Hadamar, wo 10000 Tote ein Anlass zur Feier waren
Das hessische Hadamar – eine Kleinstadt mit gerade einmal etwas über 13000 Einwohnern. In der Straße Mönchberg 8 befindet sich hier die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Hadamar, an deren Eingang eine Gedenktafel prangt. Zwar haben viele alteingesessene Psychiatrien eine dunkle Geschichte, aber nur wenige eine so erschreckende wie die einstige Landesheilanstalt Hadamar, denn in ihr befand sich eine der sechs Tötungsanstalten der sogenannten „Euthanasie“ (altgriechisch: εὐθανασία; von εὖ eu = „gut, richtig, schön“ und θάνατος thánatos = „Tod“, also frei übersetzt: „schöner Tod“) des NS-Regimes, heute gemeinhin Aktion T4 genannt – nach der Zentraldienststelle T4 in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, von wo aus die euphemistisch „Euthanasie“ genannte Ermordung dauerhaft pflegebedürftiger Kranker und Behinderter koordiniert wurde. Bücher wie „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ des Psychiaters Dr. Alfred Hoche (1865 – 1943) und des Juristen Karl Binding (1841 – 1920) von 1920 und „Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene“ der Mediziner Dr. med. Eugen Fischer (1874 – 1967), Dr. med. Erwin Baur (1875 – 1933) und Dr. med. Fritz Lenz (1887 – 1976) von 1921 hatten den ideologischen Grundstein für das gelegt, was Adolf Hitler (1889 – 1945) als nötigen Schritt zur Vermeidung „erbkranken Nachwuchses“, „Reinigung des Volkskörpers“ und auch zum Einsparen von Kapazitäten im Bereich der Pflege in den Kriegsjahren ansah.
Hadamar war die letzte jener sechs Tötungsanstalten, die in Betrieb genommen wurde und zwar im Januar 1941. Zu diesem Zeitpunkt war der Ablauf der Auswahl, Deportation und Tötung der Opfer bereits durchorganisiert und routiniert. Auf Veranlassung des Landesrats und Dezernenten für Anstaltswesen des Bezirksverbandes Nassau SS-Standartenführer Fritz Bernotat (1890 – 1951) wurde die seit 1907 bestehende Landesheil- und Pflegeanstalt Hadamar im November 1940 als Ersatz für die kurz zuvor geschlossene Tötungsanstalt Grafeneck ausgewählt, nachdem die Provinz Hessen-Nassau die Leitung jener Anstalt an die Zentraldienststelle T4 abgegeben hatte. Für die damalige Landesheilanstalt Hadamar bedeutete das, dass sie wie schon zuvor die anderen fünf Anstalten von der Gebietskörperschaft in die Hoheit des Reichs überging, indem ein Teil der Landesheilanstalt Hadamar vom Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau an eine Tarnorganisation der mit der Durchführung der „Euthanasie“ beauftragten Kanzlei des Führers, die Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege, verpachtet wurde. Hadamar wurde als keine reine Tötungsanstalt, sondern eine Kombination aus Vergasungsanstalt, die in einem Flügel des Hauptgebäudes eingerichtet werden sollte, und einer Heilanstalt geplant. Ein Abgesandter der Berliner Reichskanzlei, der unter dem Decknamen „Hase “ operierte, traf im Herbst 1940 in Hadamar ein und traf erste Vorbereitungen für den Umbau der Anstalt. Dazu zählte neben der Einrichtung von Gaskammer und angeschlossenem Krematorium auch die von Schlaf-, Gesellschafts- und Büroräumen für das Personal und einer Garage für die drei Grauen Omnibusse der Gemeinnützige Krankentransport GmbH (Gekrat), die Ende Dezember ankommen sollten. Fritz Bernotat ließ unter anderem seinen Schwager Fritz Schwerwing (Lebensdaten unbekannt), aber auch andere Installateure die Umbauarbeiten in den Kellerräumlichkeiten vornehmen. Doch bevorzugte man – abseits von verschwiegenen Verwandten – Handwerker, die nicht aus der Region kamen. Da die Nazis sich sehr wohl darüber bewusst waren, dass dieser Teil ihrer Vernichtungspolitik selbst bei dem auf ihre Ideologie eingeschworenen deutschen Volk auf Widerstand stoßen würde, weil viele Bürger Verwandte hatten, die Pflegefälle waren, war das Regime bei T4 auf höchste Geheimhaltung bedacht. Auch die Ärzte und Pflegekräfte, die schon zuvor in Hadamar gearbeitet hatten, sowie jene, die speziell für die „Euthanasie“ ausgewählt worden waren und kurz vor Weihnachten die Anstalt erreichten, wurden zum Stillschweigen über die geplanten Morde verpflichtet.
