Hinzert. Umgeben von Ackerbau und Forst, direkt an einer Bundesstraße gelegen, befindet sich heute versteckt und unscheinbar die Gedenkstätte eines SS-Konzentrationslagers. Das KZ Hinzert ist nur eines der insgesamt 24 Stammlager, dem selbst 29 Außenlager unterstellt waren.
Unweit der luxemburgischen Grenze errichtet, bestand es mit seinen wechselnden Funktionen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde 1945 geräumt und verschwand fast vollständig. Bis zu seinem letzten Bestandstag durchliefen etwa 14.000 männliche Häftlinge, allesamt zwischen 13 und 80 Jahre alt, das Lager. Hier sollen sogenannte „Arbeitsscheue“ innerhalb von drei Wochen unter Folter und unvorstellbaren Qualen umerzogen werden. In das SS-Sonderlager Hinzert, welches einen Bestandteil des Gesamtlagers darstellt, hatte man „rückfällig gewordene oder notorische Faulenzer und Gewohnheitstrinker“ eingewiesen.
Die heute belegbare Anzahl von 321 Toten im Konzentrationslager Hinzert ist zurückzuführen auf Massenmorde und Folter durch das Lagerpersonal, aber auch auf Hungertode aufgrund von Überfüllung und die Verwehrung medizinischer Versorgung. Nach Schilderungen ehemaliger Häftlinge ist jedoch von einer großen Dunkelziffer und damit von weit mehr Opfern auszugehen.
In aller Öffentlichkeit hatte man Menschen aller Berufsgruppen, so etwa Eisenbahnarbeiter, Professoren oder Dachdecker zum Tode verurteilt. Sie fanden ihren Namen in der Bekanntmachung des Standgerichts: einem Ausnahmegericht, das gegen alle Taten vorging, die die deutsche Kampfkraft und Kampfentschlossenheit gefährdeten.
Das Konzentrationslager Hinzert war kein Vernichtungslager und verfügte über keine Tötungsanlagen wie Gaskammern oder Genickschussanlagen. Dennoch kam es neben bestialischen Morden auch zu angeordneten Sonderbehandlungen. Eine davon war die Tötung von 70 sowjetischen Polit-Kommissaren (1941), eine zweite die Ermordung von 23 luxemburgischen Widerstandskämpfern (1944). Erschießungen und der Einsatz von Zyankali-Spritzen, unter dem Vorwand einer medizinischen Untersuchung, zählten zu den gängigen Methoden. Um den Verwesungsprozess der Leichen zu beschleunigen und die toten Körper zu zersetzen, übergoss man sie mit Chlorkalk. Die Opfer, einschließlich der Luxemburger Widerstandskämpfer, waren nicht mehr identifizierbar.
Ein Verhör soll in der Regel unter Folter und gleichzeitig zum Verhör eines oder zweier anderer Gefangener durchgeführt worden sein. Berichten Überlebender zufolge erlaubte einer der Verhörräume – aufgrund seiner Ausstattung als Waschraum – das Beseitigen von Spuren, die durch Misshandlungen entstanden waren. Zudem stellten die Verantwortlichen der Gestapo widersprüchliche Aussagen der Gefangenen unmittelbar gegenüber. Die allgemeine Taktik der Gestapo wird heute als „Einschüchterungsmethode, seelische Zermürbung oder als Vernichtung seelischer Spannkraft“ beschrieben.
Die Mischung aus falschen Versprechungen, scheinbar gütigen Zusprüchen und zunächst freundlich wirkenden Gesten (etwa das Angebot einer Zigarette), gepaart mit verbalen Attacken und wüsten Drohungen, setzten den Gefangenen zu. Drohungen bezogen sich sowohl auf Verletzungen oder den Tod des Gefangenen selbst, als auch auf die Verschleppung und Umsiedelung seiner Familie. Zeitzeugen berichten von Tritten, ausgerenkten Gliedern, einer Dunkelzelle und dem Stehbunker.
Die Vortäuschung bereits erhaltener Geständnisse von Mithäftlinge ist tatsächlich eine Methode, die auch heute noch von vielen Vernehmenden angewandt wird. Durch den Druck, unter den der Betroffene geriet, war dieser nun eher zu einem Geständnis bereit, wusste aber nicht, wie viel die Gestapo tatsächlich bereits erfahren hatte. Mit einem Geständnis bot man neue Informationen; das Schweigen wurde mit schweren Misshandlungen bestraft, falls tatsächlich bereits weitreichendes Wissen vorhanden war. Nicht selten konfrontierte die Gestapo die Gefangenen mit bereits vorhandenen Informationen, um deren Ausweglosigkeit aus ihrer Situation zu verdeutlichen. Dies konnte in Form einer Mitgliederliste der LVL-Widerstandsgruppe geschehen, oder auch durch das Vorlegen der angelegten Akte über den verhörten Gefangenen selbst. In einer Vielzahl von Fällen entsprach das Wissen über eine Person jedoch den Tatsachen.
Auch soll es Fälle gegeben haben, in denen ein Geständnis unter vorgehaltener Pistole erzwungen wurde. Bekannt war auch die heute als „good cop, bad cop“ bezeichnete Taktik, in der ein Gestapo-Beamter freundlich eine Zigarette anbot, und der zweite bei weiterer Schweigsamkeit dem Verhörten eine Pistole an die Brust hielt, so eine Aussage des Zeugen Auguste Schoettert.
Auch die körperlich entblößte Vorführung Vernommener vor allen anderen Gefangenen sollte die Machtlosigkeit ebendieser vor Augen führen. Ein Blick auf die Spuren durch Misshandlungen sollte abschreckend wirken und zu Geständnissen führen. Das Gegeneinander-Ausspielen, etwa indem einer der Gefangenen das Angebot bekam, als V-Mann zu fungieren, stand ebenfalls auf der Liste der Methoden, die die Gestapo anwandte.
Zeigten psychische Methoden und „leichte“ Misshandlungen keine Erfolge, ging man zu anderen Foltermethoden über: Fußtritte, Faustschläge, Stock- und Peitschenhiebe. 50 Schläge mit einem Gummiknüppel oder der Ochsenziemer, der unter Gestapo-Beamten als äußerst beliebt galt. Um nicht ausweichen oder fliehen zu können, waren die Opfer meist mit Handschellen gefesselt. Waren Aussagen der Gefangenen unzufriedenstellend, wurden sie mitunter mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen, gewürgt oder der Wasserfolter unterzogen. Viele der Foltermethoden waren Bestandteil der sogenannten verschärften Vernehmung – ein Euphemismus, der besagt: Geständnisse sollen unter Anwendung von Foltermethoden und Misshandlungen routinemäßig erzwungen werden.
Der ursprünglich Führererlass über geheime Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten hatte verheerende Folgen: Rund 7.000 Menschen aus mehreren Ländern, die des Widerstands verdächtigt wurden, wurden nach Deutschland verschleppt, heimlich abgeurteilt oder bei erwiesener Unschuld in Haft behalten. Etwa 2.000 davon aus Frankreich und den heutigen Benelux-Staaten landeten im KZ Hinzert. Ihnen jeder Kontakt nach außen hin verwehrt: Angehörige erhielten keine Auskünfte über ihren Verbleib, Briefkontakt war verboten. Als eine Möglichkeit der psychologischen Kriegsführung sollte das spurlose Verschwinden der Nacht-und-Nebel-Gefangenen als Abschreckung dienen.
Bekannt wurde dieser Erlass erst im Zuge der Nürnberger Prozesse gegen Hauptkriegsverbrecher und das Oberkommando der Wehrmacht, 1945 bis 1949.
Im Jahr des Massenmordes an den Luxemburger Widerstandskämpfern erhielt das KZ einige Außenstellen. Häftlinge der Außenlager fanden ihren Einsatz häufig auf Flugfeldern, wo sie Landebahnen erweiterten und Bombentrichter einebneten. Solche Außenlager waren in der Regel temporäre Einrichtungen, die jeweils der Verfügungsgewalt ihres Stammlagers unterlegen waren.
Der überwiegende Großteil der Häftlinge war ausländischer Herkunft. Zu ihnen zählten französische Nacht-und-Nebel-Gefangene (auch „NN-Gefangene“) und luxemburgische Staatsbürger. Ihnen zu Ehren ließen Luxemburger im Jahr 1945 das berühmte Hinzerter Kreuz errichten; mit einem beschrifteten Gedenkstein auf Deutsch und Luxemburgisch.
Kurz darauf, 1946, errichtete die französische Militärregierung ein Ehrengrab. Alle nicht identifizierten Leichen, die im Zuge der Exhumierung in den Massengräbern gefunden wurden, erfuhren eine ehrenvolle Beisetzung auf dem Gelände des einstigen Mannschaftslagers. 1948 kam es zur Einweihung der Friedhofskapelle.
Dass die Geschichte des Ortes auch Jahre später noch präsent ist, zeigt die Errichtung der Dokumentations- und Begegnungsstätte im Jahre 1986. Aus diesem Jahr geht auch die Gedenkstätte KZ Hinzert des ehemaligen Häftlings Lucien Wercollier hervor, eines luxemburgischen Bildhauers. 1989 entstand in Eigeninitiative der private Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte e. V..
Die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz legte später, 1991 bis 1992, eine allgemeine Gedenkstättenkonzeption für Rheinland-Pfalz vor, die auch die Lager Hinzert und Osthofen beinhaltete. Ihr folgend installierte man 1994 ein Informationssystem. Dieses erläutert die sogenannten Stätten der Unmenschlichkeit, die sich im Umkreis des Lagers befanden, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch.
Für den Bau des Dokumentations- und Begegnungshauses, errichtet aus Stahl, wurde das Architekturbüro 2006 mit dem Preis des Deutschen Stahlbaues ausgezeichnet. Eröffnet wurde dieses feierlich am 10. Dezember 2005 unter Anwesenheit ehemaliger Gefangener aus Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden. Heute beherbergt das Haus eine Dauerausstellung zur Leidensgeschichte ehemaliger Gefangener und den unverzeihlichen Taten des Lagerpersonals.
Literatur
Uwe Bader, Beate Welter: Das SS-Sonderlager / KZ Hinzert. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen KL. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, auch als Sonderdruck der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz.
Lena Haase, Beate Welter: „Als Einzelgänger eindeutschungsfähig“. Zur Praxis des „Wiedereindeutschungsverfahrens“ im SS-Sonderlager Hinzert. In: Insa Eschebach, Christine Glauning, Silke Schneider (Hrsg.): Verbotener Umgang mit „Fremdvölkischen“. Kriminalisierung und Verfolgungspraxis im Nationalsozialismus. Metropol, Berlin 2023, S. 169–18.
Website der Gedenkstätte des ehemaligen SS-Sonderlagers.