Berufsoffizier, 1914–1915 Militärattaché in Washington und Mexiko, 1917–1918 Kriegsdienst an der Westfront, in Mesopotamien und Palästina, 1919 Major a. D.; Pächter des Landguts Haus Merfeld bei Dülmen; 1921–1928 und 1930–1932 MdL Preußen (Zentrum), 1929 Gutsbesitzer in Wallerfangen; 2. Juni–17. November 1932 Reichskanzler, 30. Januar 1933–27. Juli 1934 Vizekanzler, 1934–1938 außerordentlicher Gesandter beziehungsweise (ab 1936) Botschafter in Wien, 1939–1944 in Ankara; im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1945–1946 freigesprochen, aber von einer Spruchkammer zu acht Jahren Haft verurteilt, die ein Berufungsgericht Anfang 1949 aufhob. Erfolglose Anträge auf Erhalt von Pensionen aus militärischem und diplomatischem Dienst.
Nach seinem Ausscheiden als Berufsoffizier blieb der agrarische Interessenvertreter ein „deutschnationaler“ Außenseiter der katholischen Zentrumspartei und gewann als Hauptaktionär der Berliner Zentrumszeitung „Germania“ und Mitglied des „Herrenclubs“ Einfluss. Kurz vor seiner Ernennung zum Reichskanzler trat Papen aus dem Zentrum aus und blieb mit seinem „Präsidialkabinett der Barone“ auf das Vertrauen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg angewiesen, den er zugunsten einer Ernennung Hitlers zum Reichskanzler beeinflusste. Als dessen Vizekanzler 1934 entmachtet, trug Papen anschließend in Wien dazu bei, den „Anschluss“ Österreichs vorzubereiten und bemühte sich ab 1939 in Ankara, die neutrale Türkei im 2. Weltkrieg auf die Seite der Achsenmächte zu ziehen.
Franz von Papen war ein überzeugter Gegner der Demokratie und Befürworter einer autoritären Monarchie. In Hitler sah er den „Führer“ eines „Dritten Reichs“ in Nachfolge der ottonischen und wilhelminischen Monarchie. In seiner Kanzlerschaft hatte Papen die paramilitärische nationalsozialistische Sturmabteilung (SA) sowie die Schutzstaffel (SS) nach vorherigem Verbot wieder zugelassen und die gewählte Regierung Preußens per Notverordnung, dem sogenannten Preußenschlag, abgesetzt. Hiermit beschleunigte er das Ende der Weimarer Republik und förderte mit seinem Einfluss auf den zögernden Reichspräsidenten von Hindenburg die Machtübernahme Hitlers. Als Vizekanzler im Kabinett der „nationalen Erhebung“ Hitlers bemühte Papen sich vergeblich, die Nationalsozialisten mit Hilfe der nationalkonservativen Minister zu zähmen. Dagegen unterstützte er Hitler mit der „Reichstagsbrandverordnung“ Ende Februar 1933 die Bürgerrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft zu setzen, mit dem „Ermächtigungsgesetz“ im März das Parlament zu entmachten und einen Monat später mehrere Gesetze zu verabschieden, welche die Diskriminierung der Juden im Deutschen Reich bewirkten. Papen unterzeichnete im Sommer 1933 das Sterilisationsgesetz, in dessen Folge mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen ermordet wurden.
Der gläubige Katholik von Papen, Ritter des Malteserordens, Großkreuz-Ritter, Träger des Piusordens und Geheimkämmerer des Vatikans, überzeugte Hitler bei Regierungsantritt, mit dem Vatikan in einem Reichskonkordat die Rechte der katholischen Kirche im Deutschen Reich zu regeln. Als Vertreter des Reichs führte Papen in Rom die Verhandlungen. Mit Aussicht auf den Abschluss eines Konkordats stimmte die katholische Zentrumspartei am 23. März 1933 dem „Ermächtigungsgesetz“ zu und verschaffte damit Hitler die erforderliche Verfassungsmehrheit. Auf Betreiben Papens schloss das ab April 1933 verhandelte Konkordat die Mitgliedschaft von Geistlichen und Ordensleuten in politischen Parteien aus. Damit war das Ende der Zentrumspartei besiegelt. Nach ihrer Selbstauflösung folgte die Zwangsauflösung aller Parteien der Weimarer Republik. Mit dem Abschluss des Konkordats erlangte das NS-Regime die von Papen angestrebte erste internationale Anerkennung. Der „Brückenschlag von Kreuz zu Hakenkreuz“ war Papen ein besonderes Anliegen. Mit den von ihm gegründeten Verbänden „Kreuz und Adler“ und „Arbeitsgemeinschaft deutscher Katholiken“ warb Papen als Vizekanzler die katholische Bevölkerung in zahlreichen Reden und Aufsätzen für den Nationalsozialismus und den „Führer“. Als Botschafter in Wien schloss er sich den Thesen des Bischofs Alois Hudal in dessen Studie „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ an und propagierte sie beim katholisch sozialisierten Hitler. Der vermeintlich konservative und kirchenfreundliche Hitler sollte gegenüber den revolutionären und kirchenfeindlichen Kräften um den NS-Chefideologen Alfred Rosenberg gestärkt und eine Brücke vom Katholizismus zum Nationalsozialismus geschlagen werden.
