Grundsätzliches
Es gibt äußere Anlässe, die nach einer inneren Durchdringung verlangen, um sie in ihrer Gänze zu erfassen und sie vor Fehlurteilen und pauschalen (Ab) Wertungen zu bewahren.
Darin besteht das täglich Brot der Historiker – Zunft.

Gedenktafel für den 20. Juli im Innenhof des Bendlerblocks in Berlin. Adam Carr at English Wikipedia, Plaque on Memorial to the German Resistance, Berlin, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons.
Der bis heute zelebrierte Umgang mit dem militärischen Widerstand der Wehrmacht gegen das Hitler-Regime explizit mit dem Attentat auf den Diktator Adolf Hitler am 20. Juli 1944, legt doch einige – ungesunde Zutaten – frei. Vielfach wurden und werden bei der Behandlung dieses historischen Stoffs an den alten Webfehler festgehalten, statt sie mittels neuer Forschungsergebnisse inhaltlich ergänzend aufzuwerten, beziehungsweise zu korrigieren.
Das hat auch nach dem Ende der Systemauseinandersetzung zwischen Ost und West nicht aufgehört. In der – antifaschistischen – DDR fokussierte man sich ziemlich einseitig auf den Widerstand aus den Reihen der Kommunisten, der Sozialdemokraten und der Gewerkschaften. Den widerständigen Kameraden der Wehrmacht waren in der offiziellen DDR – Geschichtsschreibung nur wenige Zeilen zugestanden worden. Dabei wurde oft der Eindruck erweckt, der militärische Widerstand gegen Hitler begann erst als die deutsche Kriegsniederlage längst absehbar war; mit dem Attentat vom 20. Juli 1944. Richtigerweise muss man allerdings sagen, jener Widerstand datierte schon vor (!) Kriegsbeginn. Das Attentat auf den Führer am 20. Juli war so nur der Höhepunkt von mehreren Vorspielen. Man muss von 40 dokumentierten (missglückten) Anschlägen auf das Diktatoren – Leben sprechen. Was die DDR und ihrem Umgang mit dem 20. Juli angeht, sei auf die Ausführungen von Oberst Dr. Sven Lange (Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) im Einsatzführungskommando der Bundeswehr (19. Juli 2024) im Rahmen einer Gedenkveranstaltung für Generalmajor Henning von Tresckow (1901 – 1944) verwiesen. In seinem Vortrag lässt er den letzten Direktor des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR, Oberst Dr. Paul Heider zu Wort kommen. In einer 1990 vom Ministerium für Vereidigung und Abrüstung herausgegebenen Broschüre resümierte der NVA-Oberst: „Was die Bewertung des 20. Juli und ihren Platz im deutschen antifaschistischen Widerstandskampf betrifft, wurden in der Geschichtsschreibung der DDR manch neue Erkenntnis gewonnen. Anstatt früherer holzschnittartiger Bewertungen, die mit Begriffen wie progressiv und reaktionär zu operierten traten differenziertere Einschätzungen (…)“.
Die Bundesrepublik betrieb systembedingt das gegenteilige Spiel. Dort erfuhr vor allem der kommunistische Widerstand gegen die Naziherrschaft kaum eine angemessene Würdigung, wobei der Widerstand der Stauffenberg-Leute fast überbetont wurde. Was jedoch ebenso erwähnt gehört, insbesondere in den Adenauerjahren blieb den Überlebenden und Nachfahren der Verschwörer – Familien die gesellschaftliche Anerkennung versagt. Eher waren sie mit Diskriminierung, Ausgrenzung und mit der Beschimpfung als „Verräter“ sowie mit dem Vorwurf des „Eidbruchs“ konfrontiert. Erst zum zehnten Jahrestag des Attentats hält der Bundespräsident Theodor Heuss seine Rede „Dank und Bekenntnis“ (FU Berlin, 19. Juli 1954). Mit ihr werden die Verschwörer rehabilitiert und ein würdiger Platz in der Erinnerungslandschaft der Bundesrepublik eingeräumt.
Worauf der Autor (R.L) hinaus will: Es wäre ein fundamentaler Fehler den Widerstand gegen das Dritte Reich nach Wertigkeiten und Interessenlagen zu beurteilen. Unabhängig ob als Generalstabschef, Arbeiter, Studentin, Ex – Oberbürgermeister. Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime darf nie gegeneinander aufgerechnet werden – so wie es bis in die Gegenwart hinein leider geschieht.
Die Militäropposition – Anfänge, Personen, Motive
Das Nazi-Reich stand noch in voller Blüte und sein Totenbett war noch nicht aufgestellt, da formierte sich in der Wehrmacht schon der Widerstand. Als einer der Vorläufer des militärischen Widerstands ist der Chef der Heeresleitung (1930 – 1933), General Kurt von Hammerstein Equord (1878 -1943) zu nennen. Mit zehn Jahren trug der Adelssohn die erste Uniform. Vom Kadettenkorps in Plön über die Hauptkadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde kommend diente er im 3. preußischen Garde Regiment zu Fuß. In dieser Einheit traf er auf den späteren Reichskanzler, General Kurt von Schleicher (1882 -1934). Beide verband schnell eine lebenslange Freundschaft, die auf brutale Weise in der „Nacht der langen Messer“ (Röhm-Putsch) mit dem Mord an Schleicher beendet wurde. Aus dem Ersten Weltkrieg als Adjutant sowie in Generalstabsverwendungen dienend wurde Hammerstein in die Reichswehr übernommen. Ihm stand eine steile Karriere bevor, die ihn bis in den Chefsessel der deutschen Heeresleitung führen sollte.
Noch am 26. Januar 1933 versuchte General von Hammerstein zusammen mit dem Chef des Heerespersonalamtes, Generalleutnant Erich Freiherr von dem Bussche-Ippenburg, den Reichspräsidenten „durch (die) Darstellung der Gefahren“ von der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler abzubringen. In der Unterredung soll der Generalfeldmarschall, Hitler, den Rang eines „böhmischen Gefreiten“ verliehen haben. (siehe Peter Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat, Ullstein, Seite 42). Sein nächster Termin bei dem greisen Präsidenten (1847 – 1934) fand im Oktober 1933 statt, da reichte Hammerstein sein Abschiedsgesuch ein. Unmittelbar nach Beginn seiner Kanzlerschaft traf Hitler am 3. Februar 1933 im Bendlerblock zum ersten Mal mit den höchsten Offizieren zusammen. Den gläubigen Inhabern der höchsten Kommandoposten gefiel die Rede offensichtlich: „Die versammelten Offiziere widersprechen nicht. Im Gegenteil, Hitlers habe auf alle Zuhörer befriedigend gewirkt“, erinnerte sich der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine (1928 – 1943), Admiral Erich Reader (1876 – 1960) in seiner „Manöverkritik“, nachdem der Redefluss des Führers gebändigt, endete. „Es wurden keine politischen Ziele verkündet, die hätten bedenklich stimmen können“ Diesem Kurs seines Oberbefehlshabers folgte auch Konteradmiral Otto Groos. (siehe Ulf Schönert, ZEIT Geschichte, Heft 4, 2024, Widerstand, Stauffenberg und der 20. Juli 1944: Wie groß war die Verschwörung gegen Hitler? , Seite 18ff.). Und, dass obwohl er von der Beseitigung der Demokratie und von der Eroberung von Lebensraum, also von Krieg sprach. Nur bei Hammerstein rumorte es. Denn er hatte sich im Gegensatz zu den meisten Kollegen seines Berufsstandes mit der Weimarer Republik arrangiert und seine Kinder in liberalem Geist erzogen.
Als Generaloberst entlassen wurde Hammerstein im Rahmen der Mobilmachung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges reaktiviert. In Breslau wurde er ohne Kampfeinsatz am 24. September 1939 auf persönliche Weisung Hitlers „wegen seiner negativen Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus“ endgültig in den Ruhestand geschickt. Aus der Sicht Hitlers nicht zu Unrecht: Denn schon früh zeigte der General offen seine Verachtung für Hitler und seine Bewegung. Überlieferungen zufolge bekannte er 1930, dass er nicht zögern würde militärische Gewalt anzuwenden, falls Hitler versuchen sollte, die Macht im Lande zu übernehmen. Damals zeigte er sich überzeugt: „Die Reichswehr wird Hitler nicht an die Macht lassen“. Später sagte er, er hoffe, Hitler nach Köln locken und dort gefangen nehmen zu können (siehe Enzyklopädie des Nationalsozialismus, dtv – Verlagsgesellschaft 2007). Im Jahre 1943 verlor der widerständige Offizier den Kampf gegen den Krebs.
Eine herausragende Figur im militärischen – Widerstandsnest – der Wehrmacht war der Generalstabschef, Generaloberst Ludwig Beck 1933 – 1938). Falls die „Operation Walküre“ (20. Juli) erfolgreich verlief, sollte er übergangsweise das Staatsoberhaupt werden.
Zu den widersprüchlichen Aspekten von mancher, der hier erwähnten Widerstandsbiografien war, sie waren in das NS-Herrschaftssystem / Unterdrückungssystem involviert. Als Träger des Uniformrocks der Wehrmacht haben sie besonders von ihm profitiert. So haben sie für die Aufrüstung (Beck) der Armee gewirkt, oder sie waren auf hohen Kommandoposten für die Kriegsführung verantwortlich. Zum nicht geringen Teil waren sie an Kriegsverbrechen tatbeteiligt. Der Pariser Militärbefehlshaber und Mitverschwörer, General Stülpnagel, ließ zum Beispiel 4.000 Juden deportieren. Karrieresprünge waren auch drin. Vielstimmig einten sie die Vorbehalte oder die gar die völlige Ablehnung der Weimarer Republik. Und der „Versailler Diktatfrieden“ stand den kommenden Widerständlern auch im Wege, denn sie befürworteten die massive Aufrüstung Wehrmacht, um dem deutschen Militär wieder eine größere Geltung in der Gesellschaft zu verschaffen. Generalstabschef Beck machte dabei keine Ausnahme. Den Machtantritt Hitlers bezeichnete er im Frühjahr1933 noch als „ersten Lichtblick seit 1918“. Jahrelang forcierte Beck die Rüstungsanstrengungen für die Streitkräfte. Dennoch kam der Generalstabschef vor seiner Demission in einer Denkschrift zu der Auffassung, Deutschland könne frühstens 1943 an einen Defensivkampf an der Westfront auch nur denken. Schon im Polen – Feldzug (1939) fehlte es an Munition und Bomben. Der künftige Mitverschwörer, General Carl Heinrich von Stülpnagel hat eine Studie gefertigt, wonach ein Angriff auf die Maginotlinie erst im Frühjahr 1942 erfolgversprechend sein könnte. Der Historiker und Friedensforscher Wolfram Wette schrieb über General Ludwig Beck (1880 – 1944); er „war insoweit ein typischer Offizier seiner Zeit, als er sich von den Aufrüstungsplänen nicht nur, wie es in der propagandistisch gefärbten Sprache der Zeit hieß, eine„Wiederherstellung der militärischen Gleichberechtigung des Deutschen Reiches“ erhoffte, sondern die Überlegenheit“ (…) „Als er begriff, dass Hitler die neue Rüstung in Angriffskriegen zu nutzen gedachte, suchte er mit Denkschriften gegenzusteuern, in denen auf die ungenügende Vorbereitung abgehoben wurde“ (siehe Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005, S. Fischer Taschenbuch Verlag, Seite 149). Sein „Waffenbruder“ in der Wehrmacht, Generalleutnant Hans Speidel schrieb in einem Aufsatz für „Die großen Deutschen“ Band 4: „Am 2. August 1934 gerät er (Beck) in den schwersten Gewissenskonflikt, als der Reichswehrminister (General Werner von Blomberg), die an Volk und Vaterland gebundene Wehrmacht auf die Person Hitlers vereidigen lässt. Er bedauert später, nicht schon damals den Abschied verlangt zu haben, den er dann am 21. August 1938 fordert, nach dem sein Wirken gegen den Krieg und gegen Hitlers Gewaltpolitik der Erfolg versagt geblieben ist“ (siehe Hans Speidel in Die großen Deutschen, Band 4, Sonderausgabe Europäischer Buchklub / Europäische Bildungsgemeinschaft Stuttgart Zürich und Salzburg 1956,Ullstein Verlag, Seite 580). Den Eid auf Hitlers Person beurteilte Beck so: „Dies ist keine Vereidigung auf Verfassung, Land oder Herrscherhaus, sondern die Verpflichtung auf einen einzelnen, wie sie ansonsten nur in Privatbanden üblich ist“. Zwischen bemerkt zur Akte Speidel; der Generalleutnant geriet nach dem Suizid des Generalfeldmarschalls Günther von Kluge im Zusammenhang mit dem 20. Juli ins Visier der Gestapo und wurde am 7. September 1944 verhaftet. Die Gestapo hielt ihn für einen Mitwisser und Helfer. Der Ehrenhof der Wehrmacht, dem Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, vorsaß, plädierte nach der Verhandlung auf nicht schuldig aber nicht frei von Verdacht. Durch diesen Spruch blieb Speidel ein Prozess vor dem Volksgerichtshof erspart. Tatsächlich bemühte sich der Chef des Stabes darum, seine Vorgesetzten Rommel und von Kluge für den Widerstand zu gewinnen. Doch einige dunkle Flecken in Speidels Militärakte machten ihn zum „unversöhnlichen Gegner“ des französischen Staatspräsidenten (ab 1959). Charles de Gaulle machte dem damaligen Wehrmachtgeneral dessen harte Maßnahmen gegen die Résistance und gegen die französischen Juden (Paris 1942) zum Vorwurf. Deshalb bekämpfte der französische General die Ernennung des nunmehrigen Generals der Bundeswehr zum Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte in Mitteleuropa (1957- 1963). Im Jahr 1963 hieß es dann für Generalleutnant Speidel: Wegtreten!
Aber zurück zu dem Artikel Speidels über Beck. Darin schrieb er weiter über ihn; vom Tage seines Abschieds am 31. Oktober habe sein Kampf gegen den „Verderber des Reiches, Adolf Hitler“ begonnen. Nach den Worten von General Speidel wurde Beck zur „geistigen Mitte, zum führenden Haupt des heimlichen Deutschlands, deutschen (militärischen – R.L.) Widerstands“.
Ein letzter Akt des Aufbäumens im Amt, war sein Appell zu einem – kollektiven Generalstreik -, das hieß, die Generäle sollten den Dienst für den Führer und dessen Kriegskurs verweigern und zurücktreten. Nachdem der „Streikaufruf“ wirkungslos, verhallte sah, der Generalstabschef für sich nur eine Anschlussverwendung: Rücktritt und Widerstand außerhalb der Armee. Der französische Botschafter André Francois Poncet schrieb an Speidel (1955) „Beck war der Typ eines echten Deutschen. Ein vollkommener Edelmann, ein in jeder Hinsicht zu schätzender Offizier. Möge er den deutschen Offizieren ein Vorbild sein“. Als Vermächtnis von Beck könnte sein Schreiben an den Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchtisch (16. Juli 1938) gelten „Es stehen Entscheidungen über den Bestand der Nation auf dem Spiel. Die Geschichte wird die Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen und Gewissen und Verantwortung die Ausführung eines Befehls verbieten. Finden ihre Ratschläge in solcher Lage kein Gehör, dann haben sie das Recht und die Pflicht, vor dem Volk und vor der Geschichte von ihren Ämtern abzutreten. Wenn sie alle in einem geschlossenen Willen handeln, ist die Durchführung kriegerischer Handlungen unmöglich. Sie haben damit ihr Vaterland vor dem Schlimmsten, vor dem Untergang bewahrt“ (siehe Prof. Peter Steinbach, Die Mahnung, Herausgeber Bund der Verfolgten des Naziregimes Berlin E. V., Berlin, 1. August 1988, Seite 3).
Der Nachfolger von Beck wurde mit Wirkung vom 1. September 1938 General der Artillerie, Franz Halder. In seiner Eigenschaft als Planer großer Manöver der Wehrmacht traf der spätere Generaloberst (1940) 1937 erstmals auf Hitler. Der Oberste Befehlshaber zeigte sich jedenfalls von der gezeigten Manöverleistung sehr beeindruckt. Möglich, dass man dem bayerischen Offizier, der seit 1902 Armeedienst versah, deshalb, die Krone jeder Militärlaufbahn aufsetzte; die des Generalstabschefs. Als hervorragender Generalstabsoffizier hat Halder ohnehin gegolten. Allerdings wurde er schon 1942 wieder entthront, da man ihm die deutsche Niederlage in Stalingrad anlastete. Der Artillerieoffizier wurde also am 24. September 1942 gefeuert. Danach lebte Halder als Pensionär in Berlin und Aschau im Chiemgau (siehe Gerd R. Ueberschär: Generaloberst Franz Halder, Hitlers militärische Elite Band 1, Primus Verlag Darmstadt 1988, Seite 83). Der Nachfolger Becks, General Franz Halder wurde in etwa so charakterisiert: „Die ihn kannten beschrieben ihn ziemlich übereinstimmend als religiös und konservativ, als ausgezeichneten Generalstäbler bester Schule und von unverwüstlicher Arbeitskraft, als korrekt, nüchtern, aber auch sensibel, voll Verantwortungsbewusstsein und in den Traditionen soldatischen Gehorsams wurzelnd“ Und weiter: „Seine (Halder) Gegnerschaft zu Hitler, da gibt es keine Zweifel“ (siehe Peter Hoffmann, Widerstand, Staatsstreich, Attentat, Ullstein Buch, Seite 109). Es heißt, General Halder stand der Machtergreifung Hitlers distanziert gegenüber. Gleichwohl wird Halder für seinen Anteil an den Vorbereitungen des Polen-Feldzuges als einer der ersten Offiziere mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuz geehrt (27. Oktober 1939). Da wundert es nicht, das die Figur Halder in seinem Rang und seinem Wert für den militärischen Widerstand gegen den Führer bis heute umstritten ist. Denn lesen wir weiter. Maßgeblich war der Generaloberst an den strategischen Planungen des Westfeldzuges und des Unternehmens Barbarossa beteiligt. Teil seiner Generalstabsarbeit, waren auch die Beteiligung an der Formulierung verbrecherischer Befehle; Kriegsgerichtsbarkeit, Kommissarbefehl.
