– dargestellt anhand der Attentate auf Matthias Erzberger, Walther Rathenau & Philipp Scheidemann
1) Einführung
Versucht man, das Thema der politischen Morde in der Weimarer Republik zu gliedern, wird sich rasch die Erkenntnis einstellen, dass bis auf wenige Jahre, die dann euphorisch und auch zeitlich übertrieben als die „Goldenen Zwanziger“ bezeichnet werden, die politische Situation generell sehr angespannt, oft geradezu verzweifelt war. Bereits zum Jahreswechsel 1918/19 haben die Straßen Berlins und andernorts im Deutschen Reich blutige Kämpfe gesehen, die zunächst vom Spartakusbund ausgelöst, später dann von kommunistischen Aufständischen weitergeführt wurden. Nur wenig später erfolgten erste Putschversuche von rechts. Durch linke wie rechte Gewalttaten sind damals in Deutschland Menschen getötet worden.
Dadurch verschärfte sich die gesamte innenpolitische Situation der jungen Republik, die ab Sommer 1919 zusätzlich bzw. gleichzeitig die schwere Bürde des Versailler Vertrages übernehmen musste. (1)
Zu diesen schon außerordentlichen Schwierigkeiten im Inneren kamen dann auch noch wirtschaftliche Probleme, die immer mehr zunahmen. „Wirtschaftskrise und Inflation, Aufstände und politisch motivierte Verbrechen zählten zu den Begleiterscheinungen.“ (2)
Im Ergebnis war die „Krise“ das prägende Element in der Innen- wie Außenpolitik während des Übergangs vom Kaiserreich zur Weimarer Republik.
2) Merkmale eines politischen Mordes
In einem weiteren Schritt geht es auch um die Charakterisierung der Bezeichnung des „politischen Mordes“. Das Phänomen „politische Morde“ hat es nämlich in der langen Überlieferung europäischer Geschichte schon immer gegeben; die Historie geht bis weit vor Beginn unserer Zeitrechnung zurück. (3)
Ohne an dieser Stelle auf strafrechtliche Feinheiten eingehen zu können, so kann doch für die hier interessierende Darstellung auf eine kurze Definition laut „Historisches Lexikon Bayern“ verwiesen werden. (4)
Danach bezeichnet der Terminus „politischer Mord“ in Friedenszeiten die Tötung von Menschen mit dem Ziel, die staatliche Ordnung zu verändern, wie etwa durch die gezielte Beseitigung von politischen Repräsentanten, Rache- oder Geiselmorde. Die politischen Morde der Jahre zwischen 1919 und 1923 lassen sich nochmals differenzieren in willkürliche Tötungen während der Revolutions- und Rätezeit und geplante Anschläge auf Repräsentanten der Republik. Die Beseitigung von Mitwissern oder Verrätern von Waffenlagern oder anderer Geheimnisse meist rechtsgerichteter Organisationen firmiert unter dem Begriff Fememord. Es handelt sich somit um die Tötung eines zumeist politischen Gegners aus einer speziellen Motivationslage heraus.
Die Fallgruppe der politischen Morde zu Beginn der Weimarer Republik umfasst daher neben den Verbrechen während der Revolutions- und Rätezeit insbesondere die gezielten Anschläge auf Vertreter der neuen staatlichen Ordnung – zum Teil auch aus antisemitischen Ressentiments.
Dieser Definitionsansatz ist aber nicht bloß auf die Weimarer Zeit beschränkt, sondern kann auch für Ereignisse der aktuellen Zeitgeschichte zumindest leicht abgewandelt herangezogen werden.
Bei den Straftaten des sog. Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wird bekanntlich seit einer gefühlten halben Ewigkeit vor dem Münchner Oberlandesgericht untersucht, ob und welche verfestigten organisatorischen Strukturen bei diesen rein rassistisch motivierten Straftaten vorliegen bzw. vorhanden waren.
3) Innenpolitische Situation zu Beginn der Weimarer Republik
Folgt man der verbreiteten Ansicht, nach der die Weimarer Republik als Staatsgebilde aus einem Zusammenwirken der Mehrheits-SPD mit dem Generalstab ab dem 10. November 1918 hervorgegangen ist und die politischen Kräfte lediglich die Alternative sahen, entweder eine parlamentarische Demokratie (nach westlichen Maßstäben) oder aber eine rote Diktatur im Sinne des bolschewistischen Russlands zu realisieren (5), so war der tatsächliche Handlungsspielraum in der Tat begrenzt, da eine Vielzahl konkreter Probleme zu bewältigen war. (6)
Dem von Friedrich Ebert gelenkten Kurs der Mehrheits-SPD und der nach wie vor kaiserlich geprägten Generalität, als den beiden damals wichtigsten stabilisierenden Faktoren, die aus der alten Ordnung übriggeblieben waren, kommt daher gerade wegen ihrer besonderen Funktion auch eine entsprechende Verantwortung zu.
Gerade in der speziellen Situation im Winter 1918/19 nach Abschluss des Waffenstillstands, als eine große Zahl überflüssiger und vor allem auch unzufriedener Soldaten zurück in die Heimat gespült wurde, ohne dass diese eine echte Perspektive zum jahrelangen Leben im Schützengraben und der ausgeprägten Kriegskameradschaft sehen konnten, führte dies zu extremen Verwerfungen, wodurch natürlich die Gefahr bestand, dass diese von den Gegnern des Umsturzes vom November 1918 instrumentalisiert werden konnten.
Der von Friedrich Ebert und Generalquartiermeister Groener, Nachfolger Ludendorffs in der Obersten Heeresleitung (OHL), am 10.11.1918 geschlossene Pakt mit dem Ziel, einen möglichst reibungslosen Übergang von der aufgelösten Monarchie zur Republik zu gewährleisten (7), war von Beginn an sehr vielen unbekannten Faktoren ausgesetzt. Vor allem war für die SPD-Spitze nicht gewiss, ob die vormals auf den deutschen Kaiser persönlich vereidigte Armee auch die neue Staatsform respektieren würde.
Dass Groener für die Mehrheits-SPD ein akzeptabler Verhandlungspartner war, ergibt sich aus seiner vormaligen Tätigkeit im Kriegsamt, zu der auch eine Kooperation mit den Gewerkschaften zählte. (8) Eine der scheinbar paradoxen Konsequenzen der Kriegswirtschaft.
Ebert musste aber auch um die prinzipielle Einstellung von General Groener wissen, die dieser noch Anfang November 1918 auf einer Sitzung des Reichskanzlers Prinz von Baden nebst seiner Staatssekretäre, hiervon zwei der Mehrheits-SPD, äußerte – zu einem Zeitpunkt, als in Kiel bereits die Matrosen meuterten.
