Bevor polnische und sowjetische Truppen am 22. April 1945 das Konzentrationslager Sachsenhausen zur Befreiung erreichten, tötete die Lager-SS Tausende von über 33.000 verbliebenen KZ-Häftlingen. Den Todesmarsch leitete die Schutzstaffel in der Nacht zum 21. April 1945 ein, indem sie Häftlingskolonnen in Richtung Ostsee in den sicheren Tod schickte. Doch die ersten Morde im begannen dort schon im Gründungsjahr 1936. Im November markierte der Mord an dem Gefangenen Gustav Lampe den traurigen Anfang einer Mordserie, bei der die SS die Gefangenen folterte, erhängte, erschoss und vergaste. Sechzehn Jahre nach der Befreiung, am 22. April 1961, erfolgte auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Hauptlagers die offizielle Einweihung der nationalen Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen.
Nicht zu verwechseln ist das von den Inhaftierten aus den Emslandlagern errichtete ehemalige KZ mit dem KZ Oranienburg. Es bestand von 1933 bis 1934 und lag, wie auch das KZ Sachsenhausen, in der Stadt Oranienburg. Weil die kraftvollste Darstellungsform der nationalsozialistischen Ideologie in der Architektur lag, spiegelte die Einrichtung den totalen Herrschaftsanspruch wider – auch im Sinne eines Modell- und Schulungslager. Aufgrund der Nähe zur Reichshauptstadt des Großdeutschen Reiches kam dem KZ bei Berlin mit der Geometrie des Terrors daher eine besondere Bedeutung zu.
Das als gleichschenklige Dreieck angelegte Schutzhaftlager prägte der SS-Architekt Bernhard Kuiper durch schlichte Symmetrien und Achsen – die unverkennbaren Elemente der architektonischen NS-Handschrift. Als zentraler Kontrollpunkt fungierte der mit einem Maschinengewehr ausgestattete Turm A, auf den das ganze KZ Sachsenhausen ausgerichtet war.
Wie sehr die SS die KZ-Häftlinge von dort aus kontrollierte, zeigt die von 1943 stammende Bleistiftzeichnung des niederländischen Häftlings Jan Budding: Beim Morgenappell treten die im Halbkreis angeordneten Insassen auf dem Appellplatz an, die Blicke auf Turm A gerichtet. Nach der Pogromnacht im November 1938 füllte sich dieser Platz mit circa 6000 jüdischen Männern, die dort 24 Stunden ohne jede Bewegung stehen mussten. Viele überlebten diese Tortur nicht, brachen zusammen und starben an Ort und Stelle. Mithäftlinge durften ihnen nicht helfen. Eine vom Lagerführer Rudolf Höß veranlasste ähnliche Aktion erfolgte im Januar 1940. Im Rahmen eines Dauerappells mussten über 800 Inhaftierte bis in die frühen Morgenstunden in eisiger Kälte auf dem Appellplatz stehen. In jenem Monat starben etwa 700 Menschen – die bis dahin höchste monatliche Sterberate im Konzentrationslager Sachsenhausen.
Zwei Jahre nach der Gründung erwies sich das Konzentrationslager Sachsenhausen als zu klein. Für die zahlreichen neuen Häftlinge gab es zu wenige Baracken. So mussten die sie die bereits bestehenden 50 Baracken um weitere 18 erweitern. Doch selbst diese gaben der hohen Anzahl an Gefangenen nicht ausreichend Raum. Deshalb waren sie ständig überfüllt. Von „wüstem Gedränge“ und einer „unbeschreiblichen Enge“ berichtete der deutsche politische HäftlingWolfgang Szepansky in seinen Aufzeichnungen. Er war einer der wenigen, die das KZ überlebten. Es zählte insgesamt 68 Baracken, die ein SS-Mann zu jedem Zeitpunkt von Turm A aus beschießen konnte.
Der Zellenbau mit 80 Zellen war durch eine Mauer vom Häftlingslager getrennt. Dort ließ die SS die Gefangenen unfassbar grausame Tortouren durchleben. Viele überlebten sie aufgrund der Schwere der Verletzungen nicht.
Neben „Pfahlhängen“ gehörten der Dunkelarrest sowie die Prügelstrafe auf dem Prügelbock zu den „Lagerstrafen“, die die Häftlinge die „25-Behandlung“ nannten. Mit 25 oder mehr Schlägen auf das Gesäß verprügelten SS-Männer die Insassen, wobei sie nicht selten auch die Nieren der Menschen kaputtschlugen. Heimlich sammelten die KZ-Gefangenen Margarineverpackungen, um die verletzten Bereiche am Gesäß zu behandeln. Vielen half das jedoch nicht.
Ab 1942 mussten Gefangene die Prügelstrafe an ihren Mitinsassen öffentlich auf dem Appellplatz vollziehen. Im selben Jahr vollzogen die SS-Täter auch öffentliche Hinrichtungen auf dem Appellplatz. Nach dem Aufbau der Galgen fand mit dem KZ-Häftling Hans Tröbel die erste Hinrichtung durch Erhängen statt. Bis zum Kriegsende dauerten die Morde dieser Art an. Mithäftlinge zogen die Opfer mit einer Winde hoch. Später stellten sich die Opfer auf ein Podest, das ein Gefangener wegtreten musste.
Tote kamen in das 1942 errichtete Krematorium, das die Bezeichnung „Station Z“ trug. Die auf diese zynische Weise ausgedrückte letzte Station des Häftlingslebens endete in einem der vier Krematoriumsöfen. Später kamen ein Tötungsbereich mit einer Genickschussanlage hinzu sowie 1943 eine Gaskammer. So ermordete die SS große Gruppen unauffällig. Der deutsche politische Häftling Harry Naujoks erinnerte in seinen Schriften an die SS-Leute, die den Neuzugängen den Schornstein des Krematoriums als einzigen Weg in die Freiheit verdeutlichen.
Zwischen dem Gründungsjahr des KZ-Lagers und dem Kriegsende 1945 wurden mehr als 200.000 Menschen in Sachsenhausen inhaftiert. Für eine Kategorisierung teilte die SS die Inhaftierten in Gruppen ein, die bis zur Befreiung politische Gefangene, Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, Asoziale, sogenannte Berufsverbrecher und später auch alliierte Gefangene sowie ausländische Zwangsarbeiter umfassten. Auf ihrer Kleidung trugen sie Winkel unterschiedlicher Farbe. Mit diesen Häftlingswinkeln kennzeichnete die SS sie als Angehörige einer bestimmten Häftlingskategorie.
Kurz nach Beginn des Krieges, im September 1939, begannen die Nationalsozialisten mit Massenverhaftungen politischer Gegner wie Angehörige der Zentrumspartei oder der verbotenen Freien Gewerkschaft. Im selben Monat verhaftete die SS auf Befehl von Gestapo-Chef Reinhard Heydrich männliche polnische und staatenlose Juden und ließ sie in das Konzentrationslager Sachsenhausen bringen.
Die bis Dezember 1939 dauernde Verhaftungswelle erfasste mehr als 1000 Juden. Im sogenannten „kleinen Lager“ quälten SS-Männer die Inhaftierten oft zu Tode. Ebenfalls im September 1939 fand mit der Erschießung des Zeugen Jehovas-Angehörigen August Dickmann die erste Exekution auf dem Appellplatz des KZ Sachsenhausen statt. Auch tschechische Studenten fielen der Gestapo nach dem Gründungstag der Republik zum Opfer. Als Häftlinge mussten sie Betonfundamente im Klinkerwerk zerlegen. Im Gegensatz zu den anderen KZ-Insassen entließ die SS die meisten Studenten aber wieder.
Mit der „Sonderaktion Krakau“ im November 1939 verschleppten SS-Männer 169 polnische Wissenschaftler in das vollkommen überfüllte Lager, das in nur drei Monaten auf 12.200 Häftlinge anstieg. Mit 600 Personen bildeten polnische KZ-Insassen die größte Gruppe. Hunger, katastrophale Lebensbedingungen sowie die zunehmende Brutalität der SS prägten den Alltag des KZ-Lagers. Mit der Ermordung von über 10.000 sowjetischen Kriegsgefangenen markierte die größte Massenmordaktion im KZ Sachsenhausen einen weiteren erschütternden Höhepunkt in der deutschen Geschichte.
Mit dem Massentransport aus dem nahe Paris gelegenen Gefängnis Compiègne kamen 1943 nochmals 1600 Männer hinzu. Viele jüdische Häftlinge, die 1944 und Anfang 1945 über zahlreiche Massentransporte den Ort erreichten, setzte die SS auch für den Bau der Außenlager zur Zwangsarbeit ein. Im Außenlager Lieberose im Südosten Brandenburgs beging die SS Anfang Februar 1944 einen weiteren Massenmord an mehr als 1300 Juden.
Die Evakuierung des Konzentrationslagers Sachsenhausen begann Anfang Januar 1945 mit ersten Anweisungen. Ab dem 23. Januar wurden Häftlinge aus den östlichen Außenlagern, die der heranrückenden Roten Armee nahe lagen, evakuiert. Dies führte zu Todesmärschen in Richtung Sachsenhausen und einer Massenerschießung im Außenlager Lieberose. Trotz eines erteilten und dann zurückgezogenen Evakuierungsbefehls für das Lager Sachsenhausen wurden am 2. Februar 144 Menschen von einem SS-Kommando getötet.
Die eigentliche Räumung von Sachsenhausen durch die SS startete am Morgen des 21. April 1945, als die Rote Armee nur noch wenige Kilometer entfernt war. Von den verbliebenen 36.000 Menschen wurden 33.000 in Gruppen zu je 500 Personen nordwestlich marschiert. Aufgrund mangelnder Verpflegung und des kalten Wetters starben viele an Erschöpfung oder wurden von der SS erschossen, obwohl das Rote Kreuz Lebensmittelpakete verteilte und so viele Leben rettete. Tausende starben auf diesen Todesmärschen.
In Raben Steinfeld südöstlich von Schwerin gibt es eine Gedenkstätte für die Opfer dieser Märsche. Ab dem 23. April 1945 wurden rund 18.000 im Belower Wald nahe Wittstock/Dosse zusammengeführt, wo sie bis zum 29. April verblieben. Die Überlebenden trafen schließlich auf Einheiten der Roten Armee und der US Army, nachdem sie von den SS-Wachen verlassen wurden.
Am 22. und 23. April befreiten sowjetische und polnische Truppen das Hauptlager und fanden rund 3.000 Kranke, Ärzte und Pfleger vor. In den Wochen danach starben mindestens 300 ehemalige Insassen an den Folgen der Haft und wurden in Massengräbern nahe dem Krankenrevier beigesetzt. Die Befreiten wurden zusammen mit Gefangenen aus anderen Lagern in Schweriner Kasernen untergebracht. Viele Westeuropäer kehrten im Mai in ihre Heimatländer zurück, während zehntausende osteuropäische Displaced Persons zunächst in Repatriierungslagern überprüft wurden.
Seit 1993 dient das Gelände des früheren Konzentrationslagers Sachsenhausen als Ort für Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen. Diese Einrichtung ist zuständig für die Präsentation von Ausstellungen und die Durchführung von Forschungsarbeiten, die sich auf die Historie des Lagers konzentrieren. Die thematischen Schwerpunkte des Museums beinhalten die Darstellung der Geschichte des KZ Oranienburg, verschiedene Facetten des KZ Sachsenhausen einschließlich des darauf folgenden sowjetischen Speziallagers sowie die Entwicklungsgeschichte der Gedenkstätte selbst.
Literatur
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. C.H. Beck, München 2006.
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Dachauer Hefte. Studien und Dokumente zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.
Stephanie Bohra: Tatort Sachsenhausen. Strafverfolgung von KZ-Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland. Metropol, Berlin, 2019.
Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt. Die Geldfälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen. Hentrich & Hentrich, Berlin 2004.
Hans Coppi: Sowjetische Kriegsgefangene im Konzentrationslager Sachsenhausen. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft I/2003.
Gerhard Finn: Sachsenhausen 1936–1950. Geschichte eines Lagers. Westkreuz-Verlag, Berlin/Bonn 1988.
Website der Gedenkstätte (Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten)