Bayerische Regierung lehnt eine Einmengung in innerpreußische Angelegenheiten ausdrücklich ab. Sie hält aber im Einklange mit der Stellungnahme des Reichsstaatsgerichtshofs an den dargelegten verfassungsmäßigen Grundlagen des Reichsrats fest und legt deshalb gegen die Beteiligung des Reichskommissars in Preußen oder sonstiger Reichsbeauftragter an der Beratung und Abstimmung im Reichsrat Rechtsverwahrung ein, weil diese Beteiligung eine dem Wesen des Reichsrats widersprechende Veränderung der Zusammensetzung ders Reichsrats bedeuten würde.“
Der badische Vertreter, Ministerialdirektor Dr. Hermann Fecht, stellte im Hinblick auf das Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 fest, Reichskommissare seien „Organe des Reichs und von der Reichsgewalt abhängig und können daher ein Land nicht im Reichsrat vertreten. Wenn die Vertretung eines Landes im Reichsrat einem Reichskommissar übertragen wird, so bedeutet dies eine dem föderalistischen Wesen des Reichsrats widersprechende Veränderung seiner Zusammensetzung, von der alle Länder betroffen werden. Nachdem die Frage neuerdings vor den Staatsgerichtshof gebracht worden ist[40], hätte die Badische Regierung gewünscht, daß alle Beratungen im Reichsrat ausgesetzt würden, bis der Staatsgerichtshof Stellung genommen hat.“[41]
Der Vertreter der Rheinprovinz, Dr. Wilhelm Hamacher, stimmte zunächst, im Namen der Provinzen Grenzmark Posen-Westpreußen, Niederschlesien, Oberschlesien, Sachsen, Hessen-Nassau und Rheinprovinz der von Bayern abgegebenen Erklärung zu, und protestierte – unter Bezug auf den oben zitierten Ausschluß von Reichskommissaren zur Vertretung eines Landes im Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 – dagegen, „daß hier trotzdem Vertreter der Reichskommissare für Preußen erschienen sind“. Daß man „einen neuen 20. Juli geschaffen“ habe, sei unverständlich, „nachdem in den Reichsratssitzungen der jüngsten Vergangenheit mehr als einmal der Beweis erbracht war, daß der Sprecher der preußischen Hoheitsregierung[42], der nicht nur als Generalberichterstatter des Haushalts, sondern auch mehrfach als Sprecher des ganzen Reichsrats von dem deutlich sichtbaren Bestreben geleitet war, einen modus vivendi zu finden, um die fachlichen Beratungen des Reichsrats auch unter den obwaltenden politischen Verhältnissen mit den Grundsätzen des Rechts und der Verfassung in Einklang zu bringen bzw. zu halten. Will man mit dieser Sitzung, der man, was die sachlichen Dinge angeht, doch nicht den Charakter der Dringlichkeit oder der Wichtigkeit geben kann, ein fait accompli, ein Präjudiz, schaffen für die Entscheidung des Staatsgerichtshofs, so legen wir gegen solche Absichten schärfste Rechtsverwahrung ein.
Aber weil es sich in dieser Sitzung um die Wahrung der Verfassung handelt, machen wir von den Rechtsmitteln Gebrauch, die wir nach unserer Überzeugung haben. Darum gebe ich meine Erklärung nicht nur namens der genannten Provinzen, sondern auch namens der Preußischen Staatsminister ab. Die Herren Preußischen Staatsminister haben mich durch besondere Vollmacht, die ich hiermit überreiche, zu ihrer Vertretung im Reichsrat ermächtigt. Falls es zu Abstimmungen kommen sollte, würde ich das Stimmrecht für die Preußischen Staatsminister ausüben[43]. Ob diese Stimme gültig ist oder nicht, wird der Staatsgerichtshof entscheiden. Eine Sitzung, bei der Reichskommissare preußische Stimmen abgeben, würde in jedem Fall ungültig und keine Reichsratssitzung sein.“
Der Vorsitzende, Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick, erklärte hierzu: „Für die Reichsregierung ist einzig und allein die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 6. Februar 1933 maßgebend.“
Im übernächsten Punkt der Tagesordnung (§ 74) wurden die Sachverhalte amtlich bekannt gegeben, die die bisherigen Wortmeldungen verursacht hatten: Die Bestellung der Reichskommissare[44] zu Preußischen Bevollmächtigten zum Reichsrat sowie die Mitteilung, daß die Mitglieder des Preußischen Staatsministeriums[45] aus dem Reichsrat „ausgeschieden“ seien. Des weiteren wurde die Ernennung bzw. das Ausscheiden zahlreicher stellvertretender preußischer Bevollmächtigter[46] angezeigt, darunter alle von der Regierung Braun eingesetzten Staatssekretäre und die Mehrzahl der Ministerialdirektoren, darunter auch Arnold Brecht.
In der anschließenden Debatte beantragte der Vertreter Badens, Ministerialdirektor Dr. Hermann Fecht, für die Länder Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Hamburg, Bremen und Lübeck bis zu einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs über die Frage der „Rechtsbeständigkeit der Ernennung der preußischen Reichsratsvertreter … die Beratung und Beschlußfassung des Reichsrats auf besonders dringliche Gegenstände zu beschränken und, soweit die Reichsratsbeschlüsse nicht einstimmig erfolgen, im Protokoll das Stimmenverhältnis festzulegen.“
Für Thüringen erklärte der bevollmächtigte Minister Dr. Hermann Münzel, daß seine Regierung die Lage, „wie sie die Reichsregierung gegenüber Preußen geschaffen habe“, anerkenne und „die preußische Kommissariatsregierung als durch den Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung, also rechtmäßig, eingesetzt“ betrachte. Dem schlossen sich die Vertreter der Länder Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Lippe, Braunschweig, Mecklenburg-Strelitz und Anhalt an. Der Vertreter Sachsens unterstützte den auch im Namen Sachsens von Ministerialdirektor Dr. Fecht gestellten Antrag.
