Seit Ende September 2018 läuft in der ARD ein Mehrteiler, der im Berlin des Jahres 1929 spielt und dramaturgisch als Kriminalfilm aufgebaut ist: Babylon Berlin.
Neben den vielen, teils verwirrenden Handlungssträngen gibt es auch immer wieder direkte Bezüge zum damaligen historischen bzw. politischen Geschehen in der Reichshauptstadt und im Deutschen Reich zur Zeit der Weimarer Republik.
Hierbei tauchen sehr oft Begriffe wie „Schwarze Reichswehr“ oder „geheime Aufrüstung“ auf, die teils mit konkreten Namen verbunden werden, z.B. bestimmten Angehörigen des Militärs oder verschiedenen politischen Gruppen, dabei ist auch mehrfach von Kontakten zur sowjet-russischen Armee die Rede.
Aber auch die „preußische Geheimpolizei“ ist in die Handlung von Babylon Berlin eingebunden, insbesondere in die Vorfälle des sog. „Blutmai“, als ausgehend von den Demonstrationen zum 1. Mai 1929 in Berlin die preußische Staatsregierung mit aller Gewalt gegen bestimmte Arbeiter, die zur äußersten Linken zählten, vorging (Schlagwort: SPD gegen KPD). Dieser Beitrag möchte den historischen Laien eine kleine Hilfestellung geben, um die im Fernsehen dargestellten Geschehnisse besser verstehen und einordnen zu können. Oder anders gesagt: Was entspricht an der Handlung von „Babylon Berlin“ der Realität, was ist eher Ausdruck einer gewissen künstlerischen Freiheit?
I) Die Reichswehr in der Weimarer Republik
Nach tradierter Auffassung gehört zum dreigliedrigen Staatsbegriff auch das Element der „Staatsgewalt“.
Zum Gewaltmonopol im Inneren wird gemeinhin die „Polizei“ in unterschiedlichen Ausprägungen gerechnet, nach außen wird die Souveränität eines Staates üblicherweise (auch) durch eine „Armee“ repräsentiert.
Bereits in den deutschen Staaten vor 1871 gab es entsprechende Gesetze, die die speziellen Rechtsverhältnisse zwischen Staat (Souverän) und dem Militär regelten, die dann mit der Reichsgründung größtenteils vereinheitlicht wurden (besondere Ausnahme: Bayern). Mit dem politischen Umsturz im November 1918 ging aber die „Armee“ (trotz der Niederlage im Ersten Weltkrieg) als Bestandteil der Politik und auch der Verfassung nicht unter, sondern wurde unter gewissen Anpassungen in die Weimarer Republik transformiert. Nunmehr gab es ab 1919 auch ganz neue, besondere juristische Vorgaben an die deutsche Armee: Ganz oben stand der von den Siegermächten vorgesetzte Versailler Vertrag (VV), dann die Weimarer Reichsverfassung (WRV), die gegenüber dem VV nachrangig war, s. Art. 178 Abs. 2 WRV, und dann (erst) ab März 1921 auch ein eigenes Wehrgesetz für die neue Reichswehr. (1)
Wie jede Armee, hatte auch die Reichswehr in der Weimarer Republik einen Bedarf an ganz bestimmten Waffen und – was teils sogar wichtiger war – an der Entwicklung bestimmter Waffensysteme; dies liegt sozusagen in der Natur der Sache.
Bei der Reichswehr gab es allerdings die Besonderheit, genauer gesagt Einschränkung, dass aufgrund der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg von den Siegermächten im VV ganz detaillierte Vorgaben zum Aufbau, Umfang und vor allem auch zur Bewaffnung der deutschen Nachkriegsarmee getroffen worden sind, die insbesondere aus der Sicht Frankreichs einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis entsprachen.
An dieser Stelle kann nicht auf alle Einzelheiten zu den wehrpolitischen Bestimmungen des VV eingegangen werden (2); diese waren jedoch sehr einschneidend: Reduzierung auf ein 100.000-Mann-Heer und die Marine wurde auf 15.000 Mann beschränkt. Eine „Luftwaffe“ wurde ganz verboten, aber auch andere technische Neuerungen, die teils erst im Weltkrieg „erfunden“ wurden, wie die Panzer („tanks“) oder auch U-Boote, waren für die deutsche Nachkriegsarmee grundsätzlich tabu. Doch – wie nicht anders zu erwarten – erfolgten schon bald die ersten Tabubrüche!
Diese begannen damit, dass entgegen der rechtlich bindenden Vorgaben im VV die Bestimmungen zur Entwaffnung nicht eingehalten bzw. sehr großzügig ausgelegt wurden. Folge: Mehrere hunderttausend Gewehre, tausende von Mörsern und eine Unmenge an schwerem technischen Gerät wurden nicht an die alliierte Kontrollkommission abgeliefert. Doch wo wurde das ganze Material gelagert?
Die Tabubrüche setzten sich fort, weil nicht nur die Reichsregierung, sondern auch bestimmte politische Kräfte auf regionaler Ebene neue, zusätzliche bewaffnete Einheiten aufstellten und damit sehenden Auges gegen die zahlenmäßigen Vorgaben der Alliierten verstießen.
Bereits zum Jahreswechsel 1918/19 wurden von der Reichsregierung erste Freikorpsverbände aufgestellt, die – gemessen an den späteren Zahlen, die der VV vorschrieb – zu zusätzlichen Überkapazitäten bei der Mannschaftsstärke beitrugen, aber nur sehr schwer wieder aufgelöst werden konnten.
Im weiteren Verlauf des Jahres 1919 wurden zum Zwecke der Ordnung im Inneren, noch mehr zum Schutz der weitläufigen Grenzen im Osten des neuen Staatsgebietes eine Reihe lokaler Wehreinheiten mit unterschiedlichem Umfang und Bezeichnung aufgestellt, sog. Einwohner- und Volkswehren.
Bei diesen Freiwilligenverbänden handelte es sich zwar im Regelfall um relativ unpolitische Bürgerwehren, die auch nur minimal bewaffnet waren, aber das große Problem waren die Selbstschutzorganisationen, wie die im Mai 1920 gegründete Organisation Escherich (Orgesch), die über umfangreiche finanzielle Mittel und große Waffenlager verfügten. Hier wurde auch ein Großteil des Materials gelagert, das den Alliierten vertragswidrig nicht ausgehändigt wurde.
Im Übrigen gestand der VV den Alliierten nicht nur weitreichende Kontroll-, sondern auch Sanktionsmöglichkeiten für den Fall von Verstößen zu. Hiervon machte Frankreich, teils im Verbund mit Belgien, auch mehrfach Gebrauch. Wegen der Verletzung der entmilitarisierten Zone durch die Reichsregierung Ende März 1920 aufgrund der Niederschlagung des gewalttätigen Ruhrstreiks infolge des Kapp-Lüttwitz-Putsches besetzten französische Truppen im April Teile des Rhein-Main-Gebietes und der mit Abstand wichtigste Anwendungsfall dieser grundsätzlich zulässigen Sanktionsmöglichkeiten war die sog. „Ruhrbesetzung“ wegen rückständiger Reparationsleistungen zu Jahresbeginn 1923, hierzu weiter unten.
In diesem Spannungsfeld militanter Selbstschutzorganisationen, autonomer Freikorpstruppen und der regulären Reichswehr konnten dann ganz bestimmte politische Gruppen in der Reichswehr in die Versuchung geraten, die neuen politischen Rahmenbedingungen zu nutzen, neben der offiziellen, legalen Reichswehr eine inoffizielle Organisation zu schaffen, in der Teile der militanten Freiwilligenverbände, zu denen weit überwiegend entlassene Soldaten der alten Armee gehörten, und die Logistik der geheimen Waffenlager zusammengeführt werden konnten.
II) „Schwarze Reichswehr“ im gesamten System der Weimarer Republik
Versucht man den Begriff genauer zu bestimmen, können verschiedene Definitionen in Betracht kommen, da es für die Erscheinung dessen, was als „schwarze Reichswehr“ in der damaligen Republik charakterisiert wurde, aber auch in späteren Geschichtsbüchern Eingang gefunden hat, verschiedene Erklärungsansätze gibt.
Es gibt eine engere und als Pendant dazu eine weitere Beschreibung, was unter diesem Phänomen zu verstehen sei. Der Historiker Bernhard Sauer gibt folgende Begriffsbestimmungen:
Zum einen wird von „schwarzer Reichswehr“ gesprochen, als jene militärisch formierte Organisation, die neben der legalen Reichswehr des Wehrkreiskommandos III im Raum Berlin-Brandenburg existierte.
Eine weiter gefasste Definition bezeichnet dagegen sämtliche illegalen oder halblegalen militärischen Formationen außerhalb der Reichswehr im gesamten Reich. (3)
Im vorliegenden Beitrag werden beide Erscheinungen behandelt, da es zum einen eine große inhaltliche (politische) Übereinstimmung gibt und andererseits unverkennbar identische Personen bzw. Personenkreise bei der „schwarzen Reichswehr“ verstrickt gewesen sind.
In der Fernsehserie „Babylon Berlin“ wird das Jahr 1929 thematisiert und auf die „schwarze Reichswehr“ als Handlungsstrang eingegangen. Jedoch ist die Anknüpfung an 1929 nicht ganz richtig, zumindest erklärungsbedürftig, da die historisch maßgeblichen Ereignisse (bis Herbst) 1923 angesiedelt waren, als es tatsächlich einen Putschversuch der „schwarzen Reichswehr“ gegeben hat.
Die entscheidende Grundlage für die Entstehung der „schwarzen Reichswehr“ ist in zwei Entwicklungssträngen zu sehen:
Zum einen die große Zahl an allen möglichen Vereinigungen von „Freiwilligen“, die neben der nach wie vor hohen Mannschaftsstärke der alten Armee, Stand Anfang 1919: etwa 400.000 Mann (4), zusätzlich entstanden – nämlich mindestens eine weitere Million.
Auch wenn viele davon im Laufe des Jahres 1919 ins Zivilleben zurückkehren konnten, was aber auch regional sehr unterschiedlich verlief, war jedem Politiker in Berlin, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, klar, dass die geforderte Abmusterung generell schwierig werden würde und die engen zeitlichen Vorgaben, die die Siegermächte bestimmten, diese Aufgabe nicht erleichterten.
Zum anderen hat sich insbesondere in der hohen Generalität der Obersten Heeresleitung (OHL) bereits ziemlich schnell nach den politischen Umwälzungen im Deutschen Reich und den Einzelstaaten die Gewissheit breit gemacht, von den neuen politischen Kräften dringend gebraucht zu werden. Zunächst ganz profan im Zusammenhang mit einer geordneten Rückführung von Millionen Soldaten von der ehemaligen Westfront, aber auch im Hinblick auf die äußerst fragile Lage an der ehemaligen Ostfront, die durch den Waffenstillstand vom 11.11.1918 schlagartig wieder aktuell wurde.
Am 12. November 1918 richtete die neue sozialistische Regierung eine Erklärung an das nach wie vor bestehende Hauptquartier der OHL, in der u.a. bestimmt wurde: „Das Vorgesetztenverhältnis des Offiziers bleibt bestehen. Unbedingter Gehorsam im Dienst ist von entscheidender Bedeutung … Militärische Disziplin und Ordnung im Heere müssen deshalb unter allen Umständen aufrechterhalten werden.“ (5)
Diese Anordnung erschien dem Rat der Volksbeauftragten so wichtig, dass sie sogar am 13. November 1918 im Reichsanzeiger formal veröffentlicht wurde.
Die OHL nahm diese politische Vorgabe zum Anlass, die Befugnisse der sich auch im Feldheer neu gegründeten Soldatenräte stark zu beschneiden und diese nur als beratende Gremien zu akzeptieren, die für die geordnete Rückführung der besiegten Armee nach Deutschland beitragen sollten. Denn ohne die hierfür notwendigen militärtechnischen Kenntnisse der OHL war diese Mammutaufgabe innerhalb der extrem kurzen Fristsetzung der Siegermächte keinesfalls zu schaffen; dies war den Politikern in Berlin, aber auch den Soldatenräten vollauf bewusst.
„Diese technische Überlegenheit musste der Soldatenrat, der sich am 11. November bei der OHL gebildet hatte, anerkennen, wollte er sich nicht in Gegensatz zu den Frontsoldaten bringen, die keinen anderen Wunsch hatten, als schnell und reibungslos in die Heimat zurückgebracht zu werden. So konnte sich die OHL mit den Soldatenräten des Feldheeres abfinden, während die Soldatenräte auf Grund der überlegenen Führungstechnik des Großen Hauptquartiers gezwungen waren, nichts zu unternehmen, was die Autorität des Offizierskorps im Heer ernsthaft hätte gefährden können. Die Machtsituation hatte sich also gleich in der ersten Woche erheblich zu Ungunsten der Revolutionäre in Deutschland verschoben. Die Position der Obersten Heeresleitung, des entscheidenden »konterrevolutionären« Faktors, war vorerst unantastbar.“ (6)
Das wirklich große politische Geschick der damaligen OHL und auch der späteren Führung der Reichswehr sollte darin bestehen, diese unantastbare Position zu behalten oder gar auszubauen (als „Staat im Staate“).
Gerade im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Punkt, geordnete Rückführung der Westarmee nach Deutschland, wie es im Waffenstillstandsabkommen festgelegt worden war, wurde der OHL (vor allem General Groener) bewusst, dass die große Mehrheit der kriegsmüden Soldaten nicht mehr gewillt war, überhaupt noch eine militärische Befehlsgewalt anzuerkennen. Gleichzeitig gab es aber auch neben der Mehrzahl der bisherigen Offiziere, die sich vor allen anderen ihrem Eid auf den Kaiser verpflichtet sahen, eine Strömung unter manchen Frontsoldaten, hier besonders bei Unteroffizieren, dem drohenden Chaos infolge der politischen Umwälzungen entgegenzutreten.
Diese war dann auch sozusagen die Grundlage für die Bildung der ersten Freikorpsverbände Ende November, Anfang Dezember 1918:
„Die Oberste Heeresleitung schien sehr bald begriffen zu haben, welchen Nutzen sie aus den Freiwilligenverbänden ziehen konnte. General Groener erklärte in seinen Erinnerungen, dass einzig und allein Freikorps der Aufrührer in den Straßen Herr werden könnten; schon in Spa, also vor dem 11. November, habe er diese Ansicht vertreten. Damals habe man sich noch nicht entschließen können, Freiwillige zu werben, da man glaubte, eine reguläre Armee zu besitzen. In Wilhelmshöhe dann, wohin die Heeresleitung übersiedelt war, kam man auf den Plan zurück und hielt im Einvernehmen mit Ebert vertrauliche Besprechungen ab. (…) Er legte seinen Kameraden dar, dass sie bei der Aufstellung von Freikorps nur gewinnen könnten: Ging die Sache schief, dann trug die Regierung Ebert die Verantwortung; gelang sie aber, dann wären diese Freiwilligenverbände wertvolle Reservefonds, aus denen die Oberste Heeresleitung Soldaten für eine inzwischen aufzustellende reguläre Armee holen könnte. Feldmarschall Hindenburg ließ sich durch diese Argumente überzeugen. Am 24. November 1918 sandte die Oberste Heeresleitung einen Geheimbefehl an die starken Truppenverbände in Polen – den Grenzschutz Ost – in dem die Werbung von Freiwilligen zur Sicherung der östlichen Marken angeordnet wurde.“ (7)
Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wird der überragende Einfluss der OHL auf die Bildung der ersten Freikorpseinheiten deutlich; ein Einfluss, der von Anfang an dem eigenen Machterhalt dienen sollte, was sich dann auch im gesamten Jahr 1919 fortsetzen wird. Unabhängig, dass bereits im Waffenstillstandsabkommen die Absicht der Sieger auf Verringerung der Mannschaftsstärke des deutschen Heeres abzielte, die sich natürlich bei den Bedingungen für den späteren Friedensvertrag nur noch stärker herausbildete, versuchten die maßgeblichen Generäle der (alten kaiserlichen) OHL, ihre Idee von einer möglichst großen Truppe zu realisieren. Dabei kam ihr die undurchsichtige Lage an der ehemaligen Ostfront sehr gelegen, da auch die neue Regierung in Berlin kein Interesse daran haben konnte, dass es im Osten zu instabilen Verhältnissen kommen würde.
Diese ganz besondere Gemengelage führte zu einer geradezu kuriosen Situation hinsichtlich der sich zuspitzenden Machtfrage. Denn seit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches galt in der Armee als ungeschriebenes Gesetz, dass keinesfalls jeder Offizier, sondern allein die Reichswehr-Führung das Recht habe, Politik zu treiben. Und zwar, wie General Groener formulierte, „zäh und verschwiegen“. Das Ziel: die Demokratie von Weimar, wenn nicht zur Monarchie, so doch wenigstens zu einer autoritär gelenkten Republik zurückzuentwickeln.
Und an dieser internen Vorgabe sollte sich in den Folgejahren die weitere Entwicklung im Verhältnis des Militärs zur politischen Führung orientieren; selbst als Hindenburg und auch Groener ab Mitte des Jahres 1919 nicht mehr im Amt waren, gab es mit v. Seeckt und vielen anderen hohen Offizieren „Brüder im Geiste“. Der restaurative Zug schlug sich in der Personalauswahl für die neue Armee nieder; bezeichnenderweise gab es überproportional viele (hohe) Offiziere, unter denen der Anteil des Adels höher war als zu Kriegszeiten.
Als dann die im VV festgelegten Abrüstungsbestimmungen im Laufe des Jahres 1920 immer stärker in den Fokus gerieten und es für die Reichsregierung unumgänglich wurde, gegenüber den Alliierten Abrüstungserfolge vorzuweisen, begannen die von der militärischen Führung erarbeiteten Strukturen zu greifen.
Zum Beispiel die bereits erwähnte „Orgesch“: Ursprünglich als eine von vielen Einwohnerwehren in Bayern gegründet und vor allem von Ludendorff und dem in der Reichswehr aktiven General v. Epp unterstützt, gelang es den Organisatoren bereits im Mai 1920, sich auf ganz Deutschland auszudehnen. Hauptmann Ernst Röhm, aber auch der junge Heinrich Himmler waren in der Orgesch aktiv. Aufgabe von Ernst Röhm war es z.B., Waffenlager aus Beständen der Reichswehr anzulegen. Gleichzeitig wurde die Orgesch im ersten Halbjahr 1921 im staatlichen Auftrag bei der Waffenablieferung eingesetzt.
„Die Orgesch lieferte der alliierten Kontrollkommission 179.000 Gewehre ab. Da sie jedoch von der Reichswehr 400.000 Gewehre erhalten hatte, blieben in den verschiedenen geheimen Depots noch 221.000 zurück.“ (8)
Außerdem fungierte die Orgesch auch als eine Art Sammelbecken für Angehörige aufgelöster Freikorpsverbände, um weiterhin milizähnliche Strukturen zu gewährleisten oder insgeheim zu verbergen. Schließlich wurde in der Orgesch auch eine Art „Lobbyarbeit“ betrieben, besonders die Kontaktpflege zwischen den unterschiedlichen Regionalverbänden (vom hohen Norden bis nach Österreich).
In den Ostprovinzen bestand der Schwerpunkt darin, den Einwohner- und Grenzschutz während des polnisch-russischen Krieges 1920/21 zu organisieren, da dort die weitläufigen Grenzen nahezu ungeschützt vor dem Eindringen der beiden Armeen geblieben sind.
„Da sind zum Beispiel die sogenannten »Arbeitskommandos« auf grenznahen Gütern der preußischen Ostprovinzen Ostpreußen, Grenzmark Posen-Westpreußen, Pommern, Brandenburg und Schlesien. (…) aber sie haben auch noch andere Aufgaben: aktiven Generalstabsoffizieren in Zivil, den »mobilen Kreiskommissaren«, unterstellt, bewachen sie die polnische Grenze, denn dazu ist die Reichswehr nicht stark genug, und sie bewachen auch geheime Waffenlager der Reichswehr. (…) besitzt die Reichswehr fünfmal so viele Gewehre, siebenmal so viele Minenwerfer und sechsmal so viele Geschütze, wie der Versailler Vertrag gestattet, ganz zu schweigen von in Heuhaufen verborgenen schweren Haubitzen und in Scheunen sorgfältig gepflegten Jagdflugzeugen, die gänzlich verboten sind. Diese Organisation heißt »Schwarze Reichswehr«“. (9)
Neben (eigentlich verbotenen) Waffen der Reichswehr wurden auch zusätzlich nach der von den Siegermächten geforderten Auflösung der Orgesch ab Juni 1921 „private“ Waffen eingesammelt und versteckt:
„Der Großteil der Waffenlager wurde von den illegalen Freikorps in Obhut genommen und von einer neuen getarnten Reservetruppe, die unter dem später romantisierenden Namen Schwarze Reichswehr bekannt wurde.“ (10)
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass ein beachtlicher Teil an Waffen, aber auch an Mannschaften, die laut VV verbindlich abgerüstet und aufgelöst werden mussten, insgeheim ab Frühjahr 1920 weiterhin existieren sollten.
Die neue Reichswehrführung unter v. Seeckt nahm dabei Bezug auf Planspiele der alten OHL und auch die maßgeblichen Politiker in Berlin hatten zumindest eine ungefähre Ahnung davon, was an Waffen nicht an die Kontrollkommission abgeliefert wurde oder wer tatsächlich an den Grenzen im Osten als sog. Grenzschutz bereit stand. Diese Art stillschweigender Duldung oder auch augenzwinkerndes Wegschauen sollte sich aber noch für die Weimarer Republik als äußerst gefährlich darstellen. Der gesamte Komplex der „geheimen Aufrüstung“ geht aber noch weit über diese Verstöße gegen den VV hinaus: „Dazu gehörten schließlich das Training von Fliegern und die Errichtung von Rüstungswerken (für Flugzeuge, Granaten und Giftgas) in der Sowjetunion.“ (11) Auch dies wird zum Teil sehr realistisch in „Babylon Berlin“ dargestellt.
III) Maßgebliche Führer der „schwarzen Reichswehr“ und die Ruhrbesetzung 1923
Um die reale Gefahr, die von der „schwarzen Reichswehr“ im Herbst 1923 ausging, zu verdeutlichen, ein kurzer Vorspann:
„September 1923. Kaum jemand in Berlin ahnte damals, welche Gefahren der Stadt drohten. Die Regimenter der »Schwarzen Reichswehr« (S. R.) waren in und um die Stadt zusammengezogen, um mit einem »Marsch auf Berlin« das Regierungsviertel zu besetzen und die Regierung zu stürzen. (…) Das Ziel war eine rechte Militärdiktatur in enger Anlehnung an das faschistische Italien. Umfangreiche Judenprogramme sollten den Umsturz begleiten. Eingeleitet werden sollte der Staatsstreich durch die Sprengung der Börse und einem Attentat auf den preußischen Innenminister Carl Severing, der in den rechtsradikalen Kreisen besonders verhasst war. Das Attentat sollte nach dem Vorbild des Rathenau-Mordes erfolgen. Zur Durchführung des Staatsstreiches wurden Verbindungen zur Hitlerbewegung in Bayern und anderen rechtsgerichteten Organisationen aufgenommen. (…) Eines kann indes mit Bestimmtheit gesagt werden: Hätten die Regimenter der »Schwarzen Reichswehr« zusammen mit anderen rechten Verbänden tatsächlich die Reichshauptstadt besetzt, so hätte dies die Ereignisse des Kapp-Putsches bei Weitem in den Schatten gestellt. (…) Tatsächlich war die »Schwarze Reichswehr« eine der wichtigsten Vorläuferorganisationen des Nationalsozialismus in Berlin und Norddeutschland. Fast alle Angehörigen der »Schwarzen Reichswehr«, von denen aufgrund der erhalten gebliebenen Unterlagen biografische Angaben gemacht werden können, haben sich später der NSDAP und ihren Gliederungen angeschlossen und dort nicht selten Führungspositionen eingenommen. Bekannt geworden sind vor allem Walther Stennes und Paul Schulz. Stennes wurde 1927 von Adolf Hitler zum Obersten SA-Führer Ost ernannt, und Schulz wurde 1931 dessen kommissarischer Nachfolger und als Stellvertreter des Reichsorganisationsleiters die »rechte Hand« von Gregor Straßer.“ (12)
An dieser Stelle können natürlich nicht alle aktiven oder ehemaligen Offiziere genannt werden, die an der Herausbildung der „schwarzen Reichswehr“ beteiligt waren; einige Personen sind oben bereits benannt worden. Aber ein Mann kann im Zusammenhang mit dem Thema nicht außen vorgelassen werden: der Major Bruno Ernst Buchrucker.
Als Berufssoldat im Weltkrieg durch besondere Härte in der Personalführung zum Major befördert, gehörte Buchrucker zu den Männern, die nach Kriegsende einfach nicht ins Zivilleben zurückfinden konnten. Bereits Anfang 1919 schloss er sich einem Freikorps an und kämpfte u.a. im Baltikum, wurde dann zunächst in die vorläufige Reichswehr übernommen und entschied sich beim Kapp-Putsch für die Verschwörer. In diesem Zusammenhang ließ er in seiner Garnison in Cottbus mit großer Brutalität gegen streikende Arbeiter vorgehen (mehrere Tote und etliche Schwerverletzte waren das Resultat des von Buchrucker zu verantwortenden Schusswaffeneinsatzes gegen Zivilisten).
Buchrucker wurde Ende September 1920 aus der Reichswehr verabschiedet und gehörte zu den (relativ) wenigen Reichswehroffizieren, die infolge ihres Verhaltens während des Kapp-Putsches aus der Reichswehr ausschieden. Doch damit begann eigentlich erst seine wahre Mission:
„Mit 30. September 1920 hatte Major Buchrucker die Reichswehr verlassen, um sich der Aufstellung der Orgesch in Brandenburg zu widmen Das sagte seinem Temperament besser zu als der lederne Dienst in der Supergendarmerie General von Seeckts. (…) Als die Orgesch 1921 aufgelöst wurde, wollte er weder sein Arbeitsfeld noch die Organisation aufgeben, die er geschaffen hatte. Er ersann daher einen geschickten Plan, um die Forderungen der Alliierten ebenso wie das deutsche Gesetz zu umgehen.
Er schlug seinen ehemaligen Kameraden vom Wehrkreis III der Wehrmacht (Region Berlin-Brandenburg) vor, ein Sonderkommando mit dem Auftrag zu bilden, die Waffenbestände zu sammeln und zu zerstören, auf die das Gesetz über die Entwaffnung der Zivilbevölkerung anzuwenden war. Das Kommando sollte unter dieser Tarnung das gut erhaltene Material aussondern und in Geheimdepots unterbringen. (…) »Dieser Mantel sollte das verdecken, was wirklich geschah: Die Aufstellung von Reservetruppen. ! Nicht Zerstörung, sondern Instandsetzung von Kriegsgerät! Nicht Zivilarbeiter, sondern Soldaten!« (…) Diese Detachements wurden Arbeitskommandos genannt und der Truppenverstärkungsabteilung unterstellt, (…) Ihre tatsächliche Leitung hatte jedoch Major Buchrucker auf Grund eines mit der Reichswehr geschlossenen Privatvertrages. (…) Das erste Arbeitskommando wurde in der Festung Küstrin, der Schlüsselstellung der deutschen Ostverteidigung aufgestellt. Die anderen wurden erst im Frühling 1923 gebildet. Aber gegen das Ende des Sommers gab es diese Kommandos in den Garnisonen von Berlin, Spandau, Hahneberg, Potsdam, Jüterbog, Rathenow, Perleberg, Schwedt, Frankfurt an der Oder, Fürstenwalde, Züllichau, Lübben und Döberitz. Die Ereignisse des Jahres 1923 hatten auch die Haltung der deutschen Behörden gegenüber den illegalen Freikorps stark gewandelt. Das Jahr 1923 war für Deutschland eines der düstersten der Nachkriegszeit.“ (13)
Zwischenergebnis
Nach der Auflösung der Orgesch übernimmt die Untergrundorganisation „schwarze Reichswehr“ unter Major Bruno Ernst Buchrucker deren Waffenbestände. Die Orgesch zerfällt in diverse kleine Gruppierungen, die als reaktionäre Bünde, besonders in Bayern, bestehen bleiben, auf jeden Fall bis 1923.
