Anlässlich der 100-Jahr-Feierlichkeiten fand am 1. Juli 2016 in Thiepval die Gedenkfeier für die Schlacht an der Somme statt. Zu dieser Zeremonie kamen der französische Präsident Hollande, der britische Premierminister Cameron, als Repräsentant der Bundesrepublik der ehemalige Bundespräsident Köhler sowie zahlreiche weitere hochrangige Vertreter anderer Länder. Diese Veranstaltung bot die Gelegenheit, ein gemeinsames Andenken an die Schlacht zu zeigen. Jedoch wurde dies durch zwei Tatsachen erschwert. Zum einen war gerade eine Woche vorher, dem 23. Juni, durch das Brexit-Referendum die britische Entscheidung zum Austritt aus der EU gefallen. Zum anderen ist aus britischer Sicht die Schlacht an der Somme eine rein britische Erinnerung. Genauso wie bei den Franzosen die Schlacht bei Verdun den höheren Erinnerungswert hat. Somit ist die Schlacht an der Somme keine wirklich britisch-französische Erinnerung.
Die Vorbereitungen zu einer der blutigsten Schlachten des 1. Weltkrieges begannen gut ein halbes Jahr vorher. Nachdem bereits mehrere Großangriffe der Franzosen und Briten gescheitert waren, planten die beiden Westmächte eine weitere gemeinsame Offensive.
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs gab es auf Seiten der Entente keine gemeinsamen Abstimmungen der militärischen Planungen. Aufgrund der Kriegssituation im Sommer 1915 sah es die militärische Führung der Entente als notwendig an, gemeinsame Maßnahmen zu planen, um dadurch effektiver agieren zu können. Aus diesem Grund fand am 7. Juli 1915 die erste Chantilly-Konferenz statt. An ihr nahmen neben dem französische Oberbefehlshaber Joseph Joffre, John French für die British Expeditionary Force (B.E.F.) und sein Stabschef William Robertson auch weitere militärische Vertreter der Entente teil: der belgische Generalmajor Felix Wielemans, der russische Oberst Ignatjew, der italienische Oberst di Breganze und der serbische Oberst Stefanović. Leiter der Konferenz war der französische Kriegsminister Millerand. Bei dieser Zusammenkunft sind zunächst keine weitreichenden Entscheidungen getroffen oder gemeinsame Aktionen geplant worden. Die Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten und die sehr unterschiedlichen Gegebenheiten an den einzelnen Fronten verhinderten vorerst gemeinsame Planungen.
Vom 6. Dezember bis zum 8. Dezember 1915 tagte dann die 2. Chantilly-Konferenz. Hier sind zum ersten Mal die Möglichkeiten einer gemeinsamen Kriegsführung erörtert worden. Für die Alliierten hatte sich der Krieg bisher nicht in diesem Maße entwickelt, wie man es sich vorgestellt hatte. Die russische Armee hatte empfindliche Niederlagen im Osten hinnehmen müssen, Serbien war durch den erfolgreichen Serbienfeldzug der Mittelmächte vorerst aus dem Spiel, das französisch-britische Gallipolli Unternehmen endete in einem völligen Fehlschlag, und auch die Offensiven an der Westfront brachten nicht den erhofften Erfolg. Teilnehmer der dreitägigen Konferenz waren General Joffre, der Oberbefehlshaber des B.E.F. Feldmarschschall Sir John French, der Generalstabschef des B.E.F. General Sir Archibald Murry, der russische General Jakow Schilinski, Italiens stellvertretender Stabschef General Carlo Porro, Belgiens Stabschef General Felix Wielemans und der serbische Oberst Nikola Stefanović. General Joffre verlas den Anwesenden ein vorbereitetes Memorandum mit dem Inhalt, dass zum nächstmöglichen Zeitpunkt gemeinsame Großoffensiven an allen Fronten geplant und begonnen werden sollten. Das Ergebnis der Konferenz waren dann zwei für Mitte 1916 angesetzte Großoffensiven, im Osten die Brussilow-Offensive und im Westen ein Großangriff auf die deutschen Stellungen an der Somme. Hinzu kam noch der Vorschlag des russischen Generals Schilinski, durch weitere Aktivitäten andere Frontabschnitte zu entlasten. Hieraus entwickelten sich die Offensiven an der Naratsch-See sowie am Isonzo.
Ursprünglich war die Großoffensive an der Somme bereits für das Frühjahr 1916 geplant. Durch den Angriff der Deutschen bei Verdun verschob sich der Angriffsplan auf den Sommer 1916. Ziel der Offensive sollte die Einnahme der dortigen deutschen Stellungen sein. Das Aufmarschgebiet für die geplante Großoffensive befand sich in den Regionen um die Städte Gommecourt, Beaumont-Hamel, Thiepval, Barleux, Ablaincourt und Hattencourt. An der bisherigen Strategie hielt die militärische Führung trotz der bisherigen zahlreichen Misserfolge weiterhin fest. Diesmal plante das Oberkommando jedoch noch mehr Soldaten und Material ein.
