Das Konzentrationslager Mittelbau-Dora wurde durch das nationalsozialistische Regime zwischen 1943 und 1945 im Südharz nördlich der thüringischen Stadt Nordhausen betrieben. Zunächst fungierte es als Außenlager des KZ Buchenwald (bei Weimar), bevor es als eigenständiges Lager mit zahlreichen Außenlagern geführt wurde. Im KZ-Komplex leisteten über 60.000 Häftlinge schwere Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie.
Im südlichen Harz-Vorland befindet sich nördlich von Nordhausen der Berg Kohnstein. Die Zwangsarbeiter des KL mussten unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen zunächst die Stollen im Berg vorantreiben und schließlich die Raketenwaffe „V2“ (ab Januar 1944) und die Flugbombe „V1“ (ab Sommer 1944) herstellen.
Die Errichtung von Mittelbau-Dora steht in engem Zusammenhang mit der Untertageverlegung der deutschen Waffenproduktion während des Zweiten Weltkriegs.
In der Nacht vom 17. August auf den 18. August 1943 hatten britische Bomber einen verheerenden Angriff auf die Produktionsstätten der V2-Raketen in Peenemünde ausgeführt. Nach diesem Angriff schien eine Fortführung der Waffenproduktion in Peenemünde allzu stark durch Luftangriffe gefährdet. Als Ersatz-Standort für die Raketenherstellung wurde das Gebiet nördlich von Nordhausen ausgewählt.
Für den Produktionstandort Südharz sprach unter anderem eine dort bereits vorhandene Stollen-Infrastruktur: die „Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft“ (Wifo) hatte im Berg Kohnstein ab 1936 ein Stollensystem errichtet, das ursprünglich für die Aufnahme von Treibstoff für die Wehrmacht vorgesehen war. Die unterirdischen Kapazitäten für dieses Treibstofflager waren bis Herbst 1943 im Wesentlichen fertiggestellt.
Der Name „Arbeitslager Dora“ war als Tarnbezeichnung für das ab dem 28. August 1943 durch die SS am Rande des Südharz errichtete Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald gewählt worden.
Das Arbeitslager Dora wurde seit dem 8. Juni 1944 „Mittelbau I“ genannt, während die Außenlager Ellrich-Juliushütte und Harzungen gemeinsam den Namen „Mittelbau II“ erhielten. Dies änderte sich im Rahmen einer Umstrukturierung am 10. September 1944: seither trug das Außenlager Harzungen die Kennung „Mittelbau III“.
In den Anfangsmonaten des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora mussten die Zwangsarbeiter schwere Transport- und Bauarbeiten ausführen, die der Errichtung der unterirdischen Raketen-Produktionsanlage dienten. Die Erstellung der Fabrikanlage hatte für die Lagerleitung Vorrang vor der Errichtung des geplanten oberirdischen Barackenlager am Kohnstein-Südrand.
Wegen der daher zunächst fehlenden festen Unterkünfte wurden die Häftlinge von der SS in den Stollen untergebracht. In vier Querkammern des leiterförmig angeordneten Stollensystems gab es sogenannte „Schlafstollen“, die jeweils mit vierstöckigen Holzpritschen und Strohsäcken ausgestattet waren. Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Zwangsarbeiter im Berg waren von körperlicher Schwerstarbeit sowie von fehlendem Tageslicht, von Kälte, Nässe, Hunger und Durst geprägt. Es gab weder eine Heizungsanlage noch fließendes Wasser oder Toiletten: halbierte Ölfässer dienten als Latrinen.
Gearbeitet wurde in 12-Stunden-Schichten. Wer in der „arbeitsfreien“ Zeit schlafen wollte, der war in seiner „Schlafkammer“ einer großen Staubentwicklung sowie dem Lärm von Sprengungen und demjenigen von den Zügen ausgesetzt, die vor den Tunneleingängen verkehrten.
