1916 begann die Schlacht von Verdun, bis heute Inbegriff des sinnlosen, menschenverachtenden Krieges
Am 29. Mai 2016 trafen sich Frankreichs Präsident Hollande und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel im Beinhaus von Douaumont, um anlässlich des 100. Jahrestages der Schlacht um Verdun der über 300.000 Gefallenen zu gedenken.
Verdun – Name einer Festung und einer kleinen Stadt in Lothringen im Norden Frankreichs, 260 Kilometer von der Hauptstadt Paris entfernt. Gleichzeitig aber auch der Ort, an dem eine der schrecklichsten Schlachten des 1. Weltkrieges stattfand, und die als „Hölle von Verdun“ in die Geschichte einging. Auch heute noch erinnert die Schlacht an die Grausamkeit und die Brutalität des 1. Weltkrieges, und ist ein Symbol für die Sinnlosigkeit des Krieges.
Verdun, an der Maas gelegen, wird von allen Seiten von steil abfallenden Höhen umgeben. Dabei wird das Umland von der Maas in zwei Abschnitte geteilt: am östlichen Ufer gibt es zahlreiche Schluchten und steile Waldhänge, am westlichen Ufer dagegen offenes Ackerland mit flachen Hügeln und breiten Tälern. Aufgrund dieser geographisch exponierten Lage, errichtete Frankreich hier Ende des 19. Jahrhunderts umfangreiche Befestigungsanlagen. So entstanden 18 Haupt- und 25 Zwischenforts. Diese bildeten insgesamt drei Befestigungsringe. Im Äußeren befanden sich die Forts Moulainville, Vaux und Douaumont, im Inneren lagen die Forts Tavannes und Souville und im Innersten waren die Forts Belrupt, Saint Michel und Belleville. Das ganze erstreckte sich auf mehrere hundert Quadratkilometer. Genau hier wollte der Chef des deutschen Generalstabs Erich von Falkenhayn angreifen.
Im Westen war der deutsche Angriff nach einem anfänglichen Bewegungskrieg ins Stocken geraten, und wurde zum Stellungskrieg. Damit die Front endlich wieder in Bewegung kam, konnte Mitte Dezember 1915 der Chef des deutschen Generalstabs Erich von Falkenhayn Kaiser Wilhelm II. davon überzeugen, einen Angriff auf Verdun zu planen und durchzuführen. So entwickelte Erich von Falkenhayn das „Unternehmen Gericht“. Der Plan sah vor, die Festung in relativ kurzer Zeit zu erobern. Sollte dieser Plan gelingen, würde dadurch die französische Nord- und Süd-Armee getrennt. Der Weg nach Paris wäre frei gewesen.
Der Angriff auf die Festung Verdun war mit vier Korps der deutschen Heeresreserve mit neun Divisionen und 1.250 Geschützen unter dem Oberbefehl des deutschen Kronprinzen Wilhelm für den 12. Februar 1916 geplant. Für die Vorbereitungen auf den Angriff wurden doppelspurige Eisenbahntrassen verlegt, um einen reibungslosen Ablauf der gewaltigen Massen an Menschen und Material zu gewährleisten. Gleichzeitig wurden Behelfsbrücken errichtet und Feld- und Waldwege „fahrbar“ gemacht. Im Aufmarschgebiet brachten die Deutschen über 1.200 Kanonen in einem Abstand von nicht mehr als 200 Metern in Stellung.
Das Angriffsziel formulierte Erich v. Falkenhayn am 4. Januar 1916: „Der Entschluß die Festung Verdun in beschleunigten Verfahren fortzufahren, beruht auf der erprobten Wirkung der schwersten Artillerie […] Wer im Besitz der Cotes auf dem Ostufer der Maas ist, indem er die auf ihnen gelegenen Befestigungen erobert hat, ist im Besitz der Festung.“
Am 12. Februar 1916 erließ der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Kronprinz Wilhelm den Befehl zum Angriff auf Verdun: „Seien wir von dem Bewußtsein durchdrungen, dass das Vaterland Großes von uns erwartet! Es gilt unseren Feinden zu zeigen, dass der eigene Wille zum Siege in Deutschlands Söhnen lebendig geblieben ist und dass das deutsche Heer, wo es zum Angriff schreitet, jeden Widerstand überwindet.“
Der für den 12. Februar geplante Angriff musste wegen starker Regen- und Schneefälle, die sowohl die Luftaufklärung als auch die Artilleriebeobachtung stark beeinträchtigten, zunächst um 24 Stunden verschoben werden. Durch den aufgeweichten Boden wäre zudem auch das Nachführen der Artillerie und des Nachschubs sehr schwierig geworden. Da sich auch in den nächsten Tagen das Wetter nicht besserte, verschob sich der Angriff von Tag zu Tag. Erst am 20. Februar besserte sich das Wetter, sodass der Angriff für den 21. Februar befohlen wurde.