Da die Deutschen ihre unterirdischen Stellungen seit Dezember 1915 massiv ausgebaut und verstärkt hatten, bauten die Engländer zur Vorbereitung auf die Offensive eine ganze Infrastruktur neu auf. Hierfür sind schmale Schützengräben zur leichteren Verbindung unter den Einheiten ausgehoben und Minennester gelegt worden, um die deutschen Verteidigungslinien durch unterirdische Explosionen zu zerstören. Um Truppen und Material schneller transportieren zu können, sind acht Eisenbahnlinien neu gebaut worden. Des Weiteren sind 80.000 Kilometer Kabel im britischen Abschnitt verlegt sowie 1.500 Geschütze der britischen Artillerie bereitgestellt worden. Diese ganze Vorbereitung der Schlacht dauerte sechs Monate.
Aufgrund dieser gewaltigen logistischen Vorbereitung war als geplanter Angriffstermin der 1. Juli 1916 bestimmt worden. Insgesamt standen für diese Offensive 14 Divisionen, 1.437 Geschütze und über zwei Millionen Schuss bereit.
Bereits seit Anfang November 1915 gruben Spezialisten der British Expeditionary Force und der 185. Tunnelling Company, – bestehend aus Militäringenieuren und erfahrenden Bergleuten -, Tunnel unter die deutschen Stellungen. Am Ende der jeweiligen Tunnel stellten die Soldaten große Mengen Sprengstoff bereit. Diese sollten dann zu einem festgelegten Zeitpunkt gezündet und die gegnerischen Stellungen mit einem Schlag ausgeschaltet werden.
Die Offensive begann am 24. Juni 1916 mit einem siebentägigen Trommelfeuer auf die deutschen Stellungen. Die britische Artillerie schoss über anderthalb Millionen Granaten auf die deutschen Stellungen ab. Die deutschen Soldaten zogen sich in ihre unterirdischen Bunker zurück. Das Verteidigungssystem hatten die Deutschen während der fast zweijährigen Besetzung in dieser Region mit unterirdischen Festungen ausgebaut. Hier waren sie verhältnismäßig sicher gegen den massiven Artilleriebeschuss. Ein deutscher Soldat hielt diesen Beschuss in seinem Tagebuch fest: „Es ist unheimlich […], ein Heulen und Zischen, ein Fauchen, ein Splittern und Krachen der schweren Einschläge, ein […] noch nie gekanntes Artilleriefeuer aus allen Kalibern und Geschossarten dröhnte und zischte um uns herum.“
Es gab zwar zahlreiche Verluste, wenn die deutschen Stellungen Volltreffer erhielten, doch eine völlige Zerstörung der deutschen Stellungsanlagen bewirkte das Trommelfeuer nicht.
Nach dem Dauerbeschuss bereiteten sich 20 britische und 11 französische Divisionen auf den Angriff vor. Jeder Soldat war mit Material, – Schaufeln, Äxte, Stacheldrahtrollen, ein Gewehr mit Bajonett, Munition, zwei Handgranaten, zwei Gasmasken – schwer beladen. Ziel war es, die als zerstört und verlassen geltenden deutschen Stellungen sofort einzunehmen und zu befestigen. Auf diese Weise schwer beladen sollten die Briten nach dem tagelangen Beschuss der deutschen Stellungen die deutschen Anlagen erstürmen. General Haig ging davon aus, dass durch das tagelange Dauerfeuer sowohl die deutschen Stellungen als auch die Stacheldrahtverhaue zerstört worden seien. So notierte Haig zuversichtlich in sein Tagebuch: „Der Wetterbericht für Morgen ist günstig. […] Die Männer sind in ausgezeichneter Stimmung. Noch nie ist der Stacheldraht so gründlich gekappt worden, noch nie war die Artillerievorbereitung so gründlich.“
Am Morgen des 1. Juli 1916 verließen mehr als 100.000 Soldaten auf einer Frontlänge von über 20 Kilometern ihre Schützengräben, und setzten zum Sturmangriff auf die deutschen Stellungen an, in der irrigen Ansicht auf wenig Widerstand zu stoßen. Stattdessen empfingen die Deutschen die heranstürmenden britischen Soldaten mit heftigem MG-Beschuss. Innerhalb von einer halben Stunde waren 8.000 britische Soldaten gefallen. Bis zum Ende des Tages stieg diese Zahl auf über 19.000 Gefallene an. Wegen der enormen Verluste gilt bei den Briten bis heute der erste Tag der Schlacht an der Somme als der schwärzeste Tag in der Militärgeschichte. Es gelang den Briten nur teilweise deutsche Stellungen einzunehmen. Nach kurzer Zeit eroberten die Deutschen diese wieder zurück. Obwohl die Verluste enorm hoch waren, ließ Haig die Offensive weiterführen. Jedoch änderte er die Strategie der Angriffe. Anstelle von Frontalangriffen befahl er nun, an bestimmten Frontabschnitten Überraschungsangriffe durchzuführen. Dadurch stiegen jetzt auch die Verluste der Deutschen. Da die vordersten deutschen Stellungen immer voll besetzt waren, führte dies bei Granattreffern zu hohen Verlusten. Auch die Strategie der Deutschen, nach dem Verlust eines Stellungsabschnittes umgehend einen Gegenangriff zu starten, erhöhte die deutschen Verluste merklich.
