Leben, Werk und Geheimnisse von Kurt Tucholsky, Schriftsteller, Journalist, Publizist, Opfer des Nationalsozialismus
Kurt Tucholsky gehörte zu den meistgelesenen Schriftstellern der Weimarer Republik. Unter den Pseudonymen Ignaz Wrobel, Peter Panter, Kaspar Hauser und Theobald Tiger, sowie unter seinem Namen publizierte er zahlreiche Werke verschiedener Gattungen. Um eine genaue Berufsbezeichnung zu verwenden, ist seine literarische Arbeit zu vielschichtig und vielseitig. Tucholsky machte sich einen Namen als Lyriker und Essayist, als Literatur- und Theaterkritiker, als Satiriker und Journalist. Er schrieb Chansons und Glossen mit spitzer Feder, kein Blatt vor den Mund nehmend, mahnend und anklagend. Machtmissbrauch und Militarismus waren ihm zuwider und immer wieder Thema seiner Schriften. Berühmt wurde die Auseinandersetzung um seinen Ausspruch: „Soldaten sind Mörder“. Rund 2.500 Werke verfasste Kurt Tucholsky bis zu seinem Tod, am 21. Dezember 1935. Über sich selbst sagte er, er habe Erfolg, aber keinerlei Wirkung. Doch in einer Zeit, wo Faschismus und Antisemitismus leider keine Schreckgespenster von gestern sind, ist Kurt Tucholsky aktuell wie zu Lebzeiten.
Geboren wurde Kurt Tucholsky am 9. Januar 1890 in Berlin als Sohn der Eheleute Alexander und Doris Tucholsky, eine Cousine ihres Mannes. Seine Kindheit verbrachte er in Berlin und Stettin, wo die Familie sechs Jahre lebte. Seine erste Veröffentlichung erlebte Tucholsky bereits mit 17 Jahren. Am 22. November erschienen im „Ulk“, der Beilage des „Berliner Tageblatts“, zwei Texte: Märchen und Vorsätze. Im Jahre 1909 schloss Kurt Tucholsky seine schulische Laufbahn mit dem Abitur ab und begann an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin ein Studium der Rechtswissenschaften. Bereits hier zeigte sich sein kritischer Geist. Er schrieb über die Erlebnisse und prangerte vor allem die Theorielastigkeit und Praxisferne dieser Universitätsausbildung an. Der eigentliche Beginn seiner Karriere als Autor war ein Artikel im SPD-Parteiorgan „Vorwärts“, erschienen am 25. April 1911. Obwohl noch vom Wunsch beseelt Verteidiger zu werden, entwickelte Tucholsky gefallen am Verfassen von Texten. Mit einiger Schnelligkeit vergrößerte er auch seine literarische Vielfalt. Neben Kritiken und Texten für das Feuilleton schrieb er Glossen und Satiren. Dabei wandte er sich sowohl gegen das korrupte Spießertum und die Beamtenschaft, als auch gegen die Justiz. Hier vor allem gegen die Todesstrafe. Die beiden vorherrschenden Themen seiner Arbeit fanden bereits zu jener Zeit seinen Platz: Krieg und Militär.
Der „Vorwärts“ blieb für Tucholsky in diesen Jahren das Medium für Publikationen. In den Jahren 1911 und 1912 betrieb er aktiven Wahlkampf für die SPD. Dies gab ihm Gelegenheit, die Parteiarbeit direkt kennen zu lernen, was ab 1919 in der innerlichen Ablehnung der Partei mündete. Noch war die Schreiberei für Kurt Tucholsky nicht der Hauptberuf mit dem Zweck des Broterwerbs. Durch den Tod des Vaters im Jahre 1905 war er mit der Volljährigkeit in den Besitz eines Erbes von ca. 70.000 Mark gekommen, welches ihm zu einigem Wohlstand verhalf. Im Jahre 1915 erhielt Tucholsky die Doktorwürde der Universität Jena und schloss sein Studium ab. Er trat seinen Dienst als Armierungssoldat an und wurde auch aktiv bei Kämpfen eingesetzt. Somit machte er direkte Erfahrungen mit Militär und Krieg. Nach dessen Ende wurde er Chefredakteur des „Ulk“. Mit Tucholsky kam eine humorvolle Art in die Beilage. Satirische Blätter wie der Simplicissimus standen Pate. Die literarische Produktion erfuhr eine deutliche Steigerung. Erstmalig verwendete Tucholsky die Pseudonyme Theobald Tiger und Ignaz Wrobel. Wichtig für seine Person ist aber auch die Tatsache, dass er sich 1918 evangelisch taufen ließ. Bereits 1914 hatte er die jüdische Gemeinde verlassen, aber er benötigte die Taufe zur Beförderung zum Feldpolizeikommissar. Das war im damaligen Preußen eine feststehende Bedingung. Dieses Verhalten und vor allem sein Gebaren als Vorgesetzter brachten ihm unverhohlene Kritik ein und stehen in einigem Widerspruch zu seiner radikalen Ablehnung von Krieg und Militarismus.
