Die Wehrmacht – geschaffen mit dem „Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht“ vom 16. März 1935 – war für Adolf Hitler die conditio sine qua non bei der Durchsetzung seines außenpolitischen Konzeptes. Nach seiner Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 mußte Hitler allerdings feststellen, daß die deutschen Streitkräfte – bislang hießen sie noch Reichswehr – und das preußisch-konservative Offizierskorps distanziert und abwartend ihm gegenüber auftraten. Dennoch wurde die Machtübernahme im Großen und Ganzen begrüßt, zumal er Schritte zur Aufrüstung ankündigte und sich damit der Generalität die Chance bot, die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages vollkommen zu revidieren. Schon am 3. Februar 1933 umriß Hitler in seiner Rede vor der Reichswehrführung sein Aufrüstungsprogramm. Bereits 1934 stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um das Fünffache auf 4,197 Mrd. Reichsmark und verdoppelten sich bis 1936 nahezu auf 10,273 Mrd. Reichsmark. Trotz der Anstrengungen auf diesem Gebiet war die deutsche Aufrüstung bis 1939 nicht so weit fortgeschritten, daß sie für die weit gesteckten Ziele der nationalsozialistischen Expansionspolitik ausgereicht hätte. Neben dem Wunsch der Reichswehr, entgegen dem Versailler Vertrage wieder zu alter preußischer Stärke zu gelangen, war sich Hitler auch des Selbstverständnisses der Reichswehr bewußt, alleinige Waffenträgerin des Deutschen Reiches zu sein. Jedoch verfolgte der Stabschef der Sturmabteilung (SA) Ernst Röhm, die Absicht, die Reichswehr in der SA aufgehen zu lassen und das stehende Heer auf eine Schulungsorganisation zu reduzieren. Reichskriegsminister Werner von Blomberg und Hitler widersprachen dem vehement. Angetrieben von Hermann Göring, Wilhelm Frick, Joseph Goebbels, Walter von Reichenau, Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich steuerte Hitler auf eine gewaltsame Auseinandersetzung zu, die sich in der Festnahme Röhms und weiterer hoher SA-Führer am 30. Juni 1934 in Bad Wiessee und deren späterer Ermordung entlud – die Reichswehr leistete bei der Niederschlagung des vorgeblichen „Röhm-Putsches“ technische Unterstützung. Unter den Opfern war auch der ehemalige Reichskanzler und Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher. Mit Röhm hatte sich Hitler seines mächtigsten Gegenspielers entledigt, weshalb der 30. Juni 1934 zum entscheidenden Datum der nationalsozialistischen Machteroberung nach dem 30. Januar 1933 wurde. In den Tagen der sog. Röhm-Affäre wähnte sich die Reichswehr als die eigentliche Siegerin. Sie brachte ihre Befriedigung über die Beseitigung des „brauen Drecks“ augenscheinlich zum Ausdruck, als die Berliner Wachkompanie unter den Klängen des Badenweiler Marsches durch die Berliner Wilhelmstraße marschierte – die Reichskanzlei passierend – und Blomberg sich im Namen des Kabinetts bei Hitler bedankte. Neben der machtpolitischen Konsolidierung des Regimes durch die Ausschaltung seines Gegenspielers konnte sich Hitler nun auch der Loyalität der Reichswehr sicher sein. Hitlers Witterung für Machtverhältnisse entsprechend konnte er nun davon ausgehen, daß sich ihm die Reichswehr nicht mehr wirksam entgegenstellen könnte – ließ sie sich doch korrumpieren, da sie in diesen Tagen nicht gegen den Mord an ihren eigenen Kameraden einschritt.
Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im August 1934 war die Loyalität der Reichswehrführung nahezu bedingungslosen Charakters, als Blomberg aus eigener Initiative am 2. August 1934 in sämtlichen Garnisonen Offiziere und Mannschaften auf Hitler persönlich vereidigen ließ. Dies wog fast noch schwerwiegender als der Umstand, daß Hitler nach der Vereinigung der Ämter des Reichskanzlers und Reichspräsidenten im August 1934 laut Weimarer Verfassung auch den Oberbefehl über die Reichswehr übernahm. Mit diesen Vollmachten ausgestattet und auf der Basis der Wehrgesetze vom 21. Mai 1935, die Hitler zum Obersten Befehlshaber der Wehrmacht erklärten – die Ausübung der Befehlsgewalt über die Wehrmacht lag beim Reichskriegsminister – , der Loyalität der Militärführung sowie der innen- und außenpolitischen Erfolge konnte sich Hitler nun daran begeben, aus dem Schatten der Revisionspolitik heraus- und in eine dynamische Expansionspolitik einzutreten. Die Ausübung des Oberbefehls überließ er noch überwiegend den Militärs, was sich allerdings mit dem Jahreswechsel 1937/38 änderte. Am 5. November 1937 lud Hitler Reichsaußenminister Franz von Neurath, Blomberg sowie die Oberbefehlshaber des Heeres, Werner Freiherr von Fritsch, der Marine, Erich Raeder, und der Luftwaffe, Göring, in die Reichskanzlei ein. Hier umriß Hitler zum ersten Mal seine Überlegungen zum wahrscheinlichen Zeitablauf und der militärischen Expansion in Richtung Österreich und der Tschechoslowakei vor den Oberbefehlshabern der Teilstreitkräfte. Nicht die Expansion als solche stieß bei ihnen auf Ablehnung, sondern der baldige Einsatz der Wehrmacht und die Gefahr eines Konflikts mit Großbritannien und Frankreich, dem das Deutsche Reich ihrer Meinung nach militärisch noch nicht gewachsen war. Anfang 1938 zwangen von Göring und Himmler inszenierte Intrigen Blomberg und Fritsch zum Rücktritt. Als neuer Oberbefehlshaber des Heeres wurde Walter von Brauchitsch eingesetzt. Blomberg mußte am 27. Januar 1938 seinen Abschied einreichen, ohne daß ein Nachfolger eingesetzt wurde.
Anknüpfend an die vorangehende Gleichschaltung auf der gesetzlichen Ebene, wurde mit dieser Krise nun auch die organisatorische Gleichschaltung der Wehrmacht vollzogen. Direkt nach den Rücktritten veröffentlichte Hitler am 4. Februar 1938 den „Erlaß über die Führung der Wehrmacht“. Demnach übte nun er die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht persönlich aus und stellte das bisherige Wehrmachtamt im Reichskriegsministerium als Oberkommando der Wehrmacht – kurz: OKW – und als sein militärischer Stab unter seinen direkten Befehl. Daran ansetzend hieß es weiter: „An der Spitze des Stabes des Oberkommandos der Wehrmacht steht der bisherige Chef des Wehrmachtsamtes als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Er ist im Range den Reichsministern gleichgestellt.“ Zum einen wird deutlich, daß dieser Erlaß die Geburtsurkunde des OKW darstellt, zum anderen aber auch die Existenz des bisherigen Reichskriegsministeriums – die bisherige oberste militärische Einheitsinstanz – besiegelt, denn es hieß weiter: „Das Oberkommando der Wehrmacht nimmt zugleich die Geschäfte des Reichskriegsministeriums wahr, der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht übt in meinem Auftrage die bisher dem Reichskriegsminister zustehenden Befugnisse aus.“ Das OKW setzte sich aus vier Ämtern zusammen: das Wehrmachtführungsamt (ab 1940 Wehrmachtführungsstab) stellte den eigentlichen operativen Arbeitsstab Hitlers dar, das Amt Ausland/Abwehr sowie die verwaltenden Abteilungen Allgemeines Wehrmachtsamt und das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt. Direkt dem OKW unterstellt waren die Oberkommandos des Heeres (OKH) unter von Brauchitsch, der Luftwaffe (OKL) unter Göring und der Marine unter Raeder. Zwar änderte der Erlaß vom 4. Februar 1938 die Funktionen der Oberkommandos der Wehrmachtteile nicht, wohl aber die Stellung der Oberbefehlshaber. Raeder, von Brauchitsch und Göring waren nun Hitler unmittelbar militärisch unterstellt, was für Göring nicht, aber für die übrigen Oberbefehlshaber von Heer und Marine auf eine deutliche Änderung ihres bisherigen Dienstverhältnisses hinauslief.
Chef des OKW wurde der bisherige Chef des Wehrmachtamtes Wilhelm Keitel, von dem Hitler selbst sagte, daß er nun sein einziger Berater in Fragen der Wehrmacht sei. Dahinter steckte Hitlers Kalkül, daß er von diesem willfährigen und charakterschwachen General keinen Widerspruch zu erwarten hatte. Er war an allen militärischen Planungen beteiligt, konnte aber mangels Befehlsgewalt nur geringen Einfluß auf die operativen Abläufe nehmen. Trotz vereinzelter Kritik an Hitlers Entscheidungen war er ihm gegenüber absolut loyal eingestellt, prägte nach dem Waffenstillstandsgesuch Frankreichs 1940 den Ausdruck vom „größten Feldherrn aller Zeiten“ und handelte sich im Offizierskorps den Spottnamen „Lakaitel“ ein. Im Laufe der Zeit beschränkten sich seine Aufgaben auf die Bereiche der Organisation und Verwaltung der Wehrmacht und der personellen sowie materiellen Rüstung. Dies lag nicht zuletzt daran, daß sein Untergebener General Alfred Jodl, Chef des Wehrmachtführungsamtes-/stabes, sukzessive zum engsten militärischen Berater Hitlers aufstieg und damit das Wehrmachtführungsamt der eigentliche operative Arbeitsstab innerhalb des OKW wurde. So wie Keitel verfügte auch Jodl über keine eigene Befehlsgewalt. Das OKW arbeitete Hitlers Weisungen für die Kriegführung aus und leitete seine Befehle an die Befehlshaber der Wehrmachtteile weiter, ohne allerdings direkte Kommandoberechtigung über sie zu verfügen. Das OKW kontrollierte nur die militärischen Planungen der Teilstreitkräfte auf die Befolgung der allgemeinen Anweisungen Hitlers hin. Durch diese neue Organisationsstruktur verlagerte Hitler die Balance der Macht innerhalb der Streitkräfte von der traditionalistisch geprägten Führung und dem Generalstab des Heeres als der stärksten Teilstreitkraft zum Wehrmachtamt als Repräsentant der Gesamtstreitkräfte, das von Hitler direkt abhängig und diesem gegenüber fügsam war. Entgegen einer Stellungnahme vom 7. Februar 1938, in der es hieß, daß die Übernahme der Wehrmachtführung durch Hitler von vornherein – nur zu einem späteren Zeitpunkt – vorgesehen war, handelte es sich um eine spontane Entscheidung. Es sollte auf keinen Fall die inszenierte Intrige um Blomberg und Fritsch auffliegen, wodurch das Regime vor der deutschen Öffentlichkeit in Begründungsnöte gekommen wäre, denn, so Hitler: „Parole: Konzentration der Kraft. Nichts merken lassen.“ Entgegen dem Anschein nach außen war das OKW während des Zweiten Weltkriegs kaum als effektives Führungsinstrument und schlagkräftiger Arbeitsstab zu bezeichnen. Die fehlende Kommandoberechtigung über OKH, OKL und OKM und die zum Teil daraus resultierenden Kompetenzstreitigkeiten standen einer geordneten Koordination aller drei Wehrmachtteile entgegen. Vor allem zwischen OKW und OKH traten wiederholt Konflikte bezüglich Fragen taktischer und operativer Kriegführung auf.
Zu diesen Streitpunkten zählte auch der Kommissarbefehl – offiziell „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ – der vom OKW/Wehrmachtführungsstab (Abt. L) auf Weisung Hitlers ausgearbeitet und am 6. Juni 1941 erlassen wurden. Demnach waren sämtliche sowjetische Kommissare „wenn im Kampf oder im Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen“ bzw. wenn sie im rückwärtigen Heeresgebiet aufgegriffen wurden, an die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) der SS zu übergeben. Im Spätsommer 1941 vermehrten sich die Proteste über den Kommissarbefehl beim Oberbefehlshaber des OKH, der beim OKW intervenierte und forderte „die Notwendigkeit der Durchführung des Kommissarbefehls in der bisherigen Form im Hinblick auf die Entwicklung der Lage zu überprüfen.“ Jedoch lehnte Jodl auf Anweisung Hitlers hin jede Änderung zunächst ab. Erst im Mai 1942 verfügte Hitler die versuchsweise Aufhebung des Kommissarbefehls, mit dem Argument, „die Neigung zum Überlaufen und zur Kapitulation eingeschlossener sowjetischer Truppen zu steigern.“
Der Kommissarbefehl ist nur ein herausstechendes Glied in einer ganzen Kette von Befehlen des OKW, durch die die Wehrmacht mit in die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes verwickelt worden ist resp. diese erst ermöglicht hat. Hinzu kamen weitere OKW-Befehle, die gegen jegliches Völkerrecht und die elementarsten Menschenrechte eklatant verstießen: In den „Anordnungen für die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener“ vom 8. September 1941 hieß es, daß „Widersetzlichkeit, aktiver oder passiver Widerstand sofort mit der Waffe (Bajonett, Kolben und Schußwaffe) restlos beseitigt [werden muß]“ und der „Befehl zur Bekämpfung von Partisanen und Partisanenverdächtigen“ vom 16. Dezember 1942 forderte offen dazu auf, „in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt.“ Flankiert vom OKW-„Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ´Barbarossa´ (Sowjetunion) über besondere Maßnahmen der Truppe“ vom 13. Mai 1941, demzufolge schon im Vorfeld u.a. der Verfolgungszwang für Vergehen deutscher Soldaten gegen die Zivilbevölkerung aufgehoben wurde, wird anhand dieser Anordnungen die aktive Mitarbeit des OKW an der Schaffung eines rechtsfreien und absolut willkürlichen Raumes sichtbar. Überdies verdeutlichen sie die Rolle, die das OKW beim „Unternehmen Barbarossa“ – dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion – unmißverständlich einnahm. Dem Argument, daß Kommandeure einzelner Truppeneinheiten immer wieder gegen OKW-Befehle intervenierten oder diese schlichtweg nicht ausführten, muß entgegengehalten werden, daß in Tätigkeitsberichten der Einsatzkommandos und -gruppen der SS häufig ausdrücklich auf die reibungslose Kooperation mit Wehrmachtskommandos hingewiesen wird. Vor diesem Hintergrund erhoben die vier alliierten Hauptankläger am 6. Oktober 1945 u.a. auch Anklage gegen das OKW. Keitel wie Jodl wurden in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Im Nürnberger Prozeß wurde das OKW nicht zu den verbrecherischen Organisationen gezählt, da der Organisationscharakter nicht feststellbar sei. Statt dessen wurde empfohlen, zwecks Ahndung der OKW-Verbrechen Verfahren gegen einzelne Beteiligte einzuleiten. Im Rahmen des OKW-Prozesses vor dem Militärgerichtshof V der USA in Nürnberg wurden am 28. Oktober 1948 zwei Angeklagte zu lebenslänglicher und neun zu einer Freiheitsstrafe von drei bis 20 Jahren verurteilt. Zwei Angeklagte wurden freigesprochen. Es dauerte nur knapp sieben Jahre, bis alle Verurteilten wieder auf freiem Fuß waren.
Autor: Mike Zuchet
Literatur
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“, Hamburg 1999.
Hubatsch, Walther (Hg.): Hitlers Weisungen für die Kriegführung: 1939 – 1945. Dokumente des Oberkommandos der Wehrmacht, München 1965.
Kershaw, Ian: Hitler 1936 – 1945, Stuttgart 2000.
Liddell Hart, Basil Henry: Jetzt dürfen sie reden: Hitlers Generale berichten, Stuttgart 1950.
Murawski, Erich: Der deutsche Wehrmachtbericht 1939 – 1945. Ein Beitrag zur Untersuchung der geistigen Kriegführung, Boppard am Rhein 1962.
Reuth, Ralf Georg (Hg.): Joseph Goebbels. Tagebücher 1924 – 1945, München / Zürich 1992, Teil 1, Bd. 3.
Schramm, Percy E. (Hg.): Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab) 1940 – 1945, Bde. 1 – 8, Bonn 1964.