In dieser offiziellen Besprechung vor den höchsten zivilen Stellen des bereits in Auflösung befindlichen Reiches gab sich Groener unmissverständlich als Repräsentant des alten Systems, wenn er in offensichtlich abwertender Weise vom diktatorischen Dreigestirn auf Seiten der Alliierten sprach und als letztlich kriegsentscheidend die von der Heimat ausgehende Verbreitung schlechter Stimmung in den Vordergrund stellt, wonach „die Heimat das Heer zugrunde“ richte und Groener gleichzeitig die versammelten Politiker aufforderte, „alles zu tun, um das Offizierskorps durch Ausbildung, richtige Anleitung und Erziehung wieder auf die Höhe zu bringen“. (9)
Man wird Groener schon zubilligen können, die Lage realistisch eingeschätzt zu haben, gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass er als Militär alles für das Offizierskorps, das er ja selbst an oberster Stelle repräsentierte, zu tun gedachte, um dieses zu decken bzw. zu schützen – und auch für künftige Aufgaben in einer neuen staatlichen Ordnung vorzubereiten.
So wurden ab Anfang Januar 1919 insbesondere in Berlin und anderen Großstädten, z.B. im Ruhrgebiet oder in Norddeutschland, aus ehemaligen Truppenteilen, so vor allem der Marine, sog. Freikorpsverbände gebildet, die zunächst zum Schutz gegen linksradikale Straßengewalt und deren Eindämmung eingesetzt wurden. (10) Im März 1919 wird als Spitzenwert für die Freikorps von einer Truppenstärke von ca. 250 000 Mann ausgegangen. (11)
Besonders ausgeprägt war die Bereitschaft, gegen Linksradikale mit roher Gewalt vorzugehen und mit der äußersten Rechten zu sympathisieren, bei den sog. Baltikum-Freikorps. Diese sollten die Keimzelle der Marinebrigade Ehrhardt stellen, aus der sich, nachdem diese paramilitärische Einheit im Februar 1920 formal aufgelöst werden sollte, die terroristische Organisation Consul (O.C.) gebildet hat.
Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass insoweit eine offensichtliche personelle Verbindung zwischen hohen kaisertreuen Militärs, wie Ludendorff und von Lüttwitz, und den späteren Rechtsterroristen um Ehrhardt und anderen Mitgliedern der O. C. bereits im Laufe des Jahres 1919 existierte. (12)
Erste bekanntere Opfer der rechten Gewalt waren die KPD-Aktivisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die beide am 15. Januar 1919 im Gewahrsam von Freikorpssoldaten umkamen (13), wofür ein Hauptmann Waldemar Pabst verantwortlich zeichnete; später eines der führenden Mitglieder rechtsradikaler Organisationen. (14)
Weitere Opfer aus Reihen der Unabhängigen-SPD, waren u.a. Kurt Eisner (21.02.1919), Dr. Hugo Haase (erlag am 07.11.1919 einem zuvor verübten Mordanschlag) oder Karl Gareis (09.06.1921).
Wenn auch die Mehrheit im rechten Lager für einen gewaltsamen Umsturz keine realistische Chance sah, gab es dennoch eine rechtsradikale Minderheit, die auf einen Staatsstreich hinarbeiten wollte und nur auf eine passende Gelegenheit wartete. (15)
Eine solche Möglichkeit zum Umsturz der politischen Verhältnisse schien am Vorabend des 10.03.1920 gegeben, als General von Lüttwitz Reichspräsident Ebert und Teile der Regierung aufforderte, den Reichstag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben, vor allem aber wichtige Regierungsposten mit Kandidaten der Gegenrevolution zu besetzen.
Als die führenden Politiker der Weimarer Republik diese haltlosen Forderungen zurückwiesen, hat von Lüttwitz, wie zuvor geplant, die Marinebrigade Ehrhardt zum Einmarsch nach Berlin gerufen.
Diese geradezu generalstabsmäßig geplante Operation wurde in der Nacht zum 13.03.1920 durchgeführt und geschah für die Reichsregierung und den Präsidenten völlig unerwartet: Berlin war gleichsam ohne republiktreue Verteidigung. Daher gelang der Brigade Ehrhardt die kampflose Einnahme der Hauptstadt, so dass am Morgen des 13.03.1920 der Mitverschwörer Wolfgang Kapp zum neuen Reichskanzler ausgerufen wurde; die alte Regierung nebst Ebert musste, bis auf den Vizekanzler und zwei SPD-Minister, die als Bevollmächtigte zurückblieben, aus Berlin fliehen. (16)
Die Reichswehrführung verhielt sich größtenteils aus taktischen Gründen passiv („Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“, so der spätere Chef der Heeresleitung General v. Seeckt), da dem Anführer des Putsches, General v. Lüttwitz, neben den meisten Freikorps auch reguläre Divisionen der Reichswehr unterstanden. Daher sollte wohl eine Art Loyalitätskonflikt vermieden werden.
Allerdings haben die Putschisten nicht damit gerechnet, dass ein Großteil der Reichsbeamten und des Verwaltungsapparates ihre angemaßte Befehlsgewalt einfach ignorierten und die geflohenen SPD-Führer im Verbund mit den Gewerkschaften einen Generalstreik im gesamten Land ausriefen, der in weiten Teilen zum völligen Stillstand des öffentlichen Lebens führte.
Insgesamt war also dem Putsch vom 13.03.1920 keinerlei Erfolgsaussicht beschieden, so dass die Putschisten spätestens am 17.03.1920 zur Aufgabe gezwungen waren. Am 18.03.1920 richtete die Brigade Ehrhardt bei ihrem Abzug aus Berlin aus nichtigem Anlass ein Blutbad an, dem ein Dutzend Toter und 30 Verletzte zum Opfer fielen. (17) „Es war nicht die letzte Vergeltung, die die Freikorps für das Scheitern ihres Putsches übten.“ (18)
Die führenden Köpfe des niedergeschlagenen Aufstandes konnten sich alle durch Flucht einem möglichen Hochverratsprozess entziehen. Doch der Generalstreik war mit dem Scheitern des Kapp-Lüttwitz-Putsches nicht beendet worden und ging insbesondere im Ruhrgebiet weiter und nahm dort bürgerkriegsähnliche Zustände an. Am 22.03.1920 war das gesamte Ruhrgebiet in der Hand einer sog. „Roten Ruhrarmee“, die zeitweise um die 50.000 Mann umfasste. (19)
Da sich die Anführer dieser durchaus linksradikalen Aufstände nicht mehr an die Aufrufe der SPD-Gewerkschaftsführer hielten und sich den Anordnungen der regulären Regierung entzogen, stand das politische Berlin vor einer folgenschweren Entscheidung: Gemäß den Bestimmungen des VV musste das Ruhrgebiet bis zum 10.04.1920 von deutschem Militär geräumt werden („Entmilitarisierung“, Art. 43 VV); anderenfalls drohten Sanktionen durch die Siegermächte.
