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Startseite > Biographien > Franz Halder (1884 – 1972)
Geschrieben von: René Lindenau | Erstellt: 28. Juli 2025

Franz Halder (1884 – 1972)

„Ich habe Sie zum Stabsoffizier gemacht, damit Sie wissen, wann Sie nicht gehorchen sollen“.

König Friedrich der Große (1712 – 1786)

 

Halder die Anfänge

Franz Halder (1938)

Franz Halder (1938). Bundesarchiv, Bild 146-1970-052-08 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 146-1970-052-08, Franz Halder, CC BY-SA 3.0 DE.

Angesichts der Langzeitverstrickung von Vorfahren seiner Familie in das bayerische Militär (offiziell ab 1790) lag auch für ihn ein Leben als Soldat nahe. Nur wenige von ihnen kamen in ihrem Dienst über den Rang eines Hauptmanns hinaus. Erst in den napoleonischen Kriegen brachten es einige zu Generalsweihen. Einer von ihnen war der Vater des Protagonisten, dessen Abfassung Lebensabschnittsbeschreibung hier angegangen werden soll. Sein Sohn sollte zu einer der wichtigsten Militärpersonen im Dritten Reich werden; als Generalstabschef der Wehrmacht (1938 – 1942), Generaloberst Franz Halder. Im Geburtsjahr von Franz war sein Vater Maximilian Premierleutnant im 2. bayerischen Feldartillerie-Regiment. Als Generalmajor wurde er aus dem Dienst verabschiedet. „Nicht ohne Stolz“ trug er in die Familienchronik dies ein: „Die Halders sind eine der ältesten bayerischen Offiziersfamilien und die älteste Artillerie-Offiziersfamilie des Königreichs, von der heute noch Mitglieder – und zwar zum Teil in ununterbrochener Reihenfolge, zum Beispiel mein Sohn Franz – aktiv dieser Waffe angehören“ (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 32). In seine eigene (private) Familienchronik konnte Franz Halder 1907 den Eingang der Ehe mit der Offizierstochter Gertrud Erl vermerken. Deren lebendiges Zeugnis waren drei Töchter.

Bestimmend wie charakteristisch für den Weg Franz Halders in den militärischen Beruf und seiner Offizierswerdung war zunächst eine zivile schulische Ausbildung. Für die damaligen bayerischen Offiziersgenerationen stand damit der Besuch eines humanistischen Gymnasiums auf dem Bildungsplan. Sein außergewöhnlich gutes Abitur legte der „Musterschüler“ 1902 ab. Nunmehr kann man es im Bundesarchiv (BA – MA N 220/2) besichtigen. Fünfmal findet man dabei die Note 1 (Religion, Deutsch, Französisch, Geschichte, Turnen) und dreimal stößt man auf die Note 2 (Griechisch, Mathematik, Physik). Überhaupt fällt auf, dass Halder bei seinen Bildungsabschlüssen, erst im zivilen und anschließend im militärischen Bereich immer beste Ergebnisse erzielte. Entsprechend positiv fielen die zahlreichen Beurteilungen seiner Vorgesetzten aus. Überdies lässt sich sagen, dass Halder zeitlebens kein „Nur-Militär“ war, wie es offenbar sein Vorgänger (1891 -1906) zu Kaisers Zeiten Generalfeldmarschall Alfred von Schlieffen (1833 – 1913) war, der selbst seinen Kindern zum Einschlafen (!) noch Kriegsgeschichten vorgelesen haben soll. Der Generalstabschef von Hitler (1938 – 1942) zeigte sich stets offen für andere Wissensgebiete; Biologie, Mathematik, Geschichte, Medizin. Zeugnis davon gab der Sohn des bekannten Arztes Prof. Ferdinand Sauerbruch, Peter. Der Sohn diente dem Generalstabschef des Heeres als Ordonnanzoffizier (1941/1942) und äußerte sich bezüglich des Wissensdrangs von Halder: „(…) durchforschte durstig alle möglichen Wissensgebiete, auch hier war er gründlich und manchmal zu sehr am Detail klebend. Der Vortrag eines Heeresarztes über Seuchen im russischen Raum konnte ihn zum eingehenden Studium medizinischer Bücher anregen. (…)“ (siehe IfZ ZS Studie P. Sauerbruch o.D. Sauerbruch). In dieses Bild passt auch, dass Halder am 7. April 1912 noch eine militärische Dolmetscherprüfung für Französisch ablegte, natürlich mit Auszeichnung.

Eine Generalstabsausbildung (1911 -1914) konnte Halder vorfristig als Lehrgangsbester und noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges absolvieren. Eine Beurteilung dazu: „Hervorragend veranlagt, sehr strebsam; fester Charakter. Sicheres Auftreten; gleichmäßig höflich. Für Dienstleistung in höheren Stäben sehr geeignet. Taktisches Urteil gut, viel Verständnis für das praktisch Erreichbare, Arbeitskraft und Arbeitslust auf allen Gebieten hervorzuheben, ebenso im schriftlichen und mündlichen Vortrag“ (…) (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 35).

Halder im „Großen Krieg“

Auch in den Jahren des „Großen Krieges“ wusste der junge Offizier zu überzeugen. Er überlebte das millionenfache Schlachten des Ersten Weltkrieges in hohen und höheren Stäben. Das Grauen des Grabenkrieges blieb dem Bayern somit erspart, was ihm später sein Dienstherr und früherer Frontsoldat mit „österreichischen Migrationshintergrund“, Adolf Hitler, zum Vorwurf machen sollte, als Halder ihm als Generalstabschef untergeben gegenüberstand. Als Kriegsteilnehmer wurde der gescholtene Offizier allerdings in der Schlacht von Cambrai (1917) mit den Auswirkungen eines Gasangriffs gegen die Deutschen konfrontiert, die Schlacht, die vor allem durch den Ersteinsatz von Panzern (Briten) bekannt wurde. Jahrzehnte später (2. Mai 1967) berichtete Halder davon. Demnach stand er noch damals unter den „unauslöschlichen, grausamen Eindrücken aus dem total vergasten Gebiet, die ein sonst wirklich an Kriegsbilder gewöhnter Mensch kaum ertragen kann“. Immerhin konnte der ebenso wie der Führer ein Eisernes Kreuz (Verleihung Dezember 1915) vorweisen. Verbunden mit diesem „Kreuz“ war noch eine „offiziöse“ „Lobhudelei“ seiner Vorgesetzten: „Hptm. Halder hat seit Beginn des Feldzuges an allen Kämpfen des 3. bayerischen Armeekorps teilgenommen. In den Kämpfen in Lothringen und bei Gewinnung der Maashöhen war er als Ordonnanzoffizier des Generalkommandos tätig. Seit 7.1.1915 hat er als 2. Generalstabsoffizier der 6. bayerischen Division durch seine unermüdliche und vorzügliche Arbeit sich große Verdienste erworben. Während der Kämpfe im Bois d´Ailly hat er durch seine Erkundungen in den vordersten Linien und unter besonders schwierigen Verhältnissen als Nachrichtenoffizier des Divisionsstabes bei den in diesen Kämpfen beteiligten Truppen sich ausgezeichnet. (…)“ (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 35). Seine letzte kriegerische Dienststellung war gleichfalls von stabsmäßigem Charakter und zwar in der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. Für den bayerischen Kronprinzen brachte der Monarchist Halder besondere Achtung und Wertschätzung entgegen, die auch über diesen Krieg hinaus ging. Halder „verehrte ihn als Repräsentant des bayerischen Königshauses und bewunderte seine klare, kluge, durchdringende Art des Denkens“ (Heidemarie Gräfin von Schall-Riaucour, Generaloberst Franz Halder Generalstabschef 1938-1942, Lindenbaum Verlag 2006, Seite 420).

Am Ende war Halder ein hochdekorierter Kriegsheimkehrer. Neben den Eisernen Kreuz beider Klassen konnte er das Sächsische Ritterkreuz des Albrechtsordens, den Bayerischen Militärverdienstorden, das Österreichische Militärverdienstkreuz sowie das Preußische Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern in die Zwischenkriegszeit „hinüberretten“. Über zwei Millionen Deutsche hatten keine Chance auf Rettung. Sie blieben zerstückelt, zerrissen, entleibt, tot geschossen auf den Schlachtfeldern zurück.

Halder in Weimar

Nachdem die kaiserliche Armee als Verlierer die Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges verließ, war die Reichswehr bis 1935 die waffentragende Übergangslösung. Denn in diesem Jahr wurde offiziell die Wehrmacht gegründet, um wiederum als ein Krieg treibendes Instrument zu agieren. Die prägende Figur der Reichswehr in der Weimarer Republik sollte der Chef der Heeresleitung (1920 -1926), Generaloberst Hans von Seeckt, (1866 – 1936) sein. Schon im Krieg machte sich Seeckt einen Namen, berichtet der britische Militärschriftsteller Sir Basil H. Liddell Hart, wo durch das deutsche Heer der Spruch lief: „Wo (Feldmarschall) Mackensen – da Seeckt, wo Seeckt – da der Sieg“ (siehe Basil H. Liddell Hart, Deutsche Generäle des Zweiten Weltkrieges, Verlag Buch und Welt 1964, Seite 19). Seeckt widmete sich in seiner Amtszeit der Aufgabe, die Deutschland auferlegten Fesseln (Versailler Vertrag) im Unterhalt und Ausrüstung der Reichswehr zu lockern und wiederzugewinnen (so Hart). Vielfältig waren dabei seine Anstrengungen, seine Armee in „Schuss“ zu halten. Nach Hart wurden viele Offiziere aus Stäben und technischen Dienststellen zeitweilig in Japan, China, den südamerikanischen Republiken, den baltischen Staaten und in Sowjetrussland beschäftigt, wo sie sich an Panzern schulen konnten (siehe Basil H. Liddell Hart, Deutsche Generäle des Zweiten Weltkrieges, Verlag Buch und Welt 1964, Seite 21). Deutsche Piloten konnten im sowjetischen Lipezk abheben. Ein deutsch-sowjetisches Militärabkommen (1920 -1941) machte es möglich.

Wenden wir uns nach diesem einleitenden Vorlauf erneut der eigentlichen Hauptperson zu.