Es war bereits gängige Praxis die von Gutachtern nach Aktenlage zur Vergasung bestimmten Kranken und Behinderten aus dem jeweiligen Einzugsgebiet – im Fall von Hadamar Behinderte und zumeist psychisch Kranke aus den preußischen Provinzen Hessen-Nassau, Hannover, Westfalen, der Rheinprovinz sowie den Ländern Hessen, Baden und Württemberg – zunächst in Zwischenanstalten zu verbringen, um das Vorgehen zu verschleiern. Diese Zwischenanstalten waren (in Klammern die heutige Bezeichnung) in der Provinz Hessen-Nassau die Landes-Heilanstalt Herborn (Vitos Herborn), die Landes-Heilanstalt Weilmünster (Klinikum Weilmünster), die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Eichberg (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Eichberg) in Eltville am Rhein, die Privat-Heilerziehungsanstalt Kalmenhof (Kalmenhof) in Idstein und die Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern (Stiftung Scheuern) in Nassau, in der Rheinprovinz die PHP Galkhausen (LVR-Klinik Langenfeld) und die PHP Andernach (Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach)(PHP = Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt), in Baden die PLK Wiesloch (Psychiatrisches Zentrum Nordbaden) sowie in Württemberg die Heilanstalt Weinsberg (Klinikum am Weissenhof). Von den Zwischenanstalten verbrachte man die Opfer dann mit den Grauen Bussen nach Hadamar, wo die Patient*innen zunächst angewiesen wurden sich zu entkleiden, um dann von den jeweiligen Ärzten untersucht zu werden, weil man so eine möglichst plausible gefälschte Todesursache festlegen konnte, die später den Verwandten mitgeteilt werden würde. Danach führte der Weg in die Gaskammer.
Über die Zahl der Opfer von Hadamar, die mit den Grauen Bussen aus den Zwischenanstalten hierhergebracht, untersucht und von Ärzten vergast wurden, gibt die „Hartheimer Statistik“ Auskunft. Diese ist benannt nach der T4-Tötungsanstalt Hartheim, wo sie nach Kriegende in einem auf Anordnung des US-Amerikanischen Untersuchungsoffiziers Charles Dameron (1914 – 2002) aufgebrochenen Stahlfach gefunden wurde. Dieses neununddreißigseitige Schriftstück wurde nach Aussagen eines Verwaltungsangestellten, die von jenem 1968 und 1970 im Rahmen von Zeugenaussagen zu Protokoll gegeben wurden, basierend auf von ihm zusammengestelltem Zahlenmaterial 1942 vom Philologen Edmund Brandt (Lebensdaten unbekannt) erstellt. Diese Broschüre fasste statistische Erhebungen zur Aktion T4 zusammen und führte die Zahl der „Desinfektionen“, womit die Vergasungen kranker und behinderter Menschen gemeint waren, in allen sechs Tötungsanstalten zusammen und berechnete die vermeintliche Ersparnis durch die nun nicht mehr anfallende Versorgung der Opfer. Für Hadamar verzeichnet die „Hartheimer Statistik“ im Zeitraum vom 13. Januar 1941 bis zum 1. September 1941 Morde an insgesamt 10072 Menschen. Eine aktualisierte Opferliste aus dem Jahr 2010 geht sogar von 10122 Opfern aus. Die Morde erfolgten in der als Duschraum getarnten Gaskammer im Keller der Anlage mit Kohlenstoffmonoxid (|C≡O|), einem überaus reaktivem, jedoch farb-, geruchs- und geschmacklosem Gas. Die Leichen wurden nach Herausbrechen eventueller Goldzähne im angrenzenden Krematorium verbrannt. Im Sommer 1941 erhielt jeder Mitarbeiter anlässlich der Feier des 10000ten verbrannten Patient*innen eine Flasche Bier. Wie auch in den anderen Tötungsanstalten der Aktion T4 wurden in einem eigens eingerichteten NS-Sonderstandesamt Sterbeurkunden mit gefälschten Todesursachen ausgestellt. Die Ärzte unterschrieben mit Decknamen. Die jeweiligen Anstaltsleiter von Hadamar und deren Stellvertreter waren:
- Leiter von Januar 1941 bis Juni 1941: Dr. med. Ernst Baumhard (1911 – 1943), Deckname „Dr. Moos“; zuvor schon in der T4-Tötungsanstalt Grafeneck eingesetzt; SA-Mitglied; starb 1943 an der Front bei einem Einsatz auf dem U-Boot U 449
- Leiter von Juni 1941 bis August 1941: Dr. med. Friedrich Berner (1904 – 1945), Deckname „Dr. Barth“; fiel als SS-Hauptsturmführer am 2. März 1945 bei Wronke
- Leiter von Dezember 1941 bis Juli 1942: Dr. med. Curt Schmalenbach (1910 – 1944), Deckname „Dr. Palm“; zuvor stellvertretender Leiter in der T4-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein; SS-Mitglied; nahm als KZ-Arzt Selektionen in den Lagern Buchenwald und Ravensbrück vor; kam am 15. Juni 1944 bei einem Flugzeugabsturz über dem Comer See um Leben
- Leiter von August 1942 bis April 1945 (nach Ende von T4): Adolf Wahlmann (1876 – 1956); Mitglied der Waffen-SS; Am 26. März 1947 zum Tode verurteilt, doch wurde das Urteil mit Inkrafttreten des Grundgesetzes in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt; am 20. Oktober 1953 vorzeitig aus der Haft in Landsberg entlassen.
