Verkannter Warner vor dem Holocaust
In den Fragebögen für Prominente hat vermutlich noch nie jemand die Frage, „Welche militärische Leistung bewundern Sie am meisten?“, mit der Erwähnung von Jan Karski beantwortet. Vielleicht ist das auch gut so: Karski war Militär, handelte militärisch und vollbrachte eine der größten Heldentaten des Zweiten Weltkriegs – die er freilich selber nur als humanitäre Selbstverständlichkeit gewertet sehen wollte. Der Pole Karski ließ sich in NS-Ghettos schleusen, beobachtete dort alles und schlug sich später bis in die USA durch, um den Alliierten darüber zu berichten und sie zur Rettung der Juden zu bewegen. Niemand wollte ihn hören. Am 27. Januar 1997 berichtete Jan Karski in der Kölner Synagoge von seinen Erlebnissen, und sein Bericht soll hier im Wortlaut folgen – das Vermächtnis des Mannes, „der den Holocaust stoppen wollte“, die tragische Geschichte des Wahrheitskünders, dem niemand glauben wollte.
Jan Karski (Jan Kozielewski[1]) wurde 1914 im zentralpolnischen Łódż geboren. In den Jahren 1931 bis 1936 studierte er an der „Jan Kazimierz“-Universität in Lwów Jura und bereitete sich auf den diplomatischen Dienst vor. Anschließend setzte er seine Ausbildung in England, Deutschland und der Schweiz fort, später absolvierte er in Polen eine artilleristische Offiziersschule, die er als „Podporucznik“ (Unterleutnant) verließ. 1939 wurde er in den diplomatischen Dienst Polens aufgenommen. Nach Kriegsausbruch geriet er in sowjetische Gefangenschaft, konnte aber fliehen und schloß sich in Krakau den Widerstandsorganisationen an, die General Władysław Sikorski (1881–1943), der Premier der polnischen Exilregierung in London, geschaffen hatte. Für diese unternahm er Kurierfahrten, wurde aber schon bei der zweiten in der Slowakei gefasst und von der Gestapo so gemartert, daß er Selbstmord begehen wollte. Kämpfer des „Bundes Bewaffneter Kampf“ (ZWZ) unter General Tadeusz Komorowski-Bór (1895–1966), des späteren Kommandanten der „Armija Krajowa“ (Landesarmee, AK), befreiten ihn, und fortan beschäftigte sich Karski im Auftrag des ZWZ mit der Lage der Juden und dem polnisch-jüdischen Verhältnis. Dabei hatte er Kontakt mit Adolf Berman (1906–1978), dem Vertreter des „Jüdischen Nationalkomitees“, und Leon Fajner (1888–1945) vom „Bund“. Diese ermöglichten ihm einen Besuch im Warschauer Ghetto, damit er der Welt über das Leiden der dortigen Juden berichten konnte. Gleichzeitig trafen bei der AK Berichte über Exekutionen von Juden in Lublin und Bełżec ein. Mitte Oktober 1942 bekam Karski den Auftrag, sich auch das Vernichtungslager Bełżec – in dem schätzungsweise 600.000 Juden umgebracht wurden – anzuschauen, was ihm auch in der Uniform eines ukrainischen Wachmanns gelang. Karski (der sich heute nicht mehr sicher ist, ob es wirklich Bełżec oder Izbica Lubelska war) kundschaftete alles aus, bis hin zum Lagerkommandanten Gotllieb Hering, einem ehemaligen Aktivisten von NS-Aktionen zur sog. „Euthanasie“. Sein Bericht wurde über polnische Diplomaten in die USA geleitet, hatte dort aber keinen Effekt.
Karski kehrte nach Warschau zurück, um sich auf eine Reise nach London vorzubereiten. Er führte zahlreiche Mikrofilme mit sich und hatte sich einige Zähne ziehen lassen, um durch die Schwellungen im Mund seinen polnischen Akzent verbergen zu können, falls er in Deutschland festgehalten würde. Mit Personenzügen gelangte er nach Berlin, von dort über Vichy-Frankreich nach Gibraltar und London. Seine Berichte stießen bei Juden wie Szmul Zygielbojm (1895–1943), dem Vertreter des sozialistischen „Bunds“ in der Londoner Exilregierung, auf Unglauben, bei Polen und Engländern auf Unwillen. Eine Änderung trat ein, nachdem die Deutschen im Mai 1943 den Aufstand im Warschauer Ghetto niedergeschlagen hatten. Zwei Monate später traf Karski in den USA ein, wo man ihm mehr Aufmerksamkeit und Mitgefühl bezeugte. Karski traf sich mit höchsten Autoritäten, darunter Präsident Franklin D. Roosevelt (1862–1945), und seine Aussagen bewirkten größere politische Kurswechsel, als er selber anfänglich glauben wollte.