Bereits Anfang Januar 1923 nahmen Frankreich und Belgien fehlende Sachlieferungen an Kohle und Bauholz, die statt Geld als Reparationsleistungen gefordert wurden, zum Anlass, bereits lange geplante Sanktionen gegen Deutschland zu verhängen: nämlich die militärische Besetzung des Ruhrgebiets.
„Schon im Londoner Ultimatum hatten die Reparationsmächte mit der Besetzung des Ruhrgebiets gedroht. Aber Deutschland hatte sich unterworfen (…). Wenn sich die französische Politik nun auf das Ruhrgebiet richtete, so sind zwei Motive dafür maßgebend. Das militärische Sicherheitsbedürfnis war durch die Nichtratifizierung der Versailler Bündnisverträge mit England und Amerika unbefriedigt geblieben. Durch die Deutschland gewährten Moratorien in den Reparationszahlungen, durch das Versacken der deutschen Währung und die ständigen deutschen Bemühungen um Revision der Reparationsverpflichtungen und internationale Anleihen schienen nun auch in diesem Teil des Versailler Systems die Erwartungen Frankreichs enttäuscht zu werden. Der Besitz der Ruhr aber, so hoffte man in Frankreich, würde erhöhte militärische Sicherheit bedeuten und zugleich eine Schadloshaltung für die nicht gezahlten Reparationen auf einem Weg ermöglichen, für den sogar wirtschaftliche Vernunftgründe angeführt werden konnten.“ (14)
Hinzu kommen noch andere Aspekte für die von Frankreich vorangetriebene Ruhrbesetzung: u.a. langgehegte Planungen in der militärischen Führung in Paris (Ziel: eine Verschärfung des VV) und eine Art Retourkutsche dafür, dass die damalige Reichsregierung Wirth/Rathenau die Westmächte mit dem Vertrag von Rapallo vor den Kopf gestoßen hatten. Mit der Ruhrbesetzung – einer zwar formal gerade noch zulässigen, aber politisch und ökonomisch völlig überzogenen Reaktion – sollte ein besonders folgenreiches Kapitel in der direkten Nachkriegsgeschichte zwischen den ehemaligen Weltkriegsgegnern aufgeschlagen werden: offene Konfrontation zwischen dem Militär Frankreichs und Belgiens mit der deutschen Zivilregierung und der im Ruhrgebiet lebenden Bevölkerung.
An dieser Stelle müssen nur wenige Stichpunkte genügen: Die Reichsregierung unter dem damaligen Kanzler Cuno ruft zum passiven Widerstand im Ruhrgebiet auf verbunden mit zahlreichen Streiks der deutschen Arbeiter, die sich weigerten, für die neuen Herren zu schuften. Daraufhin erfolgen massive Repressalien der französischen Besatzer, die mit zahlreichen Anschlägen und Sabotageaktionen von meist rechtsradikalen Aktivisten beantwortet werden (besonders berühmt der von den Franzosen hingerichtete Albert Leo Schlageter, der nach seinem Tod zu einer Art Ikone des Widerstands stilisiert wurde).
Durch die langwierigen Streikmaßnahmen kam es natürlich zu massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Ruhrgebiet aber auch im übrigen Teil von Deutschland (da die Auswirkungen die gesamte Volkswirtschaft erfassten), die durch horrende Ausgleichszahlungen der deutschen Regierung kompensiert werden sollten: Die Banknotenpresse als Ersatz für die Schäden des passiven Widerstands aber auch als außenpolitisches Instrument, um sich gegen die Ruhrbesetzung zu wehren. Die Unmengen an frischem Geld aus der Druckerei haben die bereits seit 1920 vorhandene starke Geldentwertung schließlich zu einer Hyperinflation ausarten lassen, die das Vertrauen der Menschen in die Politik der Weimarer Republik tief und nachhaltig beschädigte.
Nur als „Randnotiz“: Deutschland hatte 1922 (also unmittelbar vor der Besetzung des Ruhrgebiets) umgerechnet 1,478 Milliarden Goldmark an Reparationen geleistet; der Wert der rückständigen Sachleistungen an Kohle und Holz soll ca. 24 Millionen Goldmark betragen haben (somit weniger als 2 % der Gesamtsumme auf ein Jahr gerechnet). Dieses Beispiel sollte genügen, um die Gefahr jeder Wirtschaftssanktion für alle Beteiligten aufzuzeigen: Wer Sanktionen verhängt, muss diese auch zur Not gegenüber dem Schuldner mit Zwangsmitteln durchsetzen. 1923 führte dies in Deutschland zu einer Inflation gepaart mit massiver Verarmung und einer geldpolitischen Verunsicherung weiter Bevölkerungskreise: von den Sozialhilfeempfängern (meist Schwerstbeschädigte bzw. Witwen und Waisen als Hinterbliebene des Weltkriegs) über Rentner bis zum gesamten Mittelstand. Aber auch die Wirtschaft Frankreichs konnte nicht von den Zwangsmaßnahmen profitieren – von den menschlichen Verlusten auf allen Seiten ganz abgesehen.
Für die Reichsregierung und noch mehr für die Reichswehr musste der Einmarsch französischer und belgischer Truppen in weite Teile des eigenen Staatsgebiets auf längere Dauer auch besondere sicherheitspolitische Überlegungen auslösen, die sich nicht nur auf das besetzte Westdeutschland bezogen:
„Die Weimarer Republik erwies sich als unfähig, Deutschland mit eigenen Mitteln zu verteidigen, und wandte sich erneut an ihre zweifelhaften Verbündeten, die Freikorps. Anlässlich einer Besprechung am 7. Februar 1923, an der Vertreter der Regierung und der Reichswehr teilnahmen, wurde beschlossen, im stillen mit Hilfe der Arbeitsgemeinschaften, der Sportvereinigungen und anderer Tarnorganisationen die Freikorps aufzustellen. Dieser Beschluss ist unter der Bezeichnung Seeckt-Severing-Abkommen bekannt geworden. Man muss von diesem Übereinkommen ausgehen, wenn man die damalige politische Situation und den psychologischen Hintergrund verstehen will, die zum Entstehen der Schwarzen Reichswehr führten. (…) Wegen ihres illegalen Charakters und den strengen Bestimmungen des Vertrages von Versailles konnten sie nur existieren, solange strengstes Stillschweigen eingehalten wurde.“ (15)
Die Aufstellung, genauer gesagt Reaktivierung von Soldaten, die bisher im Verborgenen tätig waren, muss vorzüglich geklappt haben, wie die Resultate zeigten:
„Zu Beginn des Septembers 1923 verfügte die Schwarze Reichswehr über vier Regimenter zu je drei Bataillonen, zusätzlich vier selbständige Bataillone und verschiedene Hilfseinheiten. Insgesamt konnte sie 20000 Mann aufbringen, um die Ostgrenze des Reiches gegen Polen zu verteidigen. Im Verlauf des Sommers begann der Widerstand an der Ruhr nachzulassen (…). Die Regierung fühlte sich von allen Seiten bedrängt und war soweit, sich Frankreich zu beugen.“ (16)
Zu den gesamten wirtschafts- und währungspolitischen Komplikationen anlässlich der Ruhrbesetzung kam innenpolitisch im Sommer 1923 eine weitere Regierungskrise hinzu, so dass der bisherige Kanzler Cuno und sein Kabinett zurücktreten mussten und stattdessen Gustav Stresemann Mitte August Reichskanzler wurde.
Stresemann, der zwar eigentlich als der am längsten amtierende Außenminister in die Geschichte der Weimarer Republik einging, hatte während seiner kurzen Kanzlerschaft letztlich nur ein Ziel: schnellstmögliche Beendigung der Ruhrbesetzung. Damit machte er sich aber alle Anhänger eines vollständigen Boykotts der französischen Fremdherrschaft über das besetzte Ruhrgebiet zum Gegner:
„Auf dem Höhepunkt der Herbstkrise von 1923, als die Franzosen im Ruhrgebiet stehen, die Inflation ihren Höhepunkt erreicht, Bayern, Thüringen und Sachsen dem Reich den Gehorsam aufsagen und der Zerfall Deutschlands bevorzustehen scheint, putscht die »Schwarze Reichswehr«. Am 1. Oktober 1923 versuchen Trupps unter dem Kommando eines Majors Buchrucker, die Regierungsgebäude in Berlin zu besetzen, und als das misslingt, verschanzen sie sich in den Festungen Küstrin, Spandau und Hahnenberg und müssen von regulären Reichswehrtruppen blutig niedergekämpft werden.“ (17)
Erst aufgrund der Ereignisse im Herbst 1923 gelangte die Tatsache, dass sich eine Art Geheimorganisation innerhalb der Reichswehr formiert hatte, an das Licht der Öffentlichkeit:
„Am 1. Oktober 1923 meldete das Reichswehrministerium in einem amtlichen Bericht: »In den frühen Morgenstunden des 1. Oktober haben nationalkommunistische Haufen den Versuch gemacht, sich durch Überrumplung der Festung Küstrin in deren Besitz zu setzen. […] Die Kämpfe dauern noch an.« Nationalkommunistische Haufen? Von solch einer politischen Richtung hatte die Öffentlichkeit bislang noch nie etwas gehört. Ebenso mysteriös und im Dunkeln waren auch die Hintergründe dieser Erhebung. Auch heute noch sind die Vorgänge in Küstrin weitgehend unbekannt. Der Küstriner Putsch ist aber später vor einem Sondergericht in Cottbus verhandelt worden. Dieser dauerte allerdings nur vom 22. bis zum 27. Oktober 1923, sodass in dieser kurzen Zeit längst nicht alle Hintergründe und Zusammenhänge des Putsches sowie des Charakters der »Schwarzen Reichswehr« geklärt werden konnten. Außerdem fand der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und auch das Urteil ist damals nur in sehr kleinen Auszügen veröffentlicht worden, sodass Einzelheiten des Prozesses nicht bekannt wurden.“ (18)
Nach einer anderen Quelle haben sich die Ereignisse deutlich komplexer abgespielt:
„Am 30. September um 16 Uhr erfuhr Buchrucker, dass der Reichswehrminister seine Festnahme angeordnet hatte. Die Armee ließ ihn also im Stich und stieß ihn aus. Das drängte ihn in ein tragisches Dilemma. Wenn er sich verhaften ließ, war zu befürchten, dass seine Leute für ihn eintraten, was zu einem Blutvergießen führen musste. Bei einem Marsch auf Berlin musste man mit den gleichen Folgen rechnen. Nach längerem Nachdenken über dieses unlösbare Problem gelangte der Major zu einer Entscheidung (…). Für diesen Zweck wählte er den am wenigsten politisierten Abschnitt, der in Küstrin lag und daher von Berlin am weitesten entfernt war. In der Nacht zum 30. September erschien er bei dieser Einheit und hetzte die Männer auf (…). Er wurde sofort unter Arrest gestellt, Gudowius befahl, auf die Abteilung der Schwarzen Reichswehr zu schießen. Buchrucker rief nun seinen Leuten zu, sich zu ergeben. Der Scheinputsch von Küstrin endete so, ohne dass ein Schuss gefallen war. Als die Einheiten … vom Scheitern Buchruckers Kenntnis erhielten, gaben sie auch auf. Die Schwarze Reichswehr wurde aufgelöst und ihr Kommandant zu zehn Jahren Festung verurteilt. Auf Grund der Amnestie des Jahres 1927 kam er nach vier Jahren in Freiheit. Wie viele seiner Kameraden schloss er sich dann der Nationalsozialistischen Partei an, schlug sich aber bald auf die Seite Otto Strassers, der seinen eigenen Weg gehen wollte. (…) Ein großer Teil der Freiwilligen der Schwarzen Reichswehr fand auf den großen Staatsgütern von Mecklenburg Zuflucht, wo sie mit ihren Waffen einzogen. (…) Man konnte nämlich auf die Freiwilligen der Schwarzen Reichswehr trotz ihrer Rebellion nicht verzichten. Die Umstände, die die Aufstellung ihrer Einheiten notwendig machte, waren die gleichen geblieben.“ (19)
Auch dieser Vorfall einer Revolte bewaffneter Verbände gegen die legale Regierung reiht sich in eine Kette ganz ähnlicher Fälle, die zwischen 1919 bis 1923 in charakteristischer Weise die Republik erschüttern sollten.
Das erklärt somit auch, warum gerade 1923 als das maßgebliche Jahr für den Komplex der „schwarzen Reichswehr“ gelten muss; 1929 – wie in „Babylon Berlin“ – ist insoweit unerheblich. Jedoch erhält dieses Jahr aus anderen Gründen seinen Platz in der Geschichte der Weimarer Republik, siehe weiter unten.
Zunächst sind noch auf die Nachwirkungen des Küstriner Putsches vom 1. Oktober 1923 hinzuweisen:
„Die Arbeitskommandos werden in der Folgezeit aufgelöst, aber sie feiern in immer neuen Formationen Auferstehung. Zudem verstärkt die Reichswehr ihre Anstrengungen, in den Ostprovinzen aus ortsansässiger Bevölkerung Kadereinheiten für den »Grenz- und Landesschutz« zu schaffen, und auch hier dringen wieder Gruppierungen ein, die der alten Freikorps-Szene entstammen und jetzt bereits in der Nationalsozialistischen Partei ihren neuen Orientierungspunkt sehen.“ (20)
Gerade in Bezug auf den (zumindest mittelbar) fortbestehenden Einfluss paramilitärischer Gruppen, die ab 1923 immer stärker in das Fahrwasser der Hitlerideologie geraten, auf die offizielle Reichswehr bestand eine ständige Gefahr für die zivilen Politiker im Deutschen Reich, aber auch in den Ländern, dass das verfassungsrechtliche und politische Rangverhältnis zwischen Regierung und Militär ins Ungleichgewicht geriet.