Um diese Frist einhalten zu können, gleichzeitig aber eine Befriedung des Ruhrgebiets zu erreichen, wurden kurzfristig Anfang April 1920 reguläre Truppen der Wehrmacht, aber auch Freikorpsverbände eingesetzt, die Aufständischen niederzuringen.
Die „Rote Ruhrarmee“ wurde daraufhin vernichtend geschlagen, auf Seiten der Aufständischen gab es mehr als 1000 Tote – nicht zuletzt die Freikorps nahmen standrechtliche Erschießungen vor. (20)
Als Fazit der unruhigen Wochen im März und April 1920 bleibt festzuhalten, dass sich zwar die Regierung der Weimarer Republik durchsetzen konnte, aber nur um den Preis, dass nach den Unruhen im Januar 1919 erneut auf die nach wie vor monarchistisch geprägte Armee und offen rechtsradikal auftretende Freikorpsverbände zurückgegriffen werden musste – ein hoher Preis.
Nachdem also im März 1920 der sog. Kapp-Lüttwitz-Putsch doch eher kläglich gescheitert war, schien die rechte Gewalt zumindest oberflächlich gebannt. Gegen die Putschisten wurde zwar von den Behörden ermittelt, doch alles sehr halbherzig. Vielen der konterrevolutionären Ex-Soldaten gelang z. B. die Flucht nach Bayern, wo viele insbesondere in München in der rechten Szene aktiv werden sollten.
Als dann jedoch ab 1921 etliche, meist tödliche Attentate auf Politiker der „Weimarer Koalition“ aus Liberalen, Sozialdemokraten und Zentrumspartei erfolgten, waren die Ermittlungsbehörden nahezu ahnungslos und überrascht, was sich dann auch in teils dilettantischen Strafverfolgungsmaßnahmen zeigte.
Dies führt auch heute noch zu der politisch wie juristisch relevanten Frage, waren die jeweiligen Attentäter lediglich aufgehetzte, radikalisierte Einzeltäter oder steckte hinter ihnen ein organisiertes Mordkomplott oder gar ein Geheimbund ? (21) Galt in abgewandelter Form der Ausspruch von Brecht: „Die im Dunklen sieht man nicht“ ?
4) Geistiges Klima zu Beginn der Weimarer Republik
„Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“. (22) Dieser vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. überlieferte Ausspruch war gleichsam der gemeinsame Grundgedanke vieler Soldaten der Freikorps. Zugleich ein Stimmungsbild über den geistigen Zustand weiter Bevölkerungskreise in der Phase des Übergangs von der Monarchie zur Weimarer Republik: Bevölkerungskreise wie das Offizierskorps oder auch weite Teile der hohen Beamten und auch viele Studenten aus gutbürgerlichen Elternhäusern, die bis zum Untergang der Hohenzollern zur Elite in Deutschland gehörten.
Gerade diese (ehemaligen) Eliten hatten es besonders schwer oder empfanden dies zumindest so, sich während des politischen wie sozialen Umbruchs Ende 1918 und Anfang 1919 zurecht zu finden. Vom Verlust der Monarchie abgesehen, galt es, volkswirtschaftlich von der über vierjährigen Kriegs- wieder auf eine reguläre Friedenswirtschaft umzustellen.
Die unstreitig gegen die bestehende Ordnung gerichteten Straßenkämpfe, die zunächst vom Spartakusbund bzw. den Initiatoren der KPD ausgingen, um den politischen Gegner (in deren Augen die Bourgeoisie) in noch größere wirtschaftliche Not zu bringen als diese nach dem verlorenen Weltkrieg ohnehin schon vorhanden war, waren bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der fatale Beginn, sich antirepublikanischen Strömungen hinzuwenden. Und ein ebenfalls nicht unerheblicher Unsicherheitsfaktor, der weite Teile der bürgerlichen Mittelschicht erfasst hatte, war das Schreckgespenst des Bolschewismus im vormals zaristischen Russland.
Als dann im Mai und Juni 1919 die Diskussionen um den Versailler Vertrag (VV) die komplette innen-politische Situation bestimmten und eine breite Ablehnungsfront entstand, konnten nun auch die anti-demokratischen Flügel der in der Nationalversammlung vertretenen Parteien und ihre Repräsentanten in Justiz, Militär und Verwaltung offen nicht nur gegen den VV, sondern auch unmittelbar gegen die neue Ordnung agitieren und polemisieren.
Rechte Hetze, wie „Novemberverbrecher“, „Erfüllungspolitiker“ und „Schanddiktat“ dienten dabei nicht bloß einer im normalen politischen Meinungskampf üblichen Zuspitzung, sondern äußerten offenen Hass und sogar die Aufforderung, gegen die dermaßen Verunglimpften aktiv vorzugehen. Eine besondere Bedeutung als politischer Kampfbegriff hatte die Legende vom „Dolchstoß“.
Exkurs: Zur Geburt der Dolchstoßlegende (23)
Gemeinhin wird unter diesem Begriff die von Anhängern der untergegangenen Monarchie, insbesondere des Militärs, wider besseren Wissens aufgestellte Behauptung verstanden, wonach die Zivilisten in der Heimat (unverblümt waren damit „Linke“, Demokraten und Juden gemeint) durch Defätismus oder gar Sabotage Schuld an der militärischen Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg hätten; die Heimat habe der Armee einen Dolchstoß in den Rücken versetzt – bezogen vor allem auf die revolutionären Ereignisse um den 09.11.1918 herum.
„Die Dolchstoßlegende wurde in der Weimarer Republik zu einem Dauerbrenner der rechten Agitation gegen die demokratischen Parteien und zu einem zentralen Thema der innenpolitischen Auseinandersetzungen.“(24) Gefördert wurde diese von Anfang an unbewiesene Behauptung auch z.B. durch Äußerungen Friedrich Eberts, die er als Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten am 10.12.1918 in Berlin gegenüber heimkehrenden Frontsoldaten gebrauchte, wonach die kaiserliche Armee im Felde unbesiegt geblieben sei. (25)
Diese Formulierung sollte zwar der Aufmunterung der Soldaten dienen, entwickelte aber ein sehr unglückliches Eigenleben. Doch wie erhielt eine auf bloße Mutmaßungen gestützte Aussage eine derartige innenpolitische Sprengkraft, dass die politische Rechte mit der Dolchstoßlegende gleichsam ein Totschlagargument zur Verfügung hatte ?