Lediglich eine Tatbeteiligung an der „Septemberverschwörung“ (1938) war ihm nachzuweisen. Die – verschwörten – Offiziere hatten auf dem Höhepunkt der Sudetenkrise geplant am 28. September 1938 die Reichskanzlei zu stürmen, Hitler festzusetzen und ihm den Prozess zu machen. Neben Halder haben unter anderem die Generäle von Brauchtisch, Beck, von Witzleben, Oster und Admiral Canaris zum Kreis der Mitwirkenden an der „Septemberverschwörung“ gehört. Eine letzte Einsatzbesprechung fand am 20. September statt, wo man das ursprünglich geplante Vorgehen in einem wesentlichen Punkt änderte; man wollte Hitler in einem provozierten Handgemenge erschießen. Schussbereit zeigte sich dabei ein Friedrich Wilhelm Heinz. Der nationalkonservative Tatmensch war 1922 schon an der Ermordung des liberalen Außenministers Walther Rathenau beteiligt. Jedoch machte ihnen der britische Premier, Neville Chamberlain, aber auch sein französischer Amtskollege Édourad Daladier, ein Strich durch die Anschlagsrechnung. Die Sinnhaftigkeit dieses Anschlages war durch die Appeasementpolitik erloschen. „Chamberlain rettete Hitler“, daher urteilten die Septemberverschwörer voll Bitternis über die Appeasementpolitik der Westmächte – so der Historiker Ian Kershaw in seiner Hitler Biografie (Ian Kershaw, Hitler 1936 – 1945 Stuttgart 2000, Seite 181). Danach zog er sich aus entsprechenden Aktivitäten heraus. Doch dieser Rückzug sollte den pensionierten Generaloberst nicht vor den Nachstellungen der Gestapo bewahren. Denn nach den Ereignissen des 20. Juli fiel mittels der – grausam folterhaften -„Ermittlungsarbeit“ der SS bezogen auf die „Septemberverschwörung“ (1938) der Name Franz Halder. Infolgedessen wurde er mit seiner Frau und seiner ältesten Tochter in das KZ Flössenburg verschleppt. Am 31. Januar 1945 wurde der einst ranghohe Offizier aus der Wehrmacht ausgestoßen. Des Weiteren standen ihm Zeiten als SS-Gefangener im KZ Dachau sowie in Südtirol mit anderen Sonderhäftlingen, darunter mit der Familie Stauffenberg bevor. Als Zeuge trat der Ex-General nach Kriegsende im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess auf. Für diesen Prozess verfasste Halder mit weiteren Generälen eine „Denkschrift der Generäle“. Der offizielle Titel lautete „Das deutsche Herr 1920-1945“ Ihr Ziel war die Relativierung und Verharmlosung Rolle des Oberkommandos des Heeres im Zweiten Weltkrieg. Von 1946 bis 1961 fungierte er als Leiter der Historischen Division (deutsche Sektion) der US-Army. In ihr strickte er das Bild von der „sauberen Wehrmacht“. Für diese – Strickarbeit – erhielt der ehemalige Generalstabschef der Wehrmacht aus der Hand des Generalstabschefs der US-Truppen Europa, General Doleman die höchste zivile Auszeichnung der US-Streitkräfte, den „Meritous Civilian Service Award“(siehe Neue Züricher Zeitung 28. 11.1961). Mit 87 Jahren fand Halder am 2. April 1972 den Tod – im Bett.
Während Halder dann lieber doch ohne ernsthafte Regung des Widerstandes Orden und Anerkennung beim Führer für den erfolgreichen Polen-Feldzug sowie im Westfeldzug und die Planung des Unternehmens Barbarossa sammelte, wurde Generalmajor Hellmuth Stieff (1901 – 1944) zum entschlossenen Widerstandskämpfer. Aus dem von der deutschen Luftwaffe zerbombten Warschau bekundete Stieff in einem Brief an seine Frau: „Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein“ (siehe Horst Mühleisen, Hellmuth Stieff, Seite 343, Briefe, Nummer 63 vom 21. November 1939). Erstmals wurde seine Bewunderung für den Nationalsozialismus durch den Mord am österreichischen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1934) erschüttert. Doch jene Erschütterung war nur zeitlich befristet und die Sympathie kehrte zurück: Trotz allem: Sein Deutschland bezeichnete er Ende 1934 als ein „Lauseland“, in dem man nicht mehr offen schreiben könne (siehe Helmut Mühlhausen Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 39. Jahrgang, Nummer 3, 1991, „Hellmuth Stieff und der deutsche Widerstand“, Seite 341). Die Massaker an der polnischen Zivilbevölkerung und an den Juden, sowie die Bekanntschaft mit Oberst i. G. (im Generalstab), Henning von Tresckow, sollte für Stieff zum (endgültigen) Wendepunkt werden. 1943 konnte er durch von Tresckow für den aktiven Widerstand gewonnen werden. So verwahrte Stieff den Sprengstoff auf, mit dem Hauptmann Alexander von dem Bussche im November 1943 Hitler in der Wolfsschanze töten sollte. Bussche, so erinnert sich Bundespräsident (1984 -1994) Richard von Weizsäcker hatte auch vor, sich bei der Vorführung neuer Uniformen gemeinsam mit Hitler in die Luft zu sprengen. Doch alliierte Bomber wussten ironischer Weise diesen Anschlag mit der Zerstörung des Zuges mit den Uniformen zu verhindern (siehe Antje Vollmer, Lars-Broder Keil, Stauffenbergs Gefährten – Das Schicksal der unbekannten Verschwörer, Deutscher Taschenbuchverlag 2015, Seite 18/19). Horst Mühleisen macht zum Beispiel anhand von Briefen, die General Stieff hinterlassen hat deutlich, wie dieser dachte und zunehmend zum Widerstand stieß. Seine Verachtung an Hitler wurde immer größer, die er auch im Kreise der Kameraden gefährlich oft und offen aussprach. In Briefen an seine Frau beschrieb er Hitler als „größenwahnsinnig“ und als „Teufel in Menschengestalt“ In einem Brief betonte sein Schreiber, „Denn jeder Gehorsam hat bestimmte Grenzen. Und ich habe durchaus die Absicht auf der Seite der Vernunft zu bleiben“(siehe Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 39. Jahrgang, Nummer 3, 1991, „Hellmuth Stieff und der deutsche Widerstand“, Brief Nummer 90, 28. August 1942, Seite 344). Die allmählich gereifte Erkenntnis des Fachmanns sich gegen die unsinnigen Befehle Hitlers auflehnen zu müssen motivierten den Offizier zum Widerstand gegen den Möchtegern – Feldherren. Unter dem Eindruck des Russland-Feldzuges formulierte Stieff: (…) „Hoffnungen auf einen baldigen Frieden sind trügerisch, solange ein ganzer Erdball dem verbrecherischen Willen und krankhaften Ehrgeiz eines Wahnsinnigen ausgesetzt ist“. Zudem erfuhren der Umgang mit Recht und Moral unter dem Regime Hitlers eine verbrecherisch – stiefmütterliche-Behandlung, in deren Folge Millionen Menschen auf Schlachtfeldern und in Lagerhaft umkamen. Diese Umstände und Ereignisse erwiesen sich als Triebkräfte, die bei Stieff und seinen Gesinnungsgenossen, den Gedanken an den Widerstand haben aufleben und stetig anwachsen lassen haben. Als Stieff Ende Januar 1943 aus Stalingrad ausgeflogen wurde, traf er im Oberkommando des Heeres (OKH) auf Major i.G. Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Sie führten, so Herbert Selle „lange und eindringliche Gespräche“ (siehe Wofür? Erinnerungen eines Führenden Pioniers, Vom Bug zur Wolga, Neckarmünd 1977, Seite 5/ Seite 129ff.). In der Folgezeit ergaben sich noch andere Kontakte mit uniformierten Hitler-Gegnern, so ein Treffen in Berlin (6. August 1943); Beck, Tresckow, Olbricht. Stieff selbst setzte die Gestapo wegen seiner Rolle im Widerstand auf die Todesliste. Schwere Misshandlungen in der Haft vermochten es nicht aus dem Munde des Generals weitere Namen von Verschwörern herauszupressen. So rettete er ihnen das Leben, aber er wurde auf persönlichen Befehl Hitlers am 8. August 1944 gehängt. Darauf verwies einer der Geretteten, der Historiker Horst Mühleisen, in seinem hier mehrfach zitierten Text für die Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 39. Jahrgang, Nummer 3, 1991 (hier siehe Seite 371). Seine Frau musste übrigens bis 1960 prozessieren, ehe ihr das Bundesverwaltungsgericht die Zahlung einer Witwenrente zugestand.
Kommen wir nunmehr zum ranghöchsten Militär innerhalb des Kreises der Verschwörer, zu Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben (1881 – 1944). Das preußische Kadettenkorps in Wahlstatt und die Kadettenanstalt Berlin-Lichterfelde waren seine Ausbildungsstationen an dessen Ende er zum Leutnant (1901) befördert wurde. Den Ersten Weltkrieg erlebte der junge Offizier als Brigadeadjutant, als Kompaniechef, sowie als Bataillonskommandeur. Er kämpfte bei Verdun und Flandern, wo er verwundet wurde. Danach standen Generalstabsausbildung und Stabsverwendungen auf dem Dienstplan. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der hochdekorierte Offizier (beide Eisernen Kreuze) als Hauptmann in die Reichswehr übernommen. In der Weimarer Republik fand seine militärische Karriere seine Fortsetzung. In verschiedenen Standorten war Witzleben im Truppen – und Stabsdienst eingesetzt. Nach seiner Beförderung zum Oberst (1931) befehligte er zum Beispiel das 8. Preußische Infanterieregiment in Frankfurt/Oder. Mit dem Machtantritt Hitlers rückten seine militärischen Dienstverpflichtungen immer näher an Berlin heran; erst Potsdam, anschließend Berlin selbst. In der Reichshauptstadt trat Generalmajor (1934) von Witzleben die Nachfolge von General Werner von Fritsch an. Während Fritsch in Berlin die Heeresleitung übernahm, trat Witzleben das Kommando über den Berliner Wehrkreis III an. In der von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand herausgebrachten Schrift, Witzleben – Stülpnagel – Speidel – Offiziere im Widerstand, heißt es, über von Witzleben, (er) „war Kadett und er blieb sein Leben lang in äußerer Attitüde und innerer Haltung ein typisches Produkt dieser militärischen Pflanzstätte“. Einer seiner engsten Vertrauten im Widerstand schrieb über ihn: „Witzleben war ein Mann von erfrischender Unkompliziertheit. Politische Finessen lagen ihm nicht. Er war der typische Frontoffizier, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte“. Zudem war er den „ritterlichen Traditionen des Offizierskorps“, zugetan. (siehe Klaus-Jürgen Müller, Beiträge zum Widerstand 1933 -1945, Heft 7 Berlin Gedenkstätte Deutscher Widerstand 2001, Witzleben – Stülpnagel – Speidel – Offiziere im Widerstand, Seite 3). Trotz wachsender Distanz und Opposition zum Hitler Regime machte Witzleben große Karriere. Laut Müller wurde aus dem Oberst (1933) innerhalb von sieben Jahren ein Generalfeldmarschall (1940) (siehe Klaus-Jürgen Müller, Beiträge zum Widerstand 1933 -1945, Heft 7, Berlin Gedenkstätte Deutscher Widerstand 2001, Witzleben – Stülpnagel – Speidel – Offiziere im Widerstand, Seite 5). Für seinen Anteil am Durchbruch der Magniot -Linie (Juni 1940) bekam der Sohn einer adligen Offiziersfamilie das Ritterkreuz und den Marschallstab verliehen.
