Im Südosten der Hansestadt Hamburg zwischen Curslack und Grünerdeich befindet sich das Areal des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme. Das Gebiet, welches ursprünglich eine Insel zwischen dem großen Elbstrom und der Doven Elbe darstellte, gehört heute zum Stadtteil Elbmarschen Vierlande im Bezirk Hamburg Bergedorf.
Am Dorfrand von Neuengamme im Hamburger Südosten wurde das der SS obliegende Unternehmen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH fündig. Neben einer stillgelegten Ziegelei befanden sich hier großflächige, abgeschiedene gelegene Grundstücke. Bei den Verhandlungen mit der Stadt ging es um ein insgesamt 50 Hektar großes Gelände. Erster regierender Bürgermeister der Hansestadt war zu jener Zeit Carl Vincent Krogmann, welcher im Senat durch den NS-Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann politisch jedoch völlig entmachtet war. Bei den Kaufverhandlungen mit der Stadt wurden sich SS-Verwaltung und Senat schnell einig.
Da das zu errichtende Lager bewusst nach wirtschaftlichen Standortfaktoren ausgewählt wurde und Hamburg zur Neugestaltung von Elbuferbegrenzungen dringend Baustoffe benötigte, sollte im Bereich des Lagers Ton abgebaut und die Ziegelei wieder in Betrieb genommen werden. Während das verantwortliche SS-Unternehmen die Lieferung von 20 Millionen Ziegeln pro Jahr zusagte, übernahm die Hansestadt die Kosten für die Verkehrsanbindung und die Errichtung des neuen Lagers. In einem nachfolgenden Vertragsschluss sagte die Stadt Millionen für die Errichtung eines neuen Klinkerwerkes sowie den Bau eines Kanals mit Hafenbecken zu.
Formell fungierte das KZ Neuengamme zunächst als Außenstelle des Konzentrationslagers Sachsenhausen, aus dem bereits im Dezember 1938 die ersten 100 Häftlinge zum neuen Standort in das Gebiet der Elbmarschen deportiert wurden. Die Bewachungseinheiten, bestehend aus 40 SS-Angehörigen, wurden vom KZ Buchenwald abkommandiert. Die Bebauung folgte den seinerzeit üblichen Musteranlagen und beinhaltete eine rechteckige Geländeeinteilung mit Hauptportal, einem ersten Wachturm sowie umgrenzenden Stacheldrahtzaun. Für die weiteren Ausbauarbeiten am Lagerkomplex wurden zeitnah zusätzlich Häftlinge aus Sachsenhausen herangezogen.War die Verpflegung für die Gefangenen in der Anfangszeit des Lagers noch im Rahmen des gerade Ausreichenden, so änderte sich dieser Umstand unmittelbar mit dem Beginn des Krieges im September 1939. Die Unterbringung der Inhaftierten erfolgte in schlichten Holzbaracken, von denen später vier Komplexe durch Steinhäuser ersetzt wurden. Eine Baracke war für bis zu 160 Insassen ausgelegt. Eine Zahl, die sich in den Folgejahren auf bis zu 400 Personen erhöhte. Im großflächigen Lagerareal entstanden zunächst 16 dieser Baracken. Mit Beginn des Frühjahrs 1940 wurde es zum eigenständigen Lager mit Frauen- und Männerbereich sowie etlichen Außenlager, die sich über die gesamte norddeutsche Region verteilten. Zum Jahresende zählte das Lager bereits etwa 2.900 Häftlinge, deren Lebensbedingungen zunehmend inhumaner wurden.
Neben der schweren körperlichen Arbeit, stetigem Hunger, den katastrophalen hygienischen Umständen und Krankheiten waren psychische sowie physische Misshandlungen an der Tagesordnung. Konzentrierten sich die Zwangsarbeiten zunächst auf den Ausbau der Lagerinfrastruktur, der Errichtung des neuen Klinkerwerkes sowie der späteren Produktion und dem Heranschaffen von Rohstoffen aus den nahe gelegenen Tongruben, so kamen im Laufe der Kriegsjahre etliche Pflichtanforderungen für die Rüstungsindustrie hinzu. SS-Führer Heinrich Himmler selbst legte 1940 nach einem Besuch im KZ Neuengamme die erweiterten Richtlinien für mehr Produktivität bei der zu verrichtenden Zwangsarbeit fest. Durch die Erfolge der Wehrmacht und die anfänglichen Siege im Blitzkrieg gelangten immer mehr Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten Europas dorthin, darunter beispielsweise Holländer, Franzosen, Polen und Ukrainer.
Das alltägliche Sterben im Konzentrationslager Neuengamme wurde aufgrund der immer schlechter werdenden Bedingungen billigend in Kauf genommen. Zudem gab es Erschießungen, Inhaftierte wurden erschlagen, erhängt, ertränkt oder mit Giftgas getötet. Die Zwangsarbeiten innerhalb der verschiedenen Kommandos umfassten 12-Stunden-Schichten und ab dem dritten Kriegsjahr wurde auch der arbeitsfreie Sonntag gestrichen. Eine gegen Ende des Jahres 1941 sich ausbreitende Fleckenfieberepidemie wurde erst im März 1942 eingedämmt und kostete rund 1.000 Häftlinge das Leben. Nicht mehr arbeitsfähige Lagerinsassen wurden zu dieser Zeit auch durch Phenolspritzen getötet.