Erstmals vor einer breiten Zuhörerschaft publik gemacht wurde diese Behauptung ausgerechnet vom ehemaligen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, also einem der maßgeblichen Figuren der besiegten kaiserlichen Armee, als dieser am 18.11.1919 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu seiner Rolle aussagen musste. (26)
Völlig am Untersuchungsgegenstand und der ihm gestellten Beweisfrage vorbei, konnte von Hindenburg seine verquere Sicht der Dinge äußern und konnte sich ob seiner nach wie vor großen Beliebtheit beim Volk der Wirkung seiner Worte in der Öffentlichkeit sicher sein.
Hindenburg versuchte bei seiner Vernehmung, jede Verantwortung für die Hoffnungslosigkeit der militärischen Lage im Herbst 1918 von sich zu weisen und auf niedere Ränge bzw. die zivilen Politiker in Berlin abzuwälzen. „So mußten unsere Operationen mißlingen, es mußte der Zusammenbruch kommen; die Revolution bildete nur den Schlußstein. Ein englischer General sagte mit Recht: ‚Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden‘.“ (27) Diese Anschuldigung war für alle Gegner der Republik eine Bestätigung bzw. Rechtfertigung für ihre Agitation gegen „Weimar“.
Niemand im genannten Untersuchungsausschuss hatte den Schneid, bei Hindenburg zu insistieren, wer denn dieser ominöse englische General gewesen bzw. in welchem Zusammenhang die als Zitat getarnte Äußerung überhaupt gefallen sei.
Diese vom Zeugen Hindenburg angeführte Aussage eines englischen Generals geht in Wirklichkeit auf einen Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 17.12.1918 zurück, in dem ein auf Englisch geführtes Interview mit einem General Maurice missverständlich übersetzt worden war. So wurde aus einer Frage des englischen Generals eher versehentlich oder, wenn man so will, unglücklich gewählt eine angebliche Feststellung, die dann später von Ludendorff böswillig als „amtliche“ Aussage des Briten verdreht wurde (28), um dann vom Zeugen Hindenburg bei seiner Vernehmung aufgegriffen und als „bare Münze“ ausgegeben zu werden. (29)
Dass es sich gerade nicht um eine amtliche Feststellung eines englischen Generals handelte, verschwiegen die Agitatoren des Dolchstoßes geflissentlich. Die deutsche Öffentlichkeit wurde somit ein weiteres Mal von der ehemaligen OHL hinters Licht geführt !
Die Empörung in weiten Teilen der Bevölkerung über diesen angeblichen Verrat der zivilen Politiker am kaiserlichen Heer, die erst durch die Veröffentlichungen von Hindenburgs Zeugenaussage richtig entfacht wurde, konnte in der Folgezeit von den Republikgegnern offen und nahezu ungehindert für ihre Hetze gegen das Weimarer System und die in ihren Augen als „Erfüllungspolitiker“ handelnden Regierungsmitglieder genutzt werden.
Dabei waren es verblendete, teils gewissenlose Opportunisten, die ihre Verantwortung dadurch abzustreifen suchten, den Repräsentanten der neuen Ordnung den Makel der Niederlage zuzuschieben. Wer behauptet, die Marxisten hätten später den Dolchstoß geleugnet und als bloße „Legende“ bezeichnet (30), offenbart eine gefährliche Naivität.
All dies steigerte sich noch, als 1921 aufgrund der im VV vorgesehenen Reparationsregelungen weitere einschneidende ökonomische Belastungen auftreten sollten und gleichzeitig die Siegermächte mit Einmarsch in die laut VV bestimmten Zonen des Rheinlandes und des Ruhrgebietes drohten; nicht zu vergessen die bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbare Inflation als weiterer Unsicherheitsfaktor für bürgerliche Kreise.
Wenn nun im Anschluss drei gerade in der Frühzeit der Weimarer Republik maßgebliche Männer, die alle übelster Hetze ausgesetzt waren und auf die teilweise mehrfach Anschläge verübt wurden, dargestellt werden sollen, dann nicht nur im Hinblick auf ihre Rolle als „Sündenböcke“, die seit November 1918 mit Hochdruck gesucht wurden, sondern breiter angelegt als Persönlichkeiten in einer bestimmten historischen Entwicklung.
Des Weiteren ist die Frage nach den konkreten Tätern und deren Komplizen zu stellen – auch das Thema der Strafverfolgung und der anschließenden Vollstreckung der verhängten Strafen ist kurz zu behandeln.
5) Die Ermordung Matthias Erzbergers – getötet am 26.08.1921 (31)
Einer der Biographen Erzbergers, Klaus Epstein, bemerkte Ende der 1950er Jahre: „Kein Deutscher war in den letzten hundert Jahren so gehaßt worden wie Erzberger“. (32)
Heinrich August Winkler, ausgewiesener Kenner zum Thema „Weimarer Republik“, beschreibt als Gründe dafür, dass kein anderer republikanischer Politiker der deutschen Rechten so verhasst war wie Erzberger, dessen Rolle als Initiator der Friedensresolution im Juli 1917, seine Unterschrift unter das Waffenstillstandsabkommen vom 11.11.1918 und auch seine politische Verantwortung für die Reichsfinanzreformen 1919/20. (33)
Im Zusammenhang mit der Situation der frühen Weimarer Republik kann die Zustimmung der Nationalversammlung zum VV im Jahr 1919 als Erzbergers größte politische Leistung betrachtet werden, „für die ihm freilich niemand ein Denkmal errichten wird“. (34)
„Der wilde Zorn der Feinde Erzbergers sollte bald noch größer werden, als er die Fehler der deutschen Führung während des Krieges aufzudecken begann und Finanzreformen in Angriff nahm, die die besitzenden Kreise mit Steuern von noch nie dagewesener Härte belasteten.“ (35)
Dennoch zählt Matthias Erzberger „ohne jeden Zweifel zu den wichtigsten Gründervätern der Weimarer Re- publik und zu den Ahnherren des heutigen deutschen Staates“. (36) In kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, in einer streng katholischen Familie, stammte er aus der schwäbischen Provinz, war aber alles andere als provinziell – stets streitbar und auch oft umstritten.
Erzberger hatte im Laufe der Zeit nicht nur viele politische Gegner, sondern auch regelrechte Feinde. Ob seiner einfachen Herkunft und frühen Tätigkeit als Volksschullehrer und Zeitungsredakteur von den in der wilhelminischen Gesellschaft führenden gesellschaftlichen Kreisen oft belächelt, konnte Erzberger aber mit immensem Fleiß und angeborenem Talent eine Fülle an Kenntnissen und Fertigkeiten gewinnen, die ihm später während seiner politischen Karriere äußerst brauchbare Dienste leisteten.