Doch als ehemaliger Aktiver wusste er nur zu gut, wovon er sprach. 1919 wurde Kurt Tucholsky Gründungsmitglied des „Friedensbundes der Kriegsteilnehmer“. Gemeinsam mit Carl von Ossietzky und anderen organisierte er die Kundgebungen unter dem Namen „Nie wieder Krieg“. In dieser Zeit arbeitete Tucholsky unermüdlich. Allein für die Jahre 1919 und 1920 sind heute rund 250 Werke pro Jahr bekannt. Dazu kam seine politische Arbeit in diversen Verbänden. 1920 trat er der USPD bei und arbeitete für deren Organe „Die Freiheit“ und „Freie Welt“. Auch an der Auseinandersetzung um Oberschlesien nahm Tucholsky auf seine Weise teil. Der Konflikt zwischen der polnischen und deutschen Bevölkerung drohte zu eskalieren. Die polnische Seite gründete die Witzzeitung „Kocynder“ (Tagedieb), worauf die deutsche Seite mit dem „Pieron“ antwortete, dessen Redaktion Tucholsky übernahm. In diesem Blatt wurde der Pole als faul, dreckig, geistig minderbemittelt und dem Alkohol stark zuneigend dargestellt. Die gegenseitigen Attacken und die schonungslose Agitation führten zu verbrecherischen Taten und Tucholsky bezeichnete sein Mitwirken nachträglich als „Sündenfall“. Ihm brachte diese Arbeit ein Schreibverbot bei den genannten USPD-Blättern ein, sodass er zum 31. Dezember 1920 seine Tätigkeit offiziell einstellte.
Nebenbei schrieb Kurt Tucholsky für das politisch literarische Kabarett „Schall und Rauch“. Auch hier konnte er brillieren. Chansons, Soli oder Conferencen schrieb er für das Ensemble, welches seine Texte begeistert aufnahm. Allerdings erhielt Kurt Tucholsky für sein Tun nicht nur Beifall. Beschimpfungen und Drohungen erhielt er in anonymen Briefen und Telefonaten. Die zahlreichen politischen Morde der extremen Rechten, denen u. a. Reichsaußenminister Rathenau zum Opfer fiel, mussten beunruhigen. Dazu kamen diverse Anzeigen und Prozesse, doch ließ sich Tucholsky nur wenig beeindrucken. Er beteiligte sich an der Vorbereitung des „Geburtstag der Reichsverfassung“, welcher zu einer Massenkundgebung wurde. Seinen Kampf indes als vergeblich ansehend und resignierend, suchte er nun in der Wirtschaft nach gut dotierten Posten. Tucholsky stand mitten in einer Lebenskrise, die auch private Sorgen beinhaltete. Sogar Selbstmordgedanken sollen diese Krise begleitet haben. Erst 1924 begann Tucholsky wieder für die „Weltbühne“ zu schreiben. Er ging nach Frankreich und nahm in der Folgezeit wieder die Arbeit in Verbänden auf. Tucholsky wurde Vorstandsmitglied der „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“ und später neben Carl von Ossietzky Selbiges in der „Deutschen Liga für Menschenrechte“. Im Dezember 1926 übernimmt er die Leitung der „Weltbühne“, welche er ein Jahr später an Ossietzky abgibt. Auf dem 2. Reichskongress der kommunistischen „Roten Hilfe Deutschland“ wurde er in den Vorstand gewählt. Nur kurze Zeit später machten sich erste Anzeichen einer Krankheit bemerkbar, die schließlich zu einem Sanatoriumsaufenthalt führten. Von nun an sollte seine Gesundheit ihm zunehmend Probleme bereiten.
Tucholsky arbeitete weiter unermüdlich. Als Nächstes erschienen der Sammelband „Das Lächeln der Mona Lisa“ und „Deutschland, Deutschland über alles“. Er unternahm Lesereisen und verlagerte dann 1930 seinen Wohnsitz nach Schweden. Im Mai 1931 erschien dann sein vielleicht bekanntestes Buch „Schloß Gripsholm“. Mit seinem Artikel „Der bewachte Kriegsschauplatz“ sorgte er erneut für Aufsehen. Der Satz: „Soldaten sind Mörder“ führte zu einer Anzeige der Reichswehrführung und zu einem Prozess gegen Carl von Ossietzky, unter dessen Leitung der Artikel in der „Weltbühne“ erschienen war. Es kam zum Freispruch. Am 30. Januar 1933 kam es zur so genannten „Machtergreifung“ Adolf Hitlers. Die „Weltbühne“ erschien am 7. März letztmalig. An eine weitere Arbeit Tucholskys in Deutschland war nicht mehr zu denken. Am 10. Mai verbrannten die Nationalsozialisten auch seine Bücher. Am 22. August bürgerten sie ihn mit 32 weiteren Personen, dazu gehörten u. a. Lion Feuchtwanger und Heinrich Mann, aus.
In seinem Domizil in Hindas (Schweden) verbrachte Tucholsky nun überwiegend den letzten Teil seines Lebens. Seine Krankheit sorgte zusehends dafür, dass sein Lebenswille und seine Schreibkraft abnahmen. Dass er nicht mehr in seiner Heimat publizieren konnte, tat ein Übriges. Er flüchtete in die Philosophie und entdeckte für sich die Schriften Kierkegaards. Noch einmal kam sein Kampfgeist auf, als der von ihm früher hochgeschätzte Knut Hamsun gegen Carl von Ossietzky, der zu diesem Zeitpunkt bereits im KZ saß, polemisierte. Aber Tucholskys Artikelangebote wurden abgelehnt. Er musste die bittere Erfahrung machen, dass man ihn nicht mehr wollte. Am 21. Dezember 1935 um 21:55 Uhr starb Kurt Tucholsky im Sahlgrenschen Krankenhaus zu Göteborg. Ob durch eigene Hand, wie oft vermutet aber nie endgültig bewiesen, wird wohl nicht mehr geklärt werden können.
Autor: André Krajewski
Literatur
Bemmann, Helga: Kurt Tucholsky. Ein Lebensbild, Frankfurt/Main; Berlin 1992.
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Hepp, Michael: Kurt Tucholsky (rororo Monographie), Reinbek bei Hamburg, 1998.
Zwerenz, Gerhard: Kurt Tucholsky. Biographie eines guten Deutschen, München 1979.
Deutschlandfunk-Beitrag: Der Satiriker und Religionskritiker Kurt Tucholsky. Kopf ab zum Gebet.