Papen vertrat keinen Rassenantisemitismus. Er verfolgte in katholischer Tradition einen „defensiven“ Antisemitismus. Den aus seiner Sicht übermäßigen jüdischen Einfluss in Presse, Literatur, Theater, Film und Rechtswesen wollte er im Deutschen Reich eindämmen. Gesetze und Handlungen gegen die „jüdische Überfremdung“ rechtfertigte er als Notwehrmaßnahmen. Seine Einstellung hinderte ihn nicht daran, als Regierungsmitglied am 1. April 1933 keinen Protest gegen den nationalsozialistisch organisierten Boykott jüdischer Geschäfte einzulegen. Ebenso wenig verbot ihm sein Verständnis des „defensiven“ Antisemitismus im Jahr 1942, auf die Regierung der neutralen Türkei so intensiv einzuwirken, dass sie alle jüdischen Redakteure der halbstaatlichen Nachrichtenagentur entließ. Die zahlreichen in die Türkei geflohenen deutschsprachigen Juden betrachtete Papen auf Weisung der Reichsleitung als „Volksfeinde“ und behandelte sie dementsprechend mit Überwachung, Repressalien und Ausbürgerung. Entgegen seinen eigenen Aussagen und denen eines Zeugen im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess rettete Papen keine Juden aus den nationalsozialistisch besetzten Staaten vor der Deportation in die Konzentrationslager. Über die Vernichtungsaktionen erfuhr Papen vom Delegaten des Vatikans in Istanbul, Angelo Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII. Dieser half nachweislich einer großen Zahl von Juden jahrelang auf der Flucht nach Palästina und rettete in den besetzten Gebieten viele Juden vor der Deportation. Die schriftliche Zeugenaussage Roncallis für die Ankläger des Nürnberger Militärtribunals erwähnt keine Aktivitäten Papens zugunsten von Juden.
Papen stellte sich nach dem 2. Weltkrieg als Vertreter des anderen, des widerständigen Deutschlands dar. In der Türkei hatte er eine große Zahl von sogenannten „Friedensoperationen“ unternommen, scheute aber vor einem Sturz Hitlers zurück. Diesem diente er bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen der Türkei zum Deutschen Reich im August 1944. Nach Rückkehr Papens ins Deutsche Reich würdigte Hitler seine Verdienste mit dem „Ritterkreuz des Kriegsverdienstordens mit Schwertern“, nachdem er ihn für seine aktive Mitwirkung beim „Anschluss“ Österreichs im März 1938 mit dem Goldenen Parteizeichen der NSDAP ausgezeichnet hatte. Obwohl Papen am 13. März 1938 mit der Nr. 5.501.100 NSDAP-Mitglied geworden war, leugnete er lebenslang, ein „Nazi“ gewesen zu sein. In mehreren Entnazifizierungsverfahren wurde Papen ab 1947 vom „Hauptschuldigen“ an den NS-Verbrechen zum „Minderschuldigen“ herabgestuft und konnte daraufhin einen Antrag auf Pensionsleistungen aus seinem Militär- und Diplomatendienst stellen. Das Auswärtige Amt lehnte 1959 Papens Ansprüche wegen seiner engen Verbindung zum Nationalsozialismus ab, der Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine Militärpension wegen seiner Verstöße als Vizekanzler Hitlers gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit. In seiner Rechtfertigungsschrift „Der Wahrheit eine Gasse“, in weiteren Büchern und Artikeln bemühte sich Papen bis zu seinem Lebensende, seine Unschuld am und im Unrechtssystem der Nationalsozialisten nachzuweisen.
Autor: Reiner Möckelmann
Literatur
Franz von Papen: Der Wahrheit eine Gasse (1952).
H. M. und R. K. Adams: Rebel Patriot. A Biography of Franz von Papen (1987)
R. W. Rolfs: The Sorcerer’s Apprentice. The Life of Franz von Papen (1995)
Joachim Petzold: Franz von Papen. Ein deutsches Verhängnis. (1995)
Jürgen Arne Bach: Franz von Papen in der Weimarer Republik. Aktivitäten in Politik und Presse 1918–1932. (1977)
Franz Müller: Ein „Rechtskatholik“ zwischen Kreuz und Hakenkreuz. Franz von Papen als Sonderbevollmächtigter Hitlers in Wien 1934–1938 (1990).
Möckelmann, Reiner: „Franz von Papen. Hitlers ewiger Vasall“, Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt 2016