Um 8.12 Uhr begann dann der Angriff auf die Festung und Schützengräben von Verdun mit dem Beschuss aus über 1.200 Geschützen, der über neun Stunden lang anhielt. Es war der bis dahin schwerste Artillerieangriff der Geschichte. Teilweise schlugen auf einem halben Quadratkilometer über 80.000 Granaten ein.
Gegen 17.00 Uhr griffen die deutschen Truppen dann die vom stundenlangen Trommelfeuer beschossenen Stellungen der Franzosen an, und brachen in die ersten französischen Stellungen ein. Die Deutschen setzten ihren Angriff weiter fort, und konnten am 24. Februar in die zweite französische Verteidigungslinie eindringen, und machten dabei über 10.000 Gefangene. Die Schlacht von Verdun schien für die Deutschen gut zu laufen.
Bei den Franzosen brach nun Panik aus, und die Bevölkerung verließ fluchtartig die Stadt. In dieser Situation übernahm General Joffre das Kommando und gab den Befehl: „Jeder Führer, der unter den gegebenen Umständen einen Rückzugsbefehl gibt, wird vor ein Kriegsgericht gestellt.“ Zunächst konnte dieser Befehl jedoch nichts daran ändern, dass die Deutschen ihren Angriff weiter fortsetzten. Bereits am 25. Februar eroberten die Deutschen das Fort Douaumont sowie die Dörfer Louvemont und Bezonvaux. Diesen Erfolg nahm von Falkenhayn zum Anlass, hierher weitere Truppen zuzuführen, um jetzt die endgültige Entscheidung zu erzwingen. Diese kurze Pause nutzte seinerseits der neue französische Kommandeur für den Abschnitt Verdun General Pétain, um die Moral und die Verteidigung der Truppen zu stärken. Gleichzeitig reorganisierte er den Nachschub, indem er Privatfahrzeuge beschlagnahmte, um so eine lange Kolonne zusammenzustellen. Auf diesem Wege konnte der notwendige Nachschub an die Front erfolgen. Zusätzlich sorgte Pétain dafür, dass die kämpfenden Truppen im Rotationssystem regelmäßig von frischen ausgeruhten Truppen abgelöst wurden. Zunächst konnten die Deutschen aber weiter an ihre Erfolge anknüpfen, und eroberten am 3. März das Dorf Douaumont.
Drei Tage später begann eine Großoffensive der Schlacht von Verdun, die auf die Stellungen westlich der Maas abzielte. Nach zahlreichen Gefechten konnten am 7. März die Dörfer Regneville und Forges sowie die strategisch wichtigen Stellungen „Gänserücken“ und „Pfefferrücken“ eingenommen werden. Durch den deutschen Angriff brach die französische Verteidigungslinie zum großen Teil zusammen. Erneut gingen über 3.000 französische Soldaten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Noch am gleichen Tag griffen deutsche Truppen die Stellungen „Toter Mann“ sowie die „Höhe 304“ an. Nach heftigen Kämpfen eroberten die Deutschen bis zum 23. März unter großen Verlusten die Stellungen „Toter Mann“ und „Höhe 304“. Beide Stellungen konnten am 8. Mai vollständig in Besitz genommen werden. Mit größten Anstrengungen versuchten die Franzosen ab Mitte Mai das Fort Douaumont, das als stärkstes und strategisch wichtigstes Befestigungswerk angesehen wurde, zurückzuerobern.
