Was garantiert die Macht eines Diktators? Worauf fußt seine Position an der Spitze einer Tyrannei? Loyalität ist es in den seltensten Fällen; nur wenige Anhänger eines Diktators folgen aus blindem Glauben. Die wahre Basis der Macht ist Angst. Wenn niemand sich traut, Widerstand zu leisten oder auch nur zu widersprechen, weil man nie weiß, wer dem System bedingungslos ergeben ist oder selbst aus Angst heraus Folge leistet, können die Machthaber tun und lassen, was sie wollen. Alle Macht endet dabei in letzter Instanz beim Diktator selbst. Und denken wir an Diktatoren, denken die meisten von uns zuerst an Adolf Hitler (1889 – 1945), den Diktator par excellence und das nicht zuletzt, weil er alles, was ihm nützlich schien, aus anderen Diktaturen übernahm. So auch das wichtigste Instrument, das er beim Verbreiten von Angst hatte: die Geheime Staatspolizei oder kurz Gestapo. Während in sonstigen Belangen vor allem Benito Mussolini (1883 – 1945), der Erfinder des Faschismus, Hitlers großes Vorbild war, orientierte sich die Gestapo an der GPU, der Geheimpolizei der UdSSR und somit an Hitlers Rivalen Josef Stalin.
Ursprung und Anfänge in der Weimarer Republik
Die Gestapo war die politische Polizei des NS-Regimes und nahm ihren Anfang mit der Machtergreifung am 30. Januar 1933. Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847 – 1934) ernannte Hitler nur widerwillig und auf Drängen Franz von Papens (1879 – 1969) mit 33,1 % der Stimmen bzw. 196 der 584 Sitze im Reichstag zum Reichskanzler, erlaubte ihm aber zunächst nur zwei Minister aus der NSDAP zu ernennen. Einer davon war Hermann Göring (1893 – 1946), der als neuer Reichskommissar für das preußische Innenministerium umgehend die von Rudolf Diels (1900 – 1957) geleitete preußische politische Polizei zur innenpolitischen Eingreiftruppe umfunktionierte. Dies war der unmittelbare Vorläufer des Geheimen Staatspolizeiamts (Gestapa), laut Diels landläufig wegen eines von der Post verwendeten Kürzels schlicht Geheime Staatspolizei (Gestapo) genannt, das am 26. April 1933 als eigene Abteilung aus der preußischen Polizei ausgegliedert werden sollte. Doch schon im Februar 1933 war die politische Polizei maßgeblich für die rücksichtslose Durchsetzung von Hitlers Willen zuständig. Sie setzte die am 4. Februar erlassene „Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes“ durch, womit Versammlungs- und Pressefreiheit eingeschränkt wurden. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 folgte die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, landläufig Reichstagsbrandverordnung. Am 23. März sollte dann final über das Ermächtigungsgesetz („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“), das Hitler zum alleinigen Entscheidungsträger vorbei am Parlament machen würde, im Reichstag, der in der Potsdamer Garnisonskirche tagte, abgestimmt werden. Dazu ließ Hitler von seiner politischen Polizei Abgeordnete der KPD und SPD verhaften und in das neu errichtete Konzentrationslager Dachau verschleppen oder zu Hause festsetzen.
Aufgabe der Gestapo ab 1933
Am 30. November 1933 wurde die Gestapo zu einem eigenen Zweig innerhalb der Verwaltung und war nun dem preußischen Ministerpräsidenten direkt unterstellt, was wegen der Gleichschaltung aller Behörden im Deutschen Reich Göring als preußischen Ministerpräsidenten de facto zum Chef der politischen Polizei im Deutschen Reich machte. Doch lange währte Görings Zeit an der Spitze der Gestapo nicht, denn auch der Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900 – 1945) und der Innenminister Wilhelm Frick (1877 – 1946) strebten diese Position an.
Am 1. April 1934 wurde Diels entlassen und Himmler wurde zum Inspekteur und stellvertretenden Chef der preußischen Gestapo. Die direkte Leitung erhielt der bisherige Chef der Bayerischen Politischen Polizei (BPP), SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich (1904 – 1942). Göring musste sich im Verlauf der folgenden Monate geschlagen geben und die Verantwortung für die politische Polizei an Himmler abtreten. Er selbst widmete sich fortan der Luftwaffe.
