SS-Chef Heinrich Himmler – SS-Führer und Massenmörder
Heinrich Himmler zählt zu den zentralen Figuren des Nationalsozialismus und Hauptverantwortlichen des Holocaust. Er avancierte in den 1920er-Jahren zum Reichsredner und Parteifunktionär. 1929 berief ihn Adolf Hitler an die Spitze der Schutzstaffel (SS), die zum damaligen Zeitpunkt noch der Sturmabteilung (SA) unterstand. Als Chef der deutschen Polizei, Reichsführer-SS und Reichsinnenminister war er spätestens ab 1943 die zweitmächtigste Person des NS-Staats.
Kindheit, Jugend und Ausbildung
Heinrich Himmler wurde am 7. Oktober 1900 in München, der damaligen Hauptstadt des Königreichs Bayern, geboren. Er entstammte einem wohlhabenden und katholisch geprägten Elternhaus. Sein Vater verfügte als Gymnasialprofessor über enge Beziehungen zum bayerischen Königshaus. Die strenge Religiosität und die zu Beginn des 20. Jahrhunderts allgegenwärtige nationalistische Stimmung prägten Himmlers Erziehung.
Obwohl er ein kränkliches Kind war, strebte er eine Laufbahn als Offizier im Heer des Kaiserreiches an.
Seine Einberufung zum Heeresdienst im Jahr 1917 beendete diese Ambitionen. Aufgrund des Endes des Ersten Weltkriegs absolvierte Himmler nur die Grundausbildung und wurde nach der deutschen Niederlage aus der Armee entlassen. Er schloss sein Abitur ab und widmete sich von 1919 bis 1922 einem Studium der Landwirtschaft an der Technischen Hochschule München. Er beendete das Universitätsstudium mit einem Diplomexamen und war für kurze Zeit als Laborassistent tätig.
Heinrich Himmlers Entwicklung zum Nationalsozialisten
Die junge Weimarer Republik befand sich zu Beginn der 1920er-Jahre in einer tiefen Krise. Kommunisten, Sozialisten, Nationalisten und Monarchisten sprachen dem ersten demokratischen System auf deutschem Boden die Legitimität ab. Die wirtschaftliche Lage war desolat und die Arbeitslosigkeit hoch. Himmler war fasziniert von den politischen Entwicklungen in der bayerischen Hauptstadt, sodass er beschloss, seine Tätigkeit als Laborassistent aufzugeben, um die Politik mitzugestalten. Über den ebenfalls aus München stammenden Ernst Röhm fand er Anschluss an den Wehrverband „Reichskriegsflagge“. Wenige Monate später, im August 1923, trat er der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Himmler beteiligte sich im selben Jahr am gescheiterten Novemberputsch unter der Führung Adolf Hitlers.
In den Folgejahren verdingte er sich als Mitarbeiter von Gregor Strasser und wurde Mitglied der radikal-völkischen Artamanenbewegung. Himmlers Bindungen zur nach dem Putschversuch verbotenen und 1925 wieder zugelassenen NSDAP verstärkten sich. Von Strasser übernahm er das ideologische Gedankengut, das sein späteres Handeln im NS-Staat prägte. Trotz seiner streng religiösen Erziehung brach Himmler mit der Kirche und er entwickelte eine zunehmend antisemitische Haltung. Zudem zeigte er offen seine Verachtung und Feindseligkeit gegenüber den slawischen Völkern.
Heinrich Himmler als Parteifunktionär
Nach der Wiederzulassung der NSDAP im Jahr 1925 bekleidete Himmler das Amt des stellvertretenden Gauleiters in Niederbayern, 1926 übernahm er die entsprechende Position in Oberbayern; ebenso trat er der SS bei.
Er beeindruckte Adolf Hitler durch seine rhetorisch geschickten, von tiefem Antisemitismus geprägten Reden.
1928 heiratete er Margarete Boden und versuchte sich erfolglos als Hühnerzüchter. Dabei handelte es sich um Himmlers letzten Versuch, außerhalb der Politik Fuß zu fassen.
Mit der Ernennung zum Reichsführer-SS am 6. Januar 1929 wurde er zu einem der mächtigsten Funktionäre in der NSDAP. Himmler bekleidete nun den höchsten Dienstgrad der Schutzstaffel, die zur damaligen Zeit noch der SA unterstand und rund 280 Mitglieder zählte. Gleichwohl war dieser Titel rechtlich bedeutungslos und nicht mit besonderen Privilegien verbunden.
Die SS entwickelte sich zu einem Sicherheitsorgan und galt spätestens ab dem Beginn der 1930er-Jahre als interne Polizeieinheit der NSDAP. Diesen Status festigte die Schutzstaffel, nachdem sie den von Walther Stennes im April 1931 in Berlin geführten SA-Aufstand niedergeschlagen hatte.