Nach dieser Mission wollte Karski nach Warschau zurückkehren, wurde von seinen Vorgesetzten aber zurückgehalten: Seine Identität war von den Deutschen aufgedeckt worden, und die stellten ihn als „bolschewistischen Agenten“ hin. Die sowjetische Propaganda, in den USA über das Magazin „Soviet Russia Today“ aktiv, charakterisierte ihn als „antisemitischen Aristokraten“ und „nationalistischen Provokateur“, der die Alliierten verwirren wollte und dem man keinen Glauben schenken dürfe. Unter diesen Umständen konnte Karski nicht mehr als Kurier tätig sein, an seine Stelle trat ab Januar 1944 Jerzy Lerski (1917–1992), der legendäre Kurier „Jur“. Zuvor hatte Jan Nowak-Jezioranski (*1913) dieses Amt versehen, der sich später erinnerte: „Ich traf Karski im Dezember 1943, als ich ebenfalls als Kurier nach London kam. Vor der Abreise aus Warschau bekam ich dieselben Weisungen, die auch mein Vorgänger Karski erhalten hatte. An erster Stelle standen polnische Angelegenheiten, an zweiter die totale Vernichtung der Juden. (…) Karski war zutiefst frustriert. Er sagte, er stieße bei jedem Schritt auf Misstrauen, sogar bei den Juden selber. Er hielt seine Mission für einen Fehlschlag. Aber er forderte mich auf, mich nicht abschrecken zu lassen. Binnen kurzem überzeugte ich mich, daß er Recht hatte“.[2]
Nowak-Jezioranski blieb nach dem Krieg in Deutschland und war von 1952 bis 1976 Chef der amerikanischen Rundfunkstation „Radio Free Europe“ in München. Nach dem politischen Umsturz in Polen kehrte er in seine Heimat zurück und trotz seines mittlerweile hohen Alters ist er immer noch publizistisch sehr aktiv. Karski blieb in den USA und schrieb 1944 sein Buch „Story of a Secret State“, in dem er den polnischen Widerstand im Untergrund schilderte. Nach dem Krieg konnte und wollte Karski nicht in ein nunmehr kommunistisches Polen zurückkehren und begann eine sehr erfolgreiche akademische Karriere, aus der er erst 1984 ausschied. In der Wissenschaft machte er sich einen Namen durch zahlreiche historische Werke.
Von seiner Rolle im Krieg hat Karski lange Jahre nichts verlauten lassen. Erst Claude Lanzmann konnte ihn 1977 dafür gewinnen, an dem Film „Shoah“ mitzuwirken[3]. Als er am 13. Juli 2000 starb, sollen der israelische Premier E. Barak und Palästinenserführer J. Arafat gerade laufende Verhandlungen unterbrochen haben, um seiner zu gedenken.[4]
Im September 2002 wurde im Campus von Karskis ehemaliger Hochschule, der Georgetown University in Washington, ein Denkmal für ihn enthüllt. Das Monument, eine Arbeit des jungen Bildhauers Karol Badyna aus Krakau, zeigt Karski beim Schachspiel – was er auch in der Nacht vor seinem Tod tat.
Jan Karskis Bericht (Köln, 27. Januar 1997)
Alle Juden leben überall mit einer offenen Wunde, die niemand heilen kann: die Erinnerung an den Holocaust! Obwohl ich selber kein Jude bin, lebe auch ich mit dieser Wunde. Denn ich weiß mehr als andere, was mit den Juden geschehen ist. Denn ich habe durch meine Aktivitäten im Krieg miterlebt, wie hilflos und von der freien Welt verlassen sie waren. Darüber möchte ich jetzt sprechen.
Und das ist meine Geschichte. Mitte 1942 informierte mich der geheime Delegierte der polnischen Exilregierung und nominelle Vorsitzende dessen, was wir „Polnischer Staat im Untergrund“ nannten, Cyril Ratajski[5], daß er selber wie auch die politischen Führer, die sozusagen ein Untergrund-Parlament gegründet hatten, beschlossen hätten, mich nach London zu schicken. Ich sollte ihre persönlichen Botschaften den Bezugspersonen in London überbringen. Und ich hätte die Botschaften sehr sorgfältig abzuliefern und unter gar keinen Umständen meine eigene Meinung über irgendwen zu äußern. Ob ich das tun wolle? Ich wollte! In dieser Zeit war ich für mein photographisches Gedächtnis berühmt. Ich besaß auch Erfahrung und man vertraute mir. Im Dezember 1939 hatte man mich geheim von Warschau nach Frankreich geschickt, im April 1940 wieder zurück nach Polen. Zwei Monate später wieder nach Frankreich, aber in der Slowakei verhaftete mich die Gestapo und unterzog mich einem brutalen Verhör. Aber eine Gruppe von Untergrundkämpfern befreite mich. Einige Wochen lang vor meiner Abreise nach London sammelte ich Informationen von verschiedenen politischen Führern und prägte sie meinem Gedächtnis ein. Im September 1942 informierte mich der Delegierte, daß die Führer von zwei jüdischen Untergrundorganisationen, Zionisten und „Bund“, von meiner Mission erfahren hätten und wollten meine Dienste in derselben Weise wie andere Polen nutzen. Ob ich damit einverstanden wäre? Ich war es. Ich traf mich zweimal mit ihnen[6], sie beschrieben mir die Situation der Juden in Polen: Hitler und seine Henker haben beschlossen, alle Juden zu vernichten. Die Masse der Juden könne sich das nicht vorstellen. Aber die beiden wussten: Die Juden sind hilflos. Zwar könne der polnische Untergrund einige von ihnen retten, aber er könne nicht die Vernichtung des jüdischen Volks verhindern. Das könnten nur die machtvollen Regierungen der Alliierten tun. Die jüdischen Führer zählten einige Aktionen auf, die die Alliierten unternehmen könnten. Ich schwor ihnen, ich würde darüber mit jedem reden, der einen Einfluß auf die Politik der Alliierten besäße.
Mit Hilfe der Juden fand ich zweimal Eingang ins Warschauer Ghetto. Dort habe ich schreckliche Dinge gesehen. Später verschafften mir die Juden die Möglichkeit, in ein jüdisches Lager zu gelangen. Jahrelang war ich überzeugt, es sei Bełżec gewesen, aber der Autor einer neueren Publikation fand heraus, es habe sich vermutlich um Izbica Lubelska gehandelt, nahe bei Bełżec gelegen.[7] Dort sah ich ebenfalls sehr schreckliche Dinge.
