Vernichtungslager machten eine ganz eigene Kategorie von Lagern im Kontext des Holocaust aus. Die Entscheidung zur Errichtung der Vernichtungslager stand in engem Zusammenhang mit der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“. Nachdem die Juden in Deutschland bereits seit Beginn der NS-Herrschaft sukzessive entrechtet, enteignet und ins gesellschaftliche Abseits gedrängt worden waren, strebte die NS-Führung nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges die systematische Vernichtung aller Juden im Deutschen Reich, sowie in den durch Deutschland eroberten Gebieten Europas an.
Beschleunigt vorangetrieben wurden die Vorbereitungen hierzu nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, dem Unternehmen „Barbarossa“. Seit dem Herbst 1941 wurden Juden aus dem deutschen Reich mit Bahntransporten in die im „Generalgouvernement“ Polen im Aufbau befindlichen Vernichtungslager verbracht und dort, anfangs noch unsystematisch, ermordet.
Die endgültige Organisation der „Endlösung“ wurde am 20. Januar 1942 auf der Wannseekonferenz beschlossen. An dieser Tagung in einer Villa am Berliner Wannsee nahmen führende Vertreter der nationalsozialistischen Partei, der SS, der Ministerialbürokratie und des Militärs teil. Unter der Federführung von Reinhard Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei, arbeiteten die Teilnehmer ein Konzept aus, um sämtliche Juden im deutschen Herrschaftsbereich systematisch zu vernichten. Den Anfang markierte die im Sommer 1942 anlaufende, nach Heydrich benannte „Aktion Reinhard“, welche die Ermordung der im besetzten Polen lebenden Juden und Roma zum Ziel hatte.
Bereits unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren 1933 sogenannte „Konzentrationslager“ etabliert worden, in denen auch Juden gefangen gehalten wurden. Mit den Vernichtungslagern erreichte die antisemitische Agenda des NS-Regimes allerdings eine neue Dimension. Während in den Konzentrationslagern nicht nur Juden, sondern auch alle Arten von politischen Gegnern des NS-Regimes interniert wurden, war mit der Gefangenschaft dort nicht primär die physische Vernichtung der Insassen beabsichtigt. Vielmehr sollten diese unter staatlicher Kontrolle gehalten und außerdem in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werden. Aufgrund der schlechten Lebensbedingungen, der mangelhaften Ernährung und Gesundheitsfürsorge, der harten Arbeit und Schikanen durch das Wachpersonal kamen Todesfälle zwar häufig vor, aber die Konzentrationslager waren schon organisatorisch nicht darauf ausgelegt, dass dort in großem Maßstab Menschen ermordet werden konnten. Mit der „Endlösung der Judenfrage“ musste daher eine neue Lagerform geschaffen werden, die diesem Zweck mit der vom NS-Regime geforderten Effizienz und „Gründlichkeit“ gerecht werden konnte. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Menschen in „industriellem“ Maßstab zu vernichten.
Aus diesem Grund waren die Vernichtungslager von vornherein nicht darauf ausgelegt, dass die Insassen dort nach ihrer Ankunft noch längere Zeit am Leben bleiben sollten. In der Regel wurden die Opfer mit Eisenbahnzügen direkt bis in die Lager gefahren, die zu diesem Zweck mit einem großen Bahnhof ausgestattet waren. Bereits am Bahnsteig wurde dann eine Vorselektion durch das Lagerpersonal vorgenommen. Oftmals wurden Frauen und Kinder, ältere sowie kranke Menschen direkt für die Vernichtung ausgesondert. Diese wurde mit Hilfe von sogenannten „Gaskammern“ durchgeführt, die häufig als große Gemeinschaftsduschräume getarnt waren. Nach einer Aufnahmeuntersuchung und der Abgabe ihrer verbliebenen Habseligkeiten wurde den neu Eingetroffenen vorgegaukelt, dass sie sich hier waschen sollten. Stattdessen wurden giftige Gase, zur Anwendung kamen beispielsweise Kohlenmonoxid oder das Nervengas „Zyklon B“, in die Räumlichkeiten geleitet, welche unmittelbar zum Tod führten. Hierbei konnte das NS-Regime auf die Erfahrungen aus der sogenannten „Aktion T4“ zurückgreifen. In deren Rahmen waren bereits in den Jahren 1939 bis 1941 in Deutschland rund 70.000 Behinderte, psychisch Kranke und andere „Lebensunwerte“ durch Vergasung ermordet worden.