Der Vertreter der Provinz Schleswig-Holstein, Dr. Anton Schifferer (DVP), hat es „in der Vergangenheit schon lebhaft bedauert, daß der Reichsrat so wenig zusammengetreten sei und so wenig Gelegenheit habe, mit der Reichsregierung zusammenzuarbeiten. Er halte es für dringend notwendig, unbeschadet der Rechtslage, daß der Reichsrat aktionsfähig bleibe und praktische Arbeit leiste. Gerade in einer Zeit wie der heutigen dürfe sich der Reichsrat sich nicht selbst ausschalten, sondern er müsse unter allen Umständen so oft zusammentreten und mit der Reichsregierung zusammenarbeiten, wie es die Geschäftslage erfordert. Danach werde er seine Abstimmung einrichten.“ Dieser Erklärung schloß sich der Vertreter der Provinz Hannover, Dr. Walter Jänecke (DVP), an.
Vor der Abstimmung über den gemeinsamen Antrag der Länder Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Hamburg, Bremen und Lübeck erklärte der Vorsitzende, Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick unumwunden, „daß hier selbstverständlich allein die Vertretung der derzeitigen Preußischen Regierung maßgebend ist. Sie können einen Protest dagegen zu Protokoll geben; aber die Vertreter Preußens sind hier anwesend und werden sich bei der Abstimmung selbstverständlich auch beteiligen als Vertreter des Landes Preußen. Nach der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 6. Februar 1933 sind sie allein die rechtmäßigen Vertreter Preußens.“ Gegen diese Erklärung protestierte der Vertreter der Rheinprovinz, Dr. Wilhelm Hamacher; diesem Protest schlossen sich die Vertreter der Provinzen Hessen-Nassau (Otto Witte, SPD), Sachsen (Paul Weber, SPD) und Westfalen (Anton Gilsing, Zentrum) an. Abschließend erklärte der bayerische Bevollmächtigte Franz Sperr noch, daß unabhängig von der juristischen Frage Bayern der Auffassung sei, daß „eine Vertretung der Preußischen Landesregierung im Reichsrat (also der Regierung Braun) überhaupt unmöglich geworden sei.“ Dem Antrag der Länder stimmte der Reichsrat mit 39 gegen 26 Stimmen zu, ebenso dem Antrag von Dr. Hamacher, die abgegebenen Erklärungen dem Verfassungsausschuß zu überweisen.
In der siebten Sitzung des Reichsrats am 2. März 1933, wegen des Reichstagsbrandes konnte der Reichsrat nicht in den angestammten Räumen im Reichstag zusammentreten sondern tagte fortan im alten Bundesratssaal des Auswärtigen Amts, beklagte der Vorsitzende (in Vertretung des Reichsinnenministers Staatssekretär Dr. Hans Pfundtner), daß das „Verbrechen, das vor wenigen Tagen im Reichstag begangen worden ist, … es uns unmöglich [mache], unsere Sitzung an der altgewohnten Stelle abzuhalten“. Er stellte „die Einmütigkeit des Reichsrats“ fest, „daß er dieses Verbrechen der Brandstiftung im Reichsrat mißbilligt und seinerseits erwartet, daß es mit allen Mitteln geahndet werde“.
Der Vertreter der Provinz Hessen-Nassau (Otto Witte, SPD) bat um Auskunft, „wie weit die Untersuchung in der Brandstiftungssache gediehen sei, und wies darauf hin, daß eine der größten politischen Parteien verdächtigt worden sei, an dieser Brandstiftung irgendwie beteiligt gewesen zu sein“. Der Vorsitzende war „nicht in der Lage, darauf eine Antwort zu erteilen“. Im übrigen glaube er nicht, „daß sich die Angelegenheiten zur Beratung im Reichsrat eigne“.
Der Vertreter der Provinz Sachsen[47] (Otto Weber) wies auf die vom Kommissar des Reichs für das Preußische Ministerium des Innern, Reichsminister Hermann Göring, herausgegebenen Erlasse vom 1., 10., 17. und 22. Februar 1933 hin[48] und bat um die Stellungnahme der Reichsregierung zu diesen Erlassen, die „nach seiner Auffassung über den Begriff des Rechtsstaates gegen die Art. 109, 114 und 130 der Reichsverfassung[49] verstoßen“. Er erläuterte dies an einigen Beispielen. Der Vorsitzende war „nicht in der Lage, auf diese Anfrage zu antworten, da es sich um innerpreußische Angelegenheiten handele“.