SS, Schutzhaft und Terror: Entwicklung der Gestapo
Mit dem „Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Einsetzung eines Chefs der deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren“ vom 17. Juni 1936 wurde Himmler endgültig von Hitler zum Chef der gesamten deutschen Polizei ernannt. Damit wurde der Polizeiapparat auch fest mit der SS verwoben, die zuvor schon die SA in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt hatte.
Das geheime Staatspolizeiamt war das ultimative Machtinstrument im Innern. Sie verfolgte nicht nur politische Gegner, sondern bald auch Minderheiten wie Homosexuelle, Zeugen Jehovas und „Asoziale“, womit im Grunde arbeitsunfähige Menschen gemeint waren. Dazu verfügte die Gestapo über eine umfangreiche Kartei zu jedem relevanten Bürger, beschäftigte Spitzel, die ihrer Aufgabe aus reinem Machtgefühl nachkamen, verhaftete scheinbar willkürlich Menschen, folterte diese. Da Kinder in den NS-Jugendorganisationen wie HJ und BDM auf Parteilinie getrimmt wurden, fungierten selbst sie als Spitzel, und Eltern mussten fürchten, von ihren eigenen Kindern an die Gestapo verraten zu werden, wenn sie sich kritisch zu Hitler äußerten. Dazu genügte schon ein Witz über den Diktator. Es herrschte ein Klima des Misstrauens, denn jeder konnte im Geheimen für die Gestapo arbeiten, und manch einer fingierte auch Vorwürfe, um ihm unliebsame Personen loszuwerden. Die Gestapo folterte auch nicht nur die Verdächtigen selbst. Wenn diese nicht kooperierten, zwang man sie, der Folter von Familienmitgliedern beizuwohnen, um sie zu brechen. Wer sich über die Gestapo beschweren wollte, musste diese Beschwerde bei der Gestapo einreichen, die ihre eigene Rechtsprechung war.
Die Gestapo während des Krieges
Im Oktober 1939 wurde Heinrich Müller (1900 – 1945) Chef der Gestapo. In dieser Funktion nahm er am 20. Januar 1942 auch an der Wannseekonferenz teil, bei der die Vernichtung aller Juden im von den Nazis kontrollierten Gebiet beschlossen wurde. Chef des Sicherheitsdienstes und der SD wurde, nachdem Heydrich einem Attentat zum Opfer gefallen war, Ernst Kaltenbrunner (1903 – 1946). Kaltenbrunner war nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich für die Gestapo unter anderem für Ausreisegenehmigungen zuständig gewesen und stellte die finale Hürde für Juden dar, die aus dem Reichsgebiet fliehen wollten. Da Heydrich an den Folgen eines Attentats gestorben war, Himmler bei Kriegsende Selbstmord begangen hatte und Müller seit Kriegsende als verschollen galt, war Kaltenbrunner der einzig ranghohe Verantwortliche für die Gestapo, dessen die Alliierten habhaft werden konnten. Er wurde bei den Nürnberger Prozessen angeklagt, zum Tode verurteilt und gehängt.
Topografie des Terrors
Heute erinnert die Topographie des Terrors in Berlin an die grausame Herrschaft der Gestapo und des NS-Regimes. Auf dem Gelände, wo einst die Zentrale der Geheimen Staatspolizei stand, befindet sich nun ein Dokumentationszentrum, das die dunkle Vergangenheit dieses Ortes beleuchtet.
Das 2010 eröffnete moderne Gebäude beherbergt eine umfangreiche Ausstellung, die die Strukturen und Methoden des NS-Terrorsystems offenlegt. Besucher können sich hier eingehend mit den Tätern, ihren Verbrechen und dem Schicksal der Opfer auseinandersetzen. Im Außenbereich zeugen erhaltene Kellermauerreste von den einstigen Gebäuden der SS und Gestapo.
Die Topographie des Terrors ist mehr als nur ein Museum – sie ist ein Ort der Mahnung und des Lernens. Jährlich kommen Hunderttausende hierher, um sich kritisch mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die zentrale Lage in Berlin, unweit des Potsdamer Platzes und neben einem Reststück der Berliner Mauer, macht die Gedenkstätte zu einem Symbol für die Überwindung der Diktaturen des 20. Jahrhunderts in Deutschland.
Literatur und Links
Robert Gellately: „Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933–1945“, Schöningh, Paderborn 1993.
Jacques Delarue: „Geschichte der Gestapo“, Droste/Athenäum, Frankfurt am Main 1986.
https://www.topographie.de/historischer-ort/gestapo/