Im Nachkrieg wurde Halder zunächst Adjutant (1919) der Zentralstelle des Generalstabes in München. Dort erlebte der Hauptmann die Abwicklung des bayerischen Generalstabs.

Da der Chef der Heeresleitung Wert auf fähige und gut ausgebildete Generalstabsoffiziere legte, hatte Halder gute Aussichten, in Seeckts Reichswehr übernommen zu werden. So wurde 1920 aus dem kaiserlichen Offizier ein republikanischer Offizier der Reichswehr. Im Reichswehrministerium fungierte der junge Offizier als Referent für Taktik. Ab dem 1. Oktober 1921 wurde Halder als Generalstabsoffizier bei der 7. Division eingesetzt. Bei dieser Einheit betraute man ihn im Rahmen der „Führergehilfenausbildung“ auch mit den Aufgaben eines Taktiklehrers. Man muss wissen, dass die „Führergehilfenausbildung“ hier als Tarnname für die Generalstabsausbildung stand, die den Deutschen nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages untersagt worden war. Die Alliierten sahen im deutschen Generalstab eine Quelle der Bedrohung und des Militarismus. In seiner Lehrerfunktion empfanden ihn manche Kameraden oft als oberlehrerhaft oder sie nannten ihn Professor. Eine weitere Dienststellung führte ihn unter anderem in das Heeresausbildungsamt des Truppenamtes. (siehe Gerd R. Ueberschär Hrsg.) Hitlers militärische Elite, 68 Lebensläufe, 3. Auflage THEISS 2015, Gerd Ueberschär, Generaloberst Franz Halder, Seite 80). Im Heeresausbildungsamt traf er mit dem künftigen Oberbefehlshaber des Heeres (1938 – 1941), General Walther von Brauchitsch, zusammen. Man könnte sagen, als Ausbildungsoffizier trug er mit der Erfüllung seiner Bildungsaufträge an seine damaligen Schüler mit dazu bei, dass die künftige Hitler-Wehrmacht auf einen hohen Ausbildungsstand gebracht und „kriegstüchtig“ wurde. Weitergehende Angaben von Dr. Hartmann offenbaren weitere Verwendungen des „Bayerns in Uniform“; Generalstabsoffizier bei der Stadtkommandantur München (1920 -1921), Leiter der Generalstabsausbildung im Wehrkreis VII (1925 – 1927) und als 1. Generalstabsoffizier (1a) (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 40). In seiner Personalakte findet sich kaum ein – außerstabsmäßiger – Einsatz. Wo es doch mal anders war, beispielhaft dafür, sei die Versetzung zum 7. bayerischen Artillerieregiment in Landsberg am Lech erwähnt, wo er, der familiär vorbelastet, artilleristisch geschulte Major (1923) als Batteriechef (1923 – 1925) gedient hat. Sein Vorgänger hier war General Alfred Jodl, den Halder später als Chef des Wehrmachtführungsstabes erleben sollte. Als Generalmajor (1934) wurde er nach München versetzt, wo er das Kommando (1935) über die 7. Infanteriedivision erhielt. Im Vorjahr war er noch zum Artillerieführer VII ernannt worden.

Sein Biograf Hartmann machte jedoch deutlich: „Der Stabsdienst und hier insbesondere die interne Ausbildung blieb freilich Halders eigentliche Domäne. Dabei hatte er sich mit der Zeit den Ruf eines ausgezeichneten Fachmanns für Ausbildungsfragen erarbeitet, der wie schon angedeutet in Erscheinung und Charakter immer wieder mit einem Lehrer oder Professor (Schaller-Riaucour) verglichen werden sollte, damit war er ganz in seinem Element“ (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 40).

Halder als Generalstabschef – Höhepunkt und Endpunkt einer militärischen Laufbahn

General der Artillerie Franz Halder (l.) als Chef des Generalstabes des Heeres mit dem Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, während des Überfalls auf Polen, 1939

General der Artillerie Franz Halder (l.) als Chef des Generalstabes des Heeres mit dem Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Walther von Brauchitsch, während des Überfalls auf Polen, 1939. Bundesarchiv, Bild 183-H27722 / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv Bild 183-H27722, Franz Halder und Walther v. Brauchitsch, CC BY-SA 3.0 DE.

Oberflächlich betrachtet könnte man von einem glänzenden Aufstieg von Franz Halder auf der militärischen Rangleiter sprechen. Tiefgründiger, besehen, bergen solche Karrieren, insbesondere, aber in Diktaturen, Stoff für Konflikte, Zweifel, Widersprüche und Zerwürfnisse mit ungewissem Ausgang. Bei dem aufstrebenden Generalstabsoffizier war dies nicht anders. Im November 1936 oblag dem Generalleutnant (Beförderung) als Leiter des Manöverstabes die Vorbereitung und Planung eines großen Manövers der Wehrmacht (1937). Die hierbei von Halder entwickelten taktischen Möglichkeiten durch den Einsatz von Panzerverbänden sollten dem Obersten Befehlshaber gefallen. Bei diesem Manöver sollten sich Halder und Hitler zum ersten Mal persönlich begegnen. Dabei hat der „Manöver-General“ sich in einen bleibend guten Eindruck beim Führer -hineinmanövriert -, der sich karrierefördernd erweisen sollte. In den Folgejahren 1937/1938 bezog der bayerische Artilleriegeneral erst das Büro des Oberquartiermeisters II und anschließend das des Oberquartiermeisters I. im Generalstab des Heeres. Obwohl Halder ein distanziertes Verhältnis zum Nationalsozialismus nachgesagt wurde, zog der Österreicher H. den Bayern H. für die Neubesetzung des Postens des Generalstabschefs in Betracht, als Generaloberst Ludwig Beck das Feld räumte. Hitler glaubte mit Halder besser zu können, als mit Beck, und sollte sich irren. Nach einer Bedenkzeit und Rücksprache mit Beck wurde der General der Artillerie Halder (Beförderung 1938) zu dessen Nachfolger berufen. Das war am 1. September 1938. In dem Buch „Führer und Reichskanzler“ wurde der Beck-Nachfolger als „ein 54-jähriger Bayer von zierlicher Gestalt und zuvorkommender, pedantischer Wesensart“ beschrieben (siehe David Irving, Führer und Reichskanzler Adolf Hitler 1933 – 1945, 2. Auflage Herbig Verlagsgesellschaft München-Berlin 1989, Seite 131). Als sich General Halder in seiner Funktion als neuernannter Generalstabschef am 22. August 1938 Hitler an Bord der Grille vorstellte, meinte Hitler spöttisch: „Meine wahren Absichten werden Sie nie erfahren. Nicht einmal meine engsten Mitarbeiter, die davon überzeugt sind, sie zu kennen, werden sie je ergründen“ (siehe David Irving, Führer und Reichskanzler Adolf Hitler 1933 – 1945, 2. Auflage Herbig Verlagsgesellschaft München-Berlin 1989, Seite 134). So ein Ansatz kann natürlich auf Dauer kein tragfähiges Fundament für eine kooperative Zusammenarbeit auf Augenhöhe sein. Im Grunde hat der Führer die oberste Sprosse der Rangleiter in der Hierarchie der militärischen Führungsorgane brüchig gemacht. Dazu titelt das Buch „Vollmacht des Gewissens“ ein entsprechendes Kapitel mit: „Der degradierte Generalstab“. Dies untermauernd mögen die nachstehenden Anmerkungen illustrieren: „Die Stellung des Generalstabschefs hatte sich in der Wehrmacht unter Hitler gegenüber der im Kaiserreich de jure und de facto völlig gewandelt. Bis 1918 trug der „Chef des Generalstabs des Feldheeres“ auch im Verhältnis zum Kaiser als dem Obersten Kriegsherren nicht nur eine nominelle, sondern eine formelle und faktische Mitverantwortung. (…) Im Dritten Reich war der Chef des Generalstabes zum reinen Berater degradiert (…) Eine Befehls- oder Entscheidungsgewalt stand ihm überhaupt nicht zu“ (siehe Vollmacht des Gewissens. Herausgegeben von der Europäischen Publikation e. V. Alfred Metzner Verlag Frankfurt am Main – Berlin 1960, Seite 399f.). Auf die Entmachtung des Generalstabs unter Hitler vermerkt General von Manstein (Zossen, 21. Oktober 1939) in seinem Tagebuch: „Begleitmusik Halder, Stülpnagel, Greiffenberg recht niederziehend“. General v. Stülpnagel war damals Oberquartiermeister1 die rechte Hand des Generalstabschefs Halder, Oberst v. Greiffenberg der Chef der Operationsabteilung des OKH. Aus den Äußerungen der drei Herren konnte man unmissverständlich entnehmen, dass das OKH in jener Aufmarschanweisung einen Kriegsplan herausgegeben hatte, der ihm von Hitler aufoktroyiert, worden war. Ergänzend, es war offenbar, das diese drei führenden Köpfe der Heeresleitung, wie auch Oberbefehlshaber des Heeres selbst, dem Gedanken an eine deutsche Offensive im Westen durchaus ablehnend gegenüberstanden“ (siehe Erich von Manstein, Verlorene Siege, Bernhard & Graefe Bonn 2004, 17. Auflage, Seite 67 -68). Und ja, Halders Frustration über Hitlers in den Kriegsjahren ständig zunehmenden Eingriffe in militärische Entscheidungen sollte wachsen. Einige Tagebucheinträge des Generalstabschefs stehen dafür, wie sehr ihm die strategischen Entscheidungen des Führers missfallen haben. Irgendwann war der Generalstab endgültig zur „Stimme ihres Herren“ mutiert, und das war nicht der Generalstabschef. Selbst in der Generalsdenkschrift, (Nürnberg, November 1945) auf die, zu gegebener Zeit noch einzugehen wird, spielt der Machtverlust des Generalstabes unter Hitler eine Rolle. Zu lesen ist: „In der Frage der operativen Kriegsführung blieben die Gegensätze zwischen Hitler und dem Chef des Generalstabes in vollem Umfang bestehen. Hitler kannte nur eine Maxime, keinen Schrittbreit Bodens freiwillig aufzugeben (…) (siehe Siegfried Westphal, Der deutsche Generalstab auf der Anklagebank, Nürnberg 1945 – 1948, v. Hase & Koehler Verlag 1978, Seite 69). Blättert man nur einige Seiten weiter, erfährt man, „Halders Nachfolger, General Zeitzler führte diesen Titel nur der Form nach“ (Seite 72).

Vollziehen wir an dieser Stelle noch einmal einen Schwenk zurück in die Beck-Zeit. Es sollte klargestellt sein, das Generalstabschef Beck zu jener Phase kein prinzipieller Kriegsgegner war. Mit seinem „Denkschriften-Krieg“ gegen die „Risikopolitik“ des Führers warb Beck lediglich deshalb für die Bewahrung des Friedens, da er befürchtete: „das weder militärisch noch rüstungspolitisch genügend vorbereitete Deutsche Reich könne in einen langandauernden Krieg gegen eine militärisch wirtschaftlich, psychologisch politisch überlegene Gegnerkoalition verwickelt werden“ (siehe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 1, Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1979, Seite 159). Er argumentierte damals „nur“ als Militärfachmann, hatte er doch erheblichen Anteil an Aufwuchs und Aufrüstung der Wehrmacht und er kannte ihr Innenleben. Im November 1938 verfasste der auf der Abschussliste -gestandene -Ex-Generalstabschef eine grundsätzliche Betrachtung über „Deutschland in einem kommenden Krieg“: „Ein Krieg, den Deutschland beginnt, wird sofort weitere Staaten als den angegriffenen auf den Plan rufen. Bei einem Krieg gegen eine Weltkoalition wird Deutschland unterliegen und dieser auf schließlich auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sein“ (siehe Klaus Mayer, Militärgeschichtliche Mitteilungen 58/1999, Seite 471ff.) Zu würdigen ist allerdings, das Generaloberst Beck vielfach gedankliche Vorarbeiten für die künftige Militäropposition leistete, für die sich Halder zumindest zu Beginn seiner Amtszeit empfänglich zeigte (Septemberverschwörung 1938). Als militärischer Kopf der Verschwörer des 20. Juli wählte Beck im Bendlerblock den Freitod. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (1938 – 1945), Generalfeldmarschall, Wilhelm Keitel führte in seinen Lebenserinnerungen diese – grolligen – Passagen aus: „Ich habe Beck keine Träne nachgeweint angesichts der schamlosen Behandlung, die er mir zuteil, werden ließ, seine überragenden Fähigkeiten habe ich stets anerkannt. Dass er sich schon 1936 hochverräterischen Umtrieben zur Verfügung stellen und von da ab ihr geistiger Führer sein würde, habe ich ihm nicht zugetraut (…) (siehe Wilhelm Keitel Generalfeldmarschall, Verbrecher oder Offizier? Erinnerungen, Briefe, Dokumente des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Herausgegeben von Walter Görlitz, Verlag Siegfried Bublies 1998, Seite 241). Freundlich dagegen begrüßte Keitel den neuen Mann, General Franz Halder: „Man kann nachträglich die Leistungen Heeres nur bewundern, der Generalstab unter Halder hat ermöglicht, was unmöglich erscheinen musste, und ohne jedes Aufsehen zu erregen und erkennen zu lassen, was hinter dieser Manöver-Vorbereitung steckte. Der erfinderische Geist war nicht mehr zu übertreffen; Hitler selbst hatte manche Anregung gegeben, er ließ sich laufend vom Oberbefehlshaber des Heeres unterrichten“(siehe Wilhelm Keitel Generalfeldmarschall, Verbrecher oder Offizier? Erinnerungen, Briefe, Dokumente des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Herausgegeben von Walter Görlitz, Verlag Siegfried Bublies 1998, Seite 243). Im Biographischen Wörterbuch zur Deutschen Geschichte kann man dies über Halder lesen: : (…) leitete der kühle Rechner und glänzende Stratege aus bester Tradition des Generalstabs, ein hagerer Gelehrtentyp mit Zwicker, ein Mann mit unermüdlicher Arbeitskraft, korrekt und nüchtern, aber auch sensibel (…) (siehe Biographisches Wörterbuch zur Deutschen Geschichte, Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, Erster Band A – H, Francke Verlag München, Seite 1007). Das Meinungsbild über den nunmehr höchsten Stabsoffizier war so gesehen äußerst bunt. Es reichte vom aufrichtigen Lob bis zu scharfer Kritik. Weiter kann man bei Geoffrey P. Megargee über Halders Persönlichkeit Wertungen, wie „widersprüchlich“ und „vielschichtig“ lesen…der in mancher Hinsicht den typisch deutschen Generalstabsoffizier verkörperte“. „Einerseits war Halder ein überdurchschnittlicher militärischer Fachmann, aber sein Verständnis für globale Strategie und für Deutschlands Stellung in der Welt war entsprechend schwach (…)“ (siehe Geoffrey P. Megargee, Hitler und die Generäle – Das Ringen um die Führung der Wehrmacht 1933 -1945Ferdinand Schöningh Paderborn München Zürich 2000, Seite 63).

Ein Indiz für Halders Opposition zum Hitler Regime wurde schon genannt, die Unterstützung der „Septemberverschwörung“. Ihr wurde jedoch durch die Appeasement- Politik die Grundlage entzogen. Als sie also scheiterte, brach er resignierend die Kontakte zu den Verschwörern ab und fokussierte sich zunehmend auf Anpassung in das herrschende Regime. Sein Widerspruch erschöpfte sich nunmehr nur auf militärfachliche Fragen, was bei einem Hitler unbestritten nicht leicht war und allzu oft in Demütigungen und Beleidigungen übergehen sollte. Liddell Hart schildert hierzu die folgende Episode: „Bei der Rückkehr von seiner täglichen Besprechung mit Hitler pflegte Halder oft die Hände hochzuheben in einer Geste der Verzweiflung und Niedergeschlagenheit, die seinen Mitarbeitern andeutete, das wieder einmal ein Versuch vergeblich war, Hitler zur Vernunft zu bringen“ (siehe Basil Liddell Hart, Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Econ Verlag Düsseldorf – Wien 1972, Seite 327). Trotz allem, andere waren in ihrer Opposition gegen Hitler konsequenter und mutiger als der Generalstabschef; Vizeadmiral Wilhelm Canaris, Oberstleutnant Hans Oster, Generalleutnant Erwin von Witzleben. Erinnern wir in an dieser Stelle an den weniger bekannten Oberstleutnant i.G. Helmuth Groscurth. Einst war er ein Bewunderer Halders, das änderte sich: „An die Anständigkeit von Halder glaube ich in keiner Form mehr“ (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers (1938 – 1942), 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Ferdinand Schöningh Paderborn München Wien Zürich, Seite 67). Dessen Verbindung zum Widerstand waren eher losen Charakters, ohne dabei wirklich hervorzutreten, bis er irgendwann – völlig -losgelöst – war. Halder kommt demnach im militärischen Widerstand das Rollenfach der -Undurchsichtigkeit– mit einigen sehr kurzen abweichenden -Drehmomenten – zu. Darüber wird noch zu lesen sein. Schon im (geplanten) Verschwörer Jahr (1938) wurde Groscurth an die Front versetzt, da er in seinem Widerstand gegen Hitler angeblich zu „unvorsichtig sei“. Doch auch im Fronteinsatz stand der Widerstand gegen das Hitler-Regime auf der Agenda des Generalstabsoffiziers: Seinem mutigen Einsatz war es zu danken, das die Fortsetzung eines Pogroms in Solotschiv, von Ukrainern und durch Angehörige der SS-Division Wiking gestoppt wurde (Juli1941). Die Verhinderung eines Massakers an 90 Kindern in Bjelaja Zerkow (August 1941), deren Eltern waren schon von deutschen Kugeln gerichtet worden, gelang Groscurth trotz vieler Bemühungen nicht. Mit dem Ende der Stalingrader Schlacht geriet der Oberst am 2. Februar 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, dort ahnte man natürlich nichts von den Widerstandsaktivitäten des Offiziers der geschlagenen Armee. Laut einer Karteikarte der Gefangenenverwaltung starb Groscurth am 7. April 1943 an Flecktyphus. Währenddessen überlebte Halder seinen – Widerstand -. In seiner Selbstdarstellung nach 1945 sprach der Generaloberst a.D. jedenfalls hauptsächlich von seiner Opposition zu Hitler, so die Feststellung von Christian Hartmann und Sergej Slutsch in einem Zeitschriftenaufsatz (siehe Christian Hartmann/ Sergej Slutsch, Franz Halder und die Kriegsvorbereitungen im Frühjahr1939, Eine Ansprache, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Jahrgang 45 (1997) Heft 3, Seite 5). Claus Graf von Stauffenberg wiederum, soll Halder als einen „unglaublichen Könner und prachtvollen Menschen“ gerühmt haben (siehe Kramaz Joachim, Claus Graf Schenk von Stauffenberg, Frankfurt am Main 1965, Seite 85).

Das persönliche Verhältnis von Hitler und Halder, so konstatierten Hartmann und Slutsch war durchaus „gespannt, ja geradezu feindselig“. Aber: „Es gab jedoch immer wieder lange Phasen, in denen sich beide Herren nach Kräften um eine gute Kooperation bemühten. In den entscheidenden Monaten im Frühjahr und Sommer 1939 wollte der Generalstabschef nichts anderes als ein Handlanger der Hitlerischen Kriegspolitik sein“ (siehe Christian Hartmann/ Sergej Slutsch, Franz Halder und die Kriegsvorbereitungen im Frühjahr1939, Eine Ansprache, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Jahrgang 45 (1997) Heft 3, Seite 6). „Spätestens mit dieser Rede (siehe oben) gab Halder jedoch ein deutliches Signal, das er von politischer Opposition oder gar von gewaltsamer Systemveränderung nichts mehr wissen wollte“ (siehe Christian Hartmann/ Sergej Slutsch, Franz Halder und die Kriegsvorbereitungen im Frühjahr 1939, Eine Ansprache, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Jahrgang 45 (1997) Heft 3, Seite 11). Wie flexibel der – Oppositionelle – Halder sein konnte, mag diese Aussage dokumentieren, die er im Frühjahr 1939 vor der Wehrmachtakademie tätigte, wonach er ein Gefühl der Erleichterung zum Ausdruck brachte, dass der Krieg gegen Polen nun auf der Tagesordnung stehe. Polen, so Halder müsse „auf dem schnellsten Wege nicht nur geschlagen, sondern liquidiert werden“. Zudem bekamen die Zuhörer zu hören, das er „die polnischen Soldaten für die dümmsten in Europa hielt“ (siehe Richard Overy, Weltenbrand-Der große imperiale Krieg 1931 – 1945, Rowohlt Berlin 2023, Seite 109f.). Wenn schon die damaligen militärischen NS-Führungskader ihren Untergebenen gegenüber so ein Denken propagierten, dann waren Kriegsverbrechen vorprogrammiert. Davon konnte er nach dem Überfall auf Polen in einer Besprechung mit Reinhard Heydrich (Unternehmen Tannenberg) Notiz nehmen (siehe Richard Overy, Weltenbrand-Der große imperiale Krieg 1931 – 1945, Rowohlt Berlin 2023, Seite 115). So erfuhr der-Redner- von der Ermordung von 15.000 polnischen Kriegsgefangenen, nannte es eine „Schweinerei“, aber um dagegen bei der politischen Führung zu protestieren, „kuschte“ er, so Stig Förster (siehe Stig Förster, Deutsche Militärgeschichte, Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Verlag C.H. Beck 2025, Seite 876).

Jedenfalls unterwarf sich der fleißige und arbeitsame General fortan ganz dem Willen der „Diktatur des Gesindels“ (Thomas Mann in der BBC, 18.01.1943). Angaben zum riesigen Arbeitspensum, das der Generalstabschef zu bewältigen imstande war, hinterließ seine Enkelin, Heidemarie Gräfin Schall-Riaucuor in ihrer Halder-Biografie: „(…) Alles zusammen erscheint es als ein unerschöpfliches, vom einzelnen kaum zu bewältigendes Tagesprogramm, das jedoch, mit Hilfe, von zwei Adjutanten und der Arbeitskraft Halders fast reibungslos ablief. Die Nacht wurde dann noch zur Bearbeitung von Vorschriften und Vorlagen genutzt. Um dies leisten zu können, hatte sich Halder in Kenntnis seines Körpers und seiner physischen Arbeitsleistung den Tag in drei Teile eingeteilt (…)“ (siehe Heidemarie Gräfin von Schall-Riaucour, Generaloberst Franz Halder Generalstabschef 1938 1942, Lindenbaum Verlag 2006, Seite 132/133).

Halder zeichnete für kühne die Operationspläne und zu Beginn für erfolgreiche militärische Eroberungen der Jahre 1939 bis 1942 verantwortlich; Polenfeldzug, Westfeldzug und letztlich der Plan „Fall Barbarossa“ – viel Arbeit also. Er gilt als der „geistige Vater“ der bis dahin meist erfolgreichen Operationspläne von 1939 bis zu seinem Abschied 1942 – so Schall-Riaucour (siehe Heidemarie Gräfin von Schall-Riaucour, Generaloberst Franz Halder Generalstabschef 1938 -1942, Lindenbaum Verlag 2006, Seite 143) In diesem Umfang planerisch und schöpferisch an den operativen Kriegsvorbereitungen und der Kriegsführung selbst beteiligt zu werden wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn sich Halder nicht als wichtiges Rad in das Getriebe, der deutsch-faschistischen Kriegsmaschinerie eingefügt hätte. Da blieben kriegsverbrecherische Flecken auf der Uniform des „sauberen Generals“ nicht aus. Darüber hinwegzutäuschen half auch nicht, das Halder, wenn er seine Beine übereinanderschlug, zur Schonung seiner roten Generalstreifen gern ein weißes Taschentuch dazwischen legte, so erinnert sich Hans-Bernd Gisevius an seine erste Begegnung mit dem General (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers (1938 – 1942), 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Ferdinand Schöningh Paderborn München Wien Zürich, Seite 68). Der Historiker Wolfram Wette bringt jedenfalls Licht in dieses Dunkel. Er schrieb: „Dem Generalstabschef des Heeres, General Franz Halder, war das Ausmaß der nationalsozialistischen Vernichtungsabsichten in Polen bekannt“ (siehe Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005 S. Fischer Verlag, Seite 105). Weiter: „Hinsichtlich der„Behandlung“ der politischen Kommissare der Roten Armee, die den deutschen Soldaten gleichsam als Verkörperung des Feindbildes vom „jüdischen Bolschewismus“ vorgestellt wurden, hieß es im Kommissarbefehl des OKW, sie seien grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen. Franz Halder, Generalstabschef des Heeres, trug für die Formulierung des Kommissarbefehls eine maßgebliche Verantwortung“ (siehe Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005 S. Fischer Verlag, Seite 99). Ferner zitiert Wette Ergebnisse der Studien militärischer Quellen (Serbien) des Wiener Historikers, Walter Manoschek. Seine zentrale Erkenntnis erregte nicht von ungefähr beträchtliches Aufsehen Sie lautet: „Die Wehrmachtführung hat bereits vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941die nationalsozialistischen Judenpolitik grundsätzlich gebilligt. Der Generalstabschef des Heeres, Franz Halder und der Generalquartiermeister, Eduard Wagner, legten in einem Anfang April 1941 formulierten Befehlsentwurf für den Einsatz der Sicherheitspolizei und des SD während des Unternehmens „Marita“ (Griechenland) eine schwerwiegende Feindfixierung fest: In Serbien sollten neben „Emigranten, Saboteuren und Terroristen“ auch „Kommunisten“ und „Juden“ als Feinde gelten“ (siehe Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005 S. Fischer Verlag, Seite 107).

Nun, den Balkanfeldzug sowie den Angriff auf die Sowjetunion leitete er selbst. Zur operativen Vorarbeit am Angriffsplan auf die Sowjetunion zog Halder übrigens den Panzerfachmann und späteren Oberbefehlshaber der 6. Armee in Stalingrad, Generalleutnant Friedrich Paulus, hinzu. Schon als Planer des Überfalls auf die Sowjetunion „Barbarossa“ hätte Halder aufgehen müssen; Anlage, sowie die angedacht brutal – exzessive Führungsweise (besonders) des Russlandfelzuges ließen ein unvergleichliches Kriegsverbrechen erahnen (siehe oben). Hitler selbst war es, der die Wehrmachtführung darunter also auch den Generalstabschef, in einer Rede auf den Feldzug gegen die Sowjetunion einstimmte und von einem „Vernichtungskampf“ sprach. „Wir führen Krieg nicht, um den Gegner zu konservieren“, so Hitler (siehe Halder-Tagebuch, 30. März 1941). Der Kriegsteilnehmer, General Ulrich a. D. Maizére (Generalinspekteur der Bundeswehr 1966 – 1972) erinnerte in einem Interview (Bonn 25.5. 1996): „Das Offizierskorps war sich auch schmerzlich des Schicksals bewusst, das die Franzosen1812 erlitten hatten; das viel gelesene Buch eines französischen Generals, der mit Napoleon nach Russland gezogen war, gab den Offizieren, zu denken“ (siehe Geoffrey P. Megargee, Hitler und die Generäle – Das Ringen um die Führung der Wehrmacht 1933 – 1945, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn München Wien Zürich 2000, Seite 124f). Als die deutschen Invasoren im Winter 1941/1942 auf Moskau vorrückten und die Kremltürme schon sichtbar waren, da feierten die „Gespenster von 1812“ ihre Auferstehung. Aber die Kriegschronik besagt, die uniformierten Entscheidungsträger hatten solcherlei Bedenken nicht und setzten die „operative Planung in optimistischer Hochstimmung“ (Megargee) einfach fort – damit auch in Verantwortung von Halder. Trotz der anfänglich großen Erfolge der „deutschen Krieger“ wurde vor allem im Verlaufe des Krieges gegen die Sowjetunion die Rückfahrkarte gelöst: Moskau, Stalingrad, Kursk. Der Krieg kehrte nach Deutschland zurück.

Nochmal auf Paulus zurückkommend könnte man sagen, mit seiner Niederlage in Stalingrad mündet die militärische Dienstzeit von Halder in ihr Finale. Die über die Jahre gesammelten Zerwürfnisse zwischen dem Gefreiten und dem General nahmen durch das „Cannae des 20. Jahrhunderts“ (Stalingrad) mit der die Sowjettruppen die Wehrmacht gebrochen hatte, wieder so zu, sodass es zwischen ihnen zum endgültigen Bruch kam. Die 6. Armee von Generaloberst Paulus stand noch kämpfend in Stalingrad. Fortschritte gab es nicht, dafür durfte Halder zuvor noch eine heftige Schimpfkanonade über sich ergehen lassen (24. August 1942). An den Generalstab gerichtet wütete der Führer: Es handle sich um eine „Sonderkaste besonders hochnäsiger, junkerlicher Hohlköpfe und Nationalschädlinge voller steriler Unfruchtbarkeit, Ideenlosigkeit, Feigheit und der diesen entsprechenden Einbildungen“ (siehe Stig Förster, Deutsche Militärgeschichte, Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Verlag C.H. Beck 2025, Seite 936). Der „Feldherr“ Hitler hatte damit seinen Sündenbock gefunden. Und Halder musste gehen. Das war am 24. September 1942.

Aber natürlich wurden die treuen Dienste des Generalstabschefs für das Hitler-Regime und seine Tätigkeit als dessen führender operativer Arm, der mit seinen Operationsplänen vielfach Erfolg hatte, gewürdigt. Nach Abschluss des Westfeldzuges (1940) wurde der Operateur zum Generaloberst befördert und das Ritterkreuz wurde Halder auch noch angehangen. Danach war aber Schluss mit dem, Uniform tragen. Was folgte, war die Versetzung in die „Führerreserve“ Eine weitere militärische Verwendung folgte (natürlich) nicht. Was blieb war der Rückzug ins Privatleben. Aus dem Generalstabsdienst ausgemustert, wurde Aschau im Chiemgau sein neuer Lebensmittelpunkt.

Halder außer Dienst

Keiner der Nachfolger Halders hatten es mit dem bekanntesten Meldegänger des Ersten Weltkrieges leicht. Unmittelbar auf Halder folgte, der elf Jahre jüngere „Hitlerjunge Quex“ (NS-Propagandafilm), Generalmajor Kurt Zeitzer nach. Walter Görlitz dazu: „Zeitzler, dieser rundliche, kleine, behende, oft Funken sprühende Mann, mit dem zweiten Spitznamen „Kugelblitz“, galt als Mann der Tat. Hitler hatte Halders „Schulmeisterei“ gründlich satt, bekommen (…)“ (siehe Walter Görlitz, Geschichte des deutschen Generalstabes 1650 – 1945, Bechtermünz Verlag, Seite 410). Aber nach zwei Jahren sollte sich der „Kugelblitz“ (Generaloberst Zeitzler) auch als „Fehlzündung“ erweisen. Als neuer Dienstherr rollte der Panzergeneral Heinz Guderian am 20. Juli 1944 in den Generalstab ein und das finale – Abziehbild – der Generalstabschefs des Heeres durfte sich für die letzten Monate (März 1945 – Mai 1945) des Krieges der General der Infanterie, Hans Krebs anheften. Überlieferungen zufolge stellte der Oberste Kriegsherr (zum Zeitpunkt der Verabschiedung von Guderian) seinen Generalstabschefs dieses Zeugnis aus: „Halder sei ein Besserwisser gewesen, Zeitzler ein Hohlkopf und Guderian ein Dickkopf; nun habe er in Krebs den richtigen Chef des Generalstabs gefunden“ (siehe Heidemarie Gräfin von Schall-Riaucour, Generaloberst Franz Halder Generalstabschef 1938 – 1942, Lindenbaum Verlag 2006, Seite 71). Nur hat General Krebs (ehemals Assistent des Militärattachés in Russland) den noch umkämpften Berliner Kriegsschauplatz per Suizid verlassen, als seine Bemühungen mit General Wassili Tschuikow (ehemals Militärattaché in China) eine Kapitulation Berlins zu verhandeln scheiterten. Denn die Zustimmung zu einer bedingungslosen Kapitulation war ihm untersagt worden.

Bevor in Europa der Zweite Weltkrieg beendet war, sollte Halder eine unangenehme Überraschung erleben. Obwohl er das Attentat vom 20. Juli 1944, allerdings nur wegen seiner mangelhaften Durchführung verurteilt hatte, wurde der General a.D. verhaftet. Die NS-Führung unterstellte ihm die Beteiligung am Attentatsversuch. Zumindest ging Hitlers Sicherheitsapparat von der Mitwisserschaft Halders aus. Für ihn nachteilig wirkten sich seine früheren Kontakte zu Teilnehmern der „Septemberverschwörung“ aus. SS-Folter hat nach dem 20. Juli bei Verhörten seinen Namen nach oben verpresst. Diese Umstände bescherten Halder Aufenthalte in den Konzentrationslagern Flössenburg und Dachau. Noch im Februar 1945 wurden in Flössenburg die Widerständler, Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster gehängt. Halder hatte da mehr Glück. Er wurde als SS-Geisel (mit Frau und Tochter) neben anderen Sippenhäftlingen im Mai 1945 befreit (Südtriol) und entging so einer möglichen Erschießung. Nach dieser Befreiung schloss sich der Gang in eine kurze US-Kriegsgefangenschaft an. Am 31. Januar 1945 wurde der ehemalige Spitzenmilitär offiziell aus der Wehrmacht entlassen. Danach wartete auf ihn der Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg; nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge.

Halder – der verhinderte Feldherr

Seinen langjährigen Amtskollegen (1857 1888), Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke (1801 – 1891) benannte Halder als sein militärisches Leitbild. Blickt man zurück, dann waren Stellung und Einfluss des Generalstabes zu Halders Zeiten durch das damalige Regime erheblich beschnitten worden. Moltke hatte noch das Recht dem Feldheer im Namen des Königs direkt ohne Vermittlung des Kriegsministers Befehle erteilen, sodass er militärische Operationen noch unmittelbar selbst leiten konnte. Unter Hitler, undenkbar. Während der „Große Schweiger“ (Moltke d. Ä.) von Gefechtslärm umhüllt, die Kampfhandlungen seiner Truppen im Feld verfolgte, gehörte dies gerade nicht zur Arbeitsplatzbeschreibung des „Bürogenerals“, Franz Halder. Eine der drei Aufgaben die sich ein Generalstabschef von Moltke d. Ä. zu stellen hatte, war nämlich die „Führung im Felde“ (siehe Wilhelm Bigge, Generalfeldmarschall Graf Moltke-Ein militärischer Lebensbild, Eigenverlag Ingo Möbius 2023, Seite 291). Walter Görlitz ergänzt: „Für die Postion des Generalstabschefs des Heeres bedeutete die Übernahme des Oberbefehls durch Hitler (1941) das Erlöschen der Mitverantwortlichkeit. An die Stelle preußischen Gehorsams in Freiheit trat die Unterwerfung (!) unter Befehle“ (siehe Walter Görlitz, Geschichte des deutschen Generalstabes von 1650 -1945, Bechtermünz Verlag, Seite 403). Bekanntermaßen mischte sich Hitler immer unverhohlener in die Arbeit der eigentlichen militärischen Fachleute ein, um seinen Willen als „Größter Feldherr aller Zeiten“ (Keitel 1940) durchzusetzen. Irgendwann war der deutsche Generalstab zur „Stimme ihres Herren“ mutiert und das war nicht der Generalstabschef.

Angelehnt an sein Vorbild (Moltke d.Ä.) definierte er die (militärische) Operation als „System der Aushilfen“. Moltke selbst erklärte sich so den Begriff der Strategie. Die Aufstellung von Feldzugs – und Operationsplänen waren auf dem Chefposten im Generalstab des Heeres sein Metier, was Halder sehr ernst nahm. In einem Brief an Heinrich Uhlig (21.12.1955) hat der einst hochrangige Offizier diese Zeilen zum Entstehen eines Operationsplanes hinterlegt: „Ein Operationsplan für große kriegerische Unternehmen entsteht, wenn der politische Rahmen und die politische Zielsetzung einigermaßen sicher feststehen, zunächst einmal aus einer militärischen Träumerei. Der Träumende ist der für die operative Planung Verantwortliche“. Überdies nannte Halder Hitler einen „Mystiker, der dazu neigte, die Grundlagen der Strategie gering, zu schätzen, so weit er sie nicht einfach verachtete“ (siehe Basil Liddell Hart, Deutsche Generale des Zweiten Weltkrieges, Verlag Buch und Welt 1964, Seite 49).

Kurz nach dem Krieg publizierte Halder die Schrift „Hitler als Feldherr“ (1949). Der Autor gesteht seinem früheren Oberbefehlshaber manche Qualitäten, Interesse /Wissen um technische Details zu – aber Feldherrenqualitäten gerade nicht. Eher wirft er Hitler ein „mangelndes operatives Verständnis vor, während nebensächliche Ereignisse an der Front ihn stundenlang beschäftigen konnten. (…). „Aber Hitler hat doch tatsächlich auf den rein militärischen Gebieten der Organisation und der Bewaffnung und ganz besonders auf dem Gebiete der hohen Truppenführung Einmaliges geleistet. Er war doch der schöpferische Geist und der treibende Motor und hatte darum das Recht, die militärischen Erfolge für sich zu buchen“ (Franz Halder, Hitler als Feldherr, Der ehemalige Generalstabschef berichtet die Wahrheit, Münchener Dom Verlag 1949, Seite 8). Aber irgendwann hörten die anfänglichen Blitzkriegserfolge auf und es hagelte bis zum bitteren Ende nur noch Niederlagen. Währenddessen fand der Krieg inklusive seiner Verbrechen seine Fortsetzung und in den Todesfabriken wurde weiter produziert. Und natürlich haben sie in der Generalität davon gewusst, dennoch haben Sie dem „stupiden Völkermörder“ (Thomas Mann in der BBC über Hitler) bis zum Schluss gedient bzw. die Treue gehalten. Offensichtlich beließ es der Schreiber der dünnen „Feldherren-Broschüre“ lieber bei Ausführungen zu wohl jedem Kriegsschauplatz, über Führungstechniken und ihr Versagen, Organisation, Wunderwaffen, Niederlagen und vieles andere mehr. Aber ein Eingeständnis von Mitverantwortung und eigener Schuld sucht man vergebens. Dafür dient dann der eigens dafür errichtete Verschiebebahnhof: Schuld mit dem toten Gleis; Adolf Hitler.

Nach zwei Weltkriegen erschien in einer Ausgabe der Wehrtechnischen Hefte diese Einschätzung über den einst kriegführenden Militär: „Halder war ein unerbittlicher Rechner, der sich nichts vormachen ließ und dem nichts entging. Quantität und Qualität der feindlichen und der eigenen Streitkräfte waren die unentbehrliche Grundlage seiner operativen Gedankenbildung“ (siehe Wehrtechnische Hefte, Jahrgang 1964, Heft 7 /Juli, Seite 272).

Der oft als bester Mann der Wehrmacht gerühmte Generalfeldmarschall Erich von Manstein widmet sich hierzu in seinen Erinnerungen in dieser Form über den Generalstabschef: „Wie die meisten aus dem bayerischen Generalstab hervorgegangen Offiziere, beherrschte Halder alle Zweige der Generalstabstechnik hervorragend. Dazu war er ein unermüdlicher Arbeiter. Das Wort Moltkes „Genie ist Fleiß“ war ihm wohl Wegweiser. Das heilige Feuer, das den Feldherren beseelen soll, dürfte kaum in ihm geglüht haben“. Weiter führte von Manstein aus: „Es spricht für sein hohes Verantwortungsgefühl, wenn er vor dem Russlandfeldzug durch Studien der Heeresgruppenchefs und durch den Oberquartiermeister I, General Paulus einen Operationsplan erarbeiten ließ. Doch sollte die Grundkonzeption eines Feldzugsplans doch wohl im Kopf dessen geboren werden, der den Feldzug zu führen hat“ (siehe Erich von Manstein, Verlorene Siege, Bernhard & Graefe Bonn 2004, 17. Auflage, Seite 76). Randnotiz 1: Von Manstein hatte sich selbst Hoffnungen auf den Leitungsposten im Generalstab gemacht, denn einflussreich bei ihm angestellt war er ja schon, (zuletzt Oberquartiermeister und Stellvertreter von Generalstabschef von Beck), aber zunächst musste er die Abschiebung in die Provinz (Liegnitz) erleben. Manstein hat Halder übrigens nie verziehen, dass dieser, und nicht er selbst der Nachfolger von Beck als Generalstabschef geworden war. Eine weitere -Urteilskraft- war der damalige Chef der Operationsabteilung im Generalstab, Generalleutnant Adolf Heusinger. Er meldete über Halder militärisch kurz und knapp: „sehr klug, sehr fleißig, gründlich und tüchtig, ohne genialen Zug, etwas schulmeisterlich“ (siehe IfZ ZS 69: Unterredung Adolf Heusinger mit Heinrich Uhlig v. 25.1. 1952). Randnotiz 2: Als Geburtshelfer der Bundeswehr wechselte Heusinger nochmal die Uniform. Er war der erste Generalinspekteur der neuen Bundeswehr. Als Viersterne-General (1957 – 1961) war er noch Vorsitzender des NATO-Militärausschusses (1961 -1964).

Das ein so umfassend mit militärischer Bildung und Fähigkeiten ausgestatteter Militär, wie Halder es war, auch vor groben Fehlern nicht gefeit war, das brachte Oberst Gerhard P. Groß zutage. Nach seinen Forschungsergebnissen vernachlässigte der General bei seinen operativen Planungen logistische Fragen, etwa wie das zu erwartende Nachschubproblem gelöst werden könne. Und: „Selten hat ein deutscher Generalstabschef die Lage so eklatant falsch beurteilt, wie Halder“, so der Oberst. Verstieg sich der General doch schon am 3. Juli1941 in seinem Kriegstagebuch zu der Aussage, „es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass der Feldzug gegen Russland innerhalb von 14 Tagen gewonnen werde“ (siehe Gerhard P. Groß, Mythos und Wirklichkeit, Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer von Moltke d. Älteren bis Heusinger, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 2012, Seite 230 – 235). Schon wenig später, im August 1941 musste sich Halder eingestehen, die sowjetischen Streitkräfte stark unterschätzt zu haben.

Allerdings sollte Halder alsbald noch einen Beleg seiner Verkennung der Stärke der Roten Armee liefern: Während der Schlacht um Moskau soll er gesagt haben: „Wir sind überlegen, der Russe macht es nur mit der Masse“ (Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Seite 291f.). Aber diese „Masse“ hat der Wehrmacht vor Moskau die erste große Niederlage beigebracht. In das Muster jener dunklen Flecken bezüglich der -Feldherren-Gaben – von Hitler als auch von Halder war die Geringschätzung und der Führungsfähigkeit der Roten Armee. Das Bild von der russischen Dampfwalze (1914) wurde vom Bild des Koloß auf tönernen Füßen (1940) ersetzt. Entsprechende Defizite gab es natürlich nach den stalinischen Säuberungen innerhalb der Roten Armee (1937/1938), wo eine Vielzahl von -Oberteilen– gerichtet wurden. Darunter befanden sich allein 3 von 5 Marschällen,14 von 16 Armeebefehlshabern und 60 von 67 Korpskommandeuren (siehe Jörg Friedrich, Das Gesetz des Krieges Das deutsche Heer in Russland 1941 bis 1945 – Der Prozeß gegen das Oberkommando der Wehrmacht, Piper München Zürich 1995, 3. Auflage Seite 278) Dafür haben die Rotarmisten besonders in der Anfangsphase des deutsch-sowjetischen Krieges mit viel Extra Blut zahlen müssen. Und nochmal Groß aus deutscher Perspektive: „Angesichts dieses in vielen Bereichen konstruierten Wunschbildes verwundert es nicht, dass der Generalstab Fakten ignorierte, die nicht in die eigenen Vorstellungen passten, wie der sowjetische Sieg über die 6. japanische Armee im August 1939 in der Schlacht an Chalchin Gol. Dies war ein schwerer Fehler, demonstrierte die Rote Armee doch in dieser Schlacht die Fähigkeit, sowohl taktisch als auch operativ das Gefecht der verbundenen Waffen mit mechanisierten Verbänden und Luftunterstützung führen zu können“ (siehe Gerhard P. Groß, Mythos und Wirklichkeit, Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer von Moltke d. Älteren bis Heusinger, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 2012, Seite 227). Der sowjetische Kommandeur war: General Georgi Shukow.

Aber bei aller Fehlerdiskussion darf hier nicht vergessen werden: Es geht hier um einen weltumspannenden Krieg, den Deutschland ausgelöst hat und der von einem bis dahin nie gekannten Gedanken an Raub und Vernichtung getragen war. Daher war es nach diesem Grauen nur folgerichtig, das die Weltgemeinschaft in Nürnberg und in Tokio mit den damals leitenden Kriegshandwerkern und Kriegspolitikern hart ins Gericht geht.

Halder zwischen Zeugenstand und Anklagebank

Franz Halder in Nürnberg

Franz Halder in Nürnberg. anonym, Franz-Halder, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons.

Lange musste der frühere „rotbestreifte Kofferträger“ (siehe Klaus-Jürgen Bemm, literaturkritik.de) des Kriegsherren Hitler damit rechnen, nicht nur in den Zeugenstand gerufen, sondern auch auf die Anklagebank versetzt zu werden. Den militärischen Flügel hatten bis dahin Göring, Keitel, Jodl, Dönitz und Raeder allein für sich „erobert“. In eine – Flanke – hätte der gewesene Generalstabschef Halder dort sicher gut reingepasst. Denn nicht nur die Produkte von neueren Forschungsarbeiten hätten diese – Umgruppierung – auf die Anklagebank durchaus gerechtfertigt. Schon damals waren genug völkerrechtswidrige Aktivitäten des Herren H. aktenkundig; Kommissarbefehl, Sühnebefehl, Kriegsgerichtsbarkeitserlass. Der „Führergehilfe“ wollte in der „Strafsache“ Kommissarbefehl sogar noch weiter gehen und neben den Kommissaren der Roten Armee auch die zivilen Kommissare an die Wand stellen. Für die „entschärfte“ Form (u. a.) wurde der OKW-Chef, W. Keitel dann gehängt, er hatte unterschrieben, während Halder mit einer kurzen US – Kriegsgefangenschaft davonkam. In den Nürnberger Prozessen wies der Zeuge Halder jedenfalls alle Schuld von sich: Von den Verbrechen des Regimes habe er nichts gewusst oder aber entsprechenden Entscheidungen fielen ohne seine Beteiligung. Nochmal: Gegenteiliges war schon, zu Kriegsende bewiesen und durch anderslautende Dokumente dem Nürnberger Prozess vorliegend, belegt. Weil der Zeuge in der Nürnberger Zeit und danach sich wiederholt das Wort -Opposition – auf den Leib schneidern wollte, das stand ihm nicht: Dr. Hartmann betonte in seiner Biografie: „Wenn überhaupt, so kann man Halder nur phasenweise der Opposition zuzuordnen“ (siehe Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers (1938 – 1942), 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010, Ferdinand Schöningh Paderborn München Wien Zürich, Seite 346). Was der Ex-General noch auszustehen hatte, war ein Verfahren zur „Entnazifizierung“. In diesem Verfahren forderte der bayerische Ankläger (6. April 1948) seine „Einreihung in die Gruppe der Hauptschuldigen“. Ferner wies er (M. Frey) Halders „apologetische Argumention, er habe als Generalstabschef nicht das Regime, sondern die Wehrmacht repräsentiert, zurück“ (siehe Esther-Julia Howell, So war der deutsche Landser; Das populäre Bild der Wehrmacht, Hg. Jens Westermeier, Verlag Brill/Schöningh 2019, Seite 43). Nach der Kenntnisnahme der Kriegstagebücher Halders, worin die Mitwirkung Halders am Zustandekommen verbrecherischer Befehle belegt wurde seine (Frey) Berufung dennoch abgewiesen. Damit, auch wenn es kein Selbstläufer war und für den Beklagten länger dauerte: Seit dem 28. Oktober 1948 galt Halder als „nazifrei“(entnazifiziert. Hätte die Spruchkammer anders gesprochen, dann wäre Halder wohl nicht mehr nur als Zeuge in Nürnberg gehört worden. Obendrein dürfte sich dann seine anschließende Verwendung in der Historical Division (German Sektion) erledigt haben. Aber: Die aufziehenden Wolken des Kalten Krieges dürften ihm bei alldem eine gute Schützenhilfe gewesen sein, und die sich dabei verändernde politische Großwetterlage ihm im richtigen Moment ein Hoch beschert haben. Zeit wieder aus der Deckung zu kommen. Im Zeugenstand sollte sich übrigens auch sein früherer Mitarbeiter und Planer des Unternehmens „Barbarossa“, der einstige Stalingradkämpfer, Paulus wiederfinden.

Halder als Historiker

In dem Sammelband, „So war der deutsche Landser“ – Das populäre Bild der Wehrmacht“ weist Dr. Esther-Julia Howell darauf hin: „Die militärische Führung bemühte sich schon unmittelbar nach der Kapitulation den Eindruck zu erwecken, die Wehrmacht habe mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes nichts zu tun gehabt“ (siehe Esther-Julia Howell, So war der deutsche Landser-Das populäre Bild der Wehrmacht, Hg. Jens Westermeier, Verlag Brill/Schöningh 2019, Seite 42). Als einer der „Erweckungskünstler“ gelangte dabei Franz Halder schnell in eine (unrühmliche) Rolle, wo er sinnbildlich bald die Schlüsselgewalt darüber bekam: Welchen Tresor öffnen wir, welcher könnte uns schaden und lassen ihn lieber zu. Im Nürnberger Gerichtssaal erfuhr die offensive Verteidigungsstrategie von Halder und Co ihre unselige Fortsetzung. Denn alle, ob in Zivil oder Uniform, ob als Angeklagter oder nur als Zeuge: Sie hatten an verschiedenen Stellen des NS-Staates ihre Stellung, ihre Aufgaben und damit auch ihre Verantwortung. Als Militär hat Halder immerhin Angriffskriege geplant und geführt. Für Keitel und Jodl war das zum Beispiel ein tödlicher Tatvorwurf. Entgegen der zum Zeitpunkt des Prozesses ohnehin schon bekannten Faktenlage ging es für Halder und seine einstigen Waffenbrüder jetzt darum, die Vorwürfe derer, die Wehrmacht hätte sich an Verbrechen beteiligt und damit schuldig gemacht zurückzuweisen. Erinnern wir uns des weiteren an den Einfluss den er auf die Entstehung von verbrecherischen Befehlen (siehe oben) genommen hat. Ein weiteres Mosaik der -generalisierten – Vereidigungsstrategie war die sogenannte Generalsdenkschrift, die dem Gericht im November 1945 präsentiert wurde. Die Feder führend, waren dabei als Texter und Unterzeichner neben General Halder, die Feldmarschälle und Generäle; Brauchtisch, von Manstein, Warlimont und Westphal in Erscheinung getreten. Gänzlich kritiklos verhielt man sich in dem Papier gegenüber Praktiken von hohen Kommandostellen und der ranghöchsten Truppenführer, die sich in den Kriegsjahren über das allgemein geltende Kriegsvölkerrecht gestellt haben. Kanzler und Armee haben sich nach Gutdünken ihre Gesetze „gebastelt“. Den Anstoß für die Erarbeitung dieser Legitimationsschrift hat allerdings der US-General William J. Donovan gegeben, weil er die Anklage gegen den Generalstab sowie gegen das Oberkommando und deren Einstufung zu einer „kriminellen Vereinigung“ für falsch hielt. Das brachte ihm Ärger mit dem Chefankläger Robert H. Jackson ein. Letztendlich standen die in der Denkschrift aufgestellten Behauptungen aber den Beweisen im Hauptkriegsverbrecherprozess und im OKW-Prozess nicht stand. General a.D. Siegfried Westphal hat dieses -Attest– über das fehlende Unrechtsbewusstsein, das von den oben erwähnten früheren führenden Vertretern der Generalität der Wehrmacht gefertigt und unterschrieben wurde einer Buchausgabe verarbeitet: Siegfried Westphal, Der deutsche Generalstab auf der Anklagebank, Nürnberg 1945 – 1948, v. Hase & Koehler Verlag 1978. Es war der Versuch der „Denkschriftler“ sich vor der kriegszerstörten) Welt zu rechtfertigen und die juristische Einstufung ihres maßgeblich an der Kriegsführung beteiligten Generalstabs und des Oberkommandos als „kriminelle Organisation“ zu vermeiden. Das hat ja dann auch geklappt. Denn die Nürnberger Richter urteilten im Sinne der deutschen Generalität. Obwohl: In dem Schriftsatz nehmen die Schreiber den Leser auf einen Streifzug auf die europäischen Kriegsschauplätze mit. Angesichts der Millionen Opfer reflektieren die Herren ihre Feldzüge recht emotionslos und in geradezu zynischer Weise ziemlich gleichgültig. Die Schuld der Wehrmacht wird verschwiegen, bagatellisiert oder ihrem toten Führer zugeschrieben. Neben der Schilderung der Kriegsverläufe an den verschiedenen Fronten wird auf Struktur- und Organisationsfragen eingegangen. Mit den Augen der Opfer von Raub, Vergewaltigung, Gewalt, Mord und Krieg gelesen, wird das Hitler-Regime hier durch Vertreter seiner militärischen Stütze noch immer verharmlosend dargestellt. So wird aus deutscher Besetzung „Deutsche Verwaltung“ oder aus Zwangsarbeit wird; „Arbeiterrekrutierung“ (Seite 76). Bei der „Judenverfolgung“ verweisen sie auf die Zuständigkeit des SS-Reichsführers Heinrich Himmler (Seite 80). Statt eigene Schuld und Mitverantwortung für das kriegerische Unheil der vergangenen Jahre einzugestehen, kritisieren die Männer in einem Kapitel allen Ernstes die „Diskriminierung der hohen Führer“ (Winter 1941/1942…) (Seite 70). (siehe Siegfried Westphal, Der deutsche Generalstab auf der Anklagebank, Nürnberg 1945 – 1948, v. Hase & Koehler Verlag 1978, Seite 28 – 87). Wie schon gesagt, für das Hohe Gericht war das kein Problem. Obwohl:

Nachgewiesen ist, Generalfeldmarschall von Manstein, einer der Autoren der Generalsdenkschrift, hat in seinem Operationsgebieten den Terror gegen die Zivilbevölkerung nicht unterbunden. Blicken wir zurück auf das Massaker im ukrainischen Babi Jar (September 1941). Hier starben innerhalb von zwei Tagen über 33.000 Juden. Mit geschossen hat eben wie so oft auch die Wehrmacht. Mehrfach hat die Wehrmacht Logistik und Personal gestellt, um Zivilbevölkerung um ihr Leben zu bringen; Mutter, Kinder, Greise. Mehrere Befehlshaber, zum Beispiel Generalfeldmarschall, Günther von Kluge, erließen den Befehl, in Gefangenschaft geratene sowjetische Soldatinnen zu töten. Eine besonders grausame Eintragung im Strafregister der deutschen Wehrmacht war der Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangen. Dazu: „Die deutsche Wehrmacht ließ die Gefangen„systematisch verhungern“. Bis Kriegsende starben 3,3 von 5,7 Millionen sowjetischen Soldaten in den Händen des deutschen Militärs (…) In den programmierten Algorithmus der hitlerischen Hungerstrategie im Ostkrieg fügt sich ein Befehl (10. Oktober 1941) des Oberbefehlshabers der 6. Armee, Walter Reichenau ein: „Das Verpflegen von Landeseinwohnern und Kriegsgefangenen…ist eine ebenso mißverstandene Menschlichkeit wie das Verschenken von Zigaretten und Brot. Was die Heimat unter großem Entsagen entbehrt, was die Führung unter großen Schwierigkeiten nach vorne bringt, hat nicht der Soldat an den Feind zu verschenken…“ (siehe Gerhard Förster, Heinz Helmert, Helmut Otto, Helmuth Schnitter, Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 – 1965, Dietz Verlag Berlin 1966, Seite 281). Und Halder notierte am 6. Mai 1941 in seinem Diensttagebuch, den „weltanschaulichen Kampf“ an der Seite der SS durchfechten zu wollen“ (siehe Stig Förster, Deutsche Militärgeschichte, Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Verlag C.H. Beck 2025, Seite 918). Stig Förster fügt dem hinzu, die „Drecksarbeit“ überließ die Wehrmacht gern der SS, wozu dann „Richtlinien auf Sondergebiete zur Weisung 21 (Fall Barbarossa) ausgegeben wurden; im Auftrag von Hitler ausgeführt von General Keitel; Grundprinzipien der Zusammenarbeit von Heer und SS (13. März 1941) Seite 918 – 919).

Mit einer „sauberen Wehrmacht“ hat das alles nichts zu tun. Aber davon unbeirrt konnte Ex-Wehrmachtgeneral Halder nichts von seinem Ziel abbringen, der Wehrmacht in eine porentief reine saubere Weste zu stecken. Er machte weiter und hielt an in dem Bestreben fest, die Wehrmacht zu rehabilitieren. Ausgerechnet einer der früheren Kriegsgegner, die USA gaben Halder und seinen Standesgenossen dafür Plattform und Gelegenheit. So wurde der deutsche Ex-General noch einmal einberufen – um als Zivilist in der Historical Division German Sektion) der US-Army zu dienen (1945 – 1961). Der US-amerikanische Auftraggeber, erwartete, von den deutschen Zuarbeitern, das sie die Geschehnisse des so verheerenden Zweiten Weltkrieges zusammenfassten und analysierten. Nennen wir hier die Namen nur einiger Angestellter; die Generale Halder, Zeitzler, Guderian, Speidel, Warlimont, Heusinger, Kreipe, Westphal. In dem Band „Politischer Wandel, organisierter Gewalt und nationale Sicherheit“ äußerte sich Bernd Wegner zu der unter dem organisatorischen Dach im Januar 1946 von der Historical Division geschaffenen „Operational History“ (German Sektion) fanden sich binnen weniger Monate über 300 hohe und höchste ehemalige deutsche Offiziere zusammen, monographische Berichte über ihre frühere Dienstzeit und ihre Kampferfahrungen zu erarbeiten“ (siehe Bernd Wegner, Politischer Wandel, organisierter Gewalt und nationale Sicherheit, Erschriebene Siege, R. Oldenburg Verlag München 1995, Seite 288). Der Militärhistoriker B. Wegner lässt hierbei nicht den Hinweis aus, das mit „der Verschärfung des amerikanisch – sowjetischen Gegensatzes schnell ihr (USA) Interesse an einer Ausschöpfung auch der deutschen Ostkriegserfahrungen wuchs“ (siehe Bernd Wegner, Politischer Wandel, organisierter Gewalt und nationale Sicherheit, Erschriebene Siege, R. Oldenburg Verlag München 1995, Seite 288). „Unser“ Halder übernahm offiziell 1947 die Leitung über die deutsche Sektion der Historical Division. Man spricht von circa 2. 500 Studien und Traktaten, mittels denen im Laufe der Jahre das gesamte Spektrum militärisch verwertbar scheinenden Themen abgehandelt worden ist.

Die Historical Division stieß mit ihren Beiträgen bei ihren US-amerikanischen Arbeitgebern auf Wohlwollen und Anerkennung. Darauf lassen Ausführungen von Esther Julia-Howell schließen.: Sie berichtet von einem Festakt zum zehnjährigen (1955) Bestehen der Division in Karlsruhe. Bei dem ehemaligen Kriegsgegner konnte Halder offensichtlich besonders gut punkten. Denn ein offizieller Besuch in den USA krönte die seine Zeit der Kooperation mit der US-Army. Halder wurde demnach in Washington äußerst höflich und zuvorkommend empfangen und traf unter anderem mit dem Chief of Staff der US-Army, General Maxwell D. Taylor zusammen. Außerdem konnte er die Militärakademie in West Point besuchen (siehe Esther Julia-Howell, Von den Besiegten lernen?, Die Kriegsgeschichtliche Kooperation der US-Armee und der ehemaligen Wehrmachtelite 1945 – 1961, De Gruyter Oldenburg 2016, Seite 133). In einer Rezension über Howells Buch schrieb Heiner Möller (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften bei der Bundeswehr): „Esther Julia-Howell hat ein spannendes Buch, das die Wehrmachtgenerale weiter dekonstruiert und teilweise desavouiert. Sie strickten in den Studien nicht nur an eigenen Legenden, sondern boten sich dem Sieger – sicherlich nachvollziehbar begründet durch die eigene Notlage – in selbstloser und teils selbstverleugnender Weise …“ (siehe Heiner Möller, sehepunkte, Ausgabe 16/2016 Nummer 5 92-96).

Aber welchen wissenschaftlichen Wert hatte die Geschichtsarbeit der Angehörigen der Historical Division? Mit Halder vorneweg war ihr Motiv und Antrieb die Wehrmacht von ihren Verbrechen freizusprechen und sein jeweils eigenes Handeln in einem besseren Licht darzustellen. Sie machten Geschichtspolitik und gossen ein über viele Jahrzehnte standfestes Fundament für die Lebenslüge: „saubere Wehrmacht“. Erst sehr viel später gelang es Historikern der Nachkriegsgenerationen mit ihren Forschungen, darunter mittels der Wehrmachtausstellung (Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941 -1944, erstmals 1995) ihr erste Risse beizubringen und die – gesäuberte Fassade – abzureißen.

Epilog

Gegenstand dieser Abhandlung war die Person des Generalobersten Franz Halder. Ihre Lektüre lässt den Leser mit dem Bild von einer bis heute umstrittenen und undurchsichtigen Figur der deutschen Militärgeschichte zurück. Darin bestand durchaus die Absicht des Autors (R.L). Denn: Besonders in seiner Zeit als Generalstabschef (1938 – 1942) des Heeres der Hitler-Wehrmacht kamen diese Attribute zum Tragen.

An dieser Stelle sei das Thema aufgegriffen: Jeder Militärangehörige, vom Soldaten bis zum General stand und steht zu jeder Epoche in jedem politischen System vor der Frage, die er nur mit seinem Gewissen mit seinem Mut oder auch mit seiner Angst nur für sich entscheiden kann: Kann ich die politischen-militärischen Vorgaben von Regierungen bzw. Regimes mit tragen. Auch ein Franz Halder stand vor dieser Frage und hat sich entschieden. Die Antwort gab der Diplomat Ulrich von Hassell im Juni 1941: „Brauchtisch und Halder haben sich auf das Hitlerische Manöver eingelassen, das Odium der Mordbrennerei von der bisher allein belasteten SS auf das Herr zu übertragen (…). Hoffnungslose Feldwebel!“. Dem Kreis der Hitler-Attentäter zugehörig (20. Juli) wurde von Hassell 1944 zum Tode verurteilt und mit einer Drahtschlinge gehängt.

Anzuerkennen ist, Halder hat von 1902 bis 1945 (offiziellen Entlassung aus der Wehrmacht) eine lange und beeindruckende Militärlaufbahn hingelegt. Wenn da nicht die Planung und Beteiligung an Angriffs- und Vernichtungskriegen sowie die Mittäterschaft bei der Entstehung von „Terrorbefehlen“ wären…

Der Startpunkt von Halders Laufbahn lag in Bayern. Der Dienst im 3. Königlichen Feldartillerieregiment, der Besuch der Bayerischen Kriegsakademie und die Teilnahme am Ersten Weltkrieg waren seine ersten Wegpunkte. Ihn überstand der ausgebildete Generalstabsoffizier in mehreren Stabsverwendungen. Übernommen in die Reichswehr der Weimarer Republik hat er nur selten Truppenkommandos innegehabt. Bei der Arbeit als Ausbildungsoffizier und in diversen Stäben, bis hin zum „Chef aller Stäbe“ sollten sich Halders spezielle Fähigkeiten und Talente entfalten. Nach vierjährigen des sich zuspitzenden „Nervenkrieges“ zwischen Hitler und Halder kam nur noch die Kapitulation (1942) beider Parteien infrage, somit setzte der Führer unter die aktive Militärzeit des Generalstabschefs den Endpunkt. Es waren gut 460 Tage vergangen, seitdem die deutsche Militärmaschine überfallartig in die Sowjetunion eindrang und den Krieg in dieses Land trug, als Halder seinen Chefposten im „Hirn der Armee“ (so ein Buch des Generalstabschefs der Roten Armee Marschall Boris M. Schaposchnikow) über den Generalstab, Aufgaben und Funktion) aufgab. Liest man bei Walter Görlitz über seinen Abgang als Generalstabschef dann erfährt man: „Mit der Verabschiedung Halders endete die letzte Ära, der noch im klassischen Geist geführten Arbeit des ehemals preußischen Generalstabes (…)“ (siehe Walter Görlitz, Geschichte des deutschen Generalstabes 1650 – 1945, Bechtermünz Verlag, Seite 409). Dementgegen betrachtete die offiziöse Militärgeschichtsschreibung der einstigen DDR die Entlassung Halders in diesem Licht: „Ein Ausdruck der krisenhaften Situation, in die die faschistische Wehrmacht immer stärker geriet, war die Ablösung Halders und seine Ersetzung durch den General der Infanterie Zeitzler, der bisher Chef des Stabes beim Oberbefehlshaber West gewesen war“ (siehe Gerhard Förster, Heinz Helmert, Helmut Otto, Helmuth Schnitter, Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 – 1965, Dietz Verlag Berlin 1966, Seite 275). Zur Bilanz seines Lebens gehört, die Wehrmacht, zu dessen Führung Halder lange gehörte war alles andere als von ihm und anderen behauptet, als „saubere Armee“ zu bezeichnen. Dazu noch dieser Standpunkt: „Eine nicht unwesentliche Seite der faschistischen Kriegsführung bestand darin, sich durch völkerrechtswidrige und verbrecherische Mittel und Kampfformen Vorteile gegenüber dem Gegner zu verschaffen“ (siehe Gerhard Förster, Heinz Helmert, Helmut Otto, Helmuth Schnitter, Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 – 1965, Dietz Verlag Berlin 1966, Seite 279).

Der katholische Offizier blieb zum Tage seiner endgültigen Abberufung am 2. April 1972 uneinsichtig, wenn es darum ging persönliche Verantwortung einzugestehen. Dabei hat Halder unleugbar an der Planung und Leitung von Angriffskriegen und der Schreibung verbrecherischer Befehle mitgewirkt. Wohl deshalb kommt der Historiker Gerd R. Ueberschär zu dieser Bewertung der hier besprochenen Person (Halder): „Zurück bleibt das Bild eines Mannes der trotz militärischer und menschlicher Qualitäten und Leistungen von großer Zwiespältigkeit geprägt bleibt“. Mit militärischen Ehren durch die Bundeswehr fand am 6. April 1972 auf dem Münchener Waldfriedhof seine Beerdigung statt. Dem früheren Chef der Operationsabteilung beim Generalstab des Heeres, Generalleutnant Heusinger der nach dem Weltkrieg als Generalinspekteur der neuen Bundeswehr eine neue Anstellung fand und der 1964 als Viersterne-General pensioniert wurde, fand für seinen verstorbenen Chef, ihm nachrufend unter anderem jene Sätze: „Dem Generalstab war sein Leben gewidmet. Er fühlte sich als Hüter des grossen Moltkeschen Erbes. Er besass die Stärke des Charakters, tiefe Allgemeinbildung und hohes militärisches Wissen im besten Sinne, verbunden mit grosser menschlicher Bescheidenheit. Er hat für den Generalstab gelebt, gearbeitet und gelitten“ (siehe Dr. Gerd F. Heuer, Dokumentationen zur Geschichte der Kriege 1910-1945, Die Generalobersten des Heeres 1933-1945, Inhaber höchster deutscher Kommandostellen, Verlag Arthur Moewig GmbH, Rastatt 1988, Seite 82). So schließt sich der Kreis.

Autor: René Lindau

 

Literatur

Christian Hartmann, Halder Generalstabschef Hitlers 1938 – 1942, Ferdinand Schöningh, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage 2010

Heidemarie Gräfin von Schall-Riaucour, Generaloberst Franz Halder Generalstabschef 1938 1942, Lindenbaum Verlag 2006

Wilhelm Keitel Generalfeldmarschall, Verbrecher oder Offizier? Erinnerungen, Briefe, Dokumente des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht, Herausgegeben von Walter Görlitz, Verlag Siegfried Bublies 1998

Walter Görlitz, Geschichte des deutschen Generalstabes 1650 – 1945, Bechtermünz Verlag

Wolfram Wette, Die Wehrmacht, Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, überarbeitete Ausgabe 2005 S. Fischer Verlag

Franz Halder, Hitler als Feldherr, Der ehemalige Generalstabschef berichtet die Wahrheit Münchener Dom Verlag 1949

Erich von Manstein, Verlorene Siege, Bernhard & Graefe Bonn 2004, 17. Auflage

Richard Overy, Weltenbrand-Der große imperiale Krieg 1931 – 1945, Rowohlt Berlin 2023

Gerhard P. Groß, Mythos und Wirklichkeit, Geschichte des operativen Denkens im deutschen Heer von Moltke d. Älteren bis Heusinger, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 2012

Esther-Julia Howell, So war der deutsche Landser-Das populäre Bild der Wehrmacht, Hg. Jens Westermeier, Verlag Brill/Schöningh 2019

Stig Förster, Deutsche Militärgeschichte, Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Verlag C.H. Beck 2025

Siegfried Westphal, Der deutsche Generalstab auf der Anklagebank, Nürnberg 1945 – 1948, v. Hase & Koehler Verlag 1978

Gerhard Förster, Heinz Helmert, Helmut Otto, Helmuth Schnitter, Der preußisch-deutsche Generalstab 1640 – 1965, Dietz Verlag Berlin 1966

Bernd Wegner, Politischer Wandel, organisierter Gewalt und nationale Sicherheit, in Erschriebene Siege, R. Oldenburg Verlag München 1995

Esther Julia-Howell, Von den Besiegten lernen?, Die Kriegsgeschichtliche Kooperation der US-Armee und der ehemaligen Wehrmachtelite 1945 – 1961, De Gruyter Oldenburg 2016

https://www.sehepunkte.de/2016/05/28100.html

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