Neben seinen Begabungen trat bei Erzberger auch eine stete Hilfsbereitschaft, die ihn als „Tribun des kleines Mannes“ (37) erscheinen ließ, was ihm in seinem Wahlkreis große Popularität einbrachte.
So zog er 1903 mit 28 Jahren als jüngster Abgeordneter für das Zentrum in den Reichstag ein, wo er sich schnell unter anderem als Finanzpolitiker einen Namen machte. Als er sich ab 1905 mit den skandalösen Verhältnissen in der damaligen deutschen Kolonialverwaltung zu beschäftigen begann, führte Erzbergers „Feldzug“ gegen die Verantwortlichen, die er im Reichstag offen anprangerte, zu Rücktritten u.a. auch des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg, der mit dem Kaiser verwandt war. Aus dieser Zeit stammte die persönliche Aversion, mehr schon eine Feindschaft zu Karl Helfferich, einem engen Mitarbeiter des Erbprinzen im Kolonialamt.
Eine erbitterte Feindschaft, die sich im Laufe der nächsten 15 Jahre stetig steigern und geradezu schicksalhafte Konsequenzen haben sollte. (38) Ein Credo des Parlamentariers Erzberger war, der Reichstag dürfe keine „Geldbewilligungs-Ja-Sagemaschine“ (39) werden.
Während des Ersten Weltkriegs wandelte sich Erzberger vom sog. Annexionisten zu einem Befürworter eines Verständigungsfriedens, nachdem er aufgrund seiner unterschiedlichen politischen Tätigkeiten tiefe Einblicke in die militärischen Planungen erlangt hatte, wonach ein Sieg der Mittelmächte aussichtslos erschien. Dies galt insbesondere für die „heilige Kuh“ des Unterseeboot-Krieges, der immer mehr eskalierte.
Als zwingende Konsequenz setzte sich Erzberger an die Spitze der sog. Juli-Resolution 1917, mit der erstmals im Parlament für jeden sichtbar eine Koalition aus Linksliberalen, Mehrheits-SPD und weiten Teilen der Zentrumspartei aktiv die bisherige Kriegsführung in Frage stellte.
Auch wenn diese Resolution im Ergebnis keinen Erfolg brachte, nämlich eine vom Parlament ausgehende Einflussnahme auf die OHL, führte diese parlamentarische Initiative zum Sturz von Reichskanzler Bethmann Hollweg.
Auch wenn sich die anstehenden Nachfolgeregelungen im Amt des Reichskanzlers (erst Michaelis und dann Graf Hertling) noch ganz in den alten konstitutionellen Bahnen bewegte, der Reichstag also nicht bei der Ernennung unmittelbar beteiligt wurde, erfolgte ein faktischer Umschwung in eine parlamentarische Regierungsform, als die Reichstagsmehrheit Anfang November 1917 durchsetzte, dass der bisherige Vizekanzler Karl Helfferich, der seit 1915 als Staatssekretär im Reichsschatzamt Regierungsverantwortung getragen hatte, seine Ämter verlor. An dieser „faktischen Parlamentarisierung“ (40) und der Verdrängung Helfferichs aus der Reichsregierung im Jahre 1917 war namentlich Erzberger federführend beteiligt.
Als dann im Oktober 1918 infolge der sich abzeichnenden militärischen Niederlage der längst überfällige Schritt zu einer offiziellen Installierung des parlamentarischen Systems im Kaiserreich erfolgte, wurde Erzberger unter dem letzten kaiserlichen Kanzler Prinz Max von Baden zum Staatssekretär ohne Geschäftsbereich ernannt – eine schon bis dahin eindrucksvolle Karriere für einen kleinen Volksschullehrer !
In dieser offiziellen Eigenschaft als Mitglied der kaiserlichen Regierung wurde Erzberger dann am 06.11. 1918 als Leiter der deutschen Waffenstillstandsdelegation nach Compiègne in Frankreich beordert, um dort – koste es, was es wolle – am 11.11.1918 das Waffenstillstandsabkommen abzuschließen, auch wenn sich zwischenzeitlich in Berlin die innenpolitischen Verhältnisse grundlegend verändert hatten.
Dennoch wurden alle negativen Folgen, die sich aus dem Waffenstillstandsabkommen für das besiegte Deutsche Reich ergaben, mit der Person Erzbergers und seinem politischen Eintreten für die Beendigung des Ersten Weltkrieges verknüpft.
Bereits im Februar 1919, lange bevor der eigentliche Text des Friedensvertrages bekannt wurde, hat es in der Nationalversammlung einen ersten Versuch gegeben, Erzberger die Verantwortung für den Waffenstillstand aufzubürden. (41)
Ende Juli 1919, vier Wochen nach der höchst umstrittenen Annahme des „Versailler Diktats“, hat der deutschnationale Abgeordnete von Graefe den inzwischen zum Reichsfinanzminister ernannten Erzberger in der Nationalversammlung „im Zusammenhang mit dem deutschen Zusammenbruch des Jahres 1918“ aufs Übelste angegangen. Die unmittelbare Erwiderung Erzbergers, in der er dank seiner umfassenden Sachkenntnisse die gegen ihn erhobenen Vorwürfe widerlegen und im Gegenteil der „Rechten“ völliges Versagen nachweisen konnte, führte zu einem Aufschrei der betroffenen Mehrheit in der Nationalversammlung, der sich fast schon hasserfüllt gegen die rechtsstehende Opposition richtete. (42)
Doch danach kam der Propagandaapparat der Republikgegner erst richtig auf Touren, zumal die „Rechten“ auf einen ganzen Medienkonzern zugreifen konnten. Spätestens als sich Erzberger aus rein rationalen Gründen für eine Annahme des VV einsetzte, gab es für seine Gegner kein Halten mehr. Die politische Rechte beharrte immerzu darauf, dass er die Annahme des VV empfohlen habe und deshalb auch persönlich für das danach entstandene Elend verantwortlich sei. (43)
Als er dann auch noch im neugebildeten Kabinett Bauer das besonders unbeliebte Finanzressort übernommen hatte, war Erzberger tagtäglich neuen Ärgernissen ausgesetzt. Da sich die bis zur militärischen Niederlage verfolgte Politik der Kriegsfinanzierung hauptsächlich auf Verschuldung der „öffentlichen Hand“ und der Hoffnung auf hohe Reparationszahlungen der zu besiegenden Westmächte stützte, gerieten mit der Niederlage die Reichsfinanzen endgültig in einen völlig desolaten Zustand – eine extrem hohe Verschuldung gepaart mit den geplatzten Hoffnungen auf einen Sieg.