Wenige Tage, bevor ich Warschau für meine Reise nach London verließ, übergab mir mein Vorgesetzter im Büro für Information und Propaganda (BIP) der Landesarmee (AK), Jerzy Makowiecki[8], einen normalen Hausschlüssel, in dem eine Rolle Mikrofilme verborgen war. Wenn diese entwickelt und vergrößert würden, fügten sie sich zu einem Bericht von 30 Doppelseiten zusammen. Die Filme enthielten höchst detaillierte Informationen über die Lage der Juden in dem von Nazis dominierten Polen. Später erfuhr ich, daß der Bericht von drei prominenten AK-Mitgliedern verfasst worden war: Ludwik Widerszal, Stanisław Herbst und Henryk Wolyński[9]. Ich fuhr von Warschau mit gefälschten Papieren ab, kam per Zug durch Berlin und Brüssel und landete in Paris. Dort übergab ich den Schlüssel einem der militärischen Leiter des polnischen Widerstands in Frankreich, Alexander Kawałkowski, der den Auftrag hatte, ihn sicher und sofort nach London zu schaffen. Mich konnte er nicht nach London bringen, und so führte mich mein Weg über Lyon, Perpignan, die Pyrenäen (die ich zu Fuß überquerte) bis nach Barcelona. Von dort brachten mich englische und amerikanische Geheimagenten nach Madrid und Algeciras, weiter mit einem Motorboot zu einer britischen Seepatrouille, die mich schließlich nach Gibraltar brachte. Der dortige Gouverneur bewirtete mich mit einem großartigen Abendessen, und einige Tage danach setzte er mich in ein Militärflugzeug nach London. Am 25. November 1942 kam ich in London an. Der polnische Vizepremier Stanisław Mikołajczyk[10] sagte mir, die Regierung habe den Schlüssel mit den Mikrofilmen schon vor zwei Wochen erhalten und sei fast fertig mit einem Memorandum an britische Offizielle, worin das Schicksal der Juden in Polen geschildert würde. Von diesem Memorandum erfuhr ich erst 40 Jahre später, 1982, Details aus dem Buch „Auschwitz und die Alliierten“ des großen britischen Historikers Sir Martin Gilbert[11]. In den früheren Geheimarchiven des Foreign Office fand er, daß am 26. November 1942 L. A. Easterman, der Verbindungsmann des Jüdischen Weltkongresses, in Begleitung von Sidney Silverman, ein Labour-Abgeordneter im Parlament, „Karskis Bericht“ an Sir Richard Law übergaben, den Stellvertreter von Außenminister Anthony Eden. Am 10. Dezember schickte die polnische Regierung in London einen Appell an das Interallied War Council, in dem sie um eine öffentliche Deklaration ersuchte, daß bei Fortsetzung der Vernichtung der Juden die Alliierten die deutsche Regierung und das deutsche Volk dafür verantwortlich machen und unkonventionelle Repressalien anwenden würden. Am 17. Dezember gab das Interallied War Council eine öffentliche Erklärung heraus, eine sehr abgeschwächte. Am 18. Dezember schickte der Präsident der Republik Polen, Władysław Raczkiewicz[12], einen persönlichen Brief an Papst Pius XII., in welchem er ihn anflehte, zugunsten der Verfolgten zu intervenieren. Er schrieb: „Das ist die inständige Bitte meiner leidenden Nation, die ich Ihnen, Heiliger Vater, zu Füßen lege“. Er bekam eine Antwort vom Vatikanischen Staatssekretariat für auswärtige Beziehungen, daß der Papst bereits getan habe, was er tun konnte, und nichts weiter tun könne.
An demselben 18. Dezember traf auf Initiative der polnischen Regierung das Interallied War Council unter dem Vorsitz Anthony Edens zusammen. Der polnische Botschafter Edward Raczyński[13], der damals auch geschäftsführender Außenminister Polens war, legte die jüdischen Hilfsersuchen[14] vor. Eden antwortete, daß der einzige effiziente Weg, den Juden zu helfen, der möglichst rasche Sieg im Krieg wäre. Großbritannien sei nicht mehr fähig, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen, nachdem über 100.000 Flüchtlinge einen sicheren Hafen im Land gefunden hätten. Dann stellte er einige Nachfragen, etwa die, ob einige Juden irgendwo in Nord-Afrika untergebracht werden könnten.
Nun zu meinen persönlichen Aktivitäten, zuerst in London, danach ab Juni 1943 in den Vereinigten Staaten. Bitte erinnern Sie sich daran, daß ich keinerlei politische Vollmacht besaß. Für die Polen war ich eine Art Tonbandgerät, ein Patriot und sonst gar nichts. Für die anderen war ich ein anonymer Agent einer der europäischen Anti-Nazi-Untergrundbewegungen, die so oft unglaubliche Dinge von sich gaben. Meine Aufgabe war, zu informieren und Fragen zu beantworten, nicht aber zu fragen, zu provozieren, lästig zu fallen, zu beleidigen. In London und später in Washington traf ich mit einigen der mächtigsten Männer zusammen – Regierungsmitgliedern, Chef von streng geheimen Organisationen, die die sog. „psychologische Kriegsführung“ unter sich hatte, Verleger, politische Kommentatoren, Schriftsteller, Mitglieder kirchlicher Hierarchien, Verantwortliche für die sog. „Schwarze Propaganda“[15], die die Moral des britischen Volks stärkten und die des deutschen schwächten und in die Irre führten, und andere mehr. Alle von ihnen erschienen mir freundlich, keiner kam mir indifferent vor gegenüber dem Schicksal der Juden, und alle Argumente, die von diesen Führungspersönlichkeiten vorgebracht wurden, waren durchaus rational unter den gegebenen Umständen. Aber alle Argumente liefen letztlich auf Passivität gegenüber dem Nazi-Bösen hinaus. Alle waren so freundlich, wenn auch nicht restlos alle. H. G. Wells[16], der international berühmte Science-Fiction-Autor, dessen Bücher ich in jungen Jahren verschlungen hatte, hörte sich meine Berichte über die Juden an. Soweit ich mich erinnere, stellte er keine Fragen, bemerkte dann aber: „Das sollte man einmal ernsthaft untersuchen, was es wohl für Gründe hat, daß in jedem Land, wo Juden siedeln, früher oder später Antisemitismus aufkommt“. Er fragte mich, ob ich darüber schon einmal nachgedacht hätte. So viel zu H. G. Wells. Er war absolut nicht sympathisch.