Eine Entwicklung, die mit der Wahl des kaiserlichen Generalfeldmarschalls v. Hindenburg 1925 zum Präsidenten der Republik nicht an Brisanz verlor. In diesem Punkt hat „Babylon Berlin“ sicher einen sehr wichtigen Ausschnitt der damaligen Weimarer Verhältnisse beleuchtet. Ebenso bei der Frage der politischen bzw. militärischen Kontakte und Verwicklungen mit der Armee Sowjetrusslands, die von den Machern der Fernsehserie unter dem Stichwort der „geheimen Aufrüstung“ relativ umfangreich, geradezu spannend thematisiert werden:
„So verwischen sich im innenpolitischen Raum die Grenzen zwischen dem Verfassungsinstrument Reichswehr und rechtsradikalen Verfassungsfeinden, während zugleich außenpolitische Komplikationen auftauchen, die der Reichsregierung das Leben schwermachen. Die Flugzeug- und U-Boot-Produktion deutscher Firmen in Spanien, Schweden und den Niederlanden kann noch zur Not als Auftragsfabrikation der dortigen Regierungen kaschiert werden, obwohl es deswegen alliierte Proteste hagelt; sehr viel problematischer ist die Zusammenarbeit der Reichswehr mit der Roten Armee bis hin zur Produktion verbotener Waffen in Russland und gemeinsamer Generalstabsausbildung. Nicht nur das deutsch-französische Verhältnis wird dadurch belastet, denn auf die Dauer sickern zahlreiche Nachrichten über das seltsame Bündnis nach draußen – auch das innenpolitische Klima kühlt empfindlich ab, als der vormalige Reichsministerpräsident und jetzige SPD-Abgeordnete Philipp Scheidemann 1926 vor dem Reichstag sensationelle Enthüllungen macht, die für Reichsregierung, Reichswehr und KPD gleichermaßen peinlich sind.“ (21)
Auch wenn 1929, so wie im Film dargestellt, die geheime Aufrüstung der Reichswehr mit Waffen bzw. Waffensystemen, die laut VV verboten waren, schon aufgedeckt war, so wird dennoch ein Thema behandelt, das real existierte und sehr bedrohlich war, das damals tatsächlich für Schlagzeilen sorgte und das vor allem ein bezeichnendes Licht auf die Macht bzw. politischen Einflussmöglichkeiten der Reichswehrführung wirft.
Besonders aufschlussreich wird diese eigenartige, höchst denkwürdige Verbindung zwischen deutschen Militärs und der Roten Armee, betrachtet man die Dauer dieser „special relationship“: nämlich über zwanzig Jahre! Bereits 1920 hatte General v. Seeckt die Vorstellung, mit Sowjetrussland kooperieren zu können; ein wahrlich jähes Ende fand diese Beziehung, als Hitler 1941 der Wehrmacht den Überfall auf die Sowjetunion befahl. Josef Stalin war nicht der einzige Sowjetführer, der am ersten Tag des deutschen Angriffs aus allen Wolken fiel (nicht nur wegen des im August 1939 geschlossenen sog. Hitler-Stalin-Pakts).
IV) Weitere innenpolitische Vorgänge in „Babylon Berlin“
Um aber die in „Babylon Berlin“ geschilderten Ereignisse im Jahre 1929 zu vervollständigen, soll noch auf folgendes kurz eingegangen werden:
Gleichzeitig oder zumindest neben den Vorgängen um geheime Aufrüstung und von Intrigen innerhalb der Reichswehr, die im Prinzip mehr einen außenpolitischen Bezug hatten, gab es natürlich auch zahlreiche rein innenpolitische Geschehnisse in Berlin bzw. dem damaligen Deutschen Reich:
Wie z.B. die Zusammenstöße und Ausschreitungen am 1. Mai 1929 (sog. Blutmai) zwischen Anhängern der KPD und der preußischen Polizei.
Vorausgegangen waren jahrelange ideologische Auseinandersetzungen im „linken Lager“, die eigentlich bis zu den Tagen des November 1918 zurückreichten:
„In der Kommunistischen Internationale konnten sich 1928 erneut und endgültig die »Linken« durchsetzen. Als »Hauptfeind« galten die »Sozialfaschisten« in der Führung der SPD und der Freien Gewerkschaften, die durch ihre Zusammenarbeit mit bürgerlichen Kräften das zusammenbrechende kapitalistische System stabilisierten. (…) Die SPD behandelte die Kommunisten in ihrer Presse und Wahlagitation kaum weniger feindselig (…). Verbal bekannte sich die KPD weiterhin zum bewaffneten Aufstand, obwohl sie tatsächlich seit dem Hamburger Debakel im Oktober 1923 keinen mehr plante. Aber die martialischen Sprüche reichten, um bei den Staatsorganen Nervosität und harte, manches Mal überharte Abwehrreaktionen hervorzurufen. Da im Reich, in Preußen, in Berlin und in anderen Ländern und Großstädten Sozialdemokraten als Innenminister oder Polizeipräsidenten für die innere Sicherheit verantwortlich waren, vertiefte sich die Kluft zwischen den Arbeiterparteien. Der folgenschwerste Zusammenstoß zwischen KPD-Anhängern und der Polizei ereignete sich am 1. Mai 1929 in Berlin. Um der politischen Gewalt auf den Straßen zu wehren, waren Versammlungen und Aufmärsche unter freiem Himmel seit Dezember 1928 generell verboten. Auch für den traditionellen Demonstrationstag der Arbeiterbewegung, der in Preußen kein gesetzlicher Feiertag war, hielt der sozialdemokratische Polizeipräsident das Verbot aufrecht. Die KPD rief zu Massenprotesten auf, und ihre Anhänger widersetzten sich drei Tage lang den Anordnungen der Polizei. Der Machtkampf mündete teilweise in Straßenschlachten, bei denen mehr als 30 Zivilisten getötet und fast 200 verletzt wurden. Auf Betreiben der preußischen Regierung erließ der Reichsinnenminister, der Sozialdemokrat Carl Severing, ein Verbot des Roten Frontkämpferbundes (…). In den Augen der Kommunisten lieferten der »Berliner Blutmai« und die anschließende Unterdrückung des RFB den eklatanten Beweis für die »sozialfaschistische« Rolle der SPD- Führer.“ (22)
Natürlich bestand die Taktik der KPD-Führung auch darin, medienwirksame Zwischenfälle zu provozieren; da die Weimarer Republik aber als Volksstaat konzipiert worden war, s. Art. 1 S. 2 WRV, in dem Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit garantiert wurden (beachte z.B. Art. 124 Abs. 1 S. 2 WRV, ist es nicht nur höchst unsensibel, wenn durch fragwürdige Totalverbote in diese Rechte eingegriffen wurde und darüber hinaus auch blutige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei in Kauf genommen wurden, sondern auch verfassungsrechtlich unzulässig. Wie gestört das Verhältnis zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern und ihren Vertretern in den 1920er-Jahren gewesen sein muss, soll noch folgendes erhellen:
„Für die Anhängermassen der KPD wäre die These von der fortschreitenden Faschisierung der Sozialdemokratie vermutlich nicht mehr als eine abstrakte Formel geblieben, hätte es nicht Anlässe gegeben, die die Parolen der Komintern zu bestätigen schienen. Wann immer etwa die preußische Polizei gegen die Kommunisten vorging, ließ sich bequem die Sozialdemokratie als Büttel des kapitalistischen Staates anprangern. Das Ereignis, das am meisten dazu beitrug, dem Feindbild von der zunehmend faschistischen Sozialdemokratie breiten und langanhaltenden Widerhall zu verschaffen, war der Berliner »Blutmai« von 1929. Der sozialdemokratische Polizeipräsident der Reichshauptstadt, Karl Friedrich Zörgiebel, hatte auf eine Reihe von blutigen Zusammenstößen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, aber auch zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten im Dezember 1928 mit einem Verbot aller Versammlungen und Demonstrationen unter freiem Himmel reagiert. Im April entschloss er sich, das Demonstrationsverbot auch für den 1. Mai aufrechtzuerhalten. Das war, angesichts der Kampfentschlossenheit der Kommunisten, schwerlich ein geeignetes Mittel, am traditionellen Tag der Arbeit (…), »Ruhe und Ordnung« aufrechtzuerhalten.“ (23)
Wenn daher das Verbot der Demos zum 1. Mai für die Sicherheitsbehörden – zumindest bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände – eigentlich kein wirksames Mittel darstellen konnte, die befürchteten Krawalle zu verhindern (24), müssen sich die politisch Verantwortlichen im Berliner Rathaus und in der preußischen Staatsregierung schon die Frage nach den wahren Motiven gefallen lassen.
Diese waren natürlich in der Konkurrenzsituation zwischen SPD und KPD gerade in Berlin zu suchen (bereits der Rat der Volksbeauftragten ab 10. November bis kurz vor Jahresende 1918, dann noch viel heftiger die Unruhen beim sog. Spartakusaufstand Anfang Januar 1919 standen eindeutig im Zeichen des Spannungsverhältnisses zwischen moderaten und radikalen Sozialisten). Noch Anfang Mai 1929 reagierte die Politik: „Der preußische Innenminister Grzesinski drängte daraufhin, unterstützt von Otto Braun, auf ein Verbot der KPD und ihrer Nebenorganisationen. Reichsinnenminister Severing wollte soweit nicht gehen. Er hielt ein Parteiverbot für unklug, weil es doch nicht durchführbar sei und sich infolgedessen bald als Fehlschlag erweisen würde. Dagegen stimmte er dem von der preußischen Regierung beschlossenen Verbot des Roten Frontkämpferbundes zu und forderte die übrigen Landesregierungen auf, den gleichen Schritt zu tun. (…) Die KPD wurde durch das Verbot des Roten Frontkämpferbundes mit seinen 80 000 Mitgliedern zwar organisatorisch zurückgeworfen, propagandistisch aber zog sie aus dem Staatseingriff Nutzen.“ (25)
Die Feindseligkeiten zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, letztere auch in ihrem Kampf gegen die Staatsmacht, werden in „Babylon Berlin“ eindrücklich dargestellt; besonders prominente Amtsträger, wie der damalige Polizeipräsident von Berlin und der preußische Innenminister, werden in ihrer komplexen Wechselwirkung zwischen Parteipolitik und ihrer Funktion als Staatsdiener treffend beschrieben.
Gleiches gilt auch für besonders undurchsichtige Machenschaften der sog. Preußischen Geheimpolizei.
Es hat sich hierbei um eine ausschließlich „politische Polizei“ gehandelt, wie später die „Geheime Staatspolizei“, genauso wie die „Staatssicherheit“ – in diesem Punkt gibt es in unserem Land eine erstaunliche Kontinuität! (26) Die Zuständigkeit dieser politischen Polizei bestand vor allem in der Überwachung des politischen Lebens sowie in der Verfolgung politischer Straftaten.
Obwohl das Instrument der staatlichen Überwachung des öffentlichen (politischen) Lebens mit Hilfe eines bürokratisch organisierten Verwaltungsapparates ursprünglich im frühen 19. Jahrhundert in Österreich durch Kanzler Metternich „erfunden“ wurde, „perfektioniert“ wurde die staatliche Überwachung dann in Preußen.
(Heute wird der kriminalpolizeiliche Teil des sog. Staatsschutzes von bestimmten Abteilungen der Landeskriminalämter ausgeübt. Oder sollte zumindest ausgeübt werden, was bekanntlich nicht immer so gut funktioniert, da in diesen Deliktsfeldern oft auch die verschiedenen Verfassungsschutzämter involviert sind. Nicht nur beim NSU, sondern auch im Bereich des islamistischen Terrors kommt es häufig zu Kollisionen.)
In der Weimarer Republik stand für die politische Polizei die Bekämpfung von antidemokratischen und antirepublikanischen Personen und Organisationen im Mittelpunkt. Dazu gehörte die radikale Linke ebenso wie die extreme Rechte. Die zur Erfüllung dieser speziellen polizeilichen Aufgaben eingesetzten Mittel waren jedoch selbst oft an der Grenze der Legalität! Dies hatten nicht nur die Kommunisten und ihre Unterstützer am eigenen Leib zu spüren bekommen (wie in der Fernsehserie drastisch dargestellt), sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen. Hier sei nur ganz kurz auf die wirtschaftlichen Verwerfungen und daraus resultierenden politischen Proteste in der Bauernschaft vor allem in Norddeutschland hingewiesen gegen die seitens der preußischen Regierung und Polizei teils mit brutalen Mitteln vorgegangen wurde (Stichwort: „Landvolk“ in Schleswig-Holstein 1928/29; literarisch bearbeitet bei Fallada: Bauern, Bonzen und Bomben).
Die Polizei in Preußen, aber auch im gesamten Reichsgebiet hat zumindest in Bezug auf die politischen Konflikte an den Rändern des Meinungsspektrums in vielen Fällen nicht gerade zur Befriedung der ohnehin angespannten Situation beigetragen; oft wurde auch noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen – von dem ausufernden Spitzelwesen ganz abgesehen (auch hier bietet „Babylon Berlin“ vertiefte Einblicke in den Alltag der Polizeiarbeit).
V) Fazit
Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, lässt sich unter „schwarzer Reichswehr“ eine republikfeindliche Geheimorganisation verstehen, die als heimliche Personalreserve für die Reichswehr organisiert und bereitgestellt wurde und zumindest in Ansätzen auf eine Untergrabung der Weimarer Republik hinarbeitete.
Gleichzeitig betrieb die offizielle Reichswehr, zunächst unter dem Chef der Heeresleitung, v. Seeckt, ab Anfang der 1920er-Jahre, aber auch später noch, oft hinter dem Rücken der Regierung die materielle und personelle Aufrüstung der Armee zur stärksten Macht im Staate.
Die Handlung von „Babylon Berlin“ ist, wie eingangs erwähnt, in das Jahr 1929 gelegt worden.
Zu diesem Zeitpunkt war die „schwarze Reichswehr“ als Geheimorganisation zwar längst aufgedeckt und zumindest den politischen Entscheidungsträgern in der Hauptstadt bekannt. Geheime Rüstungsprojekte im Deutschen Reich, aber auch entsprechende Kontakte ins Ausland gab es allerdings Ende der 1920er-Jahre immer noch in großer Zahl.
Die wirklich kritische Zeitspanne in Bezug auf die „schwarze Reichswehr“ bzw. die geheime Aufrüstung (zunächst als unterlassene Abrüstung) umfasste die Jahre ab Mitte 1920 bis weit in den Herbst 1923. Damals handelte es sich bei der „schwarzen Reichswehr“ tatsächlich um eine Geheimorganisation, die sich aus ehemaligen Freikorpssoldaten und Mitgliedern militanter Selbstschutzverbände, so einem Teil der Einwohnerwehren und besonders der Organisation Escherich, zusammensetzte. Aufgrund der personellen Überschneidungen und Kontakte zwischen der regulären Reichswehrführung und den Hintermännern der „schwarzen Reichswehr“ war es bereits für die Zeitgenossen und ist es auch heute für den Betrachter nicht einfach, klare Kriterien der Abgrenzung bzw. der Aufgabenzuweisung zu ziehen.
