Heinrich Heine „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“
Am 10. Mai 1933, wenige Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, kam es in fast allen größeren Städten Deutschlands zu organisierten und meist systematisch vorbereiteten Bücherverbrennungen. Doch anders als viele Menschen denken, wurden sie nicht von der NSDAP oder einem Ministerium organisiert, sondern von der Deutschen Studentenschaft, die sich, so vermuten Wissenschaftler, damit den Nationalsozialisten andienen wollte.
Schon Anfang April forderte die Deutsche Studentenschaft ihre Organe auf, sich an der vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“ zu beteiligen, an deren Ende die Bücherverbrennungen in den meisten Universitätsstädten standen. Als Kooperationspartner für die Aktion hatte sie den „Kampfbund für deutsche Kultur“ gewonnen, der sie vor allem bei der Auswahl der zu verbrennenden Bücher unterstützte.
Die Aktion begann in den Universitäten am 12. April mit dem Plakat „12 Thesen wider den undeutschen Geist“, in dem vor allem jüdische, sozialdemokratische und liberale Ideen und ihre Vertreter verhöhnt wurden.
Am 19. April wurden die Studenten aufgerufen, jüdische Professoren zu nennen, um diese von ihren Lehrstühlen zu vertreiben. Auch hier haben sich fast alle Universitäten beteiligt und hier wurde deutlich, dass Lehrkörper, Dekane und Rektor die Aktion unterstützten.
Erst bei der Errichtung des Schandpfahls mit einer Schmähschrift, die bereits Gedanken der Feuersprüche enthielt, schreckten manche Rektoren zurück. Nur wenige Universitäten beteiligten sich an diesem Teil der Aktion.
Größeres Engagement zeigten Studenten und Professoren dann wieder bei der Vorbereitung der Bücherverbrennungen. Ab dem 26. April wurden die Universitäts- und Institutsbibliotheken nach „verbrennungswürdiger“ Literatur durchforstet. Auch öffentliche Bibliotheken außerhalb der Universität wurden durchsucht und so manch eine Buchhandlung geriet in den Blick der Eiferer. Grundlage für die Auswahl der Literatur bildete die am 26. April 1933 verschickte „Braune Liste verbrennungswürdiger Literatur“ mit 71 Autorennamen. Diese Aufstellung basiert auf den „Schwarzen Listen“, die der Bibliothekar Dr. Wolfgang Hermann im Auftrag des Verbandes Deutscher Bibliothekare und des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda schon im März 1933 erstellt hatte.
Die Ergebnisse der Büchersammelaktionen wurden am 10. Mai zu Scheiterhaufen aufgeschichtet, die im Mittelpunkt der Bücherverbrennung standen. Mit einem Fackelzug und ggf. im Ornat ihrer Verbindungen oder in Parteiuniform machten sich die Studenten am 10. Mai auf den Weg zum Scheiterhaufen. Hier erwartete sie zunächst ein öffentlicher Vortrag, in Berlin wurde er von Joseph Goebbels gehalten, in den anderen Städten von Professoren der jeweiligen Universität. Unter großem Gejohle der Studenten und eines breiten Publikums aus der Stadt wurden zum Abschluss des Abends die Bücher in Brand gesteckt.
Widerstand gegen die Bücherverbrennung
Zu den Universitäten, die die Bücherverbrennung bereits am 10. Mai durchführten gehören neben Berlin, Bonn, Braunschweig, Bremen, Breslau, Dortmund, Dresden, Frankfurt, Göttingen, Greifswald, Hannover, Kiel, Königsberg, Landau, Marburg, Münster, München, Nürnberg, Rostock, Worms und Würzburg. Fast alle anderen Universitäten holten das Vorhaben nach, z. B. Essen am 21. Juni, Heidelberg am 17. Mai, Hamburg am 15. Mai. Auffällig ist, dass sich weder Stuttgart noch Tübingen in den Auflistungen finden. Der Landesführer des Studentenbundes in Württemberg, Gerhard Schumann, untersagte die Teilnahme an der Aktion und hielt an seinem Verbot fest trotz der Proteste die von einzelnen Studentenschaften in Berlin vorgebracht wurden.