Auch wenn im VV noch keine substantiierte Bezifferung der von den Siegermächten geforderten Reparationen erfolgte (dies war erst für 1921 vorgesehen), so war doch besonders dem Finanzexperten Erzberger bewusst, was auf die junge Repulik noch zukommen würde. (44)
Daher unternahm er mit Antritt des Amtes als Finanzminister umgehend eine grundlegende Reform der gesamten Steuerpolitik und besonders der Finanzverwaltung.
„In kürzester Zeit und in einem beispiellosen Kraftakt wurde das umfassendeste Reformwerk der deutschen Finanz- und Steuergeschichte geschaffen, das in wesentlichen Grundzügen bis heute Bestand hat“. (45) Die Einführung neuer Steuergesetze, vor allem aber die durchweg stark angehobenen Spitzensteuersätze brachten Erzberger „die erbitterte Feindschaft des scharfmacherischen Großkapitals“ ein. (46)
Ausdruck und Höhepunkt der nun einsetzenden Schlammschlacht war eine gegen Erzberger als Fortsetzungsreihe konzipierte Broschüre seines Intimfeindes Helfferich mit dem bezeichnenden Titel: „Fort mit Erzberger“. Der Wechsel Helfferichs zu den Deutschnationalen eröffnete diesem ein breites Feld an Publikationsmöglichkeiten und 1920 auch ein Mandat im Reichstag.
Auf über 80 Seiten versuchte Helfferich nicht nur angebliche politische Fehlentscheidungen Erzbergers seit 1917 aufzulisten, sondern auch „private“ Entgleisungen im Rahmen seiner persönlichen Lebensführung, vor allem angeblicher Steuerbetrug; was für Erzberger, der damals als Finanzminister fungierte, besonders herabsetzend gewirkt haben muss.
Zum Schluss der Broschüre fasst Helfferich seine ganze Abneigung Erzberger gegenüber wie folgt zusammen: „Deshalb gibt es für das deutsche Volk nur eine Rettung. Überall im Lande muß mit unwiderstehlicher Gewalt der Ruf ertönen: Fort mit Erzberger !“ (47)
Von zahlreichen merkwürdigen Details abgesehen (so die Tatsache, dass aus dem zuständigen Finanzamt Teile der Steuerakte Erzbergers publik wurden), ging es Helfferich weniger um „Sachaufklärung“, sondern ausschließlich um Provokation; Erzberger sollte gleichsam gezwungen werden, gegen seinen Intimfeind strafrechtlich vorzugehen – und er tat Helfferich den Gefallen, eine Verleumdungsklage gegen ihn anzustrengen.
Ab Januar 1920 fand vor dem Landgericht Berlin ein Prozess mit umgedrehter Rollenverteilung statt. Nicht Helfferich als „Verleumder“, sondern der verleumdete Erzberger wurde als Angeklagter behandelt, der um seine Unschuld kämpfen musste. (48)
Insbesondere musste Erzberger zahlreiche Sachverhalte aus seiner politischen Tätigkeit wie aus privaten Vorgängen dem Gericht schildern – jedes Mal der Gefahr ausgesetzt, dass sich Erinnerungslücken oder gar Widersprüche ergeben konnten, die von der rechtsgerichteten Presse ausgeschlachtet wurden. (49)
So wurden Sachverhalte, die bis 1906 zurückreichten, Gegenstand richterlicher Befragung – zu einer Zeit, in der Erzberger mit den Steuerreformen alle Hände voll zu tun hatte und er daher auch teilweise schlecht auf derlei Fragen vorbereitet war.
Mit dieser Taktik gelang es Helfferich, den von ihm verleumdeten Erzberger in ein schlechtes Licht zu rücken, was für dessen Glaubwürdigkeit vor Gericht offensichtlich nachteilig war.
Schlussendlich wurde Helfferich zwar formal zu einer geringen Geldstrafe verurteilt, allerdings ging seine eigentliche Strategie auf: Erzberger war durch den Prozess politisch kaltgestellt und aufgrund etlicher Details aus seinen privaten Verhältnissen in der Öffentlichkeit persönlich bloßgestellt.
Insbesondere verdeutlicht die Bewertung der Gesinnung Helfferichs durch das Gericht die Voreingenommenheit der Richter: Aussagen, der Angeklagte habe überwiegend aus vaterländischen Beweggründen gehandelt und sei durch Erzbergers Gegenangriffe gereizt worden (50), sind nicht geeignet, von einer objektiven Justiz zu sprechen.
Gleichzeitig kanzelte das Gericht Erzberger in der Urteilsbegründung ab als einen Mann „von einem bedauerlichen Mangel an Urteilskraft und einer geradezu erstaunlichen Ungenauigkeit in allen Dingen“. (51)
Mit Verkündung des Strafurteils gegen Helfferich, wodurch aber Erzberger faktisch ein Unwerturteil gegen sich empfinden musste, trat er am 12.03.1920 vom Amt des Reichsfinanzministers zurück, nachdem er aber zuvor doch noch seine innenpolitische Glanzleistung – die nach ihm benannte Finanzreform – im Parlament durchgebracht hatte.
Da Erzberger gegen die tragenden Gründe des für Helfferich günstigen Urteils prozessual nicht wirksam vorgehen konnte (52), er aber trotzdem die gegen ihn erhobenen und vom Gericht zumindest inzident als wahr unterstellten Vorwürfe der Vorteilsnahme oder gar Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Meineid ausgeräumt wissen wollte, erstattete er gegen sich selbst Anzeige. Mit dieser Vorgehensweise konnte er nunmehr Voruntersuchungen veranlassen, die im Ergebnis dazu führten, dass die im Helfferich-Prozess zu seinen Lasten erhobenen Vorwürfe bzw. Unterstellungen widerlegt werden konnten; im Ergebnis war Erzberger somit persönlich und politisch rehabilitiert ! Das letzte Verfahren wurde am 17.08.1921 eingestellt (53), neun Tage vor seiner Ermordung !
Macht man sich die Mühe, die von Helfferich gegen Erzberger erhobenen Vorwürfe (die allesamt offen oder insgeheim darauf abzielten, Erzberger als Landesverräter darzustellen) näher nachzugehen, bleibt nichts als gezielte Verleumdung übrig:
Die Meinungsführerschaft Erzbergers bei der Friedensresolution im Juli 1917 entsprach dem Gebot politischer Klugheit, da die Vereinigten Staaten im April 1917 offiziell auf Seiten der Westmächte in den Krieg eintraten (viele kleinere Staaten folgten daraufhin dem Beispiel der USA, wenn auch eher symbolisch); dennoch waren die Mittelmächte nun isolierter als jemals zuvor. (54)
Erzberger galt selbst zu Beginn des Krieges als „Annexionist“, musste aber einsehen, dass bereits die Ausgangslage zu Kriegsbeginn geschönt worden und die reale Situation während des weiteren Kriegsverlaufs für die militärische wie politische Führung ebenfalls kein Ruhmesblatt war !