Den Franzosen gelang es am 22. Mai in die Festung einzudringen, wurden jedoch von den Deutschen zurückgeworfen. Über 500 Franzosen gingen in Gefangenschaft. Über diese Aktion notierte der französische Leutnant Alfred Joubaire in sein Tagebuch: „Die Menschheit ist verrückt geworden. Was für ein Massaker! Dieser Terror, dieses Gemetzel. Ich finde keine Worte, um meine Eindrücke wiederzugeben. So furchtbar kann nicht einmal die Hölle sein.“ Am 1. Juni bereiteten sich die deutschen Truppen auf einen Angriff auf das Fort Vaux vor. Deutsche Soldaten drangen sehr rasch in die Festung ein. Hier kam es zu Nahkämpfen, die mit äußerster Brutalität, – zum Einsatz kamen Knüppel, Spaten, Messer, Bajonette und Handgranaten, die den Feind und die eigenen Soldaten zerfetzten -, geführt wurden.
Den Deutschen gelang es nur sehr mühsam, weiter in das Innere des Forts einzudringen. Am 7. Juni ergaben sich die restlichen französischen Verteidiger unter ihrem Kommandeur Raynal. Nach zahlreichen erfolglosen französischen Angriffen zur Rückeroberung des Forts, bauten die Deutschen hier die Verteidigungsstellungen weiter aus, und griffen in den nächsten Wochen weiter die französischen Stellungen an. Eine letzte deutsche Offensive brachte zwar einen Einbruch in den inneren Verteidigungsring Verduns und eine Annäherung an die Stadt bis auf fünf Kilometer. Jedoch blieb dieser Angriff ohne weiteren Erfolg mangels weiterer kampfkräftiger Truppen, da zahlreiche Truppenteile ab dem 1. Juli an die Somme gegen die britische Offensive geführt werden mussten.
Aufgrund der Erschöpfung seiner Truppen sowie der hohen Verluste bat Kronprinz Wilhelm mehrmals darum, die Schlacht von Verdun abzubrechen. Dieses Ansinnen wurde sowohl vom Stabschef General Knobeldorff als auch von Falkenhayn strikt abgelehnt.
Da die Deutschen zahlreiche Truppen an die Somme abgeben mussten, gingen die Deutschen nun in die Verteidigung. Dies nutzten die Franzosen, indem sie die Initiative ergriffen und die deutschen Stellungen bei Thiaumiont, Fleury sowie die Forts Vaux und Douaumont angriffen. Diese Angriffe erfolgten von Mitte Juli bis Mitte Oktober, und brachten keine nennenswerten Erfolge.
Aufgrund der verheerenden militärischen Situation, – die drohende Niederlage bei Verdun, die unerwartet heftige Großoffensive der Entente-Mächte an der Somme sowie die russische Offensive in Wolhynien und Galizien, die den Verbündeten Österreich-Ungarn an den Rande einer Niederlage brachte -, sah sich Reichskanzler Bethmann Hollweg veranlasst, die Absetzung von Falkenhayns in die Wege zu leiten. Hierfür gab der Reichskanzler ein Gutachten in Auftrag, indem sowohl wahre als auch unwahre Fehler und Versäumnisse von Falkenhayns für das Jahr 1916 zusammengetragen worden sind: kein einheitlicher Kriegsplan mit dem Verbündeten Österreich-Ungarn, der angeblich strategisch und taktisch falsche Angriff auf Verdun, unzureichende Abwehrmaßnahmen an der Somme, Unterschätzung der russischen Offensive sowie der „kleckerweise“ Einsatz der Reserveeinheiten im Osten. Mit diesen Fakten ausgestattet, beantragte Bethmann Hollweg beim Kaiser die Absetzung des Generalstabschefs. Am 29. August kam es dann zur Entlassung von Falkenhayns. An seine Stelle traten die beiden Generäle Hindenburg und Ludendorff.
Sofort unternahm Ludendorff eine Inspektion der Front bei Verdun, und machte sich ein Bild von der Lage. Bei seiner Rückkehr unterrichtete Ludendorff Hindenburg über die militärische Situation bei Verdun. Daraufhin befahl Hindenburg am 2. September die Einstellung aller Offensivaktionen. Gleichzeitig erging der Befehl an die Truppen, die gewonnen Gebiete zu einem festen Stellungssystem auszubauen. Die Frontlinie auf dem Ostufer konnte bis zur französischen Gegenoffensive vom 24. Oktober gehalten werden. Die eroberten Forts Douaumont und Vaux gingen verloren, und waren wieder in französischer Hand. Die deutschen Verteidigungslinien wurden um durchschnittlich zwei Kilometer zurückgenommen. Mitte Dezember zwang eine weitere französische Offensive die Deutschen zu einer erneuten Rücknahme der Front.
Die neuen deutschen Verteidigungslinien befanden sich immer noch ungefähr zwei Kilometer vor den ursprünglichen Ausgangsstellungen vom Februar. Den Franzosen war es jedoch gelungen, den deutschen Angriff auf den zweiten Befestigungsring und somit auch die unmittelbare Gefahr für die Stadt Verdun abzuwehren. So endete am 19. Dezember 1916 nach 303 Tagen eine der längsten Schlachten der Weltgeschichte. Das Ziel Verdun zu erobern, um dadurch den Weg frei nach Paris zu erkämpfen, hat das Deutsche Reich nicht erreicht. Am Ende der Schlacht von Verdun waren die deutschen Truppen fast wieder in die Ausgangsstellungen zurückgedrängt worden. Die durch die Schlacht erlittenen Verluste konnte das Deutsche Reich in den nächsten Jahren des Krieges nicht mehr auffangen. Somit ist die Schlacht für das Deutsche Reich als Niederlage anzusehen. Für Frankreich dagegen stellt die Schlacht von Verdun einen Sieg dar, da es gelungen war, die feindlichen Angriffe abzuwehren und somit die Heimat zu verteidigen.
Die genaue Zahl an Verlusten lässt sich nicht genau ermitteln. Es wird angenommen, dass ungefähr 162.000 Franzosen und 143.000 Deutsche ums Leben kamen. Bei den Verwundeten gehen die Schätzungen von 215.000 Franzosen und 196.000 Deutschen aus.
Die hohen Verluste in dieser Schlacht haben verschiedene Ursachen. Der größte Anteil der Verluste ist auf die ungeheure Menge an Munition, – auf dem rund 20 Quadratkilometer großen Schlachtfeld sind von beiden Armeen über 50 Millionen Bomben und Granaten abgefeuert worden -, zurückzuführen. Viele der Soldaten starben in den notdürftig errichten Unterständen, die durch Volltreffer zerstört oder durch die Wucht der Granaten verschüttet wurden. Zudem gab es aufgrund der Geländebeschaffenheit für die Soldaten kaum Möglichkeiten sich zu verstecken. Das Schlachtfeld war flach und nur die durch Granaten geschlagenen Schützengräben boten den Soldaten ein wenig Deckung. Hinzu kamen auch Hunger und Durst. Durch den massiven Beschuss der deutschen Linien war es teilweise nicht möglich, die vordersten Truppen mit dem notwendigsten zu verpflegen. Aufgrund der desolaten Verpflegungssituation verhungerten und verdursteten viele deutsche Soldaten. Auch durch die katastrophale hygienische Situation, – Waschmöglichkeiten gab es kaum und Flöhe, Wanzen und Läuse gehörten zum Alltag – , sorgten für zahlreiche Verluste unter den Soldaten.
Die Schlacht von Verdun gilt als eine der ersten großen Materialschlachten. Durch den Einsatz von Granaten, Giftgas und Flammenwerfern starben nicht nur die Soldaten, sondern auch die Natur veränderte sich im Kriegsgebiet, die auf Jahrzehnte verseucht war.
Durch die Bombardierung ist die Umgebung von Verdun zu einer Mond- und Kraterlandschaft geworden. Unzählige Dörfer verschwanden auf diese Weise völlig von der Landkarte. Auch heute noch liegen tonnenweise Stahlsplitter und Überreste von tausenden nicht identifizierten Gefallenen auf dem ehemaligen Schlachtfeld.
Autor: Christoph Dollar M.A.
Literatur
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Karten zur Schlacht von Verdun