Die Juden hatten um eine öffentliche Erklärung nachgesucht, die die Alliierten abgeben sollten. Sie meinten, daß ein Stopp der Judenvernichtung Teil der alliierten Kriegsstrategie werden sollte. Die Antwort der Verantwortlichen für psychologische Kriegsführung war, daß die Kriegsstrategie bereits abgestimmt sei, und zwar auf dem höchsten Niveau: Roosevelt, Churchill, Stalin. Der Krieg würde zur Befreiung aller Nationen in Europa geführt, nicht allein für das jüdische Volk. Eine solche Deklaration würde diese Nationen entzweien, allen voran die Russen. Ich erinnere mich an diese Treffen: Was würden die Franzosen sagen, die Belgier, was würden die Russen sagen, wenn wir nur die Juden erwähnten? Einer der Anwesenden schaute mir ins Gesicht: „Mr. Karski, können Sie uns versichern, daß Ihr eigenes Volk so etwas nicht ablehnen würde?“ Aber am wichtigsten erschien, was die Russen sagen würden, da die doch allein kämpfen mussten und enorme Verluste hatten. Was würde Stalin sagen, wenn er so eine Deklaration läse? Die Juden verlangten, daß die Alliierten Deutschland mit Millionen Flugblättern überschütteten, um die Menschen zu informieren, was ihre Regierung tat.[17] Vielleicht, so meinten sie, hätte so etwas einen gewissen Effekt auf das deutsche Volk. Wir tun bereits mehr, als die Juden verlangen! Wir werfen Bomben ab, denn mit Flugblättern gewinnt man keinen Krieg. Das war ihre Antwort.
Im Februar 1943 wurde ich von Anthony Eden empfangen. Als ich anfing, über die Juden zu sprechen, unterbrach er mich sehr höflich. Er sagte, und ich zitiere es wörtlich: „Karskis Bericht hat uns bereits vorgelegen, die Sache geht ihren ordnungsgemäßen Weg“. Dann stellte er mir viele Fragen, von denen aber keine die Juden betraf. In London begegnete ich Lord Selborne[18] mehrfach, der für Kontakte und Unterstützung für alle europäischen Anti-Nazi-Organisationen verantwortlich war – ein mächtiger Mann. Er entschied weltweit, welche Organisation in welchem Land unterstützt werden sollte. Welche Geld bekommen und welche übersehen werden sollten. Er war sympathisch und hilfreich bei meinen Kontakten. Aber sobald ich erwähnte, daß die Juden Geld brauchten, um sich zu verbergen und um Nazi-Beamte zu bestechen, damit diese manche Juden frei ließen, da wurde Lord Selborne ablehnend: Derartige Aktionen könne man vielleicht im Krieg geheim halten, aber nach dem Krieg käme doch alles heraus, und was würden dann unsere Menschen sagen, wenn sie erführen, daß wir Hitler mit unserem Geld finanziert hätten, mit welchem er Rohstoffe von neutralen Ländern kaufen konnte. Ich werde nie erlauben, daß das geschieht – sagte Lord Selborne.