Himmler prägte die SS nach seinen Vorstellungen: Sie wurde zu einem reinrassigen Blutorden, der sowohl nachrichtendienstliche als auch polizeiliche Aufgaben übernahm und zur Keimzelle eines neuen germanischen Reichs werden sollte. Beitrittsanwärter mussten ihre „arische“ Abstammung nach- und bestimmte körperliche Merkmale aufweisen; zudem schwor jedes SS-Mitglied einen Treueeid auf den „Führer“.
Himmlers Aufstieg ab 1933
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung am 30. Januar 1933 nahm Himmler zunächst eine bescheidene Position ein. Er übernahm das Amt des kommissarischen Polizeipräsidenten von München. Ab dem 1. April 1933 führte er die offizielle Bezeichnung „Politischer Polizeikommandeur Bayern“.
Himmler nutzte in den folgenden Monaten die Rivalitäten zwischen verschiedenen staatlichen Behörden und Parteifunktionären und übernahm auf diesem Weg die Leitung aller politischen Polizeiabteilungen im Reich, mit Ausnahme von Preußen. Seine Machtfülle nahm zu, als Hermann Göring ihn zum Leiter des „Geheimen Staatspolizeiamtes“ in Berlin ernannte. Dadurch wurde er zum stellvertretenden Chef der Gestapo in Preußen. Vorausgegangen war der beginnende Konflikt zwischen der SA unter Ernst Röhm und den Parteispitzen der NSDAP.
Himmler zentralisierte ab 1934 die Gestapo als politische Polizei und erkannte den von Reinhard Heydrich geführten Sicherheitsdienst (SD) als einzigen Nachrichtendienst der Partei an. Zudem stellte er die Konzentrationslager unter die alleinige Verantwortung der SS. Himmlers zunehmend bedeutende Position spiegelte sich in der Tatsache wider, dass er ab Sommer 1934 allein der Befehlsgewalt des Führers unterstellt war.
Nach der Ermordung der SA-Spitzen in der „Nacht der langen Messer“ wurde die SS ab Juni 1934 endgültig aus der Organisationsstruktur der Sturmabteilung herausgelöst. Hitler ernannte Himmler am 17. Juni 1936 zum Reichsführer-SS und zum Chef der deutschen Polizei, wodurch er eine zentrale Stellung in der nationalsozialistischen Hierarchie einnahm.
Als Polizeichef war er die hauptverantwortliche Person für die Verfolgung, Internierung und Ermordung homosexueller Männer auf dem Gebiet des Deutschen Reichs. 1936 gründete er die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ als polizeiliche Sonderabteilung. Ebenfalls leitete er das Lebensborn-Programm, dessen Hauptziel in der Geburt von Kindern bestand, deren genetische Merkmale das NS-Regime als besonders wertvoll ansah.
Reichsführer SS und Hitlers Vertrauter während des Zweiten Weltkriegs
Hitler ernannte Himmler rund eine Woche nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zum „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkssturms“. In dieser Rolle war er verantwortlich für die sogenannte Eindeutschung der besetzten Gebiete im überfallenen Polen. Himmler trug die maßgebliche Verantwortung für die Vertreibung und Ermordung der jüdisch-polnischen Bevölkerung sowie für die Ansiedlung der „Volksdeutschen“.
In den frühen 1940er-Jahren trieb er die Umsetzung der antijüdischen Politik voran. Hitler beauftragte ihn 1941, die „Endlösung der Judenfrage“ umzusetzen. Als oberster Dienstherr der SS, die die Aufsicht über die Konzentrationslager führte, war er maßgeblich am industrialisierten Massenmord an etwa sechs Millionen Menschen beteiligt.
Unter Himmlers Leitung richteten SS- und Polizeieinheiten Gettos in den besetzten Gebieten ein. Diese Einheiten errichteten zudem neue Konzentrationslager und waren für zahlreiche Kriegsverbrechen in verschiedenen Ländern Europas verantwortlich.
Im Verlauf des Krieges übernahm Himmler eine Vielzahl weiterer Ämter. Er wurde zum Reichsinnenminister ernannt, zum Generalbeauftragten für die Reichsverwaltung, zum Befehlshaber des Ersatzheeres und zum Chef der Heeresrüstung. Trotz des scheinbar unaufhaltsamen Wachstums seiner Macht stieß Himmler immer mehr an die Grenzen des Möglichen. Speziell scheiterte er daran, seinen Einfluss auf die Wehrmacht und weitere Behörden auszubauen. Die zunehmend belasteten Verhältnisse zu anderen Parteifunktionären erschwerten es Himmler, die ihm untergebene SS zu kontrollieren, insbesondere soweit deren Kompetenzen mit denen der regulären Kampfeinheiten kollidierten. Sein Streben nach weiterer Macht führte somit im Verlauf des Krieges zu einem faktischen, wenngleich nicht formal bestätigten Machtverlust.
Nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad schwand Himmlers Glaube an einen Sieg im Zweiten Weltkrieg. Ab 1943 versuchte er, sich mit den Alliierten zu arrangieren, obwohl er sich weiterhin als treuer Gefolgsmann des Führersbetrachtete. Ebenso bestehen vage Hinweise darauf, dass Himmler in Kontakt zu Oppositions- und Widerstandsgruppen innerhalb des Dritten Reichs stand.
Dennoch hielt er am 4. und 6. Oktober 1943 die geheimen Posener Reden vor den SS-Gruppenleitern und Gauleitern. Er gewährte diesen einen Einblick in die „weitgehend abgeschlossene“ Vernichtung der europäischen Juden, die er unverblümt als „Ausrottung des jüdischen Volkes“ bezeichnete. Für die Umsetzung der sogenannten Endlösung lobte Himmler die SS und hob hervor, dass die Mitglieder der Schutzstaffel stets „anständig“ geblieben waren. Er forderte die Zuhörer auf, Stillschweigen über die Inhalte der Posener Reden zu wahren.
Ab Oktober 1944 war Heinrich Himmler für die Bildung des deutschen Volkssturms und der Werwolf-Verbände verantwortlich. Obwohl er keine militärische Führungserfahrung hatte, ernannte ihn Hitler im November zum „Oberbefehlshaber Oberrhein“. Sein Ziel bestand im Aufbau einer Abwehrfront im Westen, nachdem die alliierten Truppen am 21. Oktober 1944 mit Aachen die erste Stadt auf deutschem Territorium erobert hatten.
Nachdem die Ardennenoffensive im Dezember gescheitert war, übernahm Himmler im Januar 1945 den Oberbefehl über die Heeresgruppe Weichsel, die die Aufgabe hatte, die vorrückende Rote Armee aufzuhalten. Die Reorganisation der demoralisierten Verbände überforderte ihn. Im März 1945 enthob Hitler Himmler vom Posten des Oberbefehlshabers der Heeresgruppe Weichsel und kritisierte ihn aufs Schärfste für die zahlreichen militärischen Misserfolge.
Waffen-SS und Vernichtungslager: Himmler in der Endphase des Krieges
Wenige Wochen vor dem Kriegsende, als die Niederlage des Dritten Reichs nicht mehr abzuwenden war, befahl Himmler, keinen Insassen der Arbeits- und Konzentrationslager am Leben zu lassen. Dieser Befehl führte zu Massenhinrichtungen und Todesmärschen, bei denen Hunderttausende Menschen starben.
Ebenso ordnete Himmler die Inbrandsetzung von Konzentrationslagern an, um Beweise für die deutschen Gräueltaten zu vernichten. Er erließ außerdem den sogenannten Flaggenbefehl, der es erlaubte, jede männliche Person mit einer weißen Fahne sofort zu erschießen. Ende April 1945 unternahm es Himmler, mit dem US-amerikanischen Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower in Kontakt zu treten. Er versuchte, eine einseitige Kapitulation gegenüber den Westmächten auszuhandeln. Himmler überschritt seine Kompetenzen, indem er den Diktator mit diesen Sondierungsversuchen überging. Als Hitler davon erfuhr, war er außer sich vor Wut. Er enthob Himmler von allen Posten und schloss ihn aus der NSDAP aus.
Adolf Hitler beging am 30. April 1945 Suizid. Heinrich Himmler versuchte, sich über die sogenannte Rattenlinie Nord nach Flensburg abzusetzen. Am 21. Mai 1945 geriet er in britische Gefangenschaft. Da er ein gefälschtes Identifikationspapier vorlegte, blieb er unerkannt. Die Briten verlegten ihn über mehrere Stationen ins niedersächsische Lüneburg, wo er seine Identität preisgab. In einer Dienststelle des britischen Nachrichtendienstes beging Himmler Suizid, indem er eine in der Mundhöhle befindliche Zyankalikapsel zerbiss.
Rezeption: Massenmörder und Stütze des NS Terrors
Historiker sehen Himmler als einen der Hauptverantwortlichen für den Holocaust und weitere Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus an. Er war ein fanatischer Antisemit und überzeugter Nationalsozialist, der sich der Tragweite der von ihm angeordneten Befehle bewusst war. Einige Historiker beschreiben ihn als einen komplexen Charakter, der von den nationalsozialistischen Idealen einerseits und seinem persönlichen Fanatismus andererseits getrieben wurde. Unabhängig von seiner Motivation gilt Heinrich Himmler als Symbol für die Schrecken des Nationalsozialismus und den kaltblütig geplanten und umgesetzten industriellen Massenmord an Millionen von Menschen während des Holocaust.
Literatur
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