Viele Arbeiter hielten diesen Lebensumstände nicht stand. Allein zwischen Oktober 1943 und März 1944 starben nahezu 2.900 Häftlinge. Hinzukamen 3.000 im Sterben liegende Gefangene, die in die Vernichtungslager Bergen-Belsen und Lublin-Majdanek überstellt wurden und die zumeist nicht überlebten.
Während der Betriebszeit (1943 bis 1945) verloren etwa 20.000 Häftlinge ihr Leben. Damit starben dort mehr Menschen als durch den kriegsmäßigen Einsatz der hier hergestellten Raketen.
Die Verlegung der Häftlinge in das allmählich entstehende oberirdische Barackenlager erfolgte erst ab Januar 1944, war aber bis in den Mai 1944 hinein noch nicht abgeschlossen.
Anfang 1944 war das Mittelwerk im Kohnstein so weit ausgebaut, dass die V2-Produktion beginnen konnte. Allerdings glaubte man, dass die Gefangenen, die die Ausbauarbeiten im Berg während der Herbst- und Wintermonate 1943 und 1944 lebend überstanden hatten, für die nun anstehenden Montagearbeiten entweder wegen körperlicher Schwächung oder wegen mangelnder beruflicher Qualifizierung nicht geeignet seien.
Daher wurden für den Raketenbau „neue“, ausgewählte Zwangsarbeiter aus anderen Konzentrationslagern hierher transportiert. Die bisherigen, erschöpften Arbeiter schob man hingegen in Nebenlager ab, die ab März 1944 in der Umgebung von Nordhausen entstanden. Dort mussten die Häftlinge weiterhin Schwerstarbeit leisten – entweder auf oberirdischen Baustellen oder beim Vortrieb von Stollen.
Die ab März 1944 entstehenden Außenlager des von Mittelbau-Dora dienten der Umsetzung zusätzlicher Projekte im Südharz: dazu gehörten die Anlage unterirdischer Produktionsanlagen für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke sowie Untertageprojekte für die Mineralölindustrie.
Der sich aus diesen Projekten ergebene Arbeitskräftebedarf wurde großteils durch Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern und darüber hinaus durch Kriegsgefangene, zwangsweise rekrutierte ausländische Zivilisten sowie zum Dienst verpflichtete Deutsche abgedeckt.
Ab Mai 1944 erfolgte auch die Verschleppung von Juden dorthin. Im Zusammenhang mit der Auflösung des sogenannten „Zigeuner-Familienlagers“ von Auschwitz-Birkenau transportierte die SS zudem zahlreiche Sinti und Roma in den Raum Nordhausen.
Allein aus den Konzentrationslagern Groß-Rosen (Niederschlesien) und Auschwitz wurden bis März 1945 etwa 16.000 Häftlinge in das KZ Mittelbau-Dora gebracht. Die oft wochenlangen Einsenbahntransporte führten bei vielen der Verschleppten zu Erkrankungen oder zu völliger Erschöpfung – zahlreiche Menschen überlebten die Transporte nicht. In den „Evakuierungszügen“ befanden sich bei ihrer Ankunft vor Ort oft nur tote und sterbende Gefangene.
Als das Lager Dora des KZ Buchenwald im Oktober 1944 zu einer eigenständigen Einrichtung erklärt wurde, erhielt es die offzielle Bezeichnung „Konzentrationslager Mittelbau.“ Nachdem am 28. Oktober 1944 die ersten 107 Häftlinge in „Dora“ eintrafen, erfolgten nahezu täglich weiter Häftlingstransporte aus dem KZ Buchenwald. Zu Weihnachten 1943 arbeiteten bereits mehr als 10.500 Häftlinge in den Stollen und unterirdischen Produktionsanlagen des Kohnstein.
Zu den Häftlingen, die zwischen 1943 und 1945 Zwangsarbeit im Lagerkomplex leisten müssten, gehörten Angehörige aus 48 Nationen, vor allem aber Russen, Polen und Franzosen. Den Gesamtkomplex des KZ Mittelbau durchliefen etwa 60.000 Zwangsarbeiter. Im Frühjahr 1945 befanden sich noch 40.000 Arbeiter in den 40 Lagern von Mittelbau.
Im Hauptlagerr waren durchschnittlich 15.000 Arbeiter tätig. Die im Hauptlager arbeitenden Häftlinge mussten die Stollen im Berg vorantreiben und wurden in den Untertage-Werksanlagen der Mittelwerk GmbH eingesetzt.
Das Lager diente aber auch als Zentralstelle für etwa 40 Außenlager, die dem Konzentrationslager nach und nach als Nebenlager oder Außenkommandostellen zugeordnet wurden. Den Außenstellen war jeweils eine bestimmte Funktion zugeordnet: Wenn sich Zwangsarbeiter in den Produktionslagern „abgearbeitet“ hatten, mussten sie anschließend in Baulagern Schwerstarbeit auf Baustellen leisten.
Daneben gab es sogenannte „Sterbelager“, in denen arbeitsunfähig gewordene Häftlinge sich selbst überlassen wurden – zumeist ohne medizinische Begleitung. Eines der berüchtigten Sterbeaußenlager befand sich in der Boelcke-Kaserne Nordhausen.
Im Juni 2044 bestand das Lagerpersonal des Arbeitslagers Dora aus ungefähr 1.000 Personen. Nachdem Dora im Oktober 1944 selbständig geworen war, erhöhte sich der Personalbestand auf zirka 3.300 SS-Leute.
In den Dachauer Prozessen (August bis Dezember 1947) verhandelte ein US-amerikanisches Militärgericht gegen 14 SS-Angehörige aus dem KL Mittelbau, außerdem gegen vier Funktionshäftlinge sowie den Mittelwerk-Generaldirektor. Der Schutzhaftlagerführer wurde zum Tode verurteilt, 13 andere Angeklagte erhielten Freiheitsstrafen.
Im sogenannten Bergen-Belsen-Prozess wurde gegen frühere Angehörige des KZ Mittalbau-Dora verhandelt, die im Rahmen der Evakuierung von Mittelbau nach Bergen-Belsen gelangt waren. Drei SS-Angeklagte sowie ein ehemaliger Lagerkommandant erhielten die Todesstrafe.
Zudem wurden in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR verschiedene Einzelprozesse gegen Lagerpersonal des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora geführt.
Während Sachsenhausen und Buchenwald von der DDR als „nationale Mahn- und Gedenkstätten“ hervorgehoben wurden, blieb Mittenbau-Dora lange Zeit eher unbeachtet. Das massiv gebaute Lagergefängnis wurde 1952 abgerissen.
1954 erhielt das Krematoriumsgebäude den Status als Ehrenmal. Erst 1964 eröffnete dann die „Mahn- und Gedenkstätte Mittelbau-Dora“.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte 1995 eine Neueröffnung der Gedenkstätte mit überarbeitetem Konzept und unter Berücksichtigung von Gedenkelementen aus der DDR-Zeit. Ein neues Museum wurde Anfang 2005 eröffnet. Dort befindet sich seit September 2006 eine neu konzipierte Dauerausstellung.
Literatur
Bruno Arich-Gerz: Mittelbau-Dora. American and German Representations of a Nazi Concentration Camp. Literature, Visual Media and the Culture of Memory from 1945 to the Present. Transcript, Bielefeld 2009.
Frank Baranowski: Die verdrängte Vergangenheit. Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit in Nordthüringen. Mecke, Duderstadt 2000.
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen KL. Band 7: Niederhagen/Wewelsburg, Lublin-Majdanek, Arbeitsdorf, Herzogenbusch (Vught), Bergen-Belsen, Mittelbau-Dora. C.H. Beck, München 2008.
Yves Béon: Planet Dora. Als Gefangener im Schatten der V2-Rakete. Bleicher, Gerlingen 1999.
Manfred Bornemann: Geheimprojekt Mittelbau. Vom zentralen Öllager des Deutschen Reiches zur größten Raketenfabrik im Zweiten Weltkrieg. In: Dörfler Zeitgeschichte. Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim [2004?]. (Lizenz Bernard und Graefe, München 1994.
Website der Gedenkstätte