(Anmerkung des Übersetzers: In der Diskussion nach seinem Vortrag wurde Karski gefragt, welche Begegnungen er in London mit jüdischen Führern gehabt und was er ihnen berichtet habe. Karksi beantwortete die Frage rückhaltlos, und aus Gründen inhaltlicher Kontinuität wird die Antwort in dieser Übersetzung hier eingefügt). Es ist schmerzlich, aber ich sage es Ihnen. Leon Fajner, der Führer des sozialistischen „Bunds“ während des Kriegs, lebte auf der sog. „arischen Seite“, also nicht im Ghetto. Er gab mir eine Botschaft für seine Partner Szmul Zygielbojm und für Dr. Schwarzbart, der in der polnischen Regierung die Zionisten vertrat, in London mit. Dabei sagt er mir: „Teilen Sie Zygielbojm mit, er soll damit aufhören, uns Botschaften zu senden, er tue, was er könne. Das ist doch offenkundig nicht genug. Wir sterben hier. Die jüdischen Führer, wo immer sie sind, sollen zu den Alliierten gehen, in Amerika, in England, sie sollen dort mehr Einsatz fordern, Hilfe, sie sollen auf der Straße warten, bis sie Einsatz bekommen. Sie sollen Nahrung, Wasser zurückweisen, sie sollen sogar sterben – die Juden brauchen gar keine Führer. Aber vielleicht wird deren Tod das Gewissen der Welt erschüttern“. Ich traf Schwarzbart und Zygielbojm Anfang Dezember 1942, ein paar Tage nach meiner Ankunft in London. Schwarzbart war ein ausgewogener Mann, würdevoll und maßvoll, korrekt im Gespräch. Zygielbojm war ganz außer sich, er hat mich auch nicht gut aufgenommen. Ich erinnere mich, daß ich in sein Büro kam, er schaute mich an und sagte unfreundlich: „Sie sind kein Jude“. Ich bestätigte, daß ich kein Jude wäre. „Und warum schicken die dann Sie zu mir?“ „Ich weiß es nicht, vermutlich haben sie keinen Besseren“. „Zeigen Sie mir Ihre Hände!“ Ich zeigte ihm meine Hände – als ich von der Gestapo gequält worden war, damals in der Slowakei, hatte ich versucht, meine Adern aufzuschneiden. Und ich sagte ihm: „Sir, wenn sie irgendwelche Zweifel haben, dann fragen Sie bitte im Amt des Premierministers nach, dort wird man Ihnen alle Informationen über mich geben, soweit diese Sie betreffen“. „Also, sagen Sie mir, was Sie wollen und was Sie mir sagen sollen“. Ich berichtete, was ich zu berichten hatte, und als ich zu den Sätzen kam, daß die jüdischen Führer in die Ämter gehen sollten, daß sie Nahrung und Wasser ablehnen sollten usw., da sprang er auf, lief umher und schrie: „Irrsinn, Irrsinn, die Welt ist verrückt, Sie sagen mir, die wollen mich sterben lassen – bevor das geschieht, haben zwei Polizisten mich geschnappt und in die Psychiatrie gesteckt. Irrsinn!“ Er war ganz außer sich. Später sah ich ihn noch ein-, zweimal, und ich beschwerte mich ein bißchen bei Mikołajczyk: Alle Welt bekundet mir Respekt, nur Herr Zygielbojm nicht. Mikołajczyk antwortete mir: „Vergiß ihn! Der ist für jeden von uns eine Last am Hals, aber er ist Jude und seine ganze Familie ist in Polen, er ist von allem dem mehr mitgenommen als wir alle“. Und dann kam der Mai 1943. Ich machte die New York Times auf (bevor mir noch jemand etwas telefonisch mitteilen konnte) und lese, daß das Mitglied des Polnischen Nationalrats, Szmul Zygielbojm, Selbstmord begangen hat. Er habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, aber den habe die Polizei bereits konfisziert. Der Brief war an den Präsidenten der Republik Polen gerichtet und zeigte einmal mehr, daß Zygielbojm im Grunde ein Märtyrer war. Gott sagt: Liebe deinen Nächsten mehr als dich selber – er liebte sein Volk mehr als sich selber. Aber politisch war er nicht gut orientiert, sonst hätte er nicht seinen Brief an den Präsidenten der Exilregierung geschickt, den er für machtvoll und einflussreich ansah. In dieser Zeit hatte Stalin die Beziehungen zur polnischen Regierung abgebrochen[19], und der polnische Präsident Raczkiewicz war nur noch ein Mann mit einem fremden Namen, den kaum jemand aussprechen konnte. Irgendeine Bedeutung hatte er nicht mehr. Und an ihn schickt Zygielbojm seinen Brief – anstatt an Churchill, Roosevelt oder sonst jemanden. Zygielbojm war so auf die Juden in Polen konzentriert, daß er andere Umstände gar nicht recht wahrnahm.
Als ich nach Washington kam, organisierte der polnische Botschafter Jan Czechanowski Treffen für mich mit den Erzbischöfen Stritch[20], Spellmann[21] und Mooney[22], dazu noch mit dem apostolischen Gesandten, Kardinal Giacomo Cicognani[23]. Alle waren sie sehr freundlich zu mir, aber sie interessierten sich nahezu ausschließlich für die Lage der katholischen Kirche, Verluste unter der Priesterschaft und den Glauben der katholischen Bevölkerung in Polen: Würde der Glaube schwach werden? Felix Frankfurter[24], Richter am Obersten Gericht der USA, geboren in einer jüdischen Familie in Ostia, bat mich, ihm alles zu erzählen, was ich über die Juden wüsste. Ihn interessierte nichts anderes, und 20, 25 Minuten sprach ich nur über die Juden – was ich im Ghetto gesehen hatte, im Lager. Er fragte mich nach einigen technischen Details – wie ich ins Ghetto gekommen wäre, wie hoch die Mauer um das Warschauer Ghetto war etc. –, und ich erinnere mich an jedes Wort, an jede Geste von Richter Frankfurter während dieser Unterhaltung. Nach 20, 25 Minuten fiel mir nichts mehr ein. So hörte ich auf, und für einige Momente breitete sich ein verlegenes Schweigen aus. Dann stand Richter Frankfurter auf und begann umher zu laufen, immer vor mir her. Links von mir saß der polnische Botschafter Czechanowski. Frankfurter setzte sich wieder hin und sagte (ich erinnere mich an jedes Wort und jede Geste, denn ein bißchen bombastisch war er schon): „Mr. Karski, jemand wie ich, der zu jemandem wie Ihnen spricht, muß ganz offen sein. So sage ich, ich kann nicht glauben, was Sie mir erzählt haben“. Darauf sprang der Botschafter, der ein persönlicher Freund des Richters war, in die Höhe: „Felix, Sie können ihm doch nicht ins Gesicht sagen, daß er lügt. Das meinen Sie doch nicht. Meine Autorität und die meiner Regierung stehen hinter ihm“. Richter Frankfurter: „Herr Botschafter, ich habe nicht gesagt, daß dieser junge Mann lügt. Ich sagte, ich sei unfähig zu glauben, was er mir erzählt hat“. Und er streckte seine Arme in meine Richtung und sagte dabei: „Nein, nein!“ Ich weiß noch, daß ich später den Botschafter fragte: „Sagen Sie, war das eine Komödie? Oder hat er mir wirklich nicht geglaubt?“ Ich erinnere mich, daß der Botschafter mir sagte: „Jan, ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Aber du musst dir vergegenwärtigen, daß du in der Tat unglaubliche Dinge berichtest“.