Die Ziele dieser Geheimorganisation bestanden von Anfang an in der Errichtung bzw. Überwachung illegaler Waffendepots und als eine schnell und einfach verfügbare Mannschaftsreserve. Ob daneben auch noch die Bildung einer (vorläufigen) militärischen Abwehr, somit eine Art Geheimdiensttätigkeit geplant oder ins Leben gerufen werden sollte, bleibt wohl unklar. Es bestand jedoch Großteils eine sehr bedenkliche Nähe zu offen rechtsradikalen Gruppen, wie der SA.
Auch im Hinblick auf geheime Rüstungsprojekte, vor allem mit der Sowjet-Union (der Roten Armee) gab es in der Ära des Generals v. Seeckt sehr bedenkliche Entwicklungen, die nach außen hin nur oberflächlich kaschiert werden konnten. Allerdings kann nicht verhehlt werden, dass seit Beginn der 1920er-Jahre wirtschaftliche und rein militärische Interessen und Kontakte miteinander verschmolzen.
Allen damals an den zahlreichen Reichsregierungen beteiligten Parteien ging es sowohl um die Wiedererlangung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit als auch um wirtschaftlichen/ handelspolitischen Aufschwung. Notwendige Konflikte bei der Abgrenzung von erlaubten Wirtschaftsbeziehungen und verbotener Aufrüstung wurden insoweit in Kauf genommen.
Doch muss auf eines besonders hingewiesen werden: Eine Gleichsetzung der „schwarzen Reichswehr“ in all ihren unterschiedlichen Facetten mit der bekanntesten rechtsradikalen Terrorgruppe während der frühen Jahre der Weimarer Republik, der „Organisation Consul“ (O.C.), ist unzulässig. (27)
Legt man die enge Auslegung der von B. Sauer vorgeschlagenen Definition zugrunde, scheitert eine Gleichsetzung schon daran, dass die O.C. bis auf das Rathenau-Attentat überhaupt nicht im Wehrkreiskommando III operiert hat.
Aber auch bei der weiten Auslegung des Begriffs scheitert die Gleichsetzung, weil die O.C. nur einen ganz bestimmten, eng gefassten Teil der illegalen Aktionen außerhalb der offiziellen Reichswehr abgedeckt hatte, nämlich das Anlegen bzw. die Überwachung vereinzelter illegaler Waffenlager.
Ob die O.C. tatsächlich als Teil einer geheimen militärischen Abwehreinheit fungiert hat, kann und soll hier nicht entschieden werden, scheint aber wegen unzureichender strategischer Ausrichtung bzw. mangels nachhaltig verfestigter Strukturen der von Kapitän Ehrhardt nur oberflächlich dirigierten O.C.-Aktivisten doch eher unwahrscheinlich.
Auch was rein innenpolitische Konflikte, wie die Verfolgung linksradikaler Arbeiterdemonstrationen, anging, hat insbesondere das SPD-geführte Preußen die Missachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben in Kauf genommen. Ende der 1920er-Jahre, so wie in „Babylon Berlin“ zutreffend dargestellt, war die parteipolitische und ideologische Spaltung der „klassischen“ Arbeiterschaft in Deutschland auf einem Höhepunkt: Insoweit kann die Fernsehserie gar nicht entschieden und drastisch genug das wahre Geschehen wiedergeben und auf spätere Entwicklungen bei der politischen Polizei bzw. künftigen Geheimen Staatspolizei einen beängstigenden Ausblick werfen. Außerdem werden sehr lebensnah die prekären sozialen Verhältnisse im Berlin der späten zwanziger Jahre geschildert: ein Mix aus Armut, schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen, Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen, daneben Ausschweifungen aller Art.
VI) Zur Vertiefung
Wer nach dem vorstehenden Überblick weitere Hintergrundinformationen erfahren möchte und vor allem sich die Frage stellt, wie es zu einer solch paradoxen Entwicklung kommen konnte, dass das Militär der Regierung die maßgeblichen Entscheidungen bei Fragen der wehrpolitischen Planungen abnehmen konnte, für den sind nachfolgende Vertiefungen hilfreich. (28)
Um gleich auf die eben gestellte Frage der Umkehrung des Rangverhältnisses von Politik und Armee einzugehen, gibt es eine simple Antwort: gewachsene Strukturen und Traditionen.
Beim Militär waren – in Preußen letztlich seit über zweihundert Jahren – echte Profis am Werk; die meisten Politiker der jungen Republik (obwohl meist fortgeschrittenen Alters) waren dagegen reine Amateure, in ihren Kompetenzen zu oft limitiert. Manche waren in ihren intellektuellen Fähigkeiten limitiert, wie Reichswehrminister Noske oder Ex-Kanzler Bauer (beide SPD). Andere in ihrem politischen Talent: so z.B. Kanzler Fehrenbach (Zentrum), der Noske-Nachfolger Geßler (DDP) und eigentlich auch Friedrich Ebert (SPD). Andere wichtige Politiker der frühen 1920er-Jahre, wie Joseph Wirth (Zentrum), hatten zwar politische und intellektuelle Befähigungen, waren aber aufgrund ihres Charakters eher ungeeignet, als unumstrittene Führungspersönlichkeiten anerkannt zu werden. Erzberger und Rathenau, trotz aller Widerstände, die ihnen entgegengebracht wurden, mussten das Schicksal teilen, früh Opfer politischer Mordanschläge zu werden.
Der parteilose Walter Simons war viel zu kurz als Außenminister im Amt, um längerfristig Akzente setzen zu können. Im Prinzip gab es nur ein Ausnahmetalent, das auch von den hohen Militärs respektiert oder gar gefürchtet wurde: Gustav Stresemann als Nachfolger des völlig überforderten Wilhelm Cuno. Doch Stresemann wurde erst im Krisenjahr 1923 zu der überragenden politischen Gestalt, als die er auch heute noch gilt. 1920 bis zum Sommer 1923 hielt er sich dagegen noch in der zweiten Reihe auf, so dass die hohen Generäle ihn noch nicht zum direkten Gegenspieler hatten.
Erst mit der Übernahme von Regierungsämtern sah die Reichswehrführung, allen voran General v. Seeckt, in Gustav Stresemann ihren Hauptgegner. Ihm wurde vor allem vorgeworfen, die von der Reichswehr betriebene illegale Aufrüstung zu sabotieren, die Kontakte zur Sowjet-Armee zu stören und den ins Ruhrgebiet eingedrungenen Franzosen nur ungenügenden Widerstand entgegenzusetzen.
Doch mit dem Abbruch des passiven Widerstands, der Ende 1923 überwundenen Inflation und danach einsetzenden außen- wie wirtschaftspolitischen Beruhigung und Konsolidierung entspannte sich auch das Verhältnis zwischen den Militärs und Stresemann.
Bis auf wenige Ausnahmen war somit der wirklich entscheidende Unterschied zwischen den Politikern der jungen Republik, die von den gesamten Ereignissen im November 1918 geradezu übermannt wurden, daher auch komplett überfordert waren, und der OHL bzw. dem gesamten Offizierskorps der, dass die hohen Militärs bereits vor dem Ende der Monarchie bzw. vor dem Umsturz der politischen Verhältnisse eine durchaus stringente Konzeption für die Zukunft entwickeln und dementsprechend auch die Weichen für die neue Zeit stellen konnten.
Betrachtet man aus der zeitlichen Distanz von über neunzig Jahren die damaligen Vorgänge und herrschenden Zielsetzungen, die in der Weimarer Republik der Zwanziger Jahre im Verhältnis von Militär und ziviler Staatsgewalt maßgeblich waren, wird man an den Satz von der „Logik des kleineren Übels“ erinnert (so eine Kapitelüberschrift von H.A. Winkler in seinem Standardwerk zu Weimar). Wie jedes Übel hatte auch die äußerst wohlwollende Behandlung der OHL durch die entscheidenden Kräfte im Rat der Volksbeauftragten und später in den ersten Reichskabinetten zwei Seiten: Echte Dankbarkeit der neuen Regierung für die alten Militärs wegen der nahezu unkomplizierten Rückführung des Feldheeres von der ehemaligen Westfront.
Aber zumindest anfangs ein ziemlich gemischtes Gefühl bei der massenhaften Aufstellung von Freikorps u.ä. und beim Thema unterbliebene Abrüstung, woraus dann später geheime Aufrüstung werden sollte.
Doch im Laufe des Jahres 1919 sollten diese gemischten Gefühle gerade bei den Mehrheitssozialisten immer stärker schwinden, da mit Gustav Noske als Reichswehrminister ein Mann gefunden schien, der das Bedürfnis der Regierung und des ganzen Landes nach Ruhe und Ordnung mit den militärpolitischen Überlegungen der alten OHL bzw. neuen Reichswehrführung in Einklang bringen konnte.
Wie beim Ebert-Groener-Pakt nach den Umwälzungen im November 1918, war mit Noske der Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen von Militärs und Zivilgesellschaft garantiert; zumindest solange die hohen Generäle ihren Willen bekamen und echte Gegensätze ausblieben. Ab Frühjahr 1920 sollte sich diese Situation jedoch entscheidend ändern, daher begann dann auch das Eigenleben der Reichswehr.
Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen General Groeners vom 5. November 1918 während der Sitzung der (noch kaiserlichen) Staatssekretäre in Berlin: Seine bereits zu diesem Zeitpunkt entwickelten Thesen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung sei, alles zu tun, um das Offizierskorps auch künftig „wieder auf die Höhe zu bringen“ und nur das feste Gefüge des Heeres imstande sei, das Deutsche Reich vor Zersetzung im Inneren und äußerem Zerfall zu retten (29), sind als richtungsweisend für die spätere Reichswehr zu betrachten.
Oberste Prämisse des Militärs war daher die Erhaltung der Integrität des Offizierskorps (unabhängig von personellen Einschnitten) und Schaffung ausreichender Einflussmöglichkeiten für die Armee im Deutschen Reich auch nach Wegfall der Monarchie bzw. der unausweichlichen Kriegsniederlage.
Auch wenn nicht alle Einzelheiten bedacht werden konnten und insbesondere das Verhalten der Siegermächte im November 1918 nur schwer vorhersehbar gewesen ist, gelang es der OHL bzw. den maßgeblichen Generälen doch überraschend erfolgreich, ihr Nachkriegskonzept umzusetzen. Dies diente aber nicht als Selbstzweck, sondern als Grundlage für eine künftige starke, wenn nicht sogar überragende Stellung im neuen Staat (fast unabhängig, welche politische Richtung die neue Staatsführung einschlagen würde). Hierzu Auszüge einer aufschlussreichen „Strategiesitzung“ des Militärs zu den wichtigsten Punkten:
„Am 20. Dezember 1918 findet im Gebäude des Großen Generalstabs eine Offiziersversammlung statt. Das Wort führt ein untersetzter, kahlköpfiger Major im Namen der Obersten Heeresleitung – sein Name ist Kurt v. Schleicher. Erst wenn wieder Ordnung herrsche, werde auch die Wirtschaft wieder gesunden. Erst dann, »nach langen, mühevollen Jahren könne an die Wiedererrichtung der äußeren Macht herangegangen werden«. (…) Seeckt widerspricht Schleicher mit knappen Worten. Die Wiederherstellung der Regierungsgewalt und der Ordnung im Inneren sei eine Selbstverständlichkeit; aber die Wirtschaft sei nicht wiederaufzurichten, solange das Land politisch ohnmächtig bleibe. »Für ein Land, das im Augenblick Machtmittel nicht zur Verfügung habe, um sich durchzukämpfen, ergebe sich die Pflicht, die belassene Wehrmacht wenigstens so zu gestalten, dass man ein begehrenswerter Bundesgenosse für andere würde… Deutschland müsse so schnell als möglich wieder bündnisfähig sein.« (…) Seeckt dagegen erklärt die politische Macht des Reiches für das Wichtigste, und politische Macht heißt: militärische Bündnisfähigkeit, also Ausbau des Heeres.“ (30)
Da v. Seeckt unmittelbar nach dem Kapp-Putsch Chef der Heeresleitung wurde, somit ganz an die Spitze der Armee trat, glaubte er auch endlich das umsetzen zu können, was er nur 15 Monate zuvor skizziert hatte: Rückgewinnung militärischer Macht zum Zwecke der außenpolitischen Bündnisfähigkeit (ein Aspekt, der zumindest grundsätzlich an die frühere Außenpolitik Bismarcks erinnert, aber ohne dessen Person nur schwer realisiert werden konnte).
Zu dem allgemeinen strategischen Vorteil der Militärs, dass diese bereits zu einem Zeitpunkt konkrete Konzepte erarbeiteten, als sich die (zivilen) Politiker noch mit den Mühseligkeiten der desaströsen Nachkriegszustände im Deutschen Reich plagen mussten, kamen natürlich noch rein taktische Überlegenheiten: ohne Hilfe der Militärs kein geordneter Rückzug bis Mitte Dezember 1918 und keine notwendige Abrüstung im Hinblick auf die Vorgaben des Waffenstillstandsabkommens und auch schon auf einen künftigen Friedensvertrag.
Wie bei vielen anderen Entwicklungen und Problemen in der Weimarer Republik, gab es auch bei den Themen „schwarze Reichswehr“ und geheime Aufrüstung ein Zusammenspiel von innen- mit außenpolitischen Ereignissen: Im Juli 1920 fand zum einen die Konferenz im belgischen Spa statt, weitere sollten folgen (vor allem 1922 in Genua), zum anderen befand sich der polnisch-russische Krieg auf seinem Höhe- und dann auch Wendepunkt.
Die vormaligen Feinde, Deutschland und Russland, und vor allem die ideologischen Wiedergänger auf beiden Seiten, Lenin und die OHL, standen ab Ende 1918 bzw. Mitte 1919 (Abschluss des VV) unverhofft auf derselben Seite, nämlich gegen die westlichen Alliierten. Diese Riesendummheit hatten Franzosen und Engländer alleine zu verantworten und hätten daher auch die Konsequenzen tragen müssen.
Zu diesen Konsequenzen zählte einerseits die taktische Annäherung etlicher hoher deutscher Militärs, besonders v. Seeckt, an die Bolschewisten, aber auch Lenins taktisch geprägtes Verständnis für deutsche Überlegungen zur Änderung der Ostgrenze. Dies ging soweit, dass der kommunistische Revolutionsführer einem „Zusammengehen“ mit Deutschland gegen Polen, das er als gemeinsamen Feind betrachtete, zumindest nicht abgeneigt war. In Berlin waren Lenins Gedankenspiele nicht unbekannt, was dann im Sommer 1920 während des polnisch-russischen Krieges zu einer wohlwollenden Neutralität gegenüber Russland führen sollte.
Diese Entwicklung gleich nach der staatlichen Neuordnung Europas seit 1919 war nicht zufällig: „Überdies bleibt die polnische Politik weiterhin nach Westen wie nach Osten expansiv, und da Polen eine starke und gut ausgebildete Armee besitzt, gibt es hinreichenden Grund für Deutschland wie für Sowjetrussland, sich durch Polen bedroht zu fühlen. Andererseits sind weder Deutschland noch die Sowjetunion geneigt, sich mit dem Verlust ihrer einstigen, nun zu Polen geschlagenen Provinzen auf die Dauer abzufinden. So ist es der gemeinsame Gegner Polen, der die beiden so ungleichen Partner zusammenführt, und zugleich das gemeinsame Schicksal als Parias der Völkerfamilie. Schon im Frühjahr 1920 erklärt General v. Seeckt, erst wenige Wochen Chef der Heeresleitung der deutschen Reichswehr, man müsse sich mit Russland »zu gemeinsamer Arbeit« zusammentun. (…) Mit dem revolutionären deutschen Kommunismus erlebt Moskau nur Enttäuschungen (…). Nach dem Scheitern des »Deutschen Oktober« im Herbst 1923 verzichtet die Sowjetunion vorerst darauf, Lenins Traum von der Überwindung des kapitalistischen Staatensystems durch die sozialistische Völkergemeinschaft unter einer Art deutsch-russischen Kondominiums zu verwirklichen. Stattdessen konzentriert sie ihre revolutionären Aktivitäten ganz auf Asien und betreibt in Europa fortan nüchtern-rationale Politik mit den klassischen Mitteln. Diese Politik heißt: Schutz des »Sozialismus in einem Lande«, also Status quo in Europa. Der wichtigste Verbündete hierbei ist Deutschland, das als neutrale Macht Russland vor den aggressiven, konterrevolutionären Gelüsten Frankreichs und der angelsächsischen Mächte abschirmt. Mit Deutschland schließt man frühzeitig handelspolitische Verträge, die der deutschen Wirtschaft helfen, man arbeitet eng mit der deutschen Rüstungsindustrie zusammen und lässt die Reichswehr, zu beiderseitigem Nutzen, nicht nur in Russland Manöver abhalten, sondern auch alles das installieren, was in Deutschland unter dem Versailler Vertrag verboten ist (…). Dass die Reichswehr im Fall des Bürgerkriegs mit in Rußland gefertigter Munition auf deutsche Kommunisten schießt, nimmt die sowjetische Führung billigend in Kauf. Das hat durchaus klassische Züge kontinentaler Machtpolitik, aber dahinter steht noch mehr. Auf der Plenartagung des Zentralkomitees der KPdSU im Jahr 1925 legt Stalin die eigentlichen, die strategischen Absichten Sowjetrusslands dar: Es gilt zunächst zu verhindern, dass sich die imperialistischen Mächte zum gemeinsamen Vorgehen gegen Russland zusammenfinden. Die Spannungen zwischen ihnen – und die Förderung der deutschen Rüstung ist ein wichtiges Element der Spannung – werden sich unweigerlich früher oder später in einem Krieg zwischen den kapitalistischen Staaten entladen, und in diesem Falle »werden wir nicht untätig zusehen können, wir werden auftreten müssen, aber wir werden als letzte auftreten, um das entscheidende Gewicht in die Waagschale zu werfen, ein Gewicht, das ausschlaggebend sein dürfte…«.“ (31)
Ohne zu übertreiben, wird man diese Planungen Stalins als gefährliches Spiel mit dem Feuer bezeichnen dürfen. Der äußere Verlauf des Zweiten Weltkriegs unterstreicht die Worte Stalins! 1945 hatte die Rote Armee Berlin erobert und stand an der Elbe.
Auch wenn es vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kein förmliches Bündnis mit Sowjetrussland geben sollte (lässt man den späteren Hitler-Stalin-Pakt außer Betracht), wurden entsprechende Überlegungen bei der Reichswehrführung angestellt, wie man in militärischen Fragen mit den Russen zusammenarbeiten könnte, was dann die Grundlage etlicher „Geheimprojekte“ wurde, die im Prinzip alle gegen die einschlägigen Vorschriften des VV verstießen – beide Seiten wussten dies auch und nahmen es billigend in Kauf. Drei Wegmarken sollen hier kurz vorgestellt werden:
1) Konferenz von Spa (5. – 16.07.1920)(32)
Diese internationale Konferenz an geschichtsträchtigem Ort, an der Deutschland erstmals seit der Niederlage offiziell als gleichberechtigter Verhandlungspartner teilnehmen durfte, was allein schon eine protokollarische Aufwertung bedeutete, sollte im Wesentlichen drei Hauptgegenstände umfassen: die Reparationsfrage, Umfang der von Deutschland geschuldeten Kohlelieferungen und die Entwaffnung, also wieweit die militärischen Vorgaben des VV bereits erfüllt worden waren.
Der erst wenige Tage im Amt befindliche Kanzler Fehrenbach (33), der sich als Motto für seine Amtsführung die „Rechtstreue“ vorgeben hatte, hoffte auf eine bestimmte Reihenfolge der Themen, nämlich zuerst Fragen im Zusammenhang mit den Reparationsverpflichtungen und dann erst solche zur Abrüstung. Doch die Siegermächte bestanden auf umgekehrte Reihenfolge, also erst die Überprüfung der Abrüstungsbemühungen Deutschlands seit Inkrafttreten des VV (10.01.1920).
Bei diesem ungeliebten Thema musste Fehrenbach jedoch mit entwaffnender Ehrlichkeit gegenüber den Siegern einräumen, dass Deutschland weit hinter den vertraglichen Vorgaben zurückgeblieben war.
Neben der umfangreichen Ablieferung von Kriegsmaterial hätte der Truppenstand beim Heer zum 10.04.1920 nur noch 100.000 Mann betragen dürfen. Zum Zeitpunkt der Konferenz in Spa waren es aber mindestens noch doppelt so viele Soldaten; und eigentlich wollte das Kabinett Fehrenbachs eine Stärke von 200.000 Mann durchsetzen (was eine Revision des VV bedeutet hätte). Grund hierfür waren die erst kürzlich überstandenen Vorkommnisse, vor allem der Ruhrkrieg Ende März/Anfang April 1920, der den Einsatz massiver militärischer Kräfte gegen die Aufständischen im Inneren erforderlich machte (bloße Polizeieinheiten waren von vorneherein machtlos gegen die Linksradikalen).
Aber auch die Erkenntnis, dass die weitläufigen Grenzen im Osten des neuformierten Staatsgebiets besser geschützt werden sollten, was ebenfalls ein deutlich höheres Kontingent erfordert hätte, als bisher von den Alliierten vorgesehen. Trotz eines gewissen Verständnisses bei den Briten hatte Fehrenbach keine Chance, die Aufstockung der Heeresstärke durchzusetzen. Die personelle Abrüstung musste daher – wie auch immer – gegenüber den Siegermächten vorgenommen werden.
Der neue Chef der Heeresleitung v. Seeckt musste auf besonderen Druck der Gastgeber zur Konferenz nachreisen, um als zuständiger Militär die Rückstände Deutschlands bei den Abrüstungsvereinbarungen gegenüber den Siegermächten zu verantworten bzw. unbequeme Nachfragen zu beantworten.
General v. Seeckt, bis dahin wenig mit den wirklichen Niederungen der europäischen Nachkriegspolitik (zumindest auf dieser internationalen Ebene) vertraut, musste die Hilflosigkeit des Reichskanzlers und seiner Minister erkennen, die trotz objektiv vernünftiger Gründe hinsichtlich einer erhöhten Truppenstärke bei den Alliierten auf Granit bissen und gezwungen waren, erneut verbindliche Zusagen zur Abrüstung der deutschen Armee abzugeben – wohlwissend, dass es erhebliche Probleme bei der Vermittlung der Verhandlungsergebnisse im Inneren und bei der Frage des effektiven Schutzes der Außengrenzen geben würde.
Derselbe General, der am 20. Dezember 1918 eine relevante Mindestgröße und damit verbundene ernsthafte Wehrfähigkeit der Armee als Grundlage für die künftige Bündnispolitik Deutschlands nachdrücklich einforderte, sah sich nach der Konferenz von Spa gleichsam in der Zwickmühle, seine eigene Agenda mit der von außen erzwungenen offiziellen Reichspolitik in Einklang zu bringen; somit wurden „kreative Buchführung“ und ein Höchstmaß an Blindheit gegenüber den rechtlichen Vorgaben zur Richtschnur des künftigen Handelns der deutschen Heeresleitung.
Spitzfindig könnte aber auch behauptet werden, hätte sich der damalige britische Premier Lloyd George, der die von der Reichsregierung vorgetragenen innenpolitischen Notwendigkeiten für eine Teilrevision der Abrüstungsbestimmungen des VV doch sehr gut nachvollziehen konnte, da Großbritannien damals selbst mit dem Konflikt um Irland (und bezogen auf die Region Nord-Irland bis heute noch) sicherheitspolitische Komplikationen erfahren musste, gegenüber seinen französischen Kollegen besser behauptet, wäre die in den 1930er-Jahren einsetzende Politik des „Appeasements“ gerade der Engländer gegenüber dem Dritten Reich eventuell vermeidbar gewesen.
2) Der polnisch-russische Krieg von 1920/21
Ein weiterer außenpolitischer Vorgang mit entsprechender Rückwirkung auf die deutsche Innen- und Wehrpolitik war der polnisch-sowjetische Krieg zwischen 1919 und 1921, dessen Höhepunkt sich auf das Jahr 1920 konzentrierte:
„Hier kommt dem Ereignis des russisch-polnischen Krieges von 1920 entscheidende Bedeutung zu: er führt zum ersten Mal seit der Beendigung der Baltikumkämpfe wieder zu einer unmittelbaren deutsch-russischen Berührung und wirft in der Phase der großen Erfolge der Roten Armee die Frage nach einer Verständigung über die polnische Frage auf. Soweit die bisher bekanntgewordenen Dokumente ein Urteil gestatten, muss man jedoch annehmen, dass erst nach der Wende in der Schlacht um Warschau auf sowjetischer Seite das Interesse an einer Verbindung mit der deutschen Armee gewachsen ist; vielleicht hat man in Moskau vorher während des Vormarsches nach Westen eher an einer revolutionären Überrumpelung Deutschlands gedacht und begann sich erst dann auf eine militärisch-machtpolitische Entscheidung umzustellen. Während noch am 2. August Tschitscherin den deutschen Vorschlag, die diplomatischen Beziehungen unter gewissen Bedingungen wieder aufzunehmen, praktisch ablehnend beantwortete, ließ Trotzki zwölf Tage nach dem Wendepunkt des Krieges vor Warschau ein Angebot, sich mit Deutschland über die Grenzen von 1914 zu verständigen, durch Enver Pascha an Seeckt gelangen. Nicht nur die Tatsache, dass der polnische Krieg weniger als revolutionär-ideologischer denn als nationaler Krieg empfunden wurde, hat die Annäherung an Deutschland begünstigt, sondern sein negativer Ausgang und die in seinem Verlauf zutage getretenen Mängel der Roten Armee verstärkten auch das Bedürfnis, die Rüstung der Sowjetmacht zu verbessern, wozu man gerne die deutsche Hilfe in Anspruch nehmen wollte. (…) Für Trotzki hatte den Ausgangspunkt für die Verhandlungen mit der Reichswehr zweifellos das Bedürfnis gebildet, beim Aufbau der Roten Armee deutsche technische und organisatorische Hilfe zu gewinnen; die folgenden rüstungswirtschaftlichen Verhandlungen, für die das Dekret über die Pachtkonzessionen die Voraussetzungen geschaffen hatte, machen dies deutlich. Deutschland sollte dabei der Gebende sein und dafür wirtschaftliche und kommerzielle Vorteile gewinnen. Doch ließen sich auf einem so gefährlichen Terrain, wie dem rüstungswirtschaftlichen ohnehin die politischen Gesichtspunkte von vornherein nicht ausschließen. Zweifellos sahen die Sowjets in der militärischen Zusammenarbeit von Anfang an ein Mittel, Deutschland an die Sowjetmacht zu binden, seine Aufrüstung unter Kontrolle zu halten, seine wirtschaftlichen und militärischen Interessen nach dem Osten zu lenken und die Kluft zwischen den Alliierten und Deutschland zu vertiefen, wie dies Lenin im Dezember 1920 offen aussprach. (…) Die wirtschaftlichen und die militärischen Kontakte beginnen sich jetzt zu treffen: im gleichen Winter 1920/21, in der Schlesingers Bemühungen um den Ausbau der Fürsorgestellen und die Intensivierung des wirtschaftlichen Austauschs zwischen Deutschland und Sowjetrussland fallen, scheinen die ersten Anknüpfungen der Militärs vor sich zu gehen. Damals wurde die sog. »Sondergruppe R« im Reichswehrministerium begründet, die die Verbindung mit Russland bearbeitete. Eine Delegation deutscher Offiziere nahm die militärische Verbindung in Moskau auf; im September 1921 wurden die Geheimverhandlungen in Berlin … fortgesetzt. Erst im Dezember 1921 trat Seeckt selbst aus der Reserve heraus und verhandelte persönlich mit den Russen“. (34)
Auch wenn bekanntlich die Anführer der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917, allen voran Lenin, genügend Gründe hatten, sich der erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem deutschen Militär zu erinnern, obwohl der Abschluss des Separatfriedens von Brest-Litowsk eher holprig zustande kam, was nicht zuletzt dem besonders auf seine Selbstdarstellung bedachten Trotzki zuzurechnen war, verlief der Start der deutsch-russischen Militärbeziehungen ab 1921 doch nicht so unkompliziert, wie man eigentlich hätte vermuten können.
