An Grausamkeiten sind die Geschehnisse im KZ Auschwitz-Birkenau während des NS-Regimes durch nichts zu übertreffen. Aus gutem Grund gilt es deshalb als Inbegriff des Holocaust und größtes Konzentrationslager mit über einer Million ermordeten Menschen. Bis heute ist die ganze Aufarbeitung des Massenmordes durch Überlebende und ihre Nachkommen sowie die Weltgemeinschaft nicht beendet.
Wann genau Spatenstich für das KZ Auschwitz-Birkenau war, ist nicht dokumentiert. Sehr wohl aber berichteten die Ausführenden ihren NS-Vorgesetzten vom erfolgreichen ersten Massentransport am 14.06.1940. Im Zug saßen über 700 polnische, als politische Gefangene registrierte Häftlinge. Es folgten Sinti und Roma, verurteilte homosexuelle Männer sowie im März 1942 massenhaft Juden aus dem slowakischen Durchgangslager Poprad. Erste Massenmorde durch Vergasen wurden Anfang September 1941 ausgeübt.
Das Stammlager Auschwitz war ab Fertigstellung mit Gaskammern in Block 11 ausgestattet. Ca. 850 kranke polnische Insassen und sowjetische Kriegsgefangene wurden dorthin geführt. Sie mussten sich in einem Vorraum der Gaskammer entkleiden, mit der Begründung, sie zu entlausen und für den weiteren KZ-Aufenthalt zu desinfizieren. Von der Wahrheit des Zyklon B aus den Attrappen von Duschköpfen erfuhren sie nie. Das zum SS-Luftschutzbunker umgebaute Lager mit Gaskammer wurde und nach Kriegsende in allen scheußlichen Details rekonstruiert.
Die eigentlichen Mörder der SS machten sich nicht selbst die Finger schmutzig. Juden wurden dazu bestimmt, Gefangene und Deportierte zu den Kammern zu führen. Sie mussten ebenfalls die Leichen in das Krematorium tragen und ihnen vorher Haare, Schmuck, Habseligkeiten und Zahngold entfernen. Niemand ahnte, warum diese Sonderkommandierten von anderen Häftlingen gesondert lebten. Viele der Häftlinge töteten sich als Mitwisser selbst. Andere wurden bei Anzeichen einer psychischen Belastung getötet und durch andere Sonderlinge aus den Reihen der Insassen ersetzt.
Belegt sind über 802 Ausbruchsversuche überwiegend männlicher Insassen aus dem Konzentrationslager Auschwitz Birkenau. Der polnische Schuhmacher Tadeusz Wiejowski entkam 1941 und wurde nach der Wiederergreifung im Gefangenenlager Jasło hingerichtet. Immerhin schafften es 144 Häftlinge in die Freiheit. Unter ihnen waren Alfréd Wetzler und Rudolf Vrba. Aufgrund ihrer Aussagen nach der Flucht in die Slowakei vor dem slowakischen Judenrat wurden keine ungarischen Juden mehr in das KZ deportiert. Von über 331 Geflohenen ist nie wieder etwas über ihr Schicksal bekannt geworden. 327 Flüchtlinge wurden hingerichtet.
Der »Todesengel« Dr. Josef Mengele experimentierte unter unmenschlichen Bedingungen an seinen »Patienten«. Häftlinge bekamen Farbstoff in die Augen und giftige Substanzen injiziert. Sie bekamen Injektionen in den Uterus oder wurden zwangssterilisiert. Experimentelles Verhungern und Schmerzexperimente mit Elektroschocks gehörten zum Alltag. Wer an den Versuchen nicht verstarb, behielt lebenslang schwere gesundheitliche Probleme. Bevorzugt wurden Kleinwüchsige und Zwillinge ausgewählt, sofern sich genügend von ihnen unter den Gefangenen befanden.
Alle Habseligkeiten der Neuankömmlinge landeten als Beschlagnahme im Lager »Kanada«. Grundsätzlich war vorgesehen, sie nach Deutschland zu schicken. Ob Hab und Gut an die Familie oder in Deutschland wohnende SS-Funktionäre ging, ist nicht dokumentiert. Doch was von Wert schien, stahlen SS-Wachen nach Gutdünken. Eine Strafverfolgung war wegen des gewissen Schicksals der Beraubten ohnehin nicht zu befürchten. Weibliche Häftlinge durften hier das Sortieren vornehmen. Ihr Privileg für diese Arbeit waren freiwillig überlassene Lebensmittel aus dem Diebesgut oder die Erlaubnis, sich die Haare wachsen zu lassen.