Am 28. Juli 1943 wurden der Botschafter und ich im Weißen Haus empfangen. Ich war mir bewusst, und der Botschafter hatte mich entsprechend instruiert, möglichst präzise und knapp sein zu müssen. Wir hatten ja keine Ahnung, wie viel von seiner Zeit Präsident Roosevelt mir widmen würde. Als ich über die Juden sprach, begrenzte ich das Thema auf ein kurzes Statement: „Herr Präsident, es muß ein Unterschied gemacht werden zwischen der Weise, in welcher die Deutschen mein Volk behandeln, und der, wie sie die Juden behandeln. Bei uns Polen vernichten sie unsere politische, kulturelle und soziale Elite, sie zwingen die Polen zu harter Arbeit, sie verweigern den Polen Bildung, sie wollen aus den Polen ein Volk gehorsamer Sklaven machen. Was aber die Juden betrifft, so wollen sie alle von diesen umbringen“.
Ich war enttäuscht, weil der Präsident nicht auf Ausführlichkeit bestand. Aber vielleicht habe ich mich geirrt. Viele Jahre nach dem Krieg erklärte auf einer Pressekonferenz ein früherer Direktor vom Amt für Kriegsflüchtlinge, John Paily – der mittlerweile ein sehr alter Mann ist, aber noch in Washington lebt –, daß (ich zitiere) „Karskis Mission an Roosevelt hatte Erfolg, die Politik der Vereinigten Staaten wurde geändert. Der Präsident ordnete die sofortige Schaffung des Amts für Kriegsflüchtlinge an[25]. Karskis Mission änderte die Politik der US-Regierung von der (im besten Falle) Indifferenz zur zielstrebigen Aktivität“. So lautete die Erklärung vom 21. Oktober 1981. Ich habe diesen Herrn nie getroffen: Hatte er die Wahrheit gesagt, oder war es eine Höflichkeit gegenüber Karski? Ich weiß es nicht.
(Bemerkung des Übersetzers: In der kurzen Diskussion nach Karskis Bericht wurde er auch zu den Motiven seiner Mission und zu seinen Begegnungen mit Claude Lanzmann, dem Autor des „Shoah“-Films, befragt. Da seine Antworten darauf gewissermaßen die Abrundung seines Berichts darstellten, sollen sie abschließend folgen): Für 35 Jahre verfiel ich in ein Schweigen. Die Gründe waren dieselben wie die der jüdischen Überlebenden, die ebenfalls nahezu alle schwiegen. Wir konnten uns nicht mitteilen. Die ersten Bücher, Filme, TV-Stücke, Dramen etc., die den Holocaust zum Thema hatten, dazu die Erinnerungen von Juden usw. kamen erst in den 1970er Jahren heraus. Davor wollten jüdische Überlebende solche Dinge nicht schreiben. Ich war in derselben Lage. Wir wollten vergessen, die ganze Erniedrigung, Schmach, den Schmutz, die Gemeinheit. Wir wollten endlich normal leben, jeder von uns fand sich in einer wunderlich fremden Welt wieder. Die meisten von uns mussten neue Berufe finden, neue Sprachen erlernen, vor allem aber ein normales Leben beginnen. Ich hatte in Polen zwei Magistergrade erworben, die in Amerika nicht anerkannt wurden. Also musste ich wieder studieren und meine Promotion hinter mich bringen[26], alles wie ein normaler amerikanischer Junge von 18 Jahren. Ich fing mit 35 Jahren von vorn an. In einer solchen Lage wollten wir, die jüdischen Überlebenden und ich, vor unseren Erinnerungen nur noch flüchten. Zumal ich mir die Aufgabe, ein Kurier der Juden zu sein, nicht freiwillig ausgesucht hatte. Ich bin nicht zu ihnen gegangen – sie haben mich gefunden. Ich war einfach da, und sie hatten keinen anderen oder besseren. Ich habe mein Bestes getan, aber viel Glück hatten sie mit mir nicht. Für die Polen war ich in Ordnung, für sie tat ich ein gutes Werk: Ich kannte Sprachen, kannte Europa, war im polnischen diplomatischen Dienst. Aber für die Enormität der jüdischen Tragödie hätte man jemanden gebraucht, der besser und stärker als ich war. Nein, ich habe nichts Gutes getan. Die Juden hatten kein Glück mit mir. Ich sage das hier öffentlich, obwohl sie mich loben und loben, bis in den höchsten Himmel. Was Lanzmann betrifft, so erinnere ich mich, daß ich 1976 oder 1977 mehrere Briefe aus Paris bekam. Von Monsieur Claude Lanzmann: Er habe von mir erfahren, meine Adresse aufgespürt – er mache einen Film, der nicht so wie andere Filme sein werde. Es werde der großartigste Film werden, der jemals über die Juden gemacht worden ist. Schauspieler und Hollywood-Stars werde es nicht geben, nur Interviews mit drei Kategorien von Menschen. Erstens mit deutschen Verbrechern, wenn sie denn noch lebten und er sie finden könne. Zweitens mit jüdischen KZ-Überlebenden, an denen er besonders interessiert war. Und drittens mit jüdischen Zeugen, zu denen er auch mich zählte. Ich würde in seinem Film auftreten und er wolle mich interviewen. Ich habe das in mehreren Briefen abgelehnt: Monsieur Lanzmann, ich mache bei Ihrem Film nicht mit. Ich habe mit der Sache abgeschlossen, lassen Sie mich in Ruhe! Dann schrieb er mir, er käme nach Washington, wolle mich sehen und hoffe, ich werde ihn nicht zurückweisen. Das konnte ich nicht ablehnen, also willigte ich in das Treffen ein. Dann erschien er, mit fünf Mann Begleitung, Kameras usw., und jetzt wolle er seinen Film machen, mit mir und anderen. Unter den anderen war auch Paily, dessen Namen ich bei dieser Gelegenheit erstmalig hörte. Ich widersprach und widersprach, aber sein letztes Argument war: „Professor Karski, schauen Sie in den Spiegel. Sie sind alt, Sie werden bald sterben – es ist Ihre Pflicht, mir zu helfen. Sie werden sehen, es wird der großartigste Film, der jemals über Juden gedreht wurde“. Er hat 350 Stunden Filmmaterial gedreht, aus denen er dann 9 Stunden und ein paar Minuten Endfassung fertigte. Und er war sich absolut sicher, es würde ein großartiger Film werden. Ich willigte also ein, und er filmte mich zwei Tage lang, jeden Tag vier Stunden – von denen er dann um die 14 Minuten verwendete. Später wurde der Film in der ganzen Welt eine Sensation. Ich weiß, wie sehr der Film kritisiert wurde, vor allem von Polen, aber ich habe nur eine Sache zu sagen: Das ist der großartigste Film, der jemals über den Holocaust an den Juden im Krieg gedreht worden ist – was Lanzmann mir von Anfang an versichert hatte.
(Übersetzung aus dem Englischen und Kommentare von Wolf Oschlies)
Autor: Wolf Oschlies
Literatur
Benz, Wolfgang / Hermann Graml /Hermann Weiß: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997.
Benz, Wigbert / Bernd Bredemeyer / Klaus Fieberg: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg. Beiträge, Materialien Dokumente. CD-Rom, Braunschweig 2004.
Gilbert, Martin: Auschwitz and the Allies: A Devastating Account of How the Allies Responded to the News of Hitler’s Mass Murder, New York 1990.
Gulla, Jacek: Świat wspomina Jana Karkiego (Die Welt erinnert sich an Jan Karski, http://www.kurierplus.com/issues/2000/k307/kp307-03.htm
Gutman, Israel / Eberhard Jäckel / Peter Longerich (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. München 1998
Jankowski, Stanislaw / Thomas Wood: Jan Karski – Einer gegen den Holocaust. Als Kurier in geheimer Mission.Gießen 1997.
Kaufman, Michael, T.: Polish Officer and Diplomat Who brought the Holocaust to Light, in: The New York Times 14.7.2000
Lanzmann, Claude: Shoah, Düsseldorf 1986.
Anmerkungen
[1] Biographie nach Michael T. Kaufman: Polish Officer and Diplomat Who brought the Holocaust to Light, in: The New York Times 14.7.2000
[2] Jan Nowak-Jezioranski: Kierownictwo podziemia i rząd RP w Londynie w obliczu zagłady (Die Leitung des Untergrunds und die polnische Regierung in London angesichts der Vernichtung), in: Przegląd Polski 13.4.2001
[3] Claude Lanzmann: Shoah, Düsseldorf 1986,S. 223 ff.
[4] Jacek Gulla: Świat wspomina Jana Karkiego (Die Welt erinnert sich an Jan Karski, http://www.kurierplus.com/issues/2000/k307/kp307-03.htm (Seite nicht mehr abrufbar / Stand: 21. März 2015)
[5] 1875-1942, Rechtsanwalt und Politiker, Aktivist der „Arbeitspartei“ (SP), die 1937 durch eine Fusion mehrerer Parteien entstand. Die SP spielte eine große Rolle in der sog. „Delegatura“, d.h. dem gesamten Untergrunds- und Widerstandssystem, das die Londoner Exilregierung in Polen ab 1940 errichtet hatte. Ratajski war der erste Führer der „Delegatura“, bis er im August 1942 auf Betreiben politischer Gegner abgesetzt wurde.
[6] In anderem Zusammenhang hat Karski diese Treffen sehr ausführlich geschildert. Seine Gesprächspartner waren vermutlich der junge Menachem Kirszenbaum für die Zionisten und der ältere Leon Fajner für den „bund“, vgl. Zofia Lewin, Władysław Bartoszewski: Righteous among Nations, London 1969, S. 42 ff.
[7] Izbica Lubelska, Kleinstadt in der Nähe von Lublin, in der 1939 4.000 Juden lebten. Im Krieg wurden 2.500 Juden aus anderen polnischen Städten zwangsweise hier angesiedelt, die 1942 in Bełżec oder Sobibor getötet wurden.
[8] Major Jerzy Makowiecki leitete in dem erwähnte BIP bis zu seinem Tod am 13. April 1944 die große Informationsabteilung, die politische, ökonomische, soziale, ethnische etc. Informationen sammelte, um sie für die Publikationen des BIP und für Berichte an die Regierung in London zu nutzen.
[9] Widerszal, 1944 von polnischen Nationalisten ermordet, Herbst (1907-1973) und Wolyński (1902-1986) waren im BIP tätig, Wolyński als Verbindungsoffizier zum jüdischen Widerstand.
[10] 1901-1967, kehrte nach dem Krieg für wenige Jahre nach Polen zurück und emigrierte erneut 1947.
[11] *1936 in London, seit 1968 offizieller Churchill-Biograph. Das Buch „Auschwitz and the Allies“ erschien 1981.
[12] 1885-1947, übernahm anlässlich der Bildung der ersten polnischen Exilregierung in Frankreich den Posten des Staatspräsidenten am 30. September 1939
[13] 1901-1993, 1934-1945 Botschafter in London, 1941-1943 auch geschäftsführender Außenminister, 1979-1986 Präsident der noch bestehenden Exilregierung in London.
[14] Bei dem Geheimtreffen in Warschau hatte Leon Fajner fünf Punkte genannt: 1. Die Verhinderung der physischen Vernichtung der Juden soll zum offiziellen Kriegsziel der Anti-Hitler-Koalition erklärt werden. 2. Die alliierte Propaganda soll dazu genutzt werden, das deutsche Volk über die laufenden Kriegsverbrechen zu informieren, und es sollen die Namen von Deutschen genannt werden, die am Genozid beteiligt sind. 3. Die Alliierten sollen an das deutsche Volk appellieren, Druck auf das Hitler-Regime auszuüben, um das Morden zu stoppen. 4. Die Alliierten sollen erklären, daß – falls der Genozid fortgesetzt wird und die deutschen Massen sich nicht zu dessen Beendigung erheben – das deutsche als kollektiv verantwortlich dafür angesehen wird. 5. Sollten alle diese Vorhaben keinen Effekt haben, dann sollen die Alliierten Repressionen anwenden in Form von Bombardements auf deutsche Kulturstätten und Erschießung von deutschen Kriegsgefangenen, die auch dann noch loyal zu Hitler hielten, nachdem sie von den Verbrechen erfahren hatten.
[15] Der Begriff wurde von dem britischen Journalisten Sefton Delmer (1904-1979) geprägt, der ihn in seinen Memoiren so erläuterte: „In meinen Augen waren alle diese Versuche, die Deutschen durch Aufrufe und Kritik zum Aufstand gegen Hitler zu bekehren, eine Verschwendung von Atem und elektrischem Strom. (…) Wer in dem damaligen Stadium des Krieges die Deutschen zu hitlerfeindlichen Gedanken und Handlungen veranlassen wollte, musste sich des Mittels der Irreführung bedienen. (…) In Analogie zur Begriffen wie ’schwarze Magie‘, ’schwarze Messe‘ oder ’schwarzer Markt‘ nannten meine Freunde und ich diese neue psychologische Angriffsmethode ’schwarze Propaganda'“ (Sefton Delmer: Die Deutschen und ich, Hamburg 1963, S. 445).
[16] 1886-1946, weltberühmter Autor von Science-Fiction-Romanen.
[17] Bei dem Warschauer Treffen hatte Kirszenbaum gesagt: „Deutschland ist nur durch Macht und Gewalt zu beeindrucken. Die Städte Deutschland sollten gnadenlos bombardiert werden, und bei jedem Bombenangriff sollten Flugblätter abgeworfen werden, die die Deutschen detailliert über das Schicksal der polnischen Juden informieren, und wir sollten dem ganzen deutschen Volk ein ähnlichen Schicksal im Krieg und danach androhen“.
[18] Minister für „Economic Warfare“.
[19] Wegen der von deutschen Truppen im April 1943 in Katyn (bei Smolensk) entdeckten Massengräber von über 4.000 polnischen Offizieren, die von Sowjets im März und April 1940 erschossen worden waren. Hitlers Propaganda weidete den Fund mit internationalem Echo gegen die sowjetische Seite aus, die einige Jahre später versuchte, beim Nürnberger Prozeß dieses Verbrechen den Deutschen anzulasten.
[20] Samuel Alphonsus Stritch (1887-1958), Erzbischof von Chicago.
[21] Francis Joseph Spellmann (1889-197), Erzbischof von New York.
[22] Edward Francis Mooney (1882-1958), Erzbischof von Detroit.
[23] Das offizielle Verzeichnis des Vatikans nennt zwei Kardinäle mit diesem Namen, die aber beide andere Vornamen hatten: Gaetano Cicognani (1881-1962) und Ameleto Giovanni Cicognani (1883-1973).
[24] Geboren 1882 in Wien (nicht in Ostia, wie sich Karski erinnerte), 1894 mit seinen jüdischen Eltern in die USA ausgewandert, 1939 Richter am Supreme Court, gestorben 1965 in Washington.
[25] As more and more reports of mass killings of Europe’s Jews are publicized in 1943 and early 1944, the United States government comes under increasing pressure to heighten rescue efforts in Europe. On January 13, 1944, a memo from the Treasury Department rebukes the State Department for its relative inaction regarding rescue efforts. U.S. President Franklin D. Roosevelt is urged to establish a government commission to coordinate the rescue of Europe’s Jews. On January 22, 1944, Roosevelt signs Executive Order 9417, establishing the War Refugee Board. The Board is committed to enforcing the policies of the U.S. government regarding the rescue and relief of victims of persecution. This includes the establishment of safe havens, evacuation of endangered people from Nazi-occupied territories, and delivery of relief supplies into concentration camps. American diplomats in Europe are instructed to enforce all policies set forth in the Executive Order. By the end of the war, the Board will have aided in the rescue of about 200,000 Jews. (http://www.ushmm.org/outreach/en/article.php?ModuleId=10007749)
[26] Karski begann 1949 ein Studium an der „School of Foreign Service“ in Georgetown, das er nach knapp drei Jahren mit dem Grad eines PhD abschloß. 1954 wurde er US-Bürger.