Der Vertreter der Provinz Westfalen (Anton Gilsing, Zentrum) erklärte für die Rheinprovinz und die Provinzen Westfalen, Oberschlesien, Niederschlesien und Grenzmark Posen-Westpreußen[50]: „Es ist selbstverständlich, daß die Reichsregierung alle notwendigen staatlichen Maßnahmen gegen die gemeinen Verbbrecher anwendet, die die Brandstiftung im Reichstag veranlaßt und durchgeführt haben. Alle Maßnahmen müßten aber getragen sein von vollster Objektivität, Es wäre tief bedauerlich, wenn Personenkreise verantwortlich gemacht würden, ohne daß ein genügendes Anklagematerial gegen sie vorläge. Das Rechtsbewußtsein unseres Volkes würde durch ein solches Vorgehen weiter erschüttert. Die von der Reichsregierung gesonderte Bezeichnung von einzelnen Verbänden als national, unter Ausschluß von zahlreichen anderen nationalen Organisationen und Verbänden, muß als durchaus ungerecht verurteilt werden.“ – Ein vom Vertreter der Provinz Hessen-Nassau (Otto Witte, SPD) gestellter Antrag, „die Sitzung auf eine Stunde zu vertagen und die verantwortlichen Minister zur Auskunftserteilung herbeizuholen, fand nicht die genügende Unterstützung“.
Der Vertreter Bayerns (Gesandter Franz Sperr) erinnerte an den Beschluß des Reichsrats vom 16. Februar, „wonach bis zur Entscheidung des Staatsgerichtshofs nur dringliche Angelegenheiten zur Beschlußfassung gestellt werden sollen. Die heutige Tagesordnung trägt diesem Beschluß nicht in allen Teilen Rechnung. Da die Angelegenheiten aber nun einmal auf der Tagesordnung stehen, will ich nichts gegen ihre Beratung einwenden. Ich wünsche jedoch, daß dem Beschlusse in Zukunft Rechnung getragen wird.“ Der Vertreter der Rheinprovinz (Dr. Wilhelm Hamacher) schloß sich zugleich für die Provinzen Grenzmark Posen-Westpreußen, Ober- und Niederschlesien, Sachsen, Westfalen und Hessen-Nassau der Erklärung Sperrs an. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde dann der vom Vertreter der Provinz Sachsen (Paul Weber, SPD) gestellte Antrag „die Prüfung der Frage nach der Verletzung der Artikel 109, 114 und 130 der Reichsverfassung durch den Kommissar des Reichs für das Preußische Ministerium des Innern, Reichsminister Göring, dem Verfassungs- und Geschäftsordnung des Reichsrats zu überweisen“ gebilligt.
In der folgenden neunten Sitzung des Reichsrats am 23. März 1933 stand nur ein Tagesordnungspunkt zur Beratung an: den zuvor vom Reichstag angenommenen Entwurf eines Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich. Der Vorsitzende, Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick, führte aus: „Es ist ein geschichtlicher Augenblick, von dessen Bedeutung wir uns heute noch gar nicht die Vorstellung machen können, in dem der Reichsrat zusammentritt. Soeben hat der Reichstag mit der überwältigenden Mehrheit von 441 der 535 anwesenden Abgeordneten die Vollmacht an die Reichsregierung ausgestellt, die in dem Entwurf eines Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich enthalten ist. In einer auf die ganze Welt den Eindruck nicht verfehlenden Art hat diesmal der Reichstag an einem Tag eine Arbeit geleistet, wie sie sonst in Jahren und Jahrzehnten nicht geleistet worden ist, und Sie, meine Herren vom Reichsrat, sind in dieser Stunde berufen, Ihr Siegel unter das zu drücken, was der Reichstag mit über drei Viertel Majorität beschlossen hat. Nur 94 Sozialdemokraten haben gegen das Gesetz gestimmt, alle anderen Parteien einschließlich der Staatspartei haben dem Gesetz zugestimmt.“ Nach einem kurzen Sachstandsbericht von Ministerialdirektor Dr. Erwin Schütze, stellvertretender Bevollmächtigter Preußens im Hauptamt, wurde „einstimmig beschlossen, von dem Gesetzentwurf Kenntnis zu nehmen, ohne Einspruch zu erheben“. Mit dieser schon unzählige Male verwendeten Floskel stimmte der Reichsrat diesmal einem Gesetz zu, das ihn eines seiner fundamentalsten Rechte entkleidete, nämlich der Mitwirkung an der Gesetzgebung des Reiches.
Das Gesetz bestimmte in Artikel 2 Satz 1, von der Reichsregierung beschlossene Gesetze „können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats zum Gegenstand haben.“ Dieses war lediglich eine institutionelle Garantie für das Organ Reichsrat, die allerdings – im Hinblick auf den Reichsrat – nur von kurzer Dauer war. Nach Artikel 3 des Gesetzes fanden die Artikel 68 bis 77 WRV auf die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze keine Anwendung. Hierdurch fielen im Grundsatz die folgenden Rechte des Reichsrats im Gesetzgebungsverfahren fort:
- von der Reichsregierung die Einbringung eines Gesetzes zu verlangen, wobei die Reichsregierung ihren Standpunkt darlegen kann (Art. 69 Abs. 2);
- gegen beschlossene Gesetze Einspruch einzulegen, der durch Zweidrittelmehrheit des Reichstages aufgehoben werden kann (Art. 74 Abs. 1);
- bei Verfassungsänderungen einen Volksentscheid herbeizuführen (Art. 76 Abs. 2).
Im Zuge der nationalsozialistischen Machtübernahme in den Ländern veränderte sich auch die Zusammensetzung des Reichsrats. Die Bevollmächtigten, also die Mitglieder der Landesregierungen wie auch die von den preußischen Provinzen bestellten Vertreter[51], wurden in Gänze durch Nationalsozialisten ersetzt. Die stellvertretenden Bevollmächtigten blieben teilweise im Amt, größtenteils auch die hauptamtlich tätigen Vertreter der außerpreußischen Länder.