Anhand der noch vorhandenen übermittelten Dokumentation konnte belegt werden, dass im Verwaltungsbereich des Konzentrationslagers etwa 97.000 Häftlinge den Leidensweg einer perfiden NS-Systematik durchlebten. Etwa 50.000 von Ihnen starben. Erst als die Sterblichkeitsraten ab dem Jahr 1942 zu hoch wurden und die Produktivität gefährdeten, erhielten die Häftlinge eine höhere Nahrungsration. An den Gesamtumständen innerhalb des Lagers mit seinen Außenstellen änderte dies wenig. Die Wachmannschaften, die im Lauf der Zeit eine Mannschaftsstärke bis zu 5.000 aufwiesen, fanden immer neue Wege einer menschenverachtenden Brutalität. Verbrechen gegen die Haager Konvention und gegen die Menschlichkeit waren auch hier beständiger Begleiter der diktatorischen NS-Ideologie.
Vor allem russische Kriegsgefangene wurden gezielt getötet. Zunächst durch Verhungern, in den Folgejahren durch Vergasen. Von den Verantwortlichen konnte nur wenige zur Rechenschaft gezogen werden. Letzter Lagerkommandant von Neuengamme in den Jahren 1942 bis 1945 war der SS-Standartenführer Max Pauly, der für seine Skrupellosigkeit und für schwerste Kriegsverbrechen bekannt war. Hierzu zählten unter anderem die Exekution von 58 Männern und 13 Frauen aus dem KZ Fuhlsbüttel oder das Erhängen von 20 Kindern nebst ihren Betreuern sowie 4 politischen Häftlingen im Keller eines Schulgebäudes am Bullenhuser Damm in der Nacht des 21. Aprils 1945. Nachdem sich Pauly bei Kriegsende zunächst nach Flensburg abgesetzt hatte, konnte er in seiner Heimatstadt Wesselburen verhaftet werden und wurde Anfang Mai 1946 zum Tode durch den Strang verurteilt.
Kurz vor dem Ende des Krieges begann die SS Neuengamme zu räumen. Auf den berüchtigten Todesmärschen starben viele der Häftlinge. Etwa 7.000 wurden auf die Schiffe Cap Arcona und Thielbek verbracht, wo sie den Tod in der See fanden, als diese von Bomben der Alliierten versenkt wurden. Als britische Truppen am 4. Mai 1945 hierher kamen, fanden Sie das Lager leer und in Teilen demontiert vor. Die Briten nutzen es zunächst als Übergangslager für sogenannte „Displaced Persons“, also Menschen, die aufgrund der kriegsbedingten Umstände von Ihrer Heimat getrennt wurden. Danach brachte das britische Militärkommando in dort NS-Kriegsverbrecher unter.
Der geplante Abriss des Klinkerwerkes zog Mitte der 1980er-Jahre massive Proteste nach sich und Reste der ehemaligen Gebäudebestände des Konzentrationslagers wurden unter Denkmalschutz gestellt. 1989 wurde die Haftanstalt verlegt, allerdings dauerte es noch bis zum Jahr 2003, bis eine Umgestaltung des Geländes im Sinne eines historischen Erinnerns erfolgte. Die heutige Gedenkstätte KZ Neuengamme ist ein Ort dieser geschichtlichen Mahnung, damit die furchtbaren Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten. Als Ort des Gedenkens und der Begegnung zeigt die Gedenkstätte fünf Dauerausstellungen, Sonderausstellungen und jährlich neu erarbeitete Wanderausstellungen.
Literatur
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager.9 Bände (bis 2008 erschienen: 8 Bände). C. H. Beck, München 2005.
Marc Buggeln: Arbeit & Gewalt. Das Außenlagersystem des KZ Neuengamme. Wallstein Verlag, Göttingen 2009 (Diss Uni Bremen 2008)
Marc Buggeln: Das Außenlagersystem des Konzentrationslagers Neuengamme. In: Sabine Moller, Miriam Rürup, Christel Trouvé (Hrsg.): Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der KL und der NS-Prozesse. Tübingen 2002, S. 15–27.
Hans Ellger: Zwangsarbeit und weibliche Überlebensstrategien. Die Geschichte der Frauenaußenlager des Konzentrationslagers Neuengamme 1944/45. Metropol, Berlin 2007.
Detlef Garbe (Hrsg., im Auftr. der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Redaktion: Christine Eckel): KL Neuengamme: Geschichte – Nachgeschichte – Erinnerung. Katalog der Ausstellungen. Band I: Hauptausstellung; Band II: Ergänzungsausstellungen. Edition Temmen, Bremen 2014.