Ursprünge des Giftgas Zyklon B
Zyklon B, ursprünglich entwickelt als Schädlingsbekämpfungsmittel, wurde in der Zeit des Nationalsozialismus zu einem Synonym für den Massenmord an Millionen von Menschen.
Handelsname von Blausäure bzw. Cyanwasserstoff (HCN), war ein hochgiftiges Gas. Nur in chemisch reinem Zustand ist Blausäure als Flüssigkeit beständig. Der Siedepunkt liegt bei 25,7°C. Daher verdunstet Blausäure sehr rasch und geht in die gasförmige Phase über. Ihre Wirkung bei Lebewesen beruht auf der Hemmung oder Unterbindung der Sauerstoffversorgung der Zellen. Dadurch wird die Atmung zum Stillstand gebracht. Es genügen ca. 70 mg Blausäure, um einen erwachsenen Mann zu töten, d.h. ca. ein Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bei der für Entwesungen üblichen Konzentration von 10g/m3 enthalten ungefähr 10 Atemzüge die tödliche Dosis. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts ist Blausäure, zunächst in flüssiger Form, als Schädlingsbekämpfungsmittel bekannt und benutzt worden.
Das Vorgängerprodukt von Zyklon B war Zyklon A, ein flüssiges Blausäuremittel, das für Entwesungszwecke Verwendung gefunden hat. Sein Verschwinden aus der Begasungspraxis ist weniger auf seine technischen Mängel als auf die größere Wirtschaftlichkeit und die technischen Vorzüge des später eingeführten Zyklon B zurückzuführen. Die Herkunft des Namens „Zyklon B“ lässt sich nicht mehr eindeutig feststellen. Einerseits stand er als Abkürzung für Zyklon-Blausäure, auf der anderen Seite könnte er auch nur die alphabethische Reihenfolge A, B, als Nachfolgeprodukt von Zyklon A kennzeichnen. Im nicht-deutschsprachigen Raum trifft man auch häufig auf die Bezeichnung Cyklon, Cyklon B, oder französisch „Làcide cyanhydrique“ oder „Cyanure d` Hydrogene“. Auf den Büchsenetiketten stand oft auch nur die Bezeichnung „Zyklon“.
Bei Zyklon B ist eine chemische Stabilisation durch Oxalsäure oder Chlorkohlensäuremethylester mit einer mechanischen Stabilisierung durch Aufsaugung in porösem Material (Erco) verbunden. Als Warn- oder Reizstoff wurde Bromessigsäuremethylester verwendet. Als Verpackung dienten Blechdosen durch Umbördeln der Böden und Deckel unter Einlage einer dünnen Gummidichtung abgedichtet. Die Verpackung in Dosen ermöglichte die Abfüllung von Einheiten zu je 100, 200, 500, 1000, 1200 und 1500 Gramm. Die Dosen hatten eine Wandstärke von 0,35 -0,42 mm und hielten je nach dem Durchmesser einen Innendruck von 6-10 atü aus. Sie konnten nach Gebrauch wiederverwendet werden. Es bestand keine Explosionsgefahr, da die eingesetzten Konzentrationen des Zyklon B zweihundert mal geringer waren, als die Konzentration zur Erzeugung eines hochexplosiven Gasgemisches hätte sein müssen.
Entwicklung und Herstellung
Die Entwicklung von Zyklon B geht auf das Jahr 1922 zurück, als die Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH (Degesch) ein Patent auf das Schädlingsbekämpfungsmittel anmeldete. Degesch war eine Tochtergesellschaft der Firma Degussa und der Theo Goldschmidt AG in Essen. Ursprünglich war Zyklon B zur Entlausung und Bekämpfung von Schädlingen in landwirtschaftlichen Betrieben gedacht.
Bruno Tesch und die Degesch
Bruno Tesch, ein Chemiker und Geschäftsführer der Firma Testa, war maßgeblich an der Vermarktung und Verbreitung von Zyklon B beteiligt. Zusammen mit seinem Kollegen Karl Weinbacher entwickelte Tesch eine Methode, um das Giftgas Zyklon B effizient zu produzieren und zu vertreiben. Die Firma Testa, gegründet von Tesch und Weinbacher, belieferte während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Konzentrationslager mit Zyklon B.