- Stellvertreter von Januar 1941 bis Juni 1941: Dr. med. Günther Hennecke (1912 – 1943), Deckname „Dr. Fleck“; SA-Mitglied; mutmaßlich bei U-Boot-Einsatz im Nordatlantik gefallen
- Stellvertreter von Juni 1941 bis August 1941: Dr. med. Bodo Gorgaß (1909 – 1943), Deckname „Dr. Kramer“; SA-Mitglied; Ebenfalls am 26. März 1947 zum Tode verurteilt, ein Urteil, das wie bei Wahlmann 1949 mit Inkrafttreten des Grundgesetzes in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde, welche wiederum 1956 zu einer fünfzehnjährigen Haftstrafe vermindert wurde, ehe Gorgaß vom hessischen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (1901 – 1976; SPD) begnadigt und 1958 entlassen wurde.
Offiziell durften während T4 (Januar bis August 1941) nur die Anstaltsärzte, also Baumhard und Berner, und ihre Stellvertreter, Hennecke und Gorgaß, den Gashahn bedienen. In der Praxis dürfte das wohl kaum eingehalten worden sein und auch Pflegepersonal nahm Vergasungen vor. Wegen des sich stetig vergrößernden Drucks der Öffentlichkeit sah Hitler sich am 24. August 1941 genötigt, Aktion T4 vorläufig zu beenden. Gerade die Kirchen hatten sich gegen die von vielen vermutete Ermordung Kranker und Behinderter ausgesprochen – so etwa in der Diözese, zu der Hadamar gehört, durch den Limburger Bischof Antonius Hilfrich (1873 – 1947), welcher in einem Brief an das Reichsjustizministerium schrieb, dass in Hadamar „planmäßig Handlungen vollzogen werden, die nach § 211 StGB mit dem Tode zu bestrafen sind“. Einen weiteren Brief richtete er an das Reichministerium des Inneren.
Doch endete das Morden nach dieser ersten Phase keineswegs. Auf Aktion T4, die über 70000 Menschen das Leben kostete, folgte mit der Aktion Brandt die dezentrale „Medikamenten-Euthanasie“, bei der Patient*innen, um Plätze für verwundete Soldaten aus dem Krieg freizumachen, nun nicht mehr zentral in den sechs Tötungsanstalten mit Gas, sondern dezentral in allen möglichen Heil- und Pflegeanstalten mit Injektionen (Medikamentenüberdosen mit etwa Luminal oder Veronal oder Spritzen mit Morphin-Skopolamin) oder gezieltes Verhungernlassen. In Hadamar war das nicht anders:
Zunächst wusste man in der Zentraldienststelle nicht, ob Aktion T4 wieder aufgenommen würde und die systematische Ermordung Kranker und Behinderter in Gaskammern weitergehen würde. Die vier im Sommer 1941 noch aktiven Tötungsanstalten befanden sozusagen auf Bereitschaft. Das in den Tötungsanstalten zuständige Personal wurde jedoch zum Teil und vermeintlich nur vorübergehend zur Aktion Reinhardt, also den Vernichtungslagern, abkommandiert. Als ein Jahr darauf die Entscheidung, die „Euthanasie“ nicht in bisheriger Weise wieder aufzunehmen, gefallen war, baute man die entsprechenden Einrichtungen zurück: Gaskammern wurden entfernt und die Anstalten in ihren Ursprungszustand zurückversetzt. So auch in der Landesheilanstalt Hadamar, welche daraufhin am 31. Juli 1942 in die Trägerschaft des Bezirksverbandes Nassau zurückgegeben wurde.