Dass sich dann sogar ab Sommer 1918 die OHL nicht länger herumdrücken konnte und den Krieg als verloren ansah und dies auch so gegenüber der Politik kommunizierte, war letztlich nur eine Bestätigung der Erzbergerschen Haltung ein Jahr zuvor.
Für die Situation selbst und die zögerliche Haltung der OHL konnte der Zivilist Erzberger nicht das Mindeste. Da ab Ende September 1918 von der OHL nachdrücklich ein Waffenstillstand um jeden Preis gefordert wurde, aber eben diese Verantwortlichen sich dafür nicht die Finger schmutzig machen wollten, folgte Erzberger eher seinem Pflichtgefühl und nicht einer Art Profilierungssucht, als er ab dem 06.11.1918 die Leitung der deutschen Waffenstillstandskommission übernahm und persönlich den Waffenstillstand unterzeichnete.
Ebenfalls folgte er seiner Einsicht in die politischen wie volkswirtschaftlichen Realitäten als er sich gleichsam von der SPD-Spitze im Sommer 1919 zur Übernahme des Finanzministeriums überreden ließ.
Erzberger wusste um die katastrophalen Staatsfinanzen und scheute sich nicht vor einschneidenden Maßnahmen – sowohl im Bereich der Verwaltung als auch bei der Heranziehung der Steuerpflichtigen, s. Art. 134 der Weimarer Verfassung (heute als Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezeichnet).
In der Bismarckverfassung von 1871 war das Reich als Kostgänger der Länder konzipiert worden, dies war angesichts der neuen politischen Situation ab 1919 nicht mehr zeitgemäß. All dies wusste auch Helfferich ! Aber trotzdem wurden diese politisch notwendigen Entscheidungen Erzberger nur im Negativen zugerechnet.
Als am 26.08.1921 Erzberger nahe seines Urlaubsortes Bad Griesbach, einem kleinen Kurort im Schwarzwald, erschossen wurde, gingen bereits mehrere Anschläge auf sein Leben voraus. Das bis dahin spektakulärste Attentat ereignete sich am 26.01.1920 vor dem Gerichtsgebäude in Berlin, als Erzberger den Helfferich-Prozess gerade verlassen hatte.
Ein ausgemusterter Fähnrich namens Hirschfeld schoss zweimal auf Erzberger, der – obwohl schwer verletzt – überlebte, da die zweite Kugel an der Uhr des Ministers abprallte und nicht in die Lunge eindrang. (55)
Der Täter wurde zwar rasch wegen dieser Tat verurteilt, nicht aber wegen versuchten Mordes, sondern lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung – Strafmaß: 18 Monate Gefängnis !
Das Glück, das Erzberger noch im Januar 1920 zur Seite stand, hatte ihn dann bei dem entscheidenden Anschlag am 26.08.1921 verlassen. Zu den Einzelheiten des Anschlags siehe unten. Mit Erzberger wurde damit zum ersten Mal ein ausgewiesen bürgerlicher Politiker Ziel rechtsradikaler Mörder. (56)
Als Ende August 1921 anlässlich seiner Beerdigung in Hunderten deutscher Städte Massenkundgebungen gegen dieses Verbrechen stattfanden – allein in Berlin soll eine halbe Million Menschen demonstriert haben – (57), kann der Eindruck entstehen, dass es hier weniger um den Menschen (das eigentliche Opfer) ging, sondern dass Erzberger erneut als Projektionsfläche herhalten musste; diesmal für parteiinterne Sticheleien innerhalb der Linken. Ein ausgewiesener Marxist wie Wolfgang Ruge stellt den so von ihm bezeichneten „Märtyrertod“ Erzbergers in eine Reihe mit Ernst Thälmann. (58) Doch etwas deplatziert !
Weniger pathetisch hat es der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, zusammengefasst. Matthias Erzberger hat in seinem Gerechtigkeitsanliegen gegen viele mächtige Interessen ankämpfen müssen. „Diesen Kampf hat er in seinem Reformkonzept gewonnen, für seine persönliche Biographie verloren“. (59)
6) Die Ermordung Walther Rathenaus – getötet am 24.06.1922 (60)
„Die Nachricht von dem Attentat auf Reichsaußenminister Walther Rathenau am 24. Juni 1922 löste in Berlin, in Deutschland, ja in ganz Europa lähmendes Entsetzen aus. Im Reichstag kam es zu Tumulten. Reichskanzler Joseph Wirth beschuldigte die rechtskonservativen Parteien, eine politische „Atmosphäre des Mordes, des Zankes, der Vergiftung“ verursacht zu haben: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden des Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!‘.“ (61) Ein Zitat, das wohl die Stimmung nicht nur im Parlament, sondern bei allen Anhängern der Weimarer Republik wiedergibt.
Nichts hatte in den Monaten nach dem Erzbergermord darauf hingedeutet, dass die im Laufe des Herbsts 1921 aufgeflogene „Organisation Consul“ noch einmal zu einer konkreten Gefahr für die Weimarer Republik werden sollte. (62)
Dabei war doch Walther Rathenau schon lange Gegenstand antisemitischer Hetze und Verunglimpfung. Ein nicht nur unter völkisch-gesinnten Studenten beliebtes Sauflied machte die Runde, dessen vulgärer Refrain bezeichnend und eindeutig war: „Schlagt tot den Walther Rathenau, die gottverdammte Judensau“. (63) Bei Rathenau konnten die Republikgegner nicht nur wie bei Erzberger und anderen „Novemberverbrechern“ und „Erfüllungspolitikern“ auf angeblichen Verrat am untergegangenen Kaiserreich und die Schuld für den verlorenen Weltkrieg abstellen. Nein, Rathenau musste zusätzlich ob seiner Herkunft aus einer reichen Familie und seiner Abstammung als Jude zusätzlich für Häme und rassistische Vorurteile herhalten.
