Im heutige Ortsteil Sachsenburg / Irbersdorf der sächsischen Stadt Frankenberg befand sich in Zeiten des Nationalsozialismus das KZ Sachsenburg. Es ist heute weniger bekannt als die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Majdanek, Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald. Die Rolle, welche es spielte, ist dennoch eine düstere. Denn das KZ Sachsenburg war eines der ganz frühen Konzentrationslager. Es existierte von 1933 bis 1937 und galt als ein Experimentierfeld für die spätere Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Die Gedenkstätte Sachsenburg, die an es erinnert, ist somit ein wichtiger Erinnerungsort und Zeugnis dafür, dass der Terror der Nationalsozialisten bereits 1933 mit ihrer Machtergreifung seinen Lauf nahm. Die Einrichtung war ab 1934 das einzige KZ in Sachsen.
Der kleine Ort Sachsenburg war ein Herrensitz mit einem Schloss, das bereits im Jahr 1864 als Verwaltungssitz aufgegeben worden war, und mit einer stillgelegten Spinnerei auf einer vorgelagerten Halbinsel am Fluss Zschopau. Von 1867 bis 1926 fungierte das Schloss Sachsenburg als Gefängnis und später als Volksschulheim, ehe es 1933 die Nationalsozialisten in Besitz nahmen. Es wurde kurzzeitig zu einem sogenannten Schutzhaftlager, das noch im selben Jahr in die benachbarte ehemalige Spinnerei im Zschopautal verlegt wurde. Das Schloss diente der NSDAP weiterhin als Schule für Gauführerinnen der nationalsozialistischen Frauenschaft Sachsen.
Das Gelände mit verschiedenen Gebäuden wurde von der sächsischen Schutzhaftzentrale als Standort für ein großes Konzentrationslager bestimmt und sollte bis zu 2.000 Häftlinge aufnehmen, die zuvor auf viele Haftstätten in ganz Sachsen verteilt waren. Die kleinen Haftstätten, in denen durchaus schon gefoltert wurde, sollten aufgelöst werden.
Zunächst wurden etwa 50 Häftlinge kurzzeitig im Schloss untergebracht. Sie stellten Inventar für das geplante Lager her und wurden zu Umbaumaßnahmen am Schloss selbst herangezogen. Ab Ende Mai 1933 zogen sie in die Produktionshallen der Spinnerei. Hinzu kamen weitere Insassen aus verschiedenen Haftstätten in Chemnitz und Umgebung und aus dem nur kurzzeitig existierenden KZ Plaue in Flöha, das die Nazis nach zahlreichen Verhaftungen provisorisch in einer Turnhalle eingerichtet hatten und das nun ebenfalls aufgelöst wurde. Bei diesen handelte es sich überwiegen um Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaftsführer. Das Wachpersonal bestand zunächst aus Mitgliedern der Sturmabteilung, kurz SA, und aus Mitgliedern der Sturmstaffel, bekannt als SS.
1933 und 1934 wurde das Konzentrationslager Sachsenburg vom SA-Standartenführer Max Hähnel geleitet. Der ehemalige Steuerbeamte aus der Stadt Zschopau wurde vom SA-Führer Kurt Lasch gefördert und 1932 zum Sturmbannführer ernannt. Er war von Anfang an bei der Planung des Konzentrationslagers Sachsenburg dabei und seine Ernennung zum Lagerleiter des sogenannten Schutzhaftlagers war absehbar. Er war für die Haftbedingungen der einzelnen Gefangenen zuständig. Bewacht wurden die Inhaftierten von der Flöhaer SA-Standarte 182. Die Dienstwohnung des Lagerleiters befand sich in der ehemaligen Fabrikantenvilla auf dem Gelände.
Hähnel setze auf die Umerziehung der Insassen. Er glaubte, durch Erziehungsarbeit und Propaganda könne er die abtrünnigen Insassen für den Nationalsozialismus gewinnen. Tätliche Gewalt lehnte er den Quellen zufolge ab. Innerhalb der SA wurde ihm deshalb mangelnde Härte vorgeworfen. In seiner Abwesenheit wurden die Gefangenen von gewaltbereiten SA-Männern dennoch misshandelt. Hähnel selbst galt als launisch. Er konnte freundlich sein, aber auch lautstarke Drohungen aussprechen. An der Volksabstimmung zum Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund im November 1933, an dem auch die Inhaftierte teilnehmen sollten, verweigerte ein Großteil der Insassen ihre Zustimmung. Fortan nahmen die Schikanen zu.
Besuche von Angehörigen wurden immer mehr eingeschränkt. Das Senden von Postkarten aus dem Lager war anfänglich nach Durchlaufen der Zensur noch möglich. Die Häftlinge arbeiteten in Werkstätten innerhalb des Geländes und in verschiedenen Außenkommandos wie einem Steinbruch, dem Siedlungsbau der Stadt Frankenberg und bei der Regulierung des Flusses Zschopau. Zur Einrichtung gehörten zeitweise noch kleinere Außenlager wie Colditz und Augustusburg. Gegen Ende der Amtszeit von Hähnel kam es zu ersten Todesfällen unter den KZ-Insassen.
Im Juni und Juli 1934 fand der sogenannte Röhm-Putsch statt. Die Führungsspitze des SA wurde ermordet und die SS übernahmen auch das SS-Sonderkommando Sachsen, dem das KZ Sachsenburg nun unterstellt war. Das KZ wurde neu organisiert. Seine Organisation sollte sich nun an dem von Theodor Eicke bereits in Dachau eingeführten System orientieren. Eicke war als Inspekteur maßgeblich am Aufbau deutscher Konzentrationslager beteiligt. Er war zudem der Mörder des SA-Führers Ernst Röhm. Das KZ wurde nun zur militärischen Ausbildungsstätte der SS. Ein Schießstand wurde errichtet, an dessen Bau sich die Häftlinge beteiligen mussten.
Gewalt und Folter nahmen zu. Ab 1935 wurde die Prügelstrafe zu einer offiziellen Maßnahme erklärt. Das Lager wurde immer mehr nach außen abgeschottet. Die Häftlinge mussten schwere Zwangsarbeit leisten und wurden mitunter tagelang verhört und misshandelt. Viele verstarben oder wurden ermordet. Für Aufsehen sorgte im Oktober 1935 die Ermordung des Juden Max Sachs, einem ehemaligen Journalisten und Abgeordneten der SPD im Sächsischen Landtag. Erneute Verhaftungswellen sowie die Schließung letzter Außenstellen in Sachsen ließen die Zahl der Gefangenen ansteigen. Zu ihnen gehörten nun nicht mehr nur politische Gegner, sondern auch Geistliche, die sich dem Nationalsozialismus widersetzten, oder Gläubige, die den Wehrdienst verweigerten. Auch kriminelle Inhaftierte wurden dorthin überstellt.
Die SS-Kommandanten und Lagerleiter hießen Max Simon, Karl Otto Koch, der später Lagerleiter des Konzentrationslagers Buchenwald wurde, Walter Gerlach und Bernhard Schmidt. Als sogenannte Schutzlagerleiter fungierten Gerhard Weigel, gefolgt von Arthur Rödl. Die Wachmannschaft war der III. SS-Totenkopfsturmbann Sachsen. Die Männer, die hier eine zweijährige militärische Ausbildung absolvierten, waren im Durchschnitt 23 Jahre alt. Nach Beendigung des Krieges wurde das KZ-Führungspersonal für die Verbrechen im KZ Sachsenburg juristisch nicht belangt. Lediglich Wachmänner wurden auch im Zusammenhang mit Verbrechen in anderen Lagern 1949 vom Landgericht Chemnitz zu Haftstrafen verurteilt.
Das Netz an großen Konzentrationslagern wurde in Deutschland und auf dem Gebiet des heutigen Polens immer weiter ausgebaut. Man strebte eine Zentralisierung in den neu errichteten Todesfabriken an. Im Sommer 1937 wurden alle Häftlinge von Sachsenburg nach Sachsenhausen und Buchenwald transportiert. Anfang September verließen die letzten Häftlinge das Lager. Das Wachpersonal begleitete die sie an ihre eigenen, neuen Wirkungsstätten, wo sie ihre erprobten Foltermethoden weiter fortsetzen konnten. Inzwischen konnten die Namen von über 7.000 in Sachsenburg inhaftierten Insassen ermittelt werden. Die Zahl der Gefangenen lag vermutlich bei mehr als 10.000. Die Anzahl der Toten im KZ Sachsenburg lässt sich kaum noch ermitteln. 19 Namen Verstorbener konnten durch die Forschung verifiziert werden. Die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit wesentlich höher.
Inhaftiert waren viele Gewerkschafter, Politiker, aber auch Zeugen Jehovas. Bekannte Insassen des Konzentrationslagers Sachsenburg waren die Schriftsteller und Autoren Bruno Apitz, Herbert Bochow, Walter Janka und Karl Otto, die Pädagogen Carl Rudolph und Rudolph Strauß, die Widerstandskämpfer, Politiker und Funktionäre Alwin Brandes, Otto Galle, Hugo Gräf, Heinz Gronau, Anton Hagen, Paul Willy Korb, Erich Mückenberger, Kurt Maier, Otto Nebrig, Willy Rösler, Anton Hugo und Max Ernst Saupe, Otto Schön, Paul Johannes Vogelsang sowie Kurt und Gerhard Weck. Auch der Vater des bekannten Dramatikers Heiner Müller, Kurt Müller, wurde im Konzentrationslager Sachsenburg gefangen gehalten.
Das zum Konzentrationslager Sachsenburg umfunktionierte Fabrikgebäude wurde nach der Räumung ab 1938 von der Firma Bruno Tautenhahn wieder als Spinnerei und Textilveredlung genutzt. Hinsichtlich seines Gebäudebestandes ist Sachsenburg heute eines der am besten erhaltenen ehemaligen KZ. Lediglich die „Kommandantenvilla“ war vom Hausschwamm befallen und wurde teilweise abgerissen. Die Stiftung sächsische Gedenkstätten wahrt heute vor Ort mit verschiedenen Projekten die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse zwischen 1934 und 1937.
Literatur
Erich Knorr: Sachsenburg. Dokumente und Erinnerungen. Hrsg. IVVdN e.V. (Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes und ihrer Hinterbliebenen e. V.) 1994.
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.Band 2: Frühe Lager, Dachau, Emslandlager. C.H. Beck, München 2005.
Thiemo Kirmse, Enrico Hilbert (Hrsg.): Sachsenburg Dokumente und Erinnerungen. VVN/BdA-Chemnitz 2009.
Bert Pampel, Mike Schmeitzner (Hrsg.): Sachsenburg (1933-1937). Sandstein, Dresden 2018.
Anna Schüller: Gedenkstätte KZ Sachsenburg – Ringen um einen angemessenen Gedenkort. in: Gedenkstättenrundbrief Nr. 191 vom 1. September 2018, S. 21–35 (Online)