Dies lag jedoch weniger an weltanschaulichen Differenzen, die insbesondere für Lenin keine Hinderungsgründe gewesen waren, da er ausschließlich auf bedingungslosen Machterhalt fixiert war, sondern an den besonders undurchsichtigen politischen Gesamtzuständen im Nachkriegseuropa der Jahre 1919 bis 1922.
Wie Berlin musste auch Moskau – soweit faktisch möglich und auch taktisch geboten – sowohl vorsichtig in der Außenpolitik wie auch auf Ausgleich bzw. Konsolidierung in der Innenpolitik bedacht agieren; übereilte Festlegungen und einseitige Parteinahme waren daher für beide Außenseiter der neuen europäischen Staatengemeinschaft unangebracht. Aus der Sicht der deutschen Regierungen (zählt man den Rat der Volksbeauftragten als reguläres Organ dazu, gab es seit November 1918 bis 1921 sechs Reichsregierungen unterschiedlicher parteipolitischer Zusammensetzung) galt es zunächst, die Siegermächte (vor allem England und Frankreich) von der Friedfertigkeit der neuen Republik zu überzeugen, da man bis weit in das Frühjahr 1919 auf einen „gerechten“ Friedensvertrag im Sinne der scheinbar auf Ausgleich bedachten 14 Punkte von US-Präsident Wilson hoffte. Als dieser Wunschtraum geplatzt war, konnte Berlin aber auch nicht sofort ins sowjet-russische Lager übergehen, selbst wenn es die maßgeblichen Politiker gewollt hätten, was aber vor allem bei den Mehrheits-Sozialisten um Ebert, Noske oder Scheidemann überhaupt nicht der Fall war (es war ja der Zentrumspolitiker Wirth und deutlich verhaltener der linksliberale Rathenau, die dann 1922 auf die Russlandkarte setzten).
Aber auch die roten Herren im Kreml hatten zunächst andere Prioritäten als blindlings die durchaus traditionsreichen preußisch-russischen Beziehungen wiederauferstehen zu lassen; seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem damals noch kaiserlichen Deutschland und der fragilen Sowjetmacht Anfang November 1918, gefolgt von dem teils wüsten Treiben deutscher Söldnertruppen im Baltikum bis zum Winter 1919 und den Versuchen der deutschen Regierung 1920, sich den Westmächten anzunähern, die natürlich auch in Moskau beobachtet wurden, gab es also einige atmosphärische Störungen zwischen Deutschland und Sowjet-Russland, die nur behutsam und umsichtig überwunden werden konnten:
„Das Ergebnis aller dieser Bemühungen war vielmehr ein Geflecht verschiedenartiger Einzelabmachungen, von denen bisher noch lange nicht genügend und vor allem nur der Anteil des deutschen Partners bekanntgeworden ist. Für ihn standen im Wesentlichen zwei Ziele im Vordergrund: einmal der Versuch, die Rüstungsbeschränkungen des Versailler Vertrages durch Waffenproduktion in Russland zu durchbrechen, und dann die Möglichkeit, durch Erprobung von Material und Ausbildung kleiner Stammkader in der Panzerwaffe und Fliegerei den Anschluss an die militärtechnische Entwicklung der anderen Armeen nicht zu verlieren und die technischen und personellen Voraussetzungen für eine spätere Aufrüstung zu schaffen. Was die wirtschaftliche Seite anlangt, so muss man zwischen den gemischten deutsch-russischen Gesellschaften, den Pachtkonzessionen, von denen eine auch Krupp besaß, und den getarnten rüstungswirtschaftlichen Unternehmungen unterscheiden. Diese waren den ersteren in der Form angepasst und wurden unter dem Tarnnamen »Gesellschaft zur Förderung gewerblicher Unternehmungen« … geführt, tatsächlich aber verfolgten sie ganz andere Ziele. Im Einzelnen handelte es sich um ein von Junkers betriebenes Flugzeugwerk in Fili bei Moskau, um eine Fabrik für Giftgase in Bersol bei Samara und um die Herstellung von Artilleriemunition in verschiedenen russischen Werken (…). Dass auch noch über andere Rüstungsfabriken verhandelt wurde, geht aus einem Bericht Viktor Kopps an Trotzki vom 7. April 1921 hervor, in dem unter anderem auch von einer Konzession für die Herstellung von Unterseebooten durch Blohm und Voß die Rede war. (…) Noch nicht im gleichen Maße aufgehellt ist die Entwicklung der Schule für Ausbildung und Technik des Gaskampfes bei Saratow und der Kampfwagenschule in Kasan. (…) Dagegen fällt einiges Licht auf die Ausbildung von Truppenführern der Roten Armee an deutschen Militärschulen und an der getarnten Generalstabsausbildung des Reichswehrministeriums. (…) »Die Deutschen gaben, die Russen nahmen. Sämtliche Vorschriften, alle taktischen und operativen Studien, die Richtlinien für Ausbildung und Einsatz, selbst die organisatorischen Planungen der illegalen Aufrüstung, kurz ein Material, das in der Reichswehr selbst strengster Geheimhaltung unterlag, wurde Moskau zur Verfügung gestellt. Dies geschah ohne Vorbehalt und ohne Gegenleistung.« Kein Zweifel, dass es sich hier um die große Gegenrechnung handelt, die die Sowjets Seeckt für die der Reichswehr gewährten Konzessionen präsentierten.“ (35)
Hier wird deshalb großzügig aus einschlägiger Quelle zitiert, um das Ausmaß der illegalen Zusammenarbeit zwischen der deutschen Reichswehr und der sowjet-russischen Roten Armee wenigstens im Ansatz aufzuzeigen. Diese dauerte bis zum Ende der Weimarer Republik an, überdauerte zahlreiche deutsche Regierungen und verschiedene internationale Entwicklungen und kam selbst mit der Machtergreifung Hitlers 1933 nicht zum Erliegen – das rein militärische, aber auch das diplomatische Verhältnis zwischen dem faschistischen Deutschland und der kommunistischen Sowjetführung unter Stalin war bis 1940/41 geradezu vorzüglich!
Eine wichtige taktische Ursache für die sich stetig verbessernden politischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion war die Wahrung strikter Neutralität im Sommer 1920, als der polnisch-russische Krieg auf der Kippe stand und sich die Reichsregierung weigerte, französische Nachschublieferungen an Polen durch deutsches Staatsgebiet befördern zu lassen. Dass kurz vorher die Konferenz von Spa für Deutschland nicht unbedingt von Erfolg gekrönt war, wird die Entscheidungsfindung beeinflusst haben. Im Laufe der nächsten ein bis zwei Jahre kam dann noch eine deutliche wirtschaftspolitische Annäherung hinzu (auch dabei spielten die weltanschaulichen Differenzen gar keine Rolle).
3) Rapallo
Der Erfolg bzw. die unmittelbaren Auswirkungen des deutsch-russischen Vertrages von Rapallo vom 16. April 1922, der eigentlich am Rande der Konferenz von Genua, die seit dem 10. April 1922 unter Beteiligung von 29 Staaten stattfand, zunächst fast unbemerkt abgeschlossen wurde, bestanden weniger in seinem konkreten Inhalt, sondern im internationalen Echo, das er auslöste: Insbesondere Frankreich fühlte sich brüskiert.
Aber auch das britisch-französische Verhältnis im Hinblick auf ihre gemeinsame Haltung und Politik gegenüber Deutschland war 1921/22 von Spannungen geprägt, da Großbritannien in der Schlesien-Frage eine andere Position einnahm als die unversöhnlichen Franzosen; dennoch blieben die Engländer der Form nach auf Seiten Frankreichs, als es um die Abstimmungsfrage ging. Diese „Stimmungslage“ spielte damals bei der Annäherung der deutschen Regierung mit ihren russischen Kollegen eine unübersehbare Rolle.
„Letztlich jedoch gab London nach, und es nützte den Deutschen wenig, dass sich Lloyd George auf der Interalliierten Konferenz von Paris im August 1921 von der französischen Machtpolitik distanzierte. Schlesien sei seit Jahrhunderten eine deutsche Provinz gewesen, »viel länger als die Normandie eine französische«. Dem europäischen Frieden sei der derzeitige Kurs der alliierten Politik abträglich. Kurz danach versuchte der britische Premierminister ein letztes Mal, der internationalen Politik seinen Stempel aufzudrücken. Es war seine Initiative, dass am 10. April 1922 in Genua eine internationale Konferenz zusammentrat, die Finanz- und Wirtschaftsfragen gewidmet war (…). Insbesondere war an ein internationales Konsortium gedacht, das Kredite für Russland bereitstellen und damit zu seiner Integration in die europäische Wirtschaft und Anbindung an den Westen beitragen sollte. (…) In Deutschland wurden die Konsortiumspläne begrüßt und einem bilateralen deutsch-sowjetischen Abkommen vorgezogen, um das sich Moskau im Vorfeld von Genua bemühte. Rathenau fand es am 5. April 1922, also kurz vor der Abreise nach Genua, »außerordentlich schwer, mit den Russen in ein wirkliches Verhältnis zu kommen, denn sie treiben die Unzuverlässigkeit auf die Spitze«. Man sei ihnen gegenüber aber im Vorteil: Sie »brauchen uns mehr als wir sie«. Rathenau war nicht prinzipiell gegen eine Einigung mit der Sowjetunion eingestellt. Man müsse jedoch vermeiden, dadurch »mit den Westmächten in einen Konflikt zu kommen«. Zu diesem Zeitpunkt rechnete sich der deutsche Außenminister noch eine Vermittlerrolle zwischen den Westmächten und Sowjetrussland aus, die für Deutschland eine beträchtliche internationale Aufwertung mit sich gebracht hätte. Lloyd George seinerseits wollte Deutschland zwar in die internationale Politik reintegrieren, ihm aber nicht eine irgendwie geartete Schlüsselrolle zufallen lassen. Er verhandelte darum in Genua mit den Russen, ohne die deutsche Delegation hinzuzuziehen. (…) Rathenau ließ in dieser Situation den Kontakt zur russischen Delegation herstellen, die in Rapallo residierte, und am 16. April 1922 wurden die Unterschriften unter den Vertrag von Rapallo gesetzt. Er sah die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor sowie den wechselseitigen Verzicht auf alle Ansprüche aus der Zeit des Krieges. So sensationell der Vertrag erschien und so schockierend er im Westen wirken mochte, so wenig Anlass zur Nervosität hätte er eigentlich geben dürfen. Seine Wirkung lag vor allem im psychologischen Bereich. (…) Es entstand der Rapallo-Mythos mit zum Teil traumatischen Wirkungen im Westen, das Gespenst einer Kooperation Deutschlands als der potentiell stärksten Macht auf dem Kontinent mit dem sowjetischen Revolutionsstaat, dessen Politik sowohl nach Europa als auch nach Asien ausstrahlte.
Nicht nur Wirtschaftsinteressen und Isolationsfurcht bestimmten die Befürworter von Rapallo in ihrem Handeln, sondern auch Motive, die durchaus zu den im Westen anzutreffenden Befürchtungen über machtpolitische Implikationen des Vertrags von Rapallo passten. Schon im Januar 1920 hatte der damalige Legationsrat von Maltzan die Überlegung angestellt, die deutsche »Position der Entente gegenüber« könne »durch gradweises Ausspielen unserer Beziehungen zu Russland gestärkt werden«. Derartige Elemente von Schachbrettdiplomatie zur Aushebelung von Versailles ließ Reichskanzler Wirth 1922 weit hinter sich, als er in Übereinstimmung mit General von Seeckt die antipolnische Stoßrichtung seines Verständnisses von Rapallo und die Bereitschaft zur gewaltsamen Revision von Versailles erkennen ließ. Dabei grenzte sich Wirth gegenüber der SPD scharf ab, wie er Brockdorff-Rantzau zu verstehen gab, dem er den Botschafterposten in Moskau antrug (…). Bei den von Wirth abfällig beurteilten Sozialdemokraten und nicht zuletzt bei Reichspräsident Ebert stieß der Vertrag von Rapallo auf Ablehnung. Außenminister Rathenaus Einstellung war zwiespältig, aber er hatte dem Drängen Maltzans nachgegeben. (…) Bei günstigerem Verlauf der Konferenz von Genua hätte man vielleicht auch die Reparationsfrage anschneiden können. Jedenfalls äußerte sich Lloyd George in diesem Sinn gegenüber den Deutschen in einer stürmisch verlaufenden Aussprache drei Tage nach Unterzeichnung des Vertrags von Rapallo. (…) Ohne daß irgendwelche Vereinbarungen getroffen wurden, gab die Reichsregierung im Juli 1922 zu verstehen, daß für 1923 und 1924 keine Barzahlungen geleistet werden könnten. Schon vorher, am 24. Juni 1922, hatte Außenminister Rathenau, der Gewährsmann für eine dem nationalen Interesse entsprechende flexible Erfüllungs- und Entspannungspolitik, durch ein Attentat rechter Republik- und Entspannungsgegner sein Leben verloren.“ (36)
Hier zeigt sich, wie stark außen- und innenpolitische Vorgänge und Entwicklungen miteinander verwoben waren und dass es – aus heutiger Sicht – Anfang der 1920er-Jahre kaum möglich schien, eine gänzlich andere Nachkriegspolitik zu gestalten. Dies mag fatalistisch klingen, erklärt aber bereits damals die Schieflage, in der sich die Weimarer Republik befand und aus der sie nie richtig herausfinden sollte.
„Angesichts der galoppierenden Inflation und weltwirtschaftlicher Verwerfungen hätte nur eine Entpolitisierung der Reparationen weitergeholfen. Dieser 1924 tatsächlich beschrittene Weg erschien aber 1922 aus französischer Sicht noch nicht gangbar. Vergeblich verwiesen englische und amerikanische Banken und Firmen auf die von Frankreich ignorierten negativen Auswirkungen, die das bestehende Reparationssystem auf den internationalen Waren- und Kapitalverkehr ausübte (…). Der französischen Forderung nach »produktiven Pfändern«, um bei einer deutschen Zahlungsverweigerung oder -unfähigkeit etwas in der Hand zu haben, entsprach auf deutscher Seite die mit der seit November 1922 amtierenden Regierung Cuno zu Ende gehende Neigung, die Erfüllungspolitik fortzusetzen. Daß die Reichsregierung Frankreich zugleich einen Sicherheitspakt anbot, war für Paris wenig verlockend, denn ein solcher Vertrag hätte auch die deutsche Position verbessert und jeder französischen Sanktionspolitik die Hände gebunden.“ (37)
Spätestens anhand der zuletzt dargestellten Zusammenhänge werden die in „Babylon Berlin“ problematisierten Themen von geheimer Aufrüstung und „schwarzer Reichswehr“ u.ä. in eine größere Perspektive gerückt. Damit soll auch die „Zwickmühle“, wenn schon nicht erklärt, so wenigstens beleuchtet werden, in der sich die republiktreuen Politiker in Weimar befanden. Gaben sie einerseits gegenüber den Westmächten zu sehr nach, wurden sie des Verrats geschmäht und als deren Erfüllungsgehilfen auch gewaltsam verfolgt.