Es gab bei Rathenau weniger inhaltliche Reibungspunkte, die zwar auch vorhanden waren; sondern eindeutig rassistische Vorurteile waren für die Hetz- und Verleumdungskampagne maßgeblich. (64)
Rathenau, 1867 in Berlin geboren, war Sohn des AEG-Gründers Emil Rathenau. Seine Mutter Mathilde, gebürtige Frankfurterin, entstammte der Bankiersfamilie Nachmann. Über den Geburtstag Rathenaus, den 29.09.1867, hat dieser später folgendes überliefert:
„An diesem Tag fiel das Fest des deutschen Schutzpatrons Sankt Michael auf den Vorabend des höchsten jüdischen Feiertages, des Neujahrstages, und beide auf einen Sonntag“. (65) Diese Aussage betont den besonderen Charakter Walther Rathenaus „als Jude deutscher Patriot, als deutscher Patriot liberaler Weltbürger“. (66)
Zwar konnten um die Jahrhundertwende Familien wie die Fürstenbergs, Rathenaus und Warburgs – um nur einige wenige zu nennen – ihren wirtschaftlichen Aufstieg ins großbürgerliche Milieu bewerkstelligen. (67) Eine vollwertige Anerkennung in der Gesellschaft blieb aber auch dem neuen „Geldadel“ meist verwehrt; auch Rathenau hatte das Gefühl, lediglich Bürger zweiter Klasse zu sein. (68)
„In seiner Schulzeit legte Walther Rathenau den Grund für seine erstaunliche literarische Bildung.“ (69) Kurz nach seiner Ermordung äußerte der Großindustrielle Hugo Stinnes (nicht unbedingt ein liberaler Demokrat) über Rathenau, „daß er auf technischem Gebiet das größte Genie im Deutschen Reich gewesen sei.“ (70) Hierzu passt die Anekdote, wonach der bekannte US-amerikanische Erfinder Thomas A. Edison, Gast des Hauses Rathenau, über den jungen Walther Rathenau geäußert habe: „He knows things I have no idea of.“ (71) Diese besondere Begabung äußerte sich aber auch darin, dass Rathenau kein bürokratischer Beamter, der sich preußisch-diszipliniert verhielt, gewesen ist: „er erledigte viel in kurzen Zeiträumen, er organisierte die Arbeit“. (72) Und „Rathenau vermochte zu warnen und zu raten, weil er die Fähigkeit besaß, zu sehen und zu schauen“. (73)
Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte sich Rathenau den Ruf als internationaler Unternehmer und auch „Manager“ erworben. „Der Krieg selbst bot ihm schließlich ein neues, seinen vielfältigen Erfahrungen und Fähigkeiten entsprechendes Betätigungsfeld“. (74)
So ging es insbesondere auf Rathenaus Initiative zurück, dass gleich zu Kriegsbeginn die Kriegsrohstoff-Abteilung im preußischen Kriegsministerium unter seiner Leitung errichtet wurde; entscheidender Zweck war die Rohstoffbewirtschaftung. Rathenau hatte nämlich sofort erkannt, wie unzureichend der sog. Wirtschaftskrieg vorbereitet war; ohne seine beherzten logistischen Maßnahmen wäre Preußens „Glanz und Gloria“ bereits im ersten Kriegsjahr verloren gewesen.
Dennoch verspürte Rathenau Druck von außen, so dass er Ende März 1915 seine leitende Tätigkeit im preußischen Kriegsministerium niederlegte, da es zu ungewöhnlich war, „dass ein Mann der Wirtschaft und dazu noch Jude im Range eines Generals diese kriegsentscheidende Aufgabe meisterte“. (75)
Trotzdem brachte sich Rathenau auch weiterhin nicht nur bei wirtschaftspolitischen Fragen, sondern auch bei der Diskussion der Kriegsziele aktiv in den Diskurs ein. Er wäre nicht Rathenau gewesen, hätte er nicht vom damaligen Mainstream abweichende Positionen vertreten und eigene Vorstellungen entwickelt.
Insbesondere schwebte ihm vor, die deutsch-österreichische Zollunion zu einem europäischen Wirtschaftsverband weiterzuentwickeln – vor allem unter Einschluss Frankreichs (lange vor der Montanunion):
„Das Endziel wäre der Zustand, der allein ein künftiges Gleichgewicht Europas bringen kann: Mitteleuropa geeinigt unter deutscher Führung, gegen England und Amerika, gegen Russland andererseits politisch und wirtschaftlich gefestigt. Das Opfer, das wir zu bringen hätten, bestände im Verzicht auf französischen Landerwerb und in Ermäßigung der Kontribution“ (76).
Im weiteren Kriegsverlauf stand er auf Seiten der Gegner eines uneingeschränkten U-Boot-Kriegs, da er die Wirksamkeit dieser Strategie eher gering einstufte und dafür die Gefahr des Kriegseintritts der USA als hoch einschätzte; stattdessen hielt er die von der OHL Ende September 1918 ausgegebene Parole zur sofortigen Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen für überstürzt, wenn nicht gar verfehlt. (77) Es entsprach somit Rathenaus patriotischer Überzeugung, „aus einer Position der Stärke mit den Feind- mächten verhandeln zu können“. (78)
Erst nach dem politischen Umsturz vom 09.11.1918, den er nicht als „deutsche Revolution“ begreifen konnte, fand Rathenau den Weg in die Parteipolitik und zwar in die Deutsche Demokratische Partei (DDP), dem „linken“ Zweig des deutschen Liberalismus.
Anfangs fand er aber auch in der DDP mit seinen wirtschaftspolitischen Konzepten wenig Gehör. Es bedurfte erst des unseligen Putschversuches von Kapp-Lüttwitz im März 1920, dass Rathenaus Erfahrungen und Sachverstand gefragt wurden. In den von ihm nun übernommenen Aufgaben als Mitglied verschiedener Kommissionen und als Gutachter verwarf Rathenau einerseits eine Politik der Sozialisierung um jeden Preis, andererseits vertrat er bei der Frage der Reparationsforderungen der Siegermächte eine durchaus „kompromissbereite Position, um am Verhandlungstisch Zahlungserleichterungen erzielen zu können“. (79)
Reichskanzler Wirth vom Zentrum ernannte ihn 1921 zunächst zum Reichsminister für Wiederaufbau und ab 21.01.1922 bis zu seiner Ermordung hatte Rathenau das Außenministerium inne.
In dieser Zeit wurde Rathenau für seine realpolitische Haltung als „Verzichts- oder Erfüllungspolitiker“ vom politischen Gegner geschmäht und verunglimpft.
Als einen wesentlichen Aspekt seiner Tätigkeit als Regierungsmitglied sah Rathenau im Streben nach einer stabilen Nachkriegsordnung in Europa. Als Basis sah er die Verwirklichung eines Wirtschaftsbundes:
„Der Wirtschaftsbund aber ist so zu verstehen: Über die Rohstoffe des internationalen Handels verfügt ein zwischenstaatliches Syndikat. Sie werden allen Nationen zu gleichen Ursprungsbedingungen zur Verfügung gestellt.“ (80)
Rathenau war bestrebt, die komplexe Reparationsproblematik aus dem Bereich der unversöhnlichen Politik in den der sachlichen Wirtschaft zu verlagern. (81)
Daher galt ab sofort – neben Frankreich – auch Großbritannien für Rathenau als wichtiger Partner für die von ihm angestrebte europäische Nachkriegsordