Das Konzentrationslager Moringen war ein KZ im Landkreis Northeim in Niedersachsen. Es entstand 1933 in einem ehemaligen Waisenhaus der Kleinstadt Moringen. An diesem Ort wurden im Laufe der Jahre nacheinander drei KL errichtet, in denen Männer, Frauen und auch Jugendliche inhaftiert waren. Die Geschichte der Moringer Konzentrationslager ist bemerkenswert.
Das Hauptgebäude wurde im 18. Jahrhundert errichtet und diente zunächst als Waisenhaus. Ab 1818 wurde hier ein Werkhaus eingerichtet. Werkhäuser sollten Menschen, die obdachlos waren oder sich des Bettelns schuldig gemacht hatten, aus der Gesellschaft entfernen. So kamen die Menschen für einen Zeitraum von 2 Jahren in diese Arbeitshäuser, um dort zu gesellschaftskonformen Personen umerzogen zu werden.
Auf diese Weise betrieben die obrigkeitsstaatlichen Behörden Preußens und anderer Territorien seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine restriktive Armenpolitik. Das Moringer Werkhaus war eines von etwa 50 Arbeitshäusern, die im Deutschen Reich errichtet wurden. Es wurde vom Provinzialverband Hannover betrieben und bestand bis 1944. Ab 1933 wurden nach und nach in weiteren Gebäudeteilen des Landeswerkhauses drei weitere Konzentrationslager errichtet.
Im April 1933 wurde im Werkhaus Moringen eines der ersten KL der NS-Zeit eingerichtet. Für einige Monate handelte es sich um ein reines Männerlager, und die Insassen wurden von Polizisten bewacht. Eingesperrt wurden zunächst antifaschistisch und oppositionell eingestellte Menschen, später folgten aber auch Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten.
Das Personal, das für die Bewachung der Insassen zuständig war, bestand aus 51 Schutz- und Hilfspolizisten. Der zuständige Lagerkommandant war zunächst ein Polizeioffizier. Da das Hausrecht allerdings beim Direktor des Werkhauses lag, gab es ständige Kompetenzschwierigkeiten, was dazu führte, dass der preußische Innenminister am 31. Juli 1933 die Anordnung erließ, dass die Polizisten durch SS-Mannschaften ausgetauscht werden sollten.
Nach dem Austausch wurden die Haftbedingungen im Konzentrationslager Moringen enorm verschärft. Misshandlungen der Insassen gehörten von nun an zur Tagesordnung. Bereits bei der Einlieferung wurden die Häftlinge mit Tritten und Beschimpfungen empfangen. Es folgte ein Spießrutenlauf, bei dem die Insassen auf ihrem Weg in die Zelle mit Gummiknüppeln, Fäusten und Tritten misshandelt wurden.
Damit auch Frauen im KZ untergebracht werden konnten, wurde im Juni 1933 eine sogenannte “Frauenschutzabteilung” eingerichtet. Da in den ersten Monaten die Belegungszahlen der weiblichen Insassen nur gering waren, wurden die KZ-Häftlinge gemeinsam mit den weiblichen Häftlingen des Werkhauses zusammengelegt. Bis Mitte Oktober 1933 waren die Belegungszahlen bei den Frauen sehr gering, doch ab November gab es einen deutlichen Anstieg.
Ab Oktober wurden die männlichen Häftlinge nach und nach in andere Konzentrationslager verlegt und so wurde aus dem KZ Moringen ein Frauenkonzentrationslager.
Im Oktober 1933 wurde das KZ Moringen von einer Abteilung für weibliche Schutzhäftlinge in ein Frauenkonzentrationslager umgewandelt. Die weiblichen Gefangenen waren zum großen Teil politische Widerstandskämpferinnen und Mitglieder von linken Parteien wie der KPD. Um als Häftling in das Konzentrationslager eingewiesen zu werden, genügten die kleinsten Vorwürfe wie abfällige Äußerungen über das politische System oder dessen Repräsentanten sowie der Vorwurf, eine sexuelle Beziehung zu einer Person, die nicht dem deutschen Rassenbild entsprach.