Versuchten sie, vor allem gegenüber Frankreich, ihre Souveränität zu wahren, erfolgten umgehend Sanktionen und Strafmaßnahmen. Das Jahr 1923 bildete insoweit den traurigen Höhepunkt.
Ganz gleich, die radikalen Kräfte konnten bei dieser Konstellation immer ihr Hauptziel verfolgen: Untergrabung oder gar Zersetzung der staatlichen Grundlagen der Weimarer Republik – mit gütiger, oft auch freudiger Unterstützung der Reichswehrführung. Diese befand sich aufgrund der Entwicklung hin zur „Logik des kleineren Übels“ genau in der Schlüsselposition, die schon die OHL seit den Wochen des Zusammenbruchs der Monarchie im November 1918 anstrebte.
„Die Regierungen der Weimarer Republik wurden an ihrer Aufgeschlossenheit für die Rüstungswünsche der Reichswehr gemessen. Um ihre Vorstellungen durchzusetzen, mischte sich die Militärführung seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre zunehmend in die Innenpolitik ein, bis sie im Präsidialregime über das Schicksal der Regierungen mitentschied. Weil sie für die Aufrüstung werben wollte, ließ sie sich auf windige Geschäfte ein. Sie stellte ideologische Hemmungen zurück und arbeitete illegal mit den »Bolschewisten« der Roten Armee zusammen. In Deutschland verzichtete sie auf das Waffenmonopol des Staates (…). Die Reichswehr trug auf diese Weise entscheidend zur Militarisierung der deutschen Gesellschaft bei.“ (38)
Zum Schluss sollen noch zwei besondere Aspekte angesprochen werden, die sich quasi als Reflex aus dieser willfährigen Haltung der Reichsregierungen gegenüber dem Militär ergeben haben.
Einerseits die haushalts- und finanzpolitischen Komplikationen, die wegen der geheimen Rüstungsprojekte zu beachten waren. Der von Ende Januar 1927 bis zur Jahresmitte 1928 amtierende Reichsfinanzminister H. Köhler hat dies in seinen Memoiren im Kapitel über den Fall Lohmann und die geheime Aufrüstung eindrücklich beschrieben. (39) An dieser Stelle müssen Stichpunkte ausreichen: Walter Lohmann, Kapitän zur See im Reichsmarineamt, hatte ab 1923 mit Geldern, die ursprünglich zur Finanzierung des Ruhrkampfes gedacht waren, und Erlaubnis der Admiralität insgeheim ein Firmengeflecht aufgebaut, das der geheimen Marine- und Luftwaffenaufrüstung dienen sollte. Hauptsächlich ging es um zweifelhafte Immobiliengeschäfte und verschiedenste Unternehmensbeteiligungen, u.a. auch an der Phoebus-Filmgesellschaft. Lohmann, alles andere als ein erfahrener Geschäftsmann, ließ sich bei diesen Transaktionen oft übervorteilen, aber betrog auch selbst nicht unerheblich; Nutznießerin – welch Wunder – seine Geliebte. Kurzum: Die Affäre Lohmann hatte alle Zutaten für einen Kassenschlager im damals aufblühenden Kino.
Jedoch konnte die Reichsregierung unter Kanzler Marx (Zentrum) die ganze Angelegenheit nicht einfach totschweigen, da neben der kriminellen Energie: Verletzung diverser Vorschriften des VV und zahlreich begangene Wirtschaftsdelikte (Betrug, Veruntreuung, Steuerhinterziehung etc.) auch ein finanziell hoher Schaden für das Deutsche Reich entstanden war – von der schlechten Presse, wie bereits im Dezember 1926 durch die Enthüllungen Scheidemanns im Reichstag über die geheime Aufrüstung, ganz abgesehen.
Bemerkenswert ist dabei, dass sich die maßgeblichen Politiker weniger am Unrechtsgehalt der illegalen Machenschaften Lohmanns und seiner Hintermänner störten, sondern wie sehr man im politischen Berlin daran arbeitete, den „Flurschaden“ zu beseitigen. Das Problem der haushaltsmäßigen Verbuchung der nach wie vor stattgefundenen Finanzierung von (illegaler) Aufrüstung der Reichswehr wurde kreativ gelöst: Ein spezieller Rechnungsunterausschuss des Reichstags nahm die Verbuchung entsprechender Zahlungen vor, so dass der jeweilige Etat formal vollständig blieb. Der Rechnungshof konnte zustimmen und das Reichswehrministerium war glücklich; bis auf Minister Geßler, der im Januar 1928 gegen Wilhelm Groener ausgetauscht wurde.
Genau der Groener, der Ende Oktober 1918 die Nachfolge Ludendorffs als zweiter Mann neben v. Hindenburg in der OHL antrat. Keine zehn Jahre nach dem November 1918 waren somit an den wichtigen Schaltstellen der Macht in der Weimarer Republik wieder alte Monarchisten am Werk: Besser hätte es für das Militär nicht laufen können.
Schließlich gab es nach der Reichstagswahl 1928 auch noch zwischen Parlament und Regierung wegen der Rüstungsprojekte nachhaltige Streitigkeiten, die schon auf das Ende des parlamentarischen Systems von Weimar hindeuteten. Ausgerechnet die SPD, möchte manch einer kopfschüttelnd ausrufen, war an der Demontage ihres eigenen Kanzlers maßgeblich beteiligt, als es ab Herbst 1928 im Reichstag um die Zustimmung zum Bau des sog. „Panzerkreuzers A“, ein Projekt, das sich sogar noch im gesetzlich zulässigen Rahmen bewegte, ging: „Die SPD hatte die Baupläne im Wahlkampf heftig attackiert und mit der Parole: »Kinderspeisung statt Panzerkreuzer« die unsoziale, militaristische Ausrichtung des »Bürgerblocks« angeprangert. Als Regierungspartei befand sie sich nun in einem Dilemma. (…) Der Kanzler und die drei SPD-Minister entschlossen sich deshalb, mit ihren Kabinettskollegen für den Bau des »Westentaschen-Schlachtschiffs« zu stimmen. In ihrer Partei war die Empörung groß. (…) Am 31. Oktober stellte die sozialdemokratische Fraktion im Reichstag den Antrag, auf den Bau des Panzerkreuzers zu verzichten und die dafür vorgesehenen Mittel für die Kinderspeisung einzusetzen. Nicht genug mit dieser populistischen Wiederaufnahme der Wahlkampfparole, verhängte sie Fraktionszwang und brachte den Kanzler und die drei SPD-Minister dadurch in die Lage, am 16. November 1928 gegen den Kabinettsbeschluss stimmen zu müssen, den sie am 10. August gebilligt hatten. Die Glaubwürdigkeit der sozialdemokratischen Regierungsmitglieder wurde von der eigenen Partei beschädigt und die parlamentarische Demokratie diskreditiert.“ (40)
An dieser Stelle schließt sich gewissermaßen der Kreis der wichtigsten politischen Ereignisse, die in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ thematisiert werden.
Autor: Thomas Fuchs, Assessor iur., Rechtshistoriker
Weitere Informationen
Babylon Berlin – historische Fakten zur Serie
Anmerkungen
1) http://www.documentarchiv.de/wr/1921/wehrgesetz.html
2) Der VV enthält in seinem 5. Teil, in 5 Abschnitten gegliedert genau 55 Artikel zu rüstungspolitischen Beschränkungen für das Deutsche Reich. In den anderen „Pariser Vorortverträgen“, die mit den ebenfalls besiegten, ehemaligen deutschen Verbündeten geschlossen wurden, finden sich entsprechende Vorschriften.
Zu den militärischen Bestimmungen im Überblick bei Rößler, Ideologie und Machtpolitik, S. 187 ff. (197).
3) Sauer, Schwarze Reichswehr und Fememorde, S. 7 in Fußnote 2.
4) Noske, S. 167.
5) Schulze, Freikorps, S. 7
6) Schulze, Freikorps, S. 7 f.
7) Venner, S. 50 f.
8) Venner, S. 312.
9) Schulze, Weimar, S. 116.
10) Venner, S. 313.
11) Büttner, S. 593.
12) Sauer, Marsch auf Berlin, S. 113 f.
13) Venner, S. 313 ff.
14) Erdmann, S. 165 f.
15) Venner, S. 316.
16) Venner, S. 318.
17) Schulze, Weimar, S. 117.
18) Sauer, Marsch auf Berlin, S. 114.
19) Venner, S. 320 ff.
20) Schulze, dito.
21) Schulze, dito.
22) Büttner, S. 598 f. Bei der Zahl der getöteten Streikenden gibt es jedoch Abweichungen, bis zu 38 Tote.
23) Winkler, S. 350.
24) Es geht hier um die verfassungsrechtliche Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere nach der Interessenabwägung; Merkmale, die heute in der Öffentlichkeit teilweise als zu liberal kritisiert werden. In Weimar waren die Behörden dagegen auf Konfrontation eingestellt.
25) Winkler, S. 351. Tatsächlich wurde die KPD erst in der (alten) BRD durch Urteil des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts v. 17.8.1956 verboten (Az. 1 BvB 2/51). Die generellen Schwierigkeiten bei Parteiverboten zeigten sich fast exemplarisch über viele Jahre bei der NPD. Selbst die förmliche Beobachtung aktueller Parteien stößt auf hohe juristische Hürden oder es erfolgt ein „Briefing“ durch einen Behördenleiter.
26) Nach 1945 hat sich im damaligen West-Berlin diese unrühmliche Tradition bis Ende der 1960er-Jahre bewahrt, s. die schicksalhaften Ereignisse beim Schah-Besuch im Juni 1967 (Tod des Studenten Ohnesorg) unter einem SPD-Innensenator!
27) Eine solche Gleichsetzung findet sich oft in tendenziös linken Darstellungen. In die gleiche Richtung geht auch die immer wiederkehrende Gleichsetzung von Mitgliedern der O. C. mit dem Nationalsozialismus; diese waren zwar (zumindest bis 1922/23) zweifellos rechtsradikal, aber häufig keine Parteigänger Hitlers. Die weltanschaulichen Strömungen im rechten („nationalrevolutionären“) Lager waren höchst gegensätzlich.
28) Eine von den üblichen Lehrbüchern teils abweichende Darstellung der Weimarer Außenpolitik bietet H. Euler; zu den hier geschilderten Vorgängen siehe S. 115 – 345.
29) Vorgeschichte, Dok-Nr. 100, S. 121 f.
30) Schulze, Weimar, S. 112f.; das Datum der Besprechung fällt auf das Ende des Reichsrätekongresses Mitte Dezember 1918, so dass den Militärs die für ihre Planungen erfreulichen politischen Ergebnisse bekannt gewesen sein dürften: Die Mehrheits-SPD hatte sich in den Schlüsselfragen durchgesetzt, die Zusammenarbeit der OHL, insbesondere von Groener, mit Ebert hatte weiterhin Bestand; zumindest bis Anfang 1920.
31) Schulze, Weimar, S. 27 f.
32) Krüger, S. 103 – 116; im Überblick: Niedhardt, S. 11ff.
33) Dieser relativ unbekannte Politiker wird in einer umfangreichen Dissertation von A. Mannes nicht nur hinsichtlich seiner Rolle als Reichskanzler beschrieben. Zur Konferenz in Spa siehe dort S. 230 ff.
34) Schieder, S. 25 – 27.
35) Schieder, S. 27 – 29.
36) Niedhardt, S. 14 – 16.
37) Niedhardt, S. 16.
38) Büttner, S. 703 f.
39) Köhler, S. 236 ff.
40) Büttner, S. 597 f.; zum „Panzerkreuzer A“ im Überblick: Erdmann, S. 226 f.
Literatur
Büttner, Ursula: Weimar – die überforderte Republik 1918 – 1933, in Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 18, 10. Auflage, Stuttgart 2010.
Erdmann, Karl Dietrich: Die Weimarer Republik, in Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 19 der Taschenbuchausgabe, 10. Auflage, München 1991.
Euler, Heinrich: Die Außenpolitik der Weimarer Republik 1918/1923, Aschaffenburg 1957.
Köhler, Heinrich: Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmannes 1878 – 1949, Stuttgart 1964.
Krüger, Peter: Die Außenpolitik der Republik von Weimar, 2. Aufl., Darmstadt 1993.
Mannes, Astrid: Reichskanzler Constantin Fehrenbach. Eine Biographie, Berlin 2006.
Niedhardt, Gottfried: Die Außenpolitik der Weimarer Republik, 3. Aufl., München 2013.
Noske, Gustav: Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution, Berlin 1920
Rößler, Hellmuth (Hg.): Ideologie und Machtpolitik 1919, Göttingen u.a. 1966.
Sauer, Bernhard: Die Schwarze Reichswehr und der geplante ‚Marsch auf Berlin‘, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2008, S. 113 – 150
Sauer, Bernhard: Schwarze Reichswehr und Fememorde : Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik, Berlin 2004.
Schieder, Theodor: Die Probleme des Rapallo-Vertrags. Eine Studie über die deutsch-russischen Beziehungen 1922 – 1926, Köln u. Opladen 1956.
Schulze, Hagen: Freikorps und Republik 1918 – 1920, Boppard a. Rh. 1969
Schulze, Hagen: Weimar. Deutschland 1917 – 1933, Berlin 1982.
Venner, Dominique: Söldner ohne Sold. Die deutschen Freikorps 1918 – 1923, Taschenbuch, Lizenzausgabe Bergisch Gladbach 1978.
Vorgeschichte des Waffenstillstandes. Amtliche Urkunden, herausg. von der Reichskanzlei, Berlin 1919.
Winkler, Heinrich August: Weimar 1918 – 1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, 4. Aufl., München 2005.