Auf Bernotats Geheiß hin wurde Dr. Adolf Wahlmann nun die ärztliche Leitung Hadamars übertragen, während Landessekretär Alfons Klein (1909 – 1946) für die Verwaltungsgeschäfte zuständig war. Klein, der weit mehr als Wahlmann voll auf Linie der Partei agierte, wurde 1946 für die Ermordung polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiter hingerichtet. Auch wenn in Hadamar nun keine Gaskammer mehr bestand, ging das Morden unter Wahlmann und Klein in Form von Injektionen und Überdosen sowie die gezielte Mangelernährung bis zum Tod hin weiter. Da man nicht mehr durch bloßes Betätigen eines Gashahns viele Menschen auf einmal umbringen konnte, wurden nun auch die Pflegekräfte ganz regulär miteingespannt.
Wie auch sonst im vom Deutschen Reich kontrollierten Gebiet verschob sich aber der Kreis derer, die umgebracht werden sollten. Die Fokus richtete sich auch hier nun mehr auf Juden. Das von Wilhelm Frick (1877 – 1946) geleitete Reichsministerium des Innern erließ im April 1943 eine Anweisung, wonach Hadamar fortan als „Erziehungsheim für minderjährige jüdische Mischlingskinder“ gelten sollte. Als jüdisch eingestufte Kinder aus staatlichen Fürsorgeeinrichtungen des Reichs im Bezirksverband Nassau mussten dann auf Bernotats Anordnung hin ab dem 15. Mai 1943 gemeldet werden. Dies betraf nun anders als zuvor nicht mehr nur nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Volljuden“, sondern auch als „jüdische Mischlinge“ eingestufte Kinder. 39 dieser „Mischlingsjuden“ wurden nach Hadamar verwiesen, wo 34 von ihnen mit einer Giftspritze ermordet wurden. Fünf wurden auf Druck von Angehörigen hin entlassen. Eine weitere „Erweiterung“ des Kreises der Opfer folgte ab Ende Juli 1944: 468 Zwangsarbeiter*innen aus den Ostgebieten, die angeblich unheilbar an Tuberkulose erkrankt waren, wurden mit Giftinjektionen ermordet: 274 Männer, 173 Frauen und 21 Kinder unter 15 Jahren bzw. 375 Sowjetbürger*innen und 63 Pol*innen. Aber auch weitere 4817 Menschen mit körperlichen und psychischen Erkrankungen oder Behinderungen wurden im Zeitraum vom 13. August 1942 bis zum 24. März 1945 nach dem offiziellen Ende von T4 von der Gekrat nach Hadamar transportiert, von denen 4422 eines „natürlichen Todes“ starben.
Als die Tötungen in Hadamar am 26. März 1945 durch die Besetzung der Anstalt durch die US-Truppen beendet wurden, hatten mindestens 14494 Menschen hier durch das Regime den Tod gefunden. Die Alliierten verfolgten jedoch nur die Ermordung „eigener“ Leute im Nachhinein strafrechtlich, also der sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter. Die Ermordung deutscher Kranker und Behinderter hatte für sie kaum bis keine Relevanz. So sei eine Anklage wegen Ermordung der eigenen Bevölkerung nach Royal Warrant nicht möglich gewesen, weil diese kein Kriegsverbrechen darstelle. So wurden Alfons Klein, Adolf Wahlmann und die Pflegekräfte Irmgard Huber (Lebensdaten unbekannt), Heinrich Ruoff und Karl Willig (Geburtsdaten beider unbekannt) sowie zwei Verwaltungsangestellte beim Wiesbadener Prozess vor einem britischen Militärgericht von Leon Jaworski (1905 – 1982) für die Ermordung von 476 russischen und polnischen Zwangsarbeitern angeklagt. Der Prozess währte vom 8. bis 15. Oktober 1945. Klein, Ruoff und Willing wurden zum Tode verurteilt. Wahlmann erhielt aufgrund seines hohen Alters zunächst eine lebenslängliche Freiheitsstrafe, wurde bei einem späteren Prozess (siehe unten) aber zum Tode verurteilt – ein Urteil, das wiederum mit Inkrafttreten des Grundgesetzes in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt wurde. Die beiden Verwaltungsangestellten erhielten Freiheitsstrafen von 30 bzw. 35 Jahren. Irmgard Huber wurde zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Die Todesurteile gegen Klein, Ruoff und Willing wurden am 14. März 1946 vollstreckt. Beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wurden auch Bilder aus Hadamar als Teil des Beweismittelfilms über Konzentrationslager des NS-Regimes gezeigt. Als Beweismittel wurden sie ebenso wie das Schreiben Bischof Hilfrichs an das Innenministerium primär gegen den angeklagten ehemaligen Reichsminister des Inneren Wilhelm Frick angeführt. Frick wurde auch, aber keineswegs ausschließlich wegen seiner Mitverantwortung an der Ermordung Kranker und Behinderter zum Tode verurteilt. Beim Nürnberger Ärzteprozess führte die Anklage auch die Ermordung der angeblich unheilbar an Tuberkulose erkrankten Zwangsarbeiter*innen als Fortsetzung bzw. Ausweitung der sogenannten „Euthanasie“ an. Eine weiterer Prozess gegen insgesamt 25 Angeklagte, der auch als Hadamar-Prozess betitelt wurde, fand nach Kriegsende vor dem Landgericht von Frankfurt am Main statt. 11 der Angeklagten wurden für die Morde zwischen 1941 und 1945 schuldig gesprochen – darunter die Todesurteile gegen Gorgaß und Wahlmann, die aber zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen umgewandelt wurden. Die neun verurteilten Pflegekräfte erhielten Freiheitsstrafen zwischen zweieinhalb bis acht Jahren Gefängnis.
Quellen und weiterführende Literatur
https://www.gedenkstaette-hadamar.de/geschichte/aktion-t4-1941/
Georg Lilienthal: „Der Gasmord in Hadamar“. In: „Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas. Historische Bedeutung, technische Entwicklung, revisionistische Leugnung“. Herausgegeben von Günter Morsch und Bertrand Perz unter Mitarbeit von Astrid Ley (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Band 29). Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-99-2, S. 140–152.
Dorothee Roer, Dieter Henkel (Hrsg.): „Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933–1945“.Psychiatrie Verlag, Bonn 1983, ISBN 3-88414-079-5.
Wulf Steglich, Gerhard Kneuker (Hrsg.): „Begegnung mit der Euthanasie in Hadamar“. Psychiatrie-Verlag, 1985, ISBN 3-88414-068-X; Neuauflage: Heimdall Verlag, 2013, ISBN 978-3-939935-77-3.
Gerhard Baader, Johannes Cramer, Bettina Winter: „‚Verlegt nach Hadamar‘. Die Geschichte einer NS-‚Euthanasie‘-Anstalt“. Begleitband zu einer Ausstellung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kataloge, Band 2). Landeswohlfahrtsverband Hessen, Kassel 1991, ISBN 3-89203-011-1.
Peter Chroust u. a. (Hrsg.): „‚Soll nach Hadamar überführt werden‘. Den Opfern der Euthanasiemorde 1933 bis 1945“. Ausstellungskatalog. Mabuse, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-925499-39-3.
Uta George, Stefan Göthling (Hrsg.): „Was geschah in Hadamar in der Nazizeit? Ein Katalog in leichter Sprache“. Ausstellungskatalog der Gedenkstätte Hadamar 2005 (= Geschichte verstehen, Band 1).
Uta George u. a. (Hrsg.): „Hadamar. Heilstätte – Tötungsanstalt – Therapiezentrum“. Marburg 2006, ISBN 3-89445-378-8 (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen: Quellen und Studien, 12).
Uta George: „Kollektive Erinnerung bei Menschen mit geistiger Behinderung. Das kulturelle Gedächtnis des nationalsozialistischen Behinderten- und Krankenmordes in Hadamar. Eine erinnerungssoziologische Studie“. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2008, ISBN 978-3-7815-1649-6, (Zugleich Dissertation an der Universität Gießen 2007).
Marcus Stiglegger (Hrsg.): „Birthe Klementowski: Stille/Silence. Euthanasie in Hadamar 1941–1945“.Berlin 2010, ISBN 978-3-86505-195-0.
Peter Sandner: „Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus“.Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 978-3-89806-320-3 (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen: Hochschulschriften, 2).
Dennis Firkus: „Über die Normalisierung organisierter Brutalitäten. Eine organisationssoziologische Analyse der Euthanasieanstalt Hadamar“. Springer, 2021, ISBN 978-3-658-34032-2.