Erst am 14. Juli gelang es der britischen Armee, fast sechs Kilometer in das deutsche Grabensystem einzudringen. Jedoch zogen die Briten hieraus keinen weiteren Vorteil, da die zum Durchbruch der Stellungen notwendigen Truppen zu langsam vorankamen. Diese Pause nutzten die Deutschen, um ihre Stellungen wieder zu stabilisieren.
Da die Deutschen durch die Angriffe der Briten hohe Verluste hinnehmen mussten, erfolgte ab August 1916 eine Änderung der bisherigen Taktik. Die vordersten Stellungen wurden nicht mehr voll besetzt. Stattdessen kamen kleinere und damit flexiblere und effektivere Maschinengewehreinheiten zum Einsatz.
Ende August 1916 schrieb Ernst Jünger in sein Tagebuch: „Buchstäblich kein Grashalm. Jeder Millimeter umgewühlt, die Bäume ausgerissen, zerfetzt, zu Mulm zermahlen. Die Häuser niedergeschossen, die Steine zu Pulver zerstaubt […]. Und alles voll Toter, die hundertmal wieder umgedreht und von neuem zerrissen werden.“
Die Briten versuchten auch noch im August und September mit Unterstützung der Franzosen die Offensive weiterzuführen. Es gelangen jedoch bei weiterhin hohen Verlusten nur sehr geringe Geländegewinne. Um die Offensive dennoch zu einem Erfolg zu führen, entschlossen sich die Briten im September erstmals „Tanks“, wie die Panzer damals genannt wurden, einzusetzen. Der Einsatz dieser neuen Waffe brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Ein Teil der Panzer fiel mit technischen Defekten aus. Andere konnten von der deutschen Artillerie zerstört werden. Ein deutscher Kriegsberichterstatter schildert seinen Eindruck darüber: „Über die Kraterfelder kamen zwei geheimnisvolle Ungeheuer angekrochen […]. Es gab kein Hindernis für sie, eine übernatürliche Kraft schien sie voranzutreiben. Unser Maschinengewehrfeuer und unsere Handgranaten prallten an ihnen ab.“
Die letzten Angriffe erfolgten Ende Oktober bis Anfang November. Dabei kam es nur zu sehr geringen Geländegewinnen durch die Briten. Letztendlich befahl General Haig am 18. November, die Offensive abzubrechen.
Die fast fünf Monate anhaltende Schlacht brachte für keine der beteiligten Nationen einen entscheidenden Durchbruch. Für geringe Geländegewinne sind sehr hohe Verluste an Menschen und Material in Kauf genommen worden. Die deutsche Front verschob sich auf einer Breite von 35 Kilometern lediglich um knapp 10 Kilometer. Dennoch sah sich General Haig in seinen Planungen bestätigt: „Wir haben alle unsere Hauptziele erreicht.“
Die Schlacht an der Somme gilt als die verlustreichste Einzelschlacht des 1. Weltkrieges mit insgesamt über 1 Million Gefallene, Verwundete und Vermissten.
Autor: Christoph Dollar
Literatur
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Liddle, Peter: The 1916 Battle of the Somme reconsidered, Barnsley 2016
Riedel, Frieder: Zwischen Kriegsgericht und Heldentod: Der Grabenkrieg an der Somme 1914 – 1916, Leinfelden-Echterdingen 2008
Sacco, Joe: Der Erste Weltkrieg – Die Schlacht an der Somme, Zürich 2014
Sebag-Montefiore, Hugh: Somme. Into the Breach, London 2016
Sheldon, Jack: The German Army on the Somme 1914 – 1916, Barnsley 2005
Stachelbeck, Christian (Hg): Materialschlacht 1916. Ereignis, Bedeutung, Erneuerung, Paderborn 2017