Was für manch einen Studenten und Professor sicher den Startpunkt für eine Karriere im Nationalsozialismus bedeutete, hieß für viele Autoren und Künstler das Ende ihres künstlerischen Schaffens. Viele überlebten in der Emigration, fanden dort jedoch nie wieder die Kraft an ihr früheres Werk anzuknüpfen. Manche sahen keinen anderen Ausweg als den Freitod und hinterließen ein unvollständiges Werk, das zu großen Hoffnungen Anlass gegeben hatte. Dazu gehören heute bekannte Autoren wie Kurt Tucholsky, Stefan Zweig, Klaus Mann, Bertolt Brecht und Erich Kästner. Manche von ihnen sind vergessen wie Hermann Essig, Alexandra Kollontay, Emil Ludwig und Werner Türk, ihre Namen findet man nur noch auf den Listen der verbrannten Bücher und oftmals ist es nicht mehr möglich, das Werk oder auch nur einzelne Bücher zu bekommen.
Dabei haben sich emigrierte Schriftsteller und ihre Freunde im Ausland engagiert, um das Gedenken zu erhalten. Bereits am 27. April gab es Massenproteste gegen die Bücherverbrennungen in den USA, Helen Keller intervenierte zusammen mit namhaften Autoren wie Sherwood Andersen und Sinclair Lewis in einem Brief erfolglos an die deutschen Studenten. Am 10. Mai gab es einen Aufmarsch in New York, an dem sich Hunderttausende Privatpersonen, Abgeordnete und andere Funktionäre aus Kirchen und Institutionen beteiligten und dessen Hauptansprache der Oberbürgermeister hielt. Aus den Niederlanden ist bekannt, dass am Tag der Bücherverbrennung Radio Hilversum Auszüge aus den verbotenen Büchern sendete. In Prag wurde zu einer Sammlung der Bücher für eine Ausstellung aufgerufen.
Diese Sammlung wurde ebenso wie die in Paris errichtete „Freiheitsbibliothek“ von Alfred Kantorowicz nach dem Einmarsch der deutschen Truppen zerstört, sodass es bis heute keine vollständige Bibliothek der verbrannten Bücher gibt. Was bleibt ist der 10. Mai als eine jährliche Erinnerung daran, dass in Deutschland der Satz von Heinrich Heine „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Wirklichkeit wurde.
Autorin: Dr. Birgit Ebbert ( www.buecherverbrennung.de )
Literatur
Drews, Richard / Kantorowicz, Alfred: verboten und verbrannt. Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt. Neuauflage des 1947 erschienen Buches: München: Kindler Verlag 1983
In jenen Tagen… Schriftsteller zwischen Reichstagsbrand und Bücherverbrennung. Eine Dokumentation. Leipzig, Weimar: Gustav Kiepenheuer Verlag 1983
Kastner, Wolfram (Hrsg.): Wie Gras über die Geschichte wächst. Erinnerungszeichen zu den Bücherverbrennungen. Mit einem Essay von Gert Heidenreich. München: A1 Verlag 1996
Sauder, Gerhard: Die Bücherverbrennung. Zum 10. Mai 1933. München, Wien: Carl Hanser Verlag 1983
Schöffling, Klaus: Dort wo man Bücher verbrennt. Stimmen der Betroffenen. Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1983
Serke, Jürgen: Die verbrannten Dichter. Lebensgeschichten und Dokumente. Weinheim, Basel: Beltz & Gelberg 1992
Schiffhauer, Nils / Carola Schnelle: Stichtag der Barbarei – Anmerkungen zur Bücherverbrennung 1933.Postskriptum Verlag 1983
Treß, Werner: Wider den undeutschen Geist. Bücherverbrennung 1933. Berlin: Parthas Verlag 2003
Verweyen, Theodor: Bücherverbrennungen. Universitätsverlag Winter 2000
Walberer, Ulrich: 10. Mai 1933 – Bücherverbrennung in Deutschland und die Folgen. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1983
Weblinks
Übersicht über Autoren, Bücherverbrennungen und Linkliste: http://www.buecherverbrennung.de/
Porträts der Autoren: http://www.aktion-patenschaften.de/