Der Reichsrat trat dann noch zwischen dem 30. März und dem 21. September 1933 zu insgesamt sieben weiteren Sitzungen zusammen, wobei bereits die geringe Tagungsfrequenz (in den Jahren zuvor tagte der Reichsrat im Durchschnitt wöchentlich) mit ein Indiz für seine schlagartig gesunkene Bedeutung war. Dies war nicht nur eine Folge seiner Ausschaltung bei der Gesetzgebung, sondern auch eine Auswirkung der „Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“[52], insbesondere des „Reichsstatthaltergesetzes“ vom 7. April 1933. Im Zuge der „Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Reich und den Ländern“ sollten die „Vertretungen der Länder beim Reich“ fortan auch nur noch so heißen (und nicht Gesandtschaft o.ä.), wobei nach Auffassung des Reichsinnenministers bis auf weiteres die Bezeichnung „Stimmführender Bevollmächtigter … (Name des Landes) zum Reichsrat“ die „zweckmäßigste Bezeichnung für die Herren Vertreter der Länder beim Reich“ sei[53]. So nimmt es nicht wunder, daß die Reichsregierung in der Folgezeit den Reichsrat auch nicht mehr als „das Forum für die Unterrichtung der Länder über anstehende Probleme“ ansah, „das Forum dafür sollen die Reichsstatthalter werden“[54]. Nach einem Stimmungsbild in der Vorbesprechung zur Reichsstatthalterkonferenz am 28. September 1933[55] funktionierten die Vertretungen der Länder beim Reich „vielfach noch in den alten Formen, weil sie noch mit den alten Personen besetzt sind“ (Jakob Sprenger, Hessen). Für Karl Kaufmann (Hamburg) war die „Aufgabe der Vertretungen […] heute eine andere als früher“. So sei deren Verschwinden „unmöglich, weil es gilt, weniger politische als wesentliche wirtschaftliche Fragen zu behandeln“. Für Martin Mutschmann (Sachsen) müßte die Vertretung seines Landes nicht durch die „alte Pflaume“ (Graf v. Holtzendorff) erfolgen, sondern durch einen „Vertreter des Statthalters“. Staatssekretär Hans-Heinrich Lammers sah hierin das Kernproblem, denn die „gegenwärtigen“ Vertreter der Länder seien „Vertreter der Landesregierungen“. Dies müßte umorganisiert werden „als Vertretung des RSt. [Reichsstatthalters]“.
Die schon 1930/31 erwogene Vereinfachung der Geschäfte des Reichsrats wurde Mitte 1933 vom Reichsminister des Innern wieder aufgegriffen, wobei die Initiative hierzu unter anderem auch von den Ländern Bayern und Sachsen ausging. Der Reichsminister des Innern übermittelte den übrigen Reichsministern einen (allerdings nicht beschlossenen) Gesetzentwurf, demzufolge der Reichsrat von gewissen Zuständigkeiten befreit werden sollte. Vorgesehen waren 86 Zuständigkeiten umfassen, u. a. aus der Beamtengesetzgebung, der Gewerbeordnung, der Zollgesetzgebung und des Münzwesens. Des weiteren schlug der Reichsminister des Innern eine Änderung der Geschäftsordnung des Reichsrats vor, die auch Beschlüsse des Reichsrats im schriftlichen oder Umlaufverfahren ermöglichen sollte[56]. Diese beschloß dann der Reichsrat in seiner Sitzung am 21. September 1933.
Welche Gegenstände im Umlaufverfahren behandelt wurden, mag eine Übersicht der von ihm im Januar 1934 auf diesem Wege erledigten Gegenstände veranschaulichen[57]: Ernennung von Präsidenten und richterlichen Mitgliedern mehrerer Disziplinarkammern; Anrechnungen von längeren als der gesetzlich ruhegehaltsfähigen Dienstzeit; Wahl eines nichtständigen Mitglieds des Reichsversicherungsamts; Satzungsänderungen; Änderung der Baumeisterverordnung; Gesuche um Befreiung von Vorschriften der Prüfungsordnung für Ärzte; Ergänzung des Börsenausschusses; Anerkennung der Rechtsfähigkeit; Entwurf einer Vierten Verordnung über Geschäftsbereiche der Versicherungsämter und Oberversicherungsämter; Berufung eines stellvertretenden Mitglieds in den Beirat der Reichsmonopolverwaltung für Branntwein; Verschmelzung und Satzungsänderungen von Revisionsverbänden; Mitgliederwechsel im Verwaltungsrat der Deutschen Reichspost; Rekurs gegen zwangsweise Zurruhesetzung.
In seiner letzten Sitzung am 30. Januar 1934[58] stand die Beratung eines vom Reichstag angenommenen Gesetzentwurfs auf der Tagesordnung. Es handelte sich um den Entwurf eines Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs[59]. Der Vorsitzende, Reichsinnenminister Wilhelm Frick, führte aus: „Das soeben vom Reichstag angenommene Gesetz wird für das Schicksal Deutschlands auf Jahrhunderte bedeutsam sein. Wohl noch niemals seit Bestehen von Volksvertretungen hat ein Gesetz von so ungeheurer Tragweite in so kurzer Zeit die einstimmige Billigung eines Parlaments gefunden. Die Bedeutung des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs liegt darin, daß – abgesehen von der Aufhebung der Landtage, die ja bereits seit dem 14. Oktober aufgelöst und nicht mehr neu gewählt worden sind, bei der es sich also nur um die gesetzliche Sanktionierung des bestehenden Zustandes handelt – das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 erweitert wird, ohne daß allerdings sachlich etwas über den Neuaufbau des Reichs schon etwas gesagt wird. Auf Grund der Artikel 4 und 5[60] werden vielmehr die weiteren Folgerungen aus diesem gegenüber dem Gesetz vom 24. März 1933 erweiterten Ermächtigungsgesetz zu ziehen sein. Sie dürfen versichert sein, daß die Reichsregierung mit größter Gewissenhaftigkeit alle Maßnahmen so treffen wird, daß die berechtigten Lebensinteressen jedes einzelnen Volksteils im deutschen Volke so gut wie irgend möglich gewahrt werden. Der Sinn des Gesetzes ist der, es künftig unmöglich zu machen, daß Deutschland dem Ausland gegenüber nicht als geschlossene Einheit auftritt. Die geballte Kraft des deutschen Volkes muß in der einen Hand des Führers liegen, und dazu muß auch die einheitliche Staatsgewalt im Reich stabilisiert werden. Weiterhin wird mit dem Gesetz bezweckt, mit dem geringsten Aufwand von Kraft die größten Erfolge zu erzielen; auch dazu bedarf es eines neuen Aufbau des Reichs. Sie werden der Bedeutung dieses historischen Augenblicks, der einen Schlußstrich zieht unter die Entwicklung von tausend Jahren, am besten gerecht, wenn auch Sie, nach dem Beispiel des Reichstags einmütig und ohne langes Reden dem Gesetz ihre Zustimmung erteilen.“ Der Reichsrat tat, wie geheißen – es wurde letztmals „einstimmig beschlossen, von dem Gesetzentwurf Kenntnis zu nehmen, ohne Einspruch zu erheben“. In der Verkündungsformel des Gesetzes hieß es dementsprechend (entgegen dem bisherigen Brauch), das Gesetz sei nicht nur „mit Zustimmung“, sondern „mit einmütiger Zustimmung des Reichsrats“ zustande gekommen.
Durch die Gleichschaltung der Länder war kein Grund mehr vorhanden, das nur noch mit rudimentären Aufgaben versehene Verfassungsorgan Reichsrat fortbestehen zu lassen. Gemäß Artikel 4 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 war die Reichsregierung zur Setzung neuen Verfassungsrechts befugt und fühlte sich an die im Hinblick auf den Reichsrat noch eine gewisse Garantie beinhaltenden Bestimmungen des „Ermächtigungsgesetzes“ nicht mehr gebunden. So beschloß die Reichsregierung am 13. Februar 1934 den am 7. Februar vom Reichsminister des Innern vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über die Auflösung des Reichsrats[61]. Nach der Begründung blieb angesichts der neuen Rechtslage „für eine mit den Befugnissen des Reichsrats ausgestattete Körperschaft kein Raum mehr“. Seine Bedeutung als legislative Institution habe er seit dem „Ermächtigungsgesetz“ weitgehend verloren. Eine „etwa notwendige Information der Landesregierung ging nicht mehr über den Reichsrat, sondern über die Reichsstatthalter. Die noch verbleibende Mitwirkung des Reichsrats bei Verwaltungsangelegenheiten hätte sich zuletzt im Umlaufverfahren abgespielt. Das so beschlossene Gesetz über die Aufhebung des Reichsrats wurde am 14. Februar 1934 ausgefertigt und verkündet (RGBl. 1934 I, S. 89). Nach § 1 Abs. 1 wurde der Reichsrat „aufgehoben“, nach Abs. 2 fielen die Vertretungen der Länder beim Reich fort. § 2 bestimmte hierzu durchführend, daß die „Mitwirkung des Reichsrats in Rechtsetzung und Verwaltung“ fortfalle (Abs. 1); soweit „der Reichsrat selbständig tätig wurde, tritt an seine Stelle der zuständige Reichsminister oder der von diesem im Benehmen mit dem Reichsminister des Innern bestimmte Stelle“ (Abs. 2); schließlich fiel die „Mitwirkung von Bevollmächtigten zum Reichsrat in Körperschaften, Gerichten und Organen jeder Art“ fort.
Nach der „Gleichschaltung“ der Länder und der „Aufhebung“ des Reichsrats wäre als letzter Schritt der Wegfall der Vertretung der Länder in Berlin eigentlich folgerichtig gewesen. Dies war aber nicht der Fall. Zwar änderte sich die Bezeichnung der Gesandtschaften durchgängig in „Vertretung Bayerns (Sachsens usw.) in Berlin“, aber die Einrichtungen der Repräsentanz der Länder blieb mit veränderter – nunmehr wirtschaftlicher, finanzieller und teils auch kultureller – Aufgabenstellung in den meisten Fällen bis 1945 (im Falle Bayerns sogar bis 1950) bestehen. Sie unterstanden weiterhin der jeweiligen Landesregierung bzw. dem zuständigen Reichsstatthalter, vertraten sich also letztlich bei ihrer übergeordneten Instanz.
Autor: Joachim Lilla
Literatur
Brecht, Arnold: Lebenserinnerungen, Bd. 2: Mit der Kraft des Geistes. 1927– 1967, Stuttgart 1967.
Eschenburg, Theodor: Bundesrat – Reichsrat – Bundesrat. Verfassungsvorstellungen und Verfassungswirklichkeit, in: Bundesrat (Hg.): Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft. Beiträge zum fünfundzwanzigjährigen Bestehen des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland, Bad Honnef/Darmstadt 1974, S. 35–62.
Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hg. von Gerhard Anschütz und Richard Thoma, 2 Bde. (Das öffentliche Recht der Gegenwart 28/29), Tübingen 1930–1932 [ND Tübingen 1998].
Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978–1988, Bd. III: Bismarck und das Reich, 3. Aufl. 1988; Bd. IV: Struktur und Krisen des Kaiserreichs, 2. verb. Aufl. 1982; Bd. V: Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung 1914–1919, 1978; Bd. VI: Die Weimarer Reichsverfassung, 1981; Bd. VII: Ausbau, Schutz und Untergang der Weimarer Republik, 1984.
Lilla, Joachim: Der Reichsrat 1919 bis 1934. Ein Biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung des Bundesrats ab November 1918 und des Staatenausschusses. Ein biographisches Handbuch (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 14), Düsseldorf 2006.
Möller, Horst: Parlamentarismus in Preußen 1918–1932 (Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus), Düsseldorf 1985.
Wilke, Dieter/Schulte, Bernd (Hg.): Der Bundesrat. Die staatsrechtliche Entwicklung des föderalen Verfassungsorgans (Wege der Forschung, 507), Darmstadt 1990.
Anmerkungen
[1] Der folgende Beitrag ist ein überarbeiteter Vorabdruck von Abschnitt III. 6 der Einleitung des vom Verfassers bearbeiteten biographischen Handbuchs „Der Reichsrat 1919–1934“, das 2006 als Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der Parteien erscheint.
[2] Durch VO vom 14.11.1918 (RGBl. 1918, S. 1311) wurde der Bundesrat „ermächtigt, die ihm nach Gesetzen und Verordnungen des Reichs zustehenden Verwaltungsbefugnisse auch fernerhin auszuüben“.
[3] RGBl. 1919, S. 169.
[4] Daß dieses keine leere Worthülse war zeigt die Tatsache, daß die Reichsregierung dem Vertreter der Braunschweiger Volksbeauftragten am 13.2.1919 die Anerkennung als Bevollmächtigter Braunschweigs im Staatenausschuß versagte (Niederschriften über die Verhandlungen des Staatenausschusses, S. 14, § 8).
[5] Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. V: Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung 1914–1919, Stuttgart u. a. 1978, S. 1078 ff.
[6] RGBl. 1919, S. 285, mit der ausdrücklichen Einschränkung, daß ihm das „Recht zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung … nur im Rahmen des Gesetzes über die vorläufige Reichsgewalt“ vom 10.2.1919 zustehe.
[7] Über die Grundlinien der Verfassungsberatungen vgl. Huber V, S. 1178–1205, zum Reichsrat sehr knapp: S. 1194..
[8] Nach Art. 61 Abs. 1 entfiel bei den größeren Ländern auf 1 Million Einwohner eine Stimme. Für Preußen bedeutsam war indes der letzte Satz 4 von Abs. 1: „Kein Land darf durch mehr als zwei Fünftel aller Stimmen vertreten sein.“
[9] Gerhard Anschütz: Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, 14. Aufl. Berlin 1933 (ND Bad Homburg v. d. H. u. a. 1968), S. 343 (RdNr. 4 zu Art. 63).
[10] Carl Bilfinger: Der Reichsrat, § 46: Bedeutung und Zusammensetzung, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hg. von Anschütz/Thoma, Tübingen 1930, S. 545–559 [S. 547]
[11] § 4 der Geschäftsordnung des Reichsrats, beschlossen am 20.11.1919 (§ 839 der Niederschriften), geändert durch Beschluß vom 22.6.1920 (§ 626 der Niederschriften).
[12] § 6 ebd.
[13] Vgl. Hagen Schulze: Otto Braun oder Preußens demokratische Sendung, Frankfurt-Main/Berlin/New York 1977, Braun, S. 400.
[14] Horst Möller: Parlamentarismus in Preußen 1918–1932 (Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus), Düsseldorf 1985, S. 498.
[15] Vgl. ausführlicher: Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. VI: Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u. a. 1981, S. 373–389.
[16] RGBl. 1932 I, S. 377. – Zur Darstellung der Aktionen am 20.7.1932 im Detail vgl. generell: Karl Dietrich Bracher: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls in einer Demokratie (Schriften des Instituts für politische Wissenschaft 4), 5. Aufl. Villingen 1971, S. 491–526; aus Sicht der Akteure: Undatierte [vor Ende Juli 1932] und ungezeichnete Aufzeichnung der Reichskanzlei über den Ablauf der Aktion gegen die Preußische Staatsregierung am 20. Juli 1932, AdR v. Papen, S. 267–272 (Dok. Nr. 73); aus der Sicht eines Betroffenen: Albert Grezesinski: Im Kampf um die deutsche Republik. Erinnerungen eines Sozialdemokraten, hg. von Eberhard Kolb (Schriftenreihe der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 9), München 2001, S. 267–273 und 343–356. – Zu den verfassungsgeschichtlichen Aspekten vgl. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. VII: Ausbau, Schutz und Untergang der Republik, Stuttgart u. a. 1984, S. 1025–1038.
[17] Die Kommissariatsregierung v. Papen firmierte bis zum Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25.10.1932 unter dem Namen „Preußisches Staatsministerium“. Zur Unterscheidung von der „regulären“ Staatsregierung wird jedoch in dieser Darstellung stets der Zusatz (KdR = Kommissare des Reichs) verwendet.
[18] Es waren dies: Oberbürgermeister Dr. Franz Bracht, Reichskommissar für das PrMdI; Staatssekretär Fritz Mussehl, beauftragter Staatssekretär für das Preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten; Dr. Friedrich Ernst, Reichskommissar für die Bankenaufsicht, beauftragter Staatssekretär für das Preußische Ministerium für Handel und Gewerbe. Ferner ernannte die Kommissariatsregierung noch am 27. 9.1932 folgende stellvertretende Bevollmächtigte im Hauptamt: Dr. Friedrich Walter Landfried, Ministerialdirektor im Preußischen Staatsministerium, und Dr. Erwin Schütze, Ministerialdirektor im Preußischen Ministerium des Innern (AdR v. Papen, S.281 [Dok.Nr. 76] und S.647 [Dok. Nr. 157]).
[19] Dieser Klage schlossen sich dann auch die Länder Bayern und Baden an. Vgl. eingehend: Preußen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogrammbericht der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. Bis 14. und vom 17. Oktober 1932. Mit einem Vorwort von Ministerialdirektor Dr. Brecht, Berlin 1933.
[20] AdR v. Papen, S. 295–313 (Dok. Nr. 83), hier: S. 303 (Held), 312 (v. Gayl).
[21] AdR v. Papen, S. 322 f. (Dok. Nr. 86); Fritz Poetzsch-Heffter: Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, III. (letzter) Teil (vom 1. Januar 1929 bis 31. Januar 1933), in Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart 21 (1933/34), S. 1–204, hier S. 178.
[22] Poetzsch-Heffter, S. 178.
[23] AdR v. Papen, S.341f. (Dok.Nr. 93).
[24] Die Anregung, die Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens der Reichsregierung am 20.7.1932 im Reichsrat prüfen zu lassen, kam von den amtsenthobenen und somit an der Ausübung ihrer Tätigkeit im Reichsrat verhinderten preußischen Staatsministern. Vgl. Schreiben der amtsenthobenen Preußischen Staatsminister vom 30.7.1932 an die Landesregierungen und die Vertretungen der Länder beim Reichsrat (AdR v. Papen, S. 339 f. [Dok. Nr. 92]).
[25] Niederschriften des Reichsrats 1932, S. 159 ff. (21. Sitzung).
[26] Sich nicht an der Diskussion beteiligten sich die (anwesenden) Vertreter Sachsens, Thüringens, die beiden Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig und Anhalt.
[27] Die Vertreter der übrigen sechs Provinzen Ostpreußen, Pommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin gehörten dem rechten Parteienspektrum (DNVP, DHP, DVP) an und hielten sich in der Frage des 20. Juli 1932 auffallend zurück
[28] Abgedruckt in Preußen contra Reich, S. 492–517.
[29] Ebd. S. 493. – Zur Begründung hieß es (ebd. S. 516 f.): „Die Abtrennung von Zuständigkeiten der Landesregierung und ihre Übertragung auf ein Reichsorgan findet aber darin ihre Grenze, daß der Landesregierung die Befugnisse erhalten bleiben müssen, die … zur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit des Landes und seiner Stellung im Reich wesentlich und unentbehrlich sind. Es muß also die verfassungsmäßige Landesregierung als Organ des Landeswillens bestehen bleiben, und es muß ihr die Vertretung des Landes gegenüber dem Reich, insbesondere im Reichstag und Reichsrat – Art. 33 [WRV] –, sowie gegenüber anderen Ländern belassen werden. … Muß hiernach der Preußischen Landesregierung die Ausübung des Stimmrechts im Reichsrat belassen werden, so konnte ihr folgerichtig auch die Befugnis nicht entzogen werden, den vorhandenen Bevollmächtigten weiterhin Anweisungen für die Ausübung des Stimmrechts zu geben. Dem Reichskommissar konnte weder diese Befugnis noch das Recht übertragen werden, die bisherigen Bevollmächtigten im Hauptamt in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen oder neue Bevollmächtigte zum Reichsrat zu ernennen.“
[30] Ebd. S. 516.
[31] Tagebucheintrag 25.10.1932, zitiert nach Gabriel Seiberth: Anwalt des Reiches. Carl Schmitt und der Prozeß „Preußen contra Reich“ vor dem Staatsgerichtshofs (Zeitgeschichtliche Forschungen 12), Berlin 2001, S. 100 (Fußn. 101).
[32] Nach Aussage Brechts fiel ihm in der Sitzung des Reichsrats am 10.11.1932 die Stimmführung als dem „nunmehr dienstältesten preußischen Bevollmächtigten“ zu, und er saß „unangefochten auf dem Stuhle Preußens neben dem Vorsitzenden“ (Arnold Brecht: Mit der Kraft des Geistes. Lebenserinnerungen Zweite Hälfte 1927–1867, Stuttgart 1967, S. 241).
[33] Sammlung der Niederschriften des Reichsrats 1932, S. 172 (§ 349).
[34] Zu den Einzelheiten der der Staatsregierung gemachten Schwierigkeiten vgl. AdR v. Papen, v. a. Dok. 188, 192, 196.
[35] Sammlung der Niederschriften des Reichsrats 1933, S. 38 (§ 67).
[36] Brecht, Mit der Kraft des Geistes, S. 279.
[37] AdR Hitler I, S. 38 (Nr. 12 mit Fußnoten 3 und 4).
[38] Ministerbesprechung 2.2.1933, Punkt 2 (AdR Hitler I, S. 29).
[39] Sammlung der Niederschriften des Reichsrats 1933, S. 42 ff. (§§ 72 bis 74).
[40] Eine von der Preußischen Staatsregierung gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zur Herstellung geordneter Regierungsverhältnisse in Preußen vom 6.2.1933 (RGBl. 1933 I, S. 43), durch die „bis auf weiteres dem Reichskommissar für das Land Preußen und seinen Beauftragten die Befugnisse, die nach dem …Urteil [des Staatsgerichtshofs vom 25.10.1932] dem Preußischen Staatsministerium und seinen Mitgliedern zustehen“, übertragen wurden, eingebrachte erneute Klage beim Staatsgerichtshof wurde nicht mehr gerichtlich behandelt und durch den Rücktritt des Preußischen Staatsministeriums am 25.3.1933 auch faktisch zurückgezogen.
[41] Der Vertreter Hessens, Gesandter August Nuß, schloß sich nach dem Beitrag Hamachers der Rechtsverwahrung Badens an.
[42] Ministerialdirektor Dr. Arnold Brecht.
[43] In der Sitzung des Preußischen Staatsministeriums am 15.2.1933 war die weitere Vorgehensweise bei den Verhandlungen des Reichsrats erörtert worden (Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934/38: Bd. 12: 4. April 1925 bis 10. Mai 1938, bearb. von Reinhard Zilch unter Mitarbeit von Bärbel Holtz (Acta Borussica Neue Folge, 1. Reihe), Hildesheim u. a. 2004 [ProtPrStM 12], S. 338 [Nr. 352])
[44] Es waren dies die Reichskommissare für das Land Preußen: Vizekanzler Franz v. Papen; für das Finanzministerium: Reichsminister a. D. Professor Dr. Johannes Popitz; für das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten: Reichsminister Dr. Alfred Hugenberg; für das Ministerium des Innern: Reichsminister Hermann Göring; das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung: Bernhard Rust.
[45] Ministerpräsident Otto Braun, Finanzminister Otto Klepper, Handelsminister Walther Schreiber, Innenminister Carl Severing, Justizminister Hermann Schmidt, Landwirtschaftsminister Heinrich Steiger, Kultusminister Adolf Grimme und Wohlfahrtsminister Heinrich Hirtsiefer.
[46] Die Ernennungen und 37 Abberufungen hatten die Kommissare des Reichs für Preußen am 11.2.1933 beschlossen (ProtPrStM 12, S. 338 [Nr. 351])
[47] Bei Weber wie auch weiter unten bei Hamacher findet sich die ungewöhnliche Bezeichnung „der von der Provinzialverwaltung […] bestellte Vertreter Preußens“. Bei den übrigen heißt es nur: „der Vertreter der Provinz usw.“.
[48] Hierbei handelte es sich um folgende Erlasse: 1.2.: Aufruf an die Beamten der Preußischen Inneren Verwaltung (MBliV. 1933 I, Sp. 89); 10.2.: Durchführung der Verordnung des Reichspräsidenten vom 4.2.1933 (ebd., Sp. 147); 17.2.: Förderung der nationalen Bewegung (ebd., Sp. 169); 22.2.: Erlaß über die Hilfspolizei (nicht veröffentlicht).
[49] Art. 109 beinhaltet die Gleichheit der Deutschen vor dem Gesetz, Art. 114 die Unverletzlichkeit der Person, und Art. 130: „Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei.“
[50] Die Vertreter dieser Provinzen gehörten sämtlich dem Zentrum an.
[51] Die Neuwahl der Bevollmächtigten der Provinzen fand landeseinheitlich am 11.4.1933 statt (Vgl. VO über die Neuwahl von Mitgliedern des Reichsrats durch die Provinzialverwaltungen vom 30.3.1933, GS. S. 91; Anhang 1, III 2 f).
[52] So der Titel der beiden Gesetze vom 31.3. und 7.4.1933 (RGBl. 1933 I, S. 153, 173).
[53] Runderlaß des Reichsministers des Innern über die Stellung der Reichsstatthalter vom 9.5.1933, Ziff. 6 (AdR Hitler I, S. 435 ff. [437], Nr. 122).
[54] Reichsinnenminister Wilhelm Frick in der Reichstatthalterkonferenz am 6.7.1933 (AdR Hitler I, S. 635).
[55] AdR Hitler I, S. 842–864 (Nr. 221), hier: S. 855.
[56] Reichsminister des Innern an sämtliche Reichsminister, 17.7.1933 (AdR Hitler I, S. 697 f. [Nr. 198]).
[57] Niederschriften 1934, S. 2–7 (§§ 2–23).
[58] Ebd. S. 7.
[59] Das am 30.1.1934 verkündete Gesetz über den Neuaufbau des Reichs (RGBl. 1934 I, S. 75) bestimmte in seinen wesentlichen Artikeln:
Artikel 1: Die Volksvertretungen der Länder werden aufgelöst.
Artikel 2: (1) Die Hoheitsrechte der Länder gehen auf das Reich über. (2) Die Landesregierungen unterstehen der Reichsregierung.
Artikel 3: Die Reichsstatthalter unterstehen der Dienstaufsicht der Länder.
Artikel 4: Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen.
[60] Ermächtigung des RMdI zum Erlaß von Durchführungsvorschriften.
[61] Vgl. AdR Hitler I, S. 1102, Fußn. 3 (mit Begründung).