Einsatz von Zyklon B Giftgas in Konzentrationslagern
Zyklon B wurde erstmals im September 1941 im KZ Auschwitz zur Tötung von Menschen eingesetzt. Lagerkommandant Rudolf Höß ordnete die Vergasung von 600 sowjetischen Kriegsgefangenen im Keller von Block 11 an. Diese Methode erwies sich als äußerst effektiv für die massenhafte Ermordung von Menschen. Innerhalb kurzer Zeit wurden Zyklon B und die damit verbundenen Gaskammern zu einem zentralen Instrument des Holocausts.
Die Rolle von Degesch und Degussa
Die Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH und ihre Muttergesellschaft Degussa spielten eine zentrale Rolle bei der Herstellung und Lieferung von Zyklon B. Degesch produzierte das Mittel in großen Mengen und belieferte die Konzentrationslager Auschwitz, Auschwitz-Birkenau, Neuengamme und viele weitere Vernichtungslager. Schätzungen zufolge wurden mehrere tausend Kilogramm Zyklon B für die Ermordung von Menschen in diesen Lagern verwendet.
Stabenow und der Einsatz von Zyklon B
Ein weiteres düsteres Kapitel in der Geschichte von Zyklon B ist der Einsatz durch die Wehrmacht und die SS. Stabenow, ein hochrangiger SS-Offizier, organisierte die Logistik und den Transport des Giftgases zu den verschiedenen Konzentrationslagern. Die Ermordung von Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie politischen Gefangenen und anderen Minderheiten war ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.
Massenvernichtung und das Ende des Krieges
Mit dem Fortschreiten des Krieges und der Intensivierung des Holocausts stieg auch der Einsatz von Zyklon B. Bis zum Kriegsende 1945 wurden Millionen von Menschen in den Gaskammern der Konzentrationslager mit Zyklon B ermordet. Die Lagerinsassen, die dieses Giftgas überlebten, berichteten später von den schrecklichen Bedingungen und der gnadenlosen Effizienz, mit der die Nationalsozialisten ihre mörderischen Pläne durchführten.
Prozesse nach dem Krieg: Bruno Tesch und Karl Weinbacher
Nach dem Krieg wurden Bruno Tesch und Karl Weinbacher für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen. In einem Prozess vor einem britischen Militärgericht wurden sie wegen ihrer Rolle bei der Herstellung und Lieferung von Zyklon B zur Tötung von Menschen in Konzentrationslagern angeklagt. Tesch und Weinbacher wurden zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet.
Das Erbe von Zyklon B
Zyklon B steht heute als Symbol für die unfassbare Grausamkeit und den industriellen Massenmord des Holocausts. Die Rolle von Unternehmen wie der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung mbH und Degussa, sowie die Verstrickung von Chemikern wie Tesch und Weinbacher, erinnern an die moralische Verantwortung der Wissenschaft und Industrie. Der Missbrauch eines ursprünglich harmlosen Schädlingsbekämpfungsmittels zur massenhaften Ermordung von Menschen mahnt uns, die Geschichte nicht zu vergessen und die Lehren daraus zu ziehen.
Schlussfolgerung
Die Geschichte von Zyklon B ist ein erschreckendes Beispiel dafür, wie wissenschaftlicher Fortschritt und technische Innovationen missbraucht werden können, um unvorstellbares Leid zu verursachen. Während Zyklon B ursprünglich als Biozid zur Schädlingsbekämpfung entwickelt wurde, wurde es während der Zeit des Nationalsozialismus zu einem der effektivsten Werkzeuge des Völkermords. Die Erinnerungen an die Opfer, die durch dieses Giftgas ermordet wurden, verpflichten uns dazu, stets wachsam gegenüber den Gefahren zu sein, die aus der Verbindung von Wissenschaft und unmenschlichen Ideologien erwachsen können.
Quellen und weiterführende Literatur
Kogon, Eugen: „Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager“. Verlag Alber, 1946.
Pressac, Jean-Claude: „Die Krematorien von Auschwitz“. Piper Verlag, 1993.
Dwork, Deborah und Robert Jan van Pelt: „Auschwitz: 1270 to the Present“. Yale University Press, 1996.
Hayes, Peter: „From Cooperation to Complicity: Degussa in the Third Reich“. Cambridge University Press, 2004.
NDR TV-Beitrag: Massenvernichtung im KZ: Zyklon B und die Händler des Todes (1942, 1943).