Moringen wurde zum zentralen Frauenkonzentrationslager für Preußen, nachdem die Schutzhaft-Abteilung für Frauen im KZ Brauweiler bei Köln aufgelöst worden war. In der Folgezeit wurden auch weibliche Häftlinge aus anderen Teilen des Reiches nach Moringen gebracht. Insgesamt wurden in den fünf Jahren, in denen das Frauen-KZ Moringen bestand, etwa 1.350 Frauen inhaftiert. Nach Auflösung des Lagers im März 1938 wurden die Frauen in drei großen Transporten in das Lager Lichtenburg gebracht. Später wurden einige der weiblichen Insassen in das Frauen-KZ Ravensbrück verlegt.
Die Insassen waren im sogenannten Frauenhaus untergebracht. Dieses befand sich in einem Gebäudetrakt des Landeswerkhauses. Es war durch einen eigenen Eingang erreichbar und durch eine hohe Mauer vom Hof und den übrigen Gebäudeteilen des Werkhauses getrennt. Hier waren sowohl weibliche Insassen als auch weibliche Werkhausinsassen untergebracht. Im zweiten Stock des Gebäudes befanden sich die Tagesräume, im Dachgeschoss die Schlafsäle. Dort hatten die Frauen im Winter mit großer Kälte zu kämpfen.
Für die Gefangenen gab es keinen Rückzugsort und somit auch keine Privatsphäre. Es herrschte ständige Betriebsamkeit und Hektik. Ein nie enden wollendes Stimmengewirr begleitete den Arbeitsalltag. Zu dieser ohnehin enormen psychischen Belastung kam die Unsicherheit der Frauen darüber, wie es ihren Familien geht. Sie wussten nichts über den Verbleib ihrer Kinder und Männer.
Die weiblichen Gefangenen waren auch dazu verpflichtet, während ihres Haftalltags Arbeiten zu verrichten. Dazu gehörte es, für das Winterhilfswerk Kleidung auszubessern und Hemden für das Zuchthaus in Göttingen zu nähen. Die Frauen mussten mehrere Waggonladungen dreckiger und alter Kleidung bearbeiten. Die Wäsche war größtenteils schmierig und roch unangenehm nach Schweiß. Wenn die Insassinnen zur Erntezeit auf dem Feld arbeiten durften, war dies für sie eine willkommene Abwechslung.
Im August 1940 wurde in Moringen das erste sogenannte “polizeiliche Jugendschutzlager” eingerichtet. Dort wurden junge Männer zwischen 13 und 22 Jahren untergebracht. Die Gegangenen kamen nicht nur aus dem Reichsgebiet, sondern auch aus den militärisch besetzten Ländern wie Luxemburg, Polen, Norwegen und Slowenien sowie aus Österreich und wurden mit der Reichsbahn in ihre Zielorte transportiert.
Die Einweisungen in das Jugend-KZ -Moringen wurden von den Landesjugendämtern und der Kriminalpolizei des Reichskriminalpolizeiamtes durchgeführt. Nach einiger Zeit wurde der Kreis der Einweisungsberechtigten erheblich erweitert und umfasste nun auch Vormundschafts- und Pflegschaftsrichter, Justizbehörden sowie die jeweilige Gebietsführung der Hitler-Jugend (HJ). Diese Personen waren alle berechtigt, die Haft zu beantragen. Insbesondere Erziehungsheime und Jugendämter nutzten diese Möglichkeit, um unliebsame Zöglinge loszuwerden.
Die Haftgründe waren unterschiedlicher Natur. Unter anderem reichte der Vorwurf von Arbeitsverweigerung oder dem Verweigern des HJ-Dienstes. Doch auch die Zugehörigkeit zur Swing-Jugend oder politisch aktive Eltern waren ein möglicher Inhaftierungsgrund. Selbst geringfügige Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen galten als Anzeichen für Asozialität oder Kriminalität. Als nicht gemeinschaftskonformes Verhalten wurden Widerspenstigkeit und Aufsässigkeit definiert. Dadurch hatten die staatlichen Stellen genügend Spielraum, um Maßnahmen gegen missliebige oder tatsächlich verhaltensauffällige Jungen und Mädchen zu ergreifen.
Der Tagesablauf der jungen Gefangenen für männliche Jugendlich war klar strukturiert. Es wurden klare Anordnungen, Appelle und Strafen durchgesetzt, um Ordnung, Sauberkeit und Disziplin zu gewährleisten. Zu den Strafen zählten unter anderem eine Postsperre oder das Essen im Stehen. Auch der komplette Entzug von Nahrungsmitteln oder Bunkerarrest waren mögliche Bestrafungen. In besonders schweren Fällen mussten die Häftlinge Prügel ertragen oder wurden zu Strafsport verurteilt, der nicht selten zum vollständigen Zusammenbruch führte.
Erst mit dem Ende des NS-Staates endete auch das Jugendkonzentrationslager Moringen. Im April 1945 ordnete das RKPA die Räumung des Lagers an. Etwa 500 Inhaftierte wurden daraufhin auf einen etwa 100 Kilometer langen Evakuierungsmarsch gezwungen, der sie bis in den Harz führte. Zurück blieben nur die Schwerkranken. Die Jugendlichen wurden erst nach vier Tagen, als die SS vor den anrückenden amerikanischen Truppen floh, befreit. Aufgrund der katastrophalen Zustände erlebten nicht alle Jugendlichen die Befreiung. 89 Todesfälle wurden durch die SS registriert, doch die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
Nachdem das Konzentrationslager Anfang April 1945 befreit wurde, entstand auf demselben Areal ein Lager für Displaced Persons (DP-Lager), das bis 1951 in Betrieb war.
Seit 1993 dient das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers als eine Gedenkstätte, die von der 1989 ins Leben gerufenen „Lagergemeinschaft und Gedenkstätte KZ Moringen e. V.“ verwaltet wird. Viele der ursprünglichen Gebäude wurden abgerissen. An deren Stelle und in einigen der noch bestehenden historischen Strukturen befindet sich nun das Maßregelvollzugszentrum (MRVZ) Moringen, eine forensisch-psychiatrische Einrichtung, die hauptsächlich Patienten beherbergt und behandelt, die gemäß §§ 63, 64 StGB per Gerichtsbeschluss eingewiesen wurden.
Die KZ-Gedenkstätte Moringen befindet sich im ehemaligen Einbecker Tor, an der Adresse Lange Straße 58. Für sein Engagement in der Erinnerungskultur und Gedenkarbeit wurde der Trägerverein 1994 mit dem Paul-Dierichs-Preis geehrt. Seit 1999 fungiert die Gedenkstätte Moringen auch als Einsatzort für den österreichischen Gedenkdienst.
Literatur
Gabriele Herz: Das Frauenlager von Moringen. Schicksale in früher Nazi-Zeit. Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Jane Caplan. Aus dem Englischen von Joachim Helfer. Vorwärts-Verlag, Berlin 2009. Rezension von Ursula Krause-Schmitt (Online)
Hans Hesse: Das Frauen-KZ Moringen 1933–1938. Edition Temmen, Göttingen 2000, (rezensiert für H-Soz-u-Kult von Michael Krenzer Online)
Manuela Neugebauer: Der Weg in das Jugendschutzlager Moringen. Eine entwicklungsgeschichtliche Analyse nationalsozialistischer Jugendpolitik. Mönchengladbach 1997.
Martin Guse: „Wir hatten noch gar nicht angefangen zu leben“. Katalog zu den Jugendkonzentrationslagern Moringen und Uckermark. Liebenau & Moringen, 1997.
Martin Guse: Der Kleine, der hat sehr leiden müssen … Zeugen Jehovas im Jugend-KZ Moringen. In: Am mutigsten waren immer wieder die Zeugen Jehovas. Verfolgung und Widerstand der Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus. Hg. v. Hans Hesse. Bremen 1998.
Website der Gedenkstätte.