Im Anschluss wurden die Leichen in die ebenfalls in den Lagern vorhandenen Krematorien verbracht und dort nahezu restlos verbrannt. Die Asche wurde abschließend in Massengräbern unmittelbar hinter den Lagern „entsorgt“. Arbeitsfähige Lagerinsassen wurden dagegen noch möglichst lange für Zwangsarbeiten herangezogen, um ihre verbliebene Arbeitskraft nicht zu „verschwenden“. In der Regel waren den Lager hierzu unmittelbar Betriebe der kriegswichtigen Rüstungsproduktion angegliedert. Auf diese Weise sollten die Gefangenen noch dabei helfen, den Eroberungsfeldzug des NS-Staates, vor allem in Osteuropa, wo neuer „Lebensraum“ für das deutsche Volk geschaffen werden sollte, weiterführen zu können.
Die wichtigsten Vernichtungslager / Konzentrationslager
Auschwitz-Birkenau
Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau oder Auschwitz II, umgangssprachlich meist nur „Auschwitz“ genannt, ist heute zum Inbegriff für den Holocaust geworden. Auschwitz stellte nicht nur das größte Vernichtungslager dar, sondern war auch für die meisten Holocaust-Opfer verantwortlich. Hier wurden schätzungsweise über 1,1 Millionen Juden ermordet, davon rund 900.000 direkt nach ihrer Ankunft. Weitere 200.000 Juden wurden zunächst für Zwangsarbeiten herangezogen und später ermordet. Hinzu kamen noch etwa 160.000 weitere nichtjüdische Opfer, darunter Sinti und Roma, politische Gegner und Homosexuelle. In Abgrenzung zu dem 1941 aufgebauten Komplex Auschwitz II existierte in der Nähe bereits ein älteres Lager, Auschwitz I oder auch „Stammlager“ genannt, in welchem vornehmlich polnische und sowjetische Kriegsgefangene interniert waren, von denen ebenfalls rund 70.000 zu Tode kamen. Berüchtigt ist Auschwitz-Birkenau auch aufgrund des dort tätigen Lagerarztes Josef Mengele, der tausende Insassen mit pseudowissenschaftlichen, von ihrem medizinischen Erkenntnisgewinn her zumeist völlig sinnlosen Menschenversuchen ermordete. Am 27. Januar 1945 wurde das Lager von der vorrückenden „Roten Armee“ befreit. Die dort vorgefundenen Bedingungen und der Zustand der wenigen noch überlebenden Häftlinge schockierten die ganze Welt. Noch heute sind die Bilder von Auschwitz ein Symbol für die Abscheulichkeit der NS-Verbrechen. Seit 1947 wird Auschwitz vom polnischen Staat als Gedenkstätte geführt und veranschaulicht somit nach wie vor unzähligen Besuchern aus aller Welt die geschichtlichen Hintergründe des Holocaust und dessen erschreckende Wirklichkeit.
Treblinka
Das Vernichtungslager Treblinka im Nordosten Polens war nach Auschwitz das zweitbedeutendste Vernichtungslager. Obwohl das im Mai 1942 errichtete Treblinka nur bis Ende August 1943 „in Betrieb“ war, wurden hier nach Schätzungen zwischen 700.000 und einer Million Menschen und damit beinahe genauso viel wie in Auschwitz ermordet. Hierbei handelte es sich vorrangig um Juden aus Osteuropa. Insbesondere wurde das Lager zur Ermordung der Bewohner des Warschauer Ghettos eingesetzt. Der Vernichtungsprozess war im Vergleich zu Auschwitz weniger raffiniert gestaltet. Die im Lager eingetroffenen Häftlinge wurden in möglichst kurzer Zeit „abgefertigt“ und mit Motorabgasen getötet. Die Toten wurden anschließend in Massengräbern verscharrt. Erst im Frühjahr 1943 ging die Lagerleitung dazu über, die Leichen zu kremieren. Auch die bereits in Massengräbern verscharrten Leichen wurden exhumiert und anschließend verbrannt. Dies geschah, um vor der bereits anrückenden „Roten Armee“ möglichst alle Hinweise auf den Holocaust zu verschleiern. Nach einem Aufstand im Lager wurde dieses im Spätsommer 1943 aufgelöst und restlos abgebaut. Heute befindet sich an der Stelle des Lagers eine Gedenkstätte.
Belzec
Das im Osten Polens gelegene Belzec war ein weiteres großes Vernichtungslager. Obwohl es heute in der kollektiven Erinnerung nicht so fest verankert ist wie Auschwitz, kam auch hier fast eine halbe Million Menschen um. Bereits im November 1941 war mit dem Bau begonnen worden, nachdem sich dort bereits ein Arbeitslager befunden hatte, in welchem zumeist jüdische Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Seit Februar 1942 wurden in dem Vernichtungslager Belzec erste Versuchsvergasungen mit Motorabgasen durchgeführt. Anschließend wurde das Lager um mehrere große Gaskammern erweitert und nahm im Spätsommer 1942 endgültig seinen „Betrieb“ auf. Dieser endete jedoch bereits zum Jahresende aufgrund einer Überlastung des Bahnsystems und Überfüllung der Massengräber.
Sobibor
Das Vernichtungslager Sobibor wurde Anfang 1942 errichtet. Als Vorbild diente das Lager Belzec. Nach Schätzungen wurden hier bis zu 250.000 Menschen ermordet, darunter zwischen 150.000 und 180.000 Juden. Unter anderem kam hier auch 33.000 Juden aus den Niederlanden ums Leben. Berühmt ist Sobibor für den Aufstand, der dort am 14. Oktober 1943 geschah. Nach Überwältigung des Wachpersonals gelang 365 Gefangenen die Flucht, von denen allerdings viele anschließend gefunden und getötet wurden. Nur 47 Geflüchtete blieben davon verschont und konnten untertauchen. Anschließend wurde das Lager von der SS geschlossen und alle verbliebenen Insassen getötet.
Majdanek
Das im Oktober 1941 aufgebaute Vernichtungslager KZ Majdanek war ursprünglich als Internierungslager für sowjetische Kriegsgefangene im Rahmen des Unternehmen „Barbarossa“ geplant gewesen, wurde allerdings seit dem Sommer 1942 als Vernichtungslager umgenutzt. Bis Mitte 1944 wurden hier deportierte Juden aus Polen und den besetzten Teilen der Sowjetunion ermordet. Allerdings unterschied sich Majdanek von anderen Lagern dadurch, dass hier die Vernichtung weniger systematisch erfolgte. Nur vergleichsweise wenige Häftlinge kamen durch die Gaskammer um. Von einigen Historikern wird Majdanek deshalb nicht als offizielles Vernichtungslager eingestuft, da auch die Opferzahlen „vergleichsweise“ gering waren. Schätzungen gehen davon aus, dass hier zwischen 25.000 und 110.000 Juden ermordet wurden, hinzu kamen noch einige zehntausend nichtjüdische Opfer. Die meisten Häftlinge starben an Krankheiten, Unterernährung oder wurden erschossen. Aufgrund der schlechten Unterbringungs- und Versorgungsverhältnisse war die Sterberate in Majdanek überdurchschnittlich hoch.
Chelmno
Das im November 1941 „in Betrieb“ genommene Lager bei Chelmno/Kulm in Pommern stellte den Prototyp der Vernichtungslager dar. Seit dem Jahresende wurden hier Juden zunächst aus der näheren Umgebung mit Hilfe von mobilen „Gaswagen“ ermordet. Anschließend diente das Vernichtungslager Chelmno vor allem der Vernichtung der Juden aus dem Ghetto Lodz, aber auch aus Luxemburg kamen hier Transporte an. Nachdem das Lager Ende 1943 mit dem Abschluss der Vernichtung der polnischen Juden aufgelöst worden war, wurden in Chelmno im Sommer 1944 nochmals rund 10.000 hierher deportierte Juden mit Gaswagen ermordet. Die Gesamtopferzahl wird auf etwa 150.000 geschätzt.
Literatur
Adalbert Rückerl (Hrsg.): Nationalsozialistische Vernichtungslager im Spiegel deutscher Strafprozesse. Belzec, Sobibor, Treblinka, Chelmno. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977.
Yitzhak Arad: Belzec, Sobibor, Treblinka. The Operation Reinhard Death Camps. Bloomington and Indianapolis 1987 (Indiana University Press).
Konnilyn G. Feig: Hitler’s Death Camps: The Sanity of Madness. Holmes & Meier Publishers Incorporated, Neuausgabe 181.
Hans Buchheim, Martin Broszat, Hans-Adolf Jacobsen: Anatomie des SS-Staates. Dtv; (1. Auflage 1965) 8. Auflage 2005. (darin: Martin Broszat, Die Konzentrationslager 1933–1945).
Eugen Kogon: Der SS-Staat – Das System der deutschen Konzentrationslager. Alber, München 1946 (zuletzt: Heyne, München 2004.
Website von Yad Vashem.