Den Vorschriften nach durfte es zwischen Wachhabenden und eingeteilten Häftlingen keine Beziehung geben. Im Lager »Kanada« arbeiteten jedoch überwiegend weibliche Gefangene, unter der Aufsicht männlicher Wachhabender. Als sich jedoch der SS-Wachmann Franz Wunsch gegen diese Vorschrift in die Gefangene Helena Citronova verliebte, gelang ihr und ihrer Schwester mit seiner Unterstützung die Flucht vor dem sicheren Gastod. Ihr Entgegenkommen war keinesfalls erwiderte Liebe. Dennoch sprach sie später in seinem Namen im Kriegsverbrecherprozess.
Diejenigen, die selbst als Häftlinge am Tod ihrer Mithäftlinge im Auftrag beteiligt waren, hielten den psychischen Druck des Erlebten einfach nicht mehr aus. Ihre einzigen Waffen waren Steine, Hämmer und eine unsägliche Wut. Damit töteten sie drei Offiziere am 07. Oktober 1944. Das Krematorium IV zündeten sie an. Der Kapo landete in einem der Öfen, weil das sogenannte Sonderkommando an einen Lageraufstand glaubte. Anschließend flohen sie in einen Getreidespeicher der Außenlager. Die SS zündete diesen Speicher an und tötete die Abtrünnigen. Von den 663 Aufständischen wurden 451 nach Aufstandsende ermordet.
Über dem Eingang des Konzentrationslagers hing der geschmiedete Schriftzug »Arbeit macht frei«. Häftlinge selbst mussten es herstellen. Stillen Protest zeigten sie dabei, indem sie das B in Arbeit verkehrt herum schmiedeten. Der schwedische Neonazi Anders Högström stahl im Dezember 2009 den Schriftzug gemeinsam mit zwei polnischen Komplizen gleicher Gesinnung. Als das Schild wiedergefunden wurde, war es in drei Teile zerbrochen. Deshalb sehen Besucher jetzt über dem verhängnisvollen Tor eine Nachbildung. Die Originalteile werden im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau ausgestellt.
Um Beweise zu vernichten, bedeutete für die Kommandierenden im des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz unter anderem, Todesmärsche in Bewegung zu setzen. 60.000 Häftlinge einschließlich des deutschen Kriminellen Engelbert Marketsch (Seriennummer 202499) mussten vom KZ aus in polnische Städte marschieren. Wer zurückblieb, wurde auf dem Weg erschossen. Die genaue Personenzahl bei Marschbeginn ist unbekannt. In Bergen-Belsen waren davon bei der Befreiung durch die Briten am 15. April 1945 nur noch 15.000 an. 7.000 laufunfähige oder zu schwache Gefangene blieben bis zur Befreiung durch die Rote Armee im KL Auschwitz zurück.
Über das ganze Ausmaß der Deportationen und Morde liegen nur Schätzungen vor. Demnach wurden 1,3 Millionen Menschen nach Auschwitz deportiert. Davon überlebten nur 200.000. Die restlichen 1,1 Millionen Juden, Polen, sowjetische Kriegsgefangene und weitere Personengruppen starben in den Gaskammern, an den Folgen von Misshandlungen oder aus Schwäche. Einzige Quelle für solche Zahlen sind Fahrpläne ankommender Züge und Dokumentationen über die Deportation. Gesammelt hat diese ungefähren Zahlen Franciszek Piper, ein polnischer Historiker, in einer umfangreichen Studie.
Heute befindet sich auf dem Gelände des Vernichtungslager Auschwitz das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau. Hier besuchen historisch interessierte Menschen eine Gedenkstätte mit teilweise erhalten gebliebenen, teilweise rekonstruierten Bauten der Anlage. Die Lagergräuel haben aus Respekt der Opfer verschiedene Namen. Holocaust oder Schoah bezeichnet den Mord and en Europäischen Juden, Porajmos die Massenermordung europäischer Sinti und Roma. Soweit noch vorhanden, forschen Historiker weiter an den Dokumenten und stellen Habseligkeiten der Millionen Opfer aus, um Besuchern eine Vorstellung vom schieren Umfang des Gräuels zu geben.
Literratur
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945 Rowohlt, Reinbek bei Hamburg.
Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma: „Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma“. Katalog zur ständigen Ausstellung im Block 13. Heidelberg, 2001.
Pierre Dietz: Briefe aus der Deportation, Französischer Widerstand und der Weg nach Auschwitz. Edition AV, Lich, Hessen 2010.
Pierre Dietz: Lettres d’un ouvrier déporté. De Maromme à Auschwitz, les deux résistances de William Letourneur. Edition Charles Corlet, Condé-sur-Noireau 2015.
Paul Le Goupil: Resistance und Todesmarsch (Originaltitel: Un Normand dans …, übersetzt und bearbeitet von Pierre Dietz). Edition AV, Lich, Hessen 2015.
Gideon Greif, Peter Siebers: Todesfabrik Auschwitz. Topografie und Alltag in einem Konzentrations- und Vernichtungslager. Herausgegeben vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln in Kooperation mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau. Emons, Köln 2016.
Website der Gedenkstätte (Auschwitz I und Auschwitz II, Auschwitz III, Monowitz)