Der letzte Verteidiger von Weimar. Karl Eduard Wilhelm Groener, der Ebert-Groener-Pakt und die Ereignisse im Oktober 1918 und 1932.
Wie zerbrechlich die junge Demokratie der Weimarer Republik war, zeigt ihr durch die Nationalsozialisten herbeigeführter Niedergang. Ironischerweise waren es in ihrer finalen Phase jene Militärs, die ihr 1918 noch kritisch gegenübergestanden hatten, die sie am Ende zu retten versuchten. Doch die Rechnung des Reichskanzlers Kurt von Schleicher (1882 – 1934) und seines Vorgängers Franz von Papen (1879 – 1969), die Nazis durch Einbindung zu zähmen, ging nicht auf. Es war von Schleichers Mentor Wilhelm Groener (1867 – 1939), der die NSDAP in den letzten Tagen der Republik hingegen energisch zu bekämpfen suchte. Auch zuvor hatte der einstmals kaisertreue Offizier sich um die Demokratie im Deutschen Reich mit Weitblick, Kompromissbereitschaft und Vernunft verdient gemacht.
Wilhelm Groener wurde am 22. November 1867 in Ludwigsburg als Sohn des späteren Zahlmeisters des Dragoner-Regiments „Königin Olga“ (1. Württembergisches) Nr. 25 Karl Eduard Groener († 1893) und dessen Ehefrau Auguste (geb. Boleg) geboren. Er besuchte die Gymnasien in Ulm und Ludwigsburg und trat 1884 in die württembergische Armee ein. Am 9. September 1886 wurde Groener zum Leutnant befördert. Er war vom 3. April 1890 bis 30. September 1893 als Bataillonsadjutant tätig, ehe man ihn bis 21. Juli 1896 zur Kriegsakademie nach Berlin kommandierte. Er kehrte anschließend zu seinem Stammregiment zurück und wurde am 1. April 1897 zum Großen Generalstab kommandiert, wo er am 25. März 1898 zum Hauptmann befördert wurde. Im darauffolgenden Jahr heiratete Groener Helene Geyer (1864 – 1926). Das Ehepaar hatte eine Tochter: Dorothea Groener-Geyer (1900–1986). Ab 12. September 1902 war Groener zwei Jahre Kompaniechef im Metzer Infanterie-Regiment Nr. 98, bevor er wieder in den Großen Generalstab zurückkehrte. Am 27. Januar 1906 wurde Groener zum Major befördert. Ab dem 1. Juli 1907 diente er beim Generalstab des VII. Armee-Korps und ab dem 10. September 1908 dann für zwei Jahre im Generalstab des XIII. (Königlich Württembergisches) Armee-Korps, wo er zum Ersten Generalstabsoffizier ernannt wurde. Am 18. August 1910 wurde ihm das Kommando über das III. Bataillon des Infanterie-Regiments „Kaiser Friedrich, König von Preußen“ (7. Württembergisches) Nr. 125 überantwortet. Am 1. Oktober 1911 wurde Groener ein weiteres Mal zum Großen Generalstab zurückversetzt, wo er ein Jahr später zum Oberstleutnant befördert und zum Chef der Eisenbahn-Abteilung ernannt wurde. Hier traf er erstmals auf seinen „Wahlsohn“ Oberleutnant Kurt von Schleicher.
1914 brach der Erste Weltkrieg aus und Groener wurde Chef des Feldeisenbahnwesens (FECH) im Großen Hauptquartier. Zu seinen Aufgaben gehörten die Organisation der Truppentransporte und des Nachschubs mit der Bahn, deren reibungsloser Ablauf Groeners Ansehen enorm steigerte, und auch der weitere Aus- und Neubau des Streckennetzes. Für seine außerordentlichen Leistungen hierbei wurde er am 26. Juni 1915 zum Generalmajor befördert – außer der Reihe, denn den Dienstgrad des Obersts übersprang er damit. Am 11. September 1915 zeichnete man ihn zudem mit dem Orden Pour le Mérite aus und verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde seiner Geburtsstadt Ludwigsburg. Die Philosophische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin und die Technische Hochschule Stuttgart verliehen ihm zudem die Ehrendoktorwürde. 1916 war er wegen seines Organisationstalents für einige Monate beim Kriegsernährungsamt tätig, wo er die Getreidezufuhr aus Rumänien koordinierte, ehe er am 1. November 1916, mittlerweile ist er Generalleutnant, zum Chef des Kriegsamtes im preußischen Kriegsministerium und stellvertretendem Kriegsminister ernannt wurde. Groener geriet jedoch bald mit der Obersten Heeresleitung (OHL) und insbesondere mit General Erich Ludendorff (1865 – 1937), der mit der schützenden Hand Generalfeldmarschall Paul von Hindenburgs (1847 – 1934) über sich längst über Armee und Land herrschte wie ein Diktator, wegen der Umsetzung des zuvor noch zusammen mit Ludendorff ausgearbeiteten Hilfsdienstgesetzes aneinander. Ludendorff ließ Groener daraufhin im August 1917 als Kommandeur der 33. Division an die Front versetzten. Dennoch wurde Groener mit dem Stern zum Roten Adlerorden II. Klasse mit Krone und Schwertern ausgezeichnet. Zunächst übernahm Groener die Führung des XXV. Reserve-Korps und danach die des I. Armee-Korps. In der Ukraine diente Groener als Chef des Generalstabs in der Heeresgruppe Eichhorn.
Im Oktober 1918, also unmittelbar vor Kriegsende, verließen die Ratten das sinkende Schiff. Zuerst trat Ludendorff zurück, woraufhin Groener zu dessen Nachfolger als Erster Generalquartiermeister berufen wurde. Aber auch Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) sah seine Felle schwimmen. Die nun aufkeimende Novemberrevolution wollte dieser noch von der Armee gewaltsam niederschlagen lassen, woraufhin Groener ihm klar machte, die Armee stünde längst nicht mehr hinter dem Kaiser. Der wollte nun zwar als solcher abdanken, nicht aber als preußischer König. Dies verhinderte Groener, indem er Reichskanzler Max von Baden (1867 -1929, eigentlich: Maximilian Alexander Friedrich Wilhelm Prinz und Markgraf von Baden) am 9. November 1918 telefonisch versicherte, der vollständige Thronverzicht stünde bevor, er könne ihn daher ebenso gut verkünden. Wilhelm II. konnte nach der Erklärung von Prinz Max von Baden nun nicht mehr anders als zurücktreten, was wiederum zur Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann (1865 – 1939) respektive Karl Liebknecht (1871 – 1919) führte, die Groener, der die Monarchie hatte retten wollen, eigentlich zu verhindern gesucht hatte. Mit Kurt von Schleicher als Verbindungsmann formte Groener eine Allianz mit der neuen, gemäßigt linken Regierung von Reichspräsident und Reichskanzler (zumindest kurzzeitig de facto, wenn auch nicht verfassungsmäßig) Friedrich Ebert (1871 – 1925). Auch dem Waffenstillstand mit den Alliierten stimmte Groener zu. Der Ebert-Groener-Pakt verhinderte dadurch, dass die SPD wegen Groener nun auf die einstmals kaiserliche Armee zurückgreifen konnte, einen Umsturz der im Entstehen befindlichen Republik. Damals ging die Gefahr für diese vor allem von der extremistischen Linken aus, die eine bolschewistische Räterepublik nach sowjetischem Vorbild anstrebte.
Die härteste Bewährungsprobe stand der Republik jedoch noch bevor: Der Friedensvertrag von Versailles war eine bittere Pille und der neue Reichsministerpräsident (= Reichskanzler) Scheidemann war nicht bereit, sie zu schlucken: „Welche Hand müsse nicht verdorren, die sich und uns diese Fessel legt?“ Groener plädierte jedoch für die Unterzeichnung, da andernfalls die Kämpfe erneut ausgebrochen wären, was das Deutsche Reich endgültig zerrissen hätte. Nach Hindenburgs Rücktritt am 25. Juni 1919 wurde Groener neuer Chef des Hauptquartiers der OHL in Kolberg, doch schon am 30. September trat er gegen den ausdrücklichen Wunsch Eberts zurück und schied aus der Armee aus, weil er der Ansicht war, durch sein Bündnis mit Ebert das Vertrauen vieler Offiziere verloren zu haben. Doch Ebert konnte den parteilosen Groener 1920 dazu überreden, das Amt des Reichsministers für Verkehr anzunehmen, in dem er sich unter wechselnden Reichskanzlern vor allem um den Wiederaufbau der Reichsbahn kümmerte. 1923 trat das Kabinett des ersten parteilosen Reichskanzlers Wilhelm Cuno (1876 – 1933) geschlossen zurück, womit Groener sich zunächst in den Ruhestand zurückzog. 1926 starb seine erste Ehefrau.
1928 berief Hindenburg, nun Reichspräsident, Groener zum Reichswehrminister. Er baute die Reichswehr aus und bemühte sich, sie stärker ins Gefüge der Republik zu integrieren. 1930 führte die Heirat mit Ruth Naeher-Glück (Geburts- und Sterbedatum nicht bekannt) und die bald darauf folgende Geburt des gemeinsamen Sohnes Walter Groener (Sterbedatum nicht bekannt) zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust Groeners bei vielen, allen voran bei Hindenburg. 1931 wurde Groener im Kabinett von Heinrich Brüning (1885 – 1970) zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben kommissarisch Reichsminister des Innern. Nach der Wiederwahl Hindenburgs im darauffolgenden Jahr verbot Groener in dieser Funktion auf Drängen der Innenminister der Länder die Sturmabteilung (SA) und die Schutzstaffel (SS), die paramilitärischen Parteimilizen der NSDAP. So kam es erstmals zu einer Auseinandersetzung mit seinem Zögling Kurt von Schleicher, der glaubte, man könne die Nazis durch Einbindung und Teilhabe zähmen. Letztlich führte der Disput dazu, dass Groener seine Ämter niederlegte und sich endgültig aus der Politik zurückzog. In seinem Testament aus dem Frühjahr 1934 bedachte er seinen „Wahlsohn“ von Schleicher weiterhin, doch wurde der bald darauf von der SS ermordet. Groener überlebte ihn um wenige Jahre und starb am 3. Mai 1939 in Bornstedt.
Literatur zu Wilhelm Groener
Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen: Groener, Karl Eduard Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, S. 111–114 (Digitalisat).
Klaus Hornung: Alternativen zu Hitler. Wilhelm Groener – Soldat und Politiker in der Weimarer Republik. Ares-Verlag, Graz u. a. 2008.
Johannes Hürter: Wilhelm Groener. Reichswehrminister am Ende der Weimarer Republik (1928–1932). Oldenbourg, München 1993. (Dissertation)
Gerhard W. Rakenius: Wilhelm Groener als Erster Generalquartiermeister. Die Politik der Obersten Heeresleitung 1918. Boldt, Boppard am Rhein 1977.
Weitere Informationen auf den Seiten des deutschen Bundestages.