Noch 1941 als Nachfolger von Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt zum Oberbefehlshaber West eingesetzt, aber Mitte März 1942 musste der – Berufene – wieder gehen. Neben gesundheitlichen Gründen (Magengeschwüre, Magenoperation) war es tatsächlich der Verdacht, von Witzleben sei Teil des militärischen Widerstandes. Interessant, der ehemalige Widerständler, General Halder war die treibende Kraft, die hinter in diesem Personalwechsel stand; Stichwort „Septemberverschwörung“ : Da waren beide noch Partner. Daraufhin wurde von Rundstedt erneut Oberbefehlshaber West. Schlussendlich sorgte von Rundstedt nach dem 20. Juli als Vorsitzender des Ehrenhofes für seine unehrenhafte Entlassung aus der Wehrmacht. In Frankreich (1941) hatte derselbe Rundstedt Witzleben noch zu dessen vierzigjährigen Dienstjubiläum gratuliert. Sehen wir uns einen kurzen von Gene Mueller verfassten biografischen Abriss an. Bei dessen Lektüre erfährt man, das Erwin von Witzleben der Nationalsozialismus ein Gräuel war, erst recht nach der Röhm-Affäre und den damit verbundenen Morden. Im September 1937 erklärte er: „Hitler steuere unaufhaltsam auf einen Krieg zu. Sein Weg sei kriminell, und alle würden zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ihm nicht Einhalt geboten würde“ (Gerd R. Ueberschär (Herausgeber), Hitler militärische Elite 3. Auflage, THEISS Verlag 2015, Gene Mueller, Erwin von Witzleben, Seite 266). Angesichts der Ermordung der beiden Generäle Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow während des „Röhm-Putsches“ forderte Witzleben eine gerichtliche Untersuchung. Die Reichswehrführung hatte sich durch ihre stillschweigende Hinnahme der Generalsmorde selbst kompromittiert. Stauffenberg urteilte so darüber: „Von Leuten, die sich schon ein oder zweimal die Wirbelsäule gebrochen hätten, könne man nicht erwarten, dass sie bei einer neuen Entscheidung gerade stünden“ (siehe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 9 Erster Halbband, Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Winfried Heinemann, Der militärische Widerstand und der Krieg, Deutsche Verlags – Anstalt München 2004, Seite 752). Witzleben war bereits 1938 und 1939 an Plänen zur Absetzung des Kriegsherren aktiv beteiligt. Im Falle des erfolgreichen Staatsreichs am 20. Juli sollte er den Oberbefehl der Wehrmacht übernehmen. Schon 1943 hatte der im Staate Hitler längst in Ungnade gefallene hohe Offizier den entsprechenden Befehl zur „Operation Walküre“ unterzeichnet. In ihm wurde zunächst verkündet, Hitler ist tot. Und weiter: „Eine gewissenlose Clique frontfremder Parteiführer hat es unter Ausnutzung dieser Lage versucht, der schwerringenden Front in den Rücken zu fallen und die Macht zu eigennützigen Zielen an sich zu reißen. In dieser Stunde höchster Gefahr hat die Reichsregierung zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit den militärischen Ausnahmezustand verhängt und mir zugleich mit dem Oberbefehl über die Wehrmacht die vollziehende Gewalt übertragen“.
Nach einer Reihe von einzelnen Befehlen folgt seine Unterschrift als Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Damit wäre auch eine wesentliche Forderung der Verschwörer erfüllt worden, die eine Veränderungen in der Spitzengliederung der Armee durchsetzen wollten, das hieß sie in die dazu befähigten Hände eines Militärs zu legen, was Hitler eben nicht war. Nach dem Scheitern des Putsches wurde er verhaftet und vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Schwer gefoltert und gezeichnet von einem deutlich sichtbaren, dramatischen Gewichtsverlust trat er vor den Gerichtspräsidenten, Roland Freisler, der sich darin gefiel alle seine Angeklagten zu beleidigen und zu erniedrigen. Bei dem Angeklagten Witzleben hat die Gestapo den Hosengürtel sowie die Zahnprothese einbehalten. Infolgedessen war er gezwungen seine sonst rutschende Hose festzuhalten. Dazu der Prozess – Führer, Freisler an ihn: „Was fassen Sie sich dauernd an die Hose? Sie schmutziger alter Mann“. Dennoch fand der „schmutzige alte Mann“ die Kraft für ein mutiges Schlusswort: „Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das empörte und gequälte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leib durch den Kot der Straßen“. Nur einen Tag nach der Hinrichtung des (zivilen) Mitverschwörers, des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters, Carl Friedrich Goerdeler (1884 -1945), wurde der Nazi-Blutrichter, Roland Freisler durch eine US-amerikanische Fliegerbombe, die das Gerichtsgebäude traf, selbst gerichtet. Witzleben wurde nach zwei Prozesstagen 7./8. August 1944, nur wenige Stunden nach Verkündung des Urteils gehängt. Dabei war ihm im Kern wohl nur wichtig: „Es geht um Bestand und Ehre unseres Vaterlandes, um eine wahre Gemeinschaft im eigenen Volke und mit den Völkern der Welt“.
An der Ostfront liefen die militäroppostionellen Fäden bei Generalmajor (Juni 1944), Henning von Tresckow zusammen. An der Ostfront entwickelte er sich schließlich zur Seele und zum Motor des Widerstandes. Doch sein Weg in die Opposition war gleichfalls ein Prozess. Im Jahr der Weltwirtschaftskrise (1929) hielt er im Potsdamer Offizierskasino einen Vortrag über das Programm der NSDAP. Bei den Reichstagswahlen 1932 wählte der Teilnehmer des Ersten Weltkrieges die Hitler Partei; Hitler statt Hindenburg (siehe Klaus Achmann und Hartmut Bühl, 20. Juli 1944, Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand 2. überarbeitete Auflage,1996, Schriftenreihe Offene Worte, Verlag E.S. Mittler & Sohn, Henning von Tresckow, Seite 171ff.). Die Quellen geben anfänglicher Sympathie und Unterstützung für die ganze Hitlerei ist bei Tresckow zunehmend versiegt. Stellen wir jedoch die biografischen (An) Zeichen Tresckows erstmal auf Anfang: Schon als sechzehnjähriger meldete er sich als Freiwilliger und zog in den Krieg (Westfront. Mit Kriegsende war er einer der jüngsten Leutnante (Juni 1918) und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse dekoriert. Im Jahre 1920 nahm er seinen Abschied, um an der Berliner Universität und in Kiel Vorlesungen über Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Politik zu hören. Ein Studium der Staats – und Rechtswissenschaften in Kiel brach er 1923 ab und begann eine erfolgreiche Arbeit als Börsenmakler. Mit dem erwirtschafteten Vermögen brach er 1924 mit seinem Offizierskameraden, Kurt Hesse, zu einer mehrmonatigen Weltreise auf. Allerdings zwangen ihn wirtschaftliche Schwierigkeiten auf dem elterlichen Gut zur vorzeitigen (November 1924) Rückkehr. Hans Mommsen attestierte Tresckow später eine „bemerkenswerte Weltoffenheit“ (siehe Hans Mommsen, Alternative zu Hitler, Studien zur Geschichte des deutschen Widerstandes, Becksche Reihe 1373, Beck München 2000, Seite 403).
Tresckow bewarb sich 1926 erneut um die Aufnahme in die Reichswehr. Da die 100.000 Mann Aufnahmegrenze (Versailler Abkommen) längst überschritten war, gelang dies nur durch die wohlwollende Fürsprache des Reichspräsidenten, Paul von Hindenburg. Am 1. Februar 1926 trug er dann erneut die Uniform eines Leutnants und versah seinen Dienst im 9. Infanterieregiment.
Zur politischen Verortung des national gesinnten Offiziers vermerkt Gerd Ueberschär, Tresckow befürwortete eine „parlamentarische Monarchie nach britischen Vorbild“. Und wie viele andere Offizierskameraden sah er im Versailler Vertrag eine „Schmach“ und daher betrachtete der Armeeangehörige zunächst mit Wohlwollen den Aufstieg des Nationalsozialismus gegenüber der Weimarer Republik (siehe Gerd R. Ueberschär (Herausgeber), Hitler militärische Elite, Henning von Tresckow, 3. Auflage, THEISS Verlag 2015, Seite 528). War der junge Offizier anfänglich noch Parteigänger Hitlers, so setzte schrittweise die Entfremdung von dessen Regime ein; die Ermordung der Generäle von Schleicher und von Bredow beim Röhm-Putsch, der „Kirchenkampf“, die Blomberg -Fritsch Krise (vor allem der schmachvolle Umgang mit General von Fritsch), die Novemberpogrome. Nach dem von Peter Steinbach und Johannes Tuchel publizierten Lexikon des Widerstandes waren es die Novemberpogrome, die Tresckow bewogen haben, sich endgültig in die Gruppe der Regimegegner einzureihen (siehe Peter Steinbach. Johannes Tuchel, Lexikon des Widerstandes 1933 -1945, Becksche Reihe 1061, 2. erweiterte und überarbeitete Auflage München 1998, Seite 204).
Im Oktober 1934 begann der Sohn eines Kavalleriegenerals eine zweijährige Ausbildung bei den Offizierslehrgängen in Berlin und erzielte dabei einen glänzenden Abschluss. Als Bester seines Jahrgangs an der Kriegsakademie Berlin wurde er in die Operationsabteilung des Generalstabes im Reichskriegsministerium befohlen. Vor dem Krieg war er Begleitoffizier von General Ludwig Beck und eine Prüfung zum Englisch Dolmetscher legte Tresckow auch noch ab. Der Zweite Weltkrieg begann für ihn, der inzwischen zum Major befördert worden war, in Polen. Der Offizier Tresckow stand zu dieser Zeit im „Widerspruch“ zu den militärischen Erfolgen in Polen und seiner Regimekritik, urteilt Joachim C. Fest (siehe Der Staatsstreich, Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 2004, Seite 116f). Zum 23. Oktober 1939 geriet der „Preuße gegen Hitler“ (Bodo Scheurig, Henning von Tresckow, Ein Preuße gegen Hitler, Frankfurt /a.M. Berlin 1987) auf Betreiben von Generalleutnant Erich von Manstein an Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt der die Heeresgruppe A, wo er zunächst als Gehilfe des I. Generalstabsoffiziers und später im Rang eines Oberstleutnants i. G. als Erster Generalstabsoffizier Dienst zu tun hatte. Aus dieser Zeit stammten auch erste Kontakte zu dem oppostionellen Abwehroffizier Oberst Hans Oster (1887 – 1945). Oster war einer der aktivsten Widerstandskämpfer, der schon 1938 auf die Tötung Hitlers drängte. Als Leiter der Zentralabteilung gab der Abwehr-Oberst die Weisung heraus, alle eingehende Meldungen über Verbrechen in den besetzten Gebieten zu dokumentieren, was natürlich konspirativ geschehen musste (siehe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 9 Erster Halbband, Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Winfried Heinemann, Der militärische Widerstand und der Krieg, Deutsche Verlags – Anstalt München 2004, Seite 781). Seine Lebenseinstellung bewirkte bei ihm, der im Ersten Weltkrieg Generalstabsoffizier war, das bei ihm schon 1933/34 eine geistige Opposition „gegen die sich abzeichnenden Auswüchse des faschistischen Regimes“ aufkam (Hans-Joachim Böttcher). Auf Osters Ablehnung stießen zum Beispiel der „Kirchenkampf“, die Bücherverbrennungen sowie die politischen Terrorakte. Mehr als zwanzigmal verriet er den mehrfach verschobenen Angriffstermin auf Holland, Belgien und Frankreich. Die Gruppe um Oster lieferte Tresckows Gruppe Bomben, um dort 1943 Anschläge auf Hitlers Leben zu verüben. Planungen der Verschwörer des 20. Juli zufolge, sollte der Pfarrerssohn Präsident des Reichskriegsgerichts werden. Aber am 9. April 1945 wurde Generalmajor (1942) Oster mit seinem Chef Admiral Wilhelm Canaris im KZ Flössenburg hingerichtet. Nachtragend sollte im Nürnberger Prozess, der Angeklagte Generaloberst Alfred Jodl (1889 – 1946), ehemals Chef des Wehrmachtführungsstabes (1939 -1945), das von Canaris geleitete Amt Ausland/Abwehr als „Verschwörernest“ bezeichnen (siehe Georg Holmsten, 20. Juli. 1944, Personen und Aktionen, Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin 2001, Beiträge zum Widerstand Heft 5, Seite 5).
Nach dem Eingehen auf General Hans Oster und die Abwehr kehren wir an dieser Stelle zu dem Ausgangspunkt; Henning von Tresckow zurück. Im weitere Kriegsverlauf kam er zur Heeresgruppe Mitte und damit unter den Oberbefehl von Generalfeldmarschall Fedor von Bock (1880 – 1945). Als Erster Generalstabsoffizier oblag ihm ab Mai 1941 die detaillierte Angriffsvorbereitung auf die Sowjetunion im mittleren Teil der neuen Front. Vergeblich bedrängte Tresckow seinen „Onkel Fedi“ zu Widerstandshandlungen; konkret Protest gegen den Kriegsgerichtsbarkeitserlass, Kommissarbefehl (siehe Gerd R. Ueberschär (Herausgeber), Hitler militärische Elite, Henning von Tresckow, 3. Auflage, THEISS Verlag 2015, Seite 529). Nur halbherzig motiviert schickte der Heeresgruppenchef Bock Major i.G Gersdorff zu General Eugen Müller ins OKH vor, der natürlich mit einem abschlägigen Bescheid von Hitler zurückkam. Solches Fehlverhalten forcierte nur die Ablehnung des Regimes und verstärkte die Personaldecke des militärischen Widerstandes. Am Ende waren es immerhin circa 200 meist hochrangige Offiziere. Der damalige Oberbefehlshaber, Fedor von Bock (ab 1942 in Führerreserve) befand sich am 3. Mai 1945 mit seiner Familie auf der Fahrt zu Generalfeldmarschall Erwin von Manstein (ab 1944 in Führerreserve). Bevor die „Reserveoffiziere“aufeinander trafen, wurde der Fahrgast samt Familie durch die Bordwaffen eines britischen Jagdbombers getötet beziehungsweise schwer verletzt. Von Bock sagte zu von Manstein noch: „Retten Sie Deutschland“. Welches Deutschland meinte er?
Auch unter dem neuen Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Günther von Kluge, (Dezember 1941) hielten die Offiziere des Stabes um Tresckow herum unvermindert an ihren Tötungsabsichten des Führers fest. Insgesamt wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 sechs weitere Anschläge auf Hitlers Leben vorbereitet, die aber aus dem einen oder anderen Grund nicht zur Ausführung kamen – so Alan Bullock (siehe Alan Bullock, Hitler Biografie 1889 – 1945), Lizenzausgabe Weltbild Verlag 2000 Seite 726). Dennoch erreichten einige den Status ihrer Umsetzung. Beispielsweise platzierte Leutnant Fabian Schlabrendorff im Flugzeug Hitlers eine Zeitbombe, als dieser in Russland einen Frontbesuch (13. März1943) machte. Die auf dem Rückflug nach Rastenburg erhoffte Explosion blieb aus, der Zünder hatte „verschlafen“ und ging nicht hoch. Nur mit Mühe gelang es Schlabrendorff, den Sprengkörper aus Ostpreußen zurückzuholen, und während der Rückfahrt im Zug wirkungslos zu machen. Kurze Zeit später, am 21. März 1943, (Heldengedenktag) besuchte das Anschlagsziel im Zeughaus eine Ausstellung mit sowjetischen Beutewaffen. Bei dieser Gelegenheit war Rudolph-Christoph von Gersdorff zu einem Selbstmordattentat bereit, da er dem ungeliebten Besucher die Beutewaffen erläutern sollte. Mit Sprengstoff in den Manteltaschen blieb der Offizier immer in seiner Nähe, aber der Führer hatte es diesmal sehr eilig und die Zünder ließen nur zu, eine Verzögerung von zehn Minuten einzustellen (siehe Klaus Achmann und Hartmut Bühl, 20. Juli 1944, Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand 2. überarbeitete Auflage, 1996, Schriftenreihe Offene Worte, Verlag E.S. Mittler & Sohn, Henning von Tresckow, Seite180/181). Beide Attentäter überlebten den Krieg. Schlabrendorff ein Leutnant im Stab von Tresckow (1942) war als Verbindungsmann zwischen der Heeresgruppe Mitte (für Tresckow) und dem Widerstandszentrum in Berlin (Beck, Goerdeler, Oster, Olbricht) unterwegs. Er war von 1967 bis 1975 Richter am Bundesverfassungsgericht. Und von Gersdorff wurde noch im März 1945 zum Generalmajor ernannt. In US-Kriegsgefangenschaft sollte er Militärhistorikern beim Schreiben einer Geschichte des Zweiten Weltkrieges unterstützten, wozu er mit andern hohen Offizieren der Wehrmacht interniert war. Im Zuge der Wiederbewaffnung bewarb sich von Gersdorff vergeblich um den Eintritt in die Bundeswehr. In seinen Memoiren machte er den einstigen NS-Staatssekretär Hans Globke, der damals ins Bundeskanzleramt übergelaufen war, sowie jene Kreise ehemaliger Offiziere verantwortlich, die keine „Verräter in der Bundeswehr“ dulden wollten. Beide starben 1980.
Als der Krieg immer mehr nach Deutschland zurückkehrte und das Ende des Dritten Reiches beständig greifbarer wurde, bestand der junge General dennoch sehr entschieden auf die Durchführung des Attentats. An Oberst Claus Graf von Stauffenberg schrieb er im Juni 1944: „Das Attentat auf Hitler muss erfolgen, um jeden Preis. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf das die Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz ihres Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere daneben ist gleichgültig“. Wie man weiß, das Attentat auf Hitler am 20. Juli gelang nicht. Tresckow sollte der Chef der Deutschen Polizei werden. So wählte er, der seit Herbst 1941 zu einem maßgeblichen Akteur des militärischen Widerstandes avanciert war, nahe Warschau den Freitod – aus dem Leben gerissen – das Gesicht von einer Gewehrgranate zerfetzt.
Wenn auch nicht alle Mitglieder des militärischen Widerstandes der Wehrmacht gegen Ihren „Chef“ hier in einer Galerie des Gedenkens aufgenommen werden können; Oberst i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg gehört unbedingt dazu. Nicht zuletzt, weil er mit dem von ihm am 20. Juli 1944 ausgeführten Bombenattentat auf Hitler einen Höhepunkt im militärischen Widerstand setzte, sondern auch dessen Finale. Danach kam nichts mehr. Nur noch die gnadenlose Rache durch Gestapo, Volksgerichtshof und durch den dabei nur leicht verletzten Führer eines längst am Abgrund stehenden Reiches. Aber wer war dieser Stauffenberg, der gemeinhin als „fähiger Offizier“ galt, der ursprünglich Architekt oder Musiker werden wollte. Machen wir uns ein Bild von ihm: Stauffenberg wurde in eine Familie aus altem Adel hineingeboren (1907 -1944). Sein Vater war Stallmeister und Oberhofmarschall des württembergischen Königs Wilhelm II. Seine Mutter entstammte einem alten schwedischen Adelsgeschlecht. Naheliegend war daher eine monarchisch-konservative, aber auch eine bildungsbürgerliche Erziehung. Richard von Weizsäcker, der viele der Verschwörer persönlich kannte, erinnerte sich mit diesen Worten an den „Bombenleger“ in der Wolfsschanze: „Ich habe Stauffenberg kennengelernt, als ich ein paar Monate im Generalstab des Heeres als Ordonnanzoffizier von General Gerhard Matzky zu arbeiten hatte. In dieser Funktion musste ich den Offizieren des Generalstabes die Akten bringen. (…) Stauffenberg war im Gespräch auch sehr lebhaft, direkt und spontan. Er war eine eindrucksvolle Erscheinung. Es war imponierend, ihm entgegenzutreten. Er hatte schon einen besonderen Ruf. Und ich war etwas befangen“ (siehe Antje Vollmer, Lars-Broder Keil, Stauffenbergs Gefährten – Das Schicksal der unbekannten Verschwörer, Deutscher Taschenbuchverlag 2015, Richard von Weizsäcker über seine Begegnungen mit Beteiligten des militärischen Widerstandes, Seite 22). Vorangestellt ist dem Interview ein Kernsatz von Weizsäcker, der im Polen-Feldzug aus unmittelbarer Nähe mit ansehen musste, wie sein Bruder fiel war: „Diese völlig unsinnigen Befehle, dieser tägliche Wahnsinn“. Als der Alt-Bundespräsident starb, hielt die Buchautorin und Grünen-Politikerin, Antje Vollmer (1943 -2023) am 11. Februar 2015 eine Gedenkrede auf ihn. Darin spielte auch der 20. Juli eine Rolle. Frau Vollmer führte hierzu aus: „Am 20. Juli letzten Jahres saß er wie jedes Jahr als erster an seinem Platz in der gleißenden Sonne des Bendlerblocks. Diesen Termin hat er nie versäumt. Er kannte so viele der Hingerichteten persönlich (…). Über sie und die Zeit mit ihnen zu sprechen, fiel ihm sehr schwer. Sein Vater, der Diplomat hatte den Krieg 1938 verhindern wollen und war an dieser seiner Illusion gescheitert. (…). Sein engster Freund Axel von dem Bussche hatte sich zum Attentat auf Hitler bereit erklärt und wurde durch einen dieser unfassbaren Zufälle daran gehindert, ihn auszuführen. Millionen Menschen in den Lagern und an allen Kriegsfronten hätten gerettet werden können. Im Nachdenken über dieses Scheitern und was daraus zu lernen sei, lagen die eigentlichen Wurzeln seiner Politik. Manchmal hatte ich den Eindruck, die toten Freunde begleiteten ihn ein Leben lang – und er hörte ihnen zu“.
Wenden wir uns jetzt wieder dem „Gesicht des 20. Juli“ zu. So bezeichnet der Enkel des Widerstandskämpfers, Jens Peter Jessen, Jens Jessen, ein ehemaliger Redakteur im Feuilleton der ZEIT, Graf Stauffenberg. Jessen: „Das liegt nicht nur daran, dass er das Attentat auf Hitler, nach vielen vergeblichen Anläufen, schließlich selbst wagte und der spektakuläre Misserfolg eine Verhaftungs – und Hinrichtungswelle ohnegleichen auslöste, die erst Ausmaß und Bedeutung des Verschwörerkreises offenbarte. Stauffenbergs ikonischer Rang hat auch mit seinem eigentümlichen Charisma der Jugend, der Kühnheit, Entschlossenheit und Überzeugungskraft von sich selbst zu tun (siehe, Jens Jessen, ZEIT Geschichte Widerstand Stauffenberg und der 20. Juli: Wie groß war die Verschwörung auf Hitler?,Seite 68). Der Stauffenberg – Biograf, Peter Hoffmann fand diese den Attentäter beschreibenden Worte: „Klarheit, Direktheit, Brillianz“.
Nur wenige Stunden konnten sich die Verschwörer und Attentäter darüber freuen, das es dieses Mal tatsächlich geklappt hat, ehe zur Gewissheit wurde; das „Schwein lebt immer noch“.
Der gräfliche Weg, um gegen das System Hitler aufzubegehren, war vergleichsweise lang; kürzer aber möglicherweise umso intensiver. Er plädierte „erst“ 1942 für die Ausschaltung Hitlers. Der Mitverschwörer Major i.G. Joachim Kuhn berichtete, Stauffenberg hielt den Krieg ab 1942 für verloren. Letztendlich war es der Oberst, der als einziger der widerstandswilligen Offiziere durch seinen Posten als Chef des Stabes des Ersatzheeres Zugang zum Hauptquartier hatte, so auch an jenem 20. Juli. Er war bereit diesen Gang zu gehen. Entschlossen bekannte Stauffenberg vor dem Attentat: „Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird“. Auch angesichts des schon nahen Kriegsendes.
Zunächst begann er in der Reichswehr (1926) seine Militärlaufbahn. Nach vier Jahren erhielt Stauffenberg das Offizierspatent. Er war Sechstbester seines Jahrgangs und Jahrgangsbester in der Kavallerie. Ein Ehrensäbel war hierfür die Belohnung. Er zeigte eine „überdurchschnittliche Befähigung als Reiter und erzielte hervorragende Ergebnisse in Dressur- und Military Wettkämpfen“ (siehe Ulrich Schlie: Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Biografie, 1. Auflage Herder 2018, Seite 86). Im Oktober 1936 trat der Oberleutnant bei der Berliner Kriegsakademie zu einer Generalstabsausbildung an, er wurde zu dieser erstmaligen Fortbildung (Versailles) unter 100 Offizieren ausgewählt. In der Akademie begegnete er den künftigen NS-Widerständlern, den Obristen Albrecht Mertz von Quirnheim (1905 – 1944) und Eberhard Finckh (1889 – 1944). Zudem besuchte er Abendvorträge der Deutschen Gesellschaft für Wehrwissenschaften und Wehrpolitik. Dabei legte der direkte Nachfahre des preußischen Feldmarschalls und Heeresreformers, August Neidhardt von Gneisenau (1783 – 1831) selbst militärtheoretische Studien vor, die unter anderem in der Zeitschrift „Wissen und Wehr“ zur Veröffentlichung gelangten.
Dann zogen die Wolken des Krieges auf. In ihrem Regen aus Blut ertranken nahezu 60 Millionen Menschen. Stauffenberg machte erstmal mit; Polen-Feldzug, Westfeldzug, in der Organisationsabteilung des Generalstabes des Heeres, Nordafrika. Aber je länger dieser Weltenbrand bei den Völkern unauslöschliche Wunden schlug, umso mehr bekam der „politisch interessierte“ Offizier Fragen und Zweifel, an dessen Endpunkt sein Übertritt zum aktiven Widerstand gegen Hitler stand. Ohne weiteres zu vermuten, war das nicht, wenn man sich frühere Äußerungen des Grafen ansieht. Dazu Harald Steffan „Etwa seit Beginn der 1930er Jahre sympathisierte Leutnant von Stauffenberg wie viele gleichgesinnte Offiziere mit Adolf Hitler, den er als Mann der Tat mit dem Potenzial ansah, über Klassen – und Parteigrenzen hinweg hinter sich zu einen“ (siehe Harald Steffan, Stauffenberg, 3. Auflage Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2002, Seite 3x -4x). Gehen wir weiter: „Der Gedanke des Führertums (…) verbunden mit dem einer Volksgemeinschaft, der Grundsatz, Gemeinnutz geht vor Eigennutz und der Kampf gegen Korruption, der Kampf gegen den Geist der Großstädte, der Rassengedanke und der Wille zu einer deutschbestimmten Rechtsordnung erscheinen uns gesund und zukunftsfähig“ (siehe Steven Krolak, Der Weg zum Neuen Reich, Die politischen Vorstellungen von Claus Stauffenberg, Ein Betrag zur Geistesgeschichte des deutschen Widerstandes, in Jürgen Schmädicke und Peter Steinbach (Hrsg.) Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, Piper München 1986, Seite 550). Zitieren wir noch aus einem Feldpostbrief, den der Kriegsteilnehmer aus Polen an seine Frau schrieb: „Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut, tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu brauchen, arbeitsam, willig und genügsam“. Anderseits lässt der Hauptmann einen Offizier vor das Kriegsgericht stellen, weil er zwei polnische Frauen erschießen ließ. Beeindruckt zeigte er sich bald vom Blitzsieg gegen die damals zahlenmäßig größte, aber immer noch nach Einsatzgrundsätzen des Ersten Weltkrieges operierenden französischen Armee. Feldpostbrieflich (19. Mai 1940) teilte Stauffenberg seiner Frau Nina hierzu mit: „Seither erleben wir in erschütternder Form den Anfang des Zusammenbruchs einer großen Nation nicht nur militärisch, sondern psychisch (…)“. In der Organisationsabteilung des Generalstabes erfährt er von dem verbrecherischen Wesen des Krieges gegen die Sowjetunion; ob Soldat; Zivilist, Jude…Hitler hat ja diesen Krieg von Beginn an als Vernichtungs – und Raubkrieg konzipiert. Jedenfalls sorgt die nicht mehr fassbare Radikalisierung der Kriegsführung dafür, dass die Zahl der Uniform tragenden Regimegegner um neue Mitstreiter addiert werden musste, so stieß auch die – Variable – Stauffenberg hinzu. Ernüchtert habe ihn die Hitlers Waghalsigkeit an der Ostfront vor allem nach Stalingrad war er der Ansicht, dass Deutschland in den Abgrund führe (siehe Evans, Seite 796). „Was ihn (Stauffenberg) endgültig Stellung gegen Hitler beziehen ließ, waren die Gräuel, die SS an der Ostfront und hinter hier an Slawen und Juden verübte, und sein Gefühl, dass ihnen Einhalt geboten werden musste, wurde immer stärker“ (siehe Richard J. Evans, Das Dritte Reich Krieg, Deutscher Taschenbuchverlag 2010, Seite 796).
Nach Dr. Lukas Grawe mehren sich beim einstigen Parteigänger Hitlers die Zweifel: Der Historiker erwähnt die deutschen Massenmorde und die unsachgemäße militärische Führung durch Hitler, ergänzend dazu benennt er als Kritikpunkt Stauffenbergs, das Verhalten des Diktators in der Winterkrise 1941/1942; das Halten der Front um jeden Preis, wobei dieser dabei sein Desinteresse für das Leid der deutschen Soldaten offen zur Schau stellte, das habe Stauffenberg vollends davon überzeugt, dass der Diktator über Leichen geht (siehe Lucas Grawe, Clausewitz Heft 4/2024, Offizier mit Gewissen, Seite 80ff.). Nach zwei Jahren Stabsdienst wartet auf ihn die nächste Frontverwendung; Einsatzgebiet Nordafrika. Unter Afrikas Sonne war er erstmal weitgehend von der Hitleropposition in Berlin isoliert. Sein Kampfeinsatz war jedoch recht kurz. Erst im März 1943 eingetroffen verlor er schon einen Monat später durch Beschuss eines britischen Jagdfliegers einige Körperteile; das linke Auge, die rechte Hand sowie Ringfinger/Kleinfinger der linken Hand. Inzwischen in einem Münchener Lazarett versorgt, überbrachte dem nun kriegsversehrten Offizier der Generalstabschef, Generaloberst Kurt Zeitzler (1895 – 1963) das Goldene Verwundetenabzeichen und das Deutsche Kreuz in Gold. Im Herbst 1943 trat er bei Generaloberst Friedrich Fromm (1888 – 1945), dem Amtschef des Allgemeinen Heeresamtes und Befehlshaber des Ersatzheeres (1939 -1944) seinen letzten Dienstposten als Stabschef des Ersatzheeres an. General Olbricht (1888 – 1944), der Fromm unterstellt war, nutze seine Funktion als Chef des Wehrersatzamtes auf geschickte Weise, um oppostionelle Offiziere für wichtige Posten zu rekrutieren, einer von ihnen war Stauffenberg. Beladen mit einem soliden militärischen Bildungspaket über das Stauffenberg und andere Generalstabsoffiziere verfügen konnten, bekamen sie in hohen Kommando -Stabsfunktionen im Oberkommando mehr und andere Einblicke in die Kriegsführung und seine Konsequenzen, als ein Frontoffizier. Die Leute um Stauffenberg registrierten sehr genau den Mangel an militärischen Urteilsvermögen und entsprechenden Fundus an Wissen und Erfahrung bei dem kleinen Weltkriegsgefreiten im „Großen Krieg“. Als Stabschef des Ersatzheeres gingen die Resultate der „dilettantischen Kriegsführung“ über den Schreibtisch Stauffenbergs im Bendlerblock. An diesem Punkt drängt sich erneut die Veränderung der Spitzengliederung der Wehrmacht auf, die von Anbeginn eine zentrale Forderung der Verschwörer, aber eben auch ein Angriff auf die Person des Obersten Befehlshabers (ab Dezember 1941), Adolf Hitler war. Man wollte einen Fachmann: Generalfeldmarschall Erich von Manstein war ein Kandidat, aber der „preußische Feldmarschall putschte nicht“. Die Zahlen über die immensen Verlustzahlen füllten nunmehr seinen Berufsalltag. Oberst Dr. Winfried Heinemann führte hierzu aus: „Seinen Regimentskameraden Hauptmann Roland von Hößling etwa gewann Stauffenberg mit dem Argument für die Verschwörung: Die Stärke des Feldheeres vermindere sich monatlich um die Stärke eines Armeekorps, das nicht ersetzt werden könne. Und: „Deutschland werde dieser Kriegführung personell und materiell nicht mehr lange gewachsen sein“ (siehe Winfried Heinemann, Militäropposition im Krieg, Wehrmacht – Verbrechen – Widerstand, Hannah Arendt Institut Dresden 2003, Seite 66/67).
Seit der Jahreswende 1941/1942 war Olbricht von General a.D. Beck mit den Planungen für einen Staatsstreich (Operation Walküre) beauftragt worden. In diese Vorarbeiten war ebenfalls Tresckow eingebunden. Ergänzend: „Während General Friedrich Olbricht, der Leiter des Wehrersatzamtes beim Oberkommando der Wehrmacht auf ihrer Seite (der Verschwörer; R.L) stand und aktiv die Truppenbewegungen plante, die nach dem Tod Hitlers zur Machtübernahme führen sollten, nahm sein Vorgesetzter, Generaloberst Friedrich Fromm, der Befehlshaber des Ersatzheeres, ein Mann der auf der Seite des Gewinners stehen wollte eine abwartende Haltung ein, als er von der Verschwörung erfuhr, auch wenn er die Verschwörer zunächst nicht verriet“ (siehe Richard J. Evans, Das Dritte Reich, Krieg, Deutscher Taschenbuchverlag 2010, Seite 795). Unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat bekamen die Hauptattentäter (Oberst Stauffenberg, Oberleutnant Haeften, Oberst Quirnheim, General Olbricht) die Auswirkungen des Wankelmuts von General Fromm, zu spüren. Eigenmächtig verurteilte er sie zum Tode. General Ludwig Beck gewährte er noch dessen Bitte, ihnen mittels Suizid in den Tod vorauszugehen. Als im Anschluss das Exekutionskommando auf die „Offiziere mit Gewissen“ anlegte, teilten sie die Stunde ihres Todes in einem nach wie vor von Hitler umnachteten Deutschland. Zunächst wurden sie samt ihrer Uniformen und Ehrenzeichen begraben. Dem mörderisch-lebendigen Leichensack des Regimes, Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, passte das nicht. Er ließ sie exhumieren, verbrennen und deren Asche auf Rieselfeldern verstreuen. Die von General Fromm veranlasste Hinrichtung von den wichtigsten Exponenten des 20. Juli machte ihn bei der Nazi-Führung eher verdächtig, als sie ihn, wie er erhofft zu seiner Entlastung diente. Man vermutete, der Heeresgeneral könnte um die Umsturzpläne gewusst haben. Nachfolgend wurde der „Scharfrichter“ aus der Wehrmacht ausgestoßen. Der Volksgerichtshof konnte ihm zwar nicht die aktive Mitwirkung an diesen Akt des Widerstandes nachweisen aber ein Todesurteil war dennoch schnell zur Hand; Feigheit. Hingerichtet wurde der bei Widerstandssachen labile Ex-General am 12. März 1945. Er wurde im Zuchthaus Brandenburg-Görden erschossen. Es waren Kommunisten, die dafür sorgten, dass er ordentlich begraben wurde.
Oberst Stauffenberg – sein Name steht stellvertretend für die Ereignisse des 20. Juli, den gescheiterten Versuch, die Welt von Hitler zu befreien. „Diese Fixierung ist fatal“, so schreibt die Enkelin Stauffenbergs, Sophie von Bechtholsheim (1968). Einerseits wiederholt man so die Nazi – Propaganda von der „ganz kleinen Clique der Verschwörer“, andererseits wird die Tatsache unterschlagen, dass mehr als 200 Personen in das Attentat involviert waren. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Biografien und Motive, um den Diktator ins Jenseits zu befördern (siehe Ralf Balke, Die Ambivalenzen des 20. Juli.,Jüdische Allgemeine, 20. 07. 2013).
Über die Motivlage der Widerständler aus dem zivilen wie dem militärischen Sektor gibt der Entwurf der Regierungserklärung Auskunft. Ihre Autoren (Sommer 1944) waren General a.D. Ludwig Beck und der frühere Leipziger Oberbürgermeister, Ludwig Goerdeler. Zusammengefasst unter mehrere zentrale Kapitel äußerten sie sich über die geplanten Vorhaben einer neuen „hitlerbefreiten“ Reichsregierung. Die Kernpunkte waren unter anderem so überschrieben: Erste Aufgabe ist die Wiederherstellung vollkommenen Majestät des Rechts“. „Wir wollen die Moral wiederherstellen, und zwar auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Lebens“. „Der Lüge sagen wir Kampf an, die Sonne der Wahrheit soll ihre dicken Nebel auslösen“. „Die zerbrochene Freiheit des Geistes, des Glaubens, des Gewissens, des Glaubens und der Meinung wird wiederhergestellt“. „Wir haben vor diesem Kriege gewarnt, der soviel Leid, über die ganze Menschheit gebracht hat, und können daher in Freimut sprechen. Wir waren und sind der Ansicht, dass es andere Möglichkeiten gab unsere Lebensinteressen sicherzustellen“. Und abschließend: „Gehen wir wieder den Weg des Rechts, des Anstands und der gegenseitigen Achtung! In solchem Geist wollen wir alle unsere Pflicht erfüllen“. Soweit einige Auszüge einer nicht gehaltenen Regierungserklärung (siehe Entwurf einer Regierungserklärung, Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler, Sommer 1944, Rekonstruktion nach Unterlagen der Gestapo-Sonderkommission 20. Juli 1944 (Abschrift), Quelle Bundesarchiv NS 6/ 6 fol. 90-113, Redaktion Ute Stiepani / Tanja Sivonen, 2. Auflage 2016).
Das 20. Juli 1944 und seine Folgen
In dem Sammelband „Aufstand des Gewissens“ verweist Peter Hoffmann noch einmal auf die vielen Attentatsversuch, die in den Jahren von 1938 bis 1944, von dass Hitler-System verneinenden Offiziere unternommen wurden, die aber aufgrund verschiedenster Hindernisse allesamt fehlschlagen sollten. In einem Fall wurde einem Ordonanzoffizier kurzfristig der Zutritt zum Besprechungsraum Hitlers verweigert. Andere Hitler-Gegner kamen zwar auch in Hitlers Nähe, konnten sich aber nicht zum eigenen Attentat entschließen (siehe Peter Hoffmann, Aufstand des Gewissens – Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933 1945, Der militärische Widerstand in der zweiten Kriegshälfte 1942 bis 1944/1945, Verlag Mittler&Sohn 2000, Seite 242f). So versagten General Stieff die Nerven, um den Nachholtermin (7. Juli 1944) für die wiederholt verschobene Vorführung der Uniformen, nunmehr auf Schloss Kleßheim (Salzburg) für die Tötung des „Hasardeurs“ (General Stülpnagel) zu nutzen. General Carl Heinrich Stülpnagel (1886 -1944) war als Militärbefehlshaber in Paris (1942 -1944) der Organisator und Kopf des dortigen militärischen Widerstandes. Schon ab 1938 ging er auf Distanz zu Hitler.
Als Stabschef des Ersatzheeres nutze Stauffenberg mehrere Dienstreisen, um an den Fronten hochrangige Militärs für den Widerstand zu gewinnen. Aber die Marschälle hatten die Hosen voll, musste der – Handlungsreisende -feststellen.
Was den finalen Attentäter Oberst Stauffenberg angeht, der britische Historiker Alan Bullock (1914 – 2004) kam in seiner schon erwähnten Hitler-Biografie zu dem Schluss; „Stauffenbergs Energie habe neues Leben in die Verschwörung gebracht“ (siehe Alan Bullock, Hitler Biografie 1889 -1945. Lizenzausgabe Weltbild Verlag 2000, Seite 727). Denn nicht verwunderlich, nach den zuhauf misslungenen Anschlagsversuchen und Rückschlägen sowie ersten Verhaftungen gab es Phasen von Resignation. Prof. Wolfgang Benz lässt dem Leser (die militärische Lage Sommers 1944 berücksichtigend) folgende Gedanken zuteilwerden: „Die oppositionellen Offiziere standen vor der Frage, ob ein gewaltsamer Umsturz noch Sinn habe, da absehbar war, das die Geschicke der Deutschen nach Kriegsende von den Siegern bestimmt werden würden“ (siehe Wolfgang Benz, Geschichte des Dritten Reiches, Verlag C. H.Beck München 2000, Seite 243). Aber besonders Tresckow und Stauffenberg drängten, wie vorgenannt schon zu lesen war, auf den Vollzug des Attentats. Da kam das „Energiebündel“ Stauffenberg gerade recht.
Der 20. Juli 1944 sollte nun der Tag X sein. Als Arbeitsgrundlage für die Verschwörer diente der erarbeitete und mehrfach modifizierte Plan zur Operation Walküre. Die Chronik dieses schicksalsschweren Tages begann für die Verschwörer um 8 Uhr mit dem Start des Flugzeuges das Stauffenberg mit zwei Sprengkörpern in Begleitung von seinem Adjutanten Oberleutnant Haeften und Generalmajor Stieff ins Hauptquartier bringen sollte. Gegen 12 Uhr erfährt der Chef des OKW, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, das die Lagebesprechung wegen des Besuchs von Mussolini um eine Stunde vorverlegt wurde. Diese Zeitverschiebung und die Störung durch einen Oberfeldwebel schafft es der Oberst nur einen Zünder scharf zu machen. Im Lageraum gelingt es Stauffenberg, die mit der Bombe bestückten Tasche unter dem Kartentisch in der Nähe Hitlers zu platzieren. Die Bombe geht hoch, reißt einige Teilnehmer in den Tod, aber Hitler kommt mit einigen Prellungen, Schürfwunden und einer zerrissenen Hose davon. Der Diktator sollte das in Ansprache als Zeichen der Vorsehung deuten und von einer „kleinen Offiziersclique“ sprechen. Lange war für die im Bendlerblock wartenden Verschwörer ungewiss, ob es Hitler diesmal erwischt, oder ob er wieder einmal Glück gehabt hatte. Die Frage war „Walküre“ auslösen oder nicht. Seine Auslösung hätte den Einsatzbefehl für bestimmte Truppen, die Besetzung wichtiger Institutionen sowie die Festsetzung von NS-Funktionären zur Folge. Inzwischen war in dem zu diesem Zeitpunkt herrschenden Befehlschaos der Kommandeur des Berliner Wachbataillons Major Ernst Otto Remer auf dem Weg zu Propagandaminister Joseph Goebbels unterwegs, um ihn zu verhaften. Doch der Minister verband Riemer am Telefon mit dem lebendigen Führer. Also, Kommando zurück. Damit war die „Operation Walküre“ gescheitert. Jetzt begann eine beispiellose Verfolgungswelle. Einige versuchten sich den zu erwartenden Repressalien durch den Freitod zu entziehen. Der nach Berlin beorderte Generalfeldmarschall Kluge war da mit Gift erfolgreich, nicht ohne eine Ergebenheitsadresse an Hitler und die Forderung nach einem Friedensschluss mit dem Westen zu hinterlassen. Während Kluge nur Mitwisser war, war Stülpnagel am 20. Juli Täter. Er hat zum Missfallen Kluges in Paris sämtliche Mitarbeiter von SD und SS verhaften lassen. Bei General Stülpnagel schlug der Versuch der Selbsttötung fehl. Er machte bei Verdun Halt, schoss und verlor dabei nur sein Augenlicht. In einem Lazarett prozessfähig behandelt, wurde er am 30. August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am selben Tag hingerichtet.
Der tödlichen Rache des Regimes fielen geschätzt über 100 Menschen zum Opfer. Hinterbliebene aus Familien der gerichteten Verschwörer (Stauffenberg) oder mutmaßliche Mitwisser (Halder) wurden in Sippenhaft gesteckt. Hiervon waren 180 Personen betroffen. Der Verfolgungswahn des NS-Unterdrückungsapparats traf jedoch auch zahllose am Attentat des 20. Juli völlig unbeteiligte Bürger. Der Ehrenhof der Wehrmacht stieß nach dem 20. Juli 55 Offiziere des nationalkonservativen Widerstandes aus der Armee aus, weitere 29 wurden entlassen (siehe Winfried Heinemann, Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Band 9 1. Halbband, Deutsche Verlags-Anstalt München 2004, Seite 882/893). Sein Widerstandskapitel (Der militärische Widerstand im Krieg) in der zehnbändigen Gesamtschau auf die Geschichte des Zweiten Weltkrieges endigt der Militärhistoriker Oberst Dr. Heinemann mit dieser Bemerkung: „Die deutschen Nationalkonservativen haben den Aufstieg der NS-Herrschaft mitverschuldet. Sie stellten den Kern der Funktionseliten, die das Regime zwölf Jahre lang getragen haben. Zugleich aber kam aus ihren Reihen der einzig gefährliche Widerstand“ (siehe Winfried Heinemann, Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Band 9 1. Halbband, Deutsche Verlags-Anstalt München 2004, Seite 892).
Nehmen wir das als Schlusswort: Die Fortführung des Krieges durch den „Narr und Verbrecher“ (Stauffenberg) nach dem missglückten Attentat ließ die Opferzahlen an den Fronten und in der Heimat um ein Vielfaches hochschnellen. „Insgesamt kostete die Zeit nach dem 20. Juli 1944 bis zum Kriegsende noch einmal so viele Opfer wie die fast fünf Kriegsjahre zuvor zusammen – Opfer, die bei einem Gelingen des Umsturzes wohl, hätten vermieden werden können“ (siehe Wolfram Wette, Zwischen Untergangspathos und Überlebenswillen, Seite 9). Und zusätzlich wurden in den verlängerten Bonusmonaten bezüglich der Kriegsdauer, 60.000 deutsche Zivilisten von alliierten Bomben begraben. Was wäre nicht alles vermeidbar gewesen, wenn…?
Autor: René Lindenau
Literatur
Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, dtv – Verlagsgesellschaft 2007
Richard J. Evans, Das Dritte Reich Krieg, Deutscher Taschenbuchverlag 2010
Antje Vollmer, Lars-Broder Keil, Stauffenbergs Gefährten – Das Schicksal der unbekannten Verschwörer, Deutscher Taschenbuchverlag 2015
Gerd R. Ueberschär: Generaloberst Franz Halder, Hitlers militärische Elite Band 1, Primus Verlag Darmstadt 1988
Gerd R. Ueberschär (Herausgeber), Hitler militärische Elite 3. Auflage, THEISS Verlag 2015, Gene Mueller, Erwin von Witzleben,
Gerd R. Ueberschär (Herausgeber), Hitler militärische Elite, Henning von Tresckow, 3. Auflage, THEISS Verlag 2015
Klaus Achmann und Hartmut Bühl, 20. Juli 1944, Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand 2. überarbeitete Auflage, 1996, Schriftenreihe Offene Worte, Verlag E.S. Mittler & Sohn
Steven Krolak, Der Weg zum Neuen Reich, Die politischen Vorstellungen von Claus Stauffenberg, Ein Betrag zur Geistesgeschichte des deutschen Widerstandes, in Jürgen Schmädicke und Peter Steinbach (Hrsg.) Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, Piper München 1986
Alan Bullock, Hitler Biografie 1889 -1945. Lizenzausgabe Weltbild Verlag 2000
Winfried Heinemann, Militäropposition im Krieg, Wehrmacht – Verbrechen – Widerstand, Hannah Arendt Institut Dresden 2003,
Winfried Heinemann, Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945, Band 9 1. Halbband, Deutsche Verlags-Anstalt München 2004
Peter Hoffmann, Aufstand des Gewissens – Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime 1933 1945, Der militärische Widerstand in der zweiten Kriegshälfte 1942 bis 1944/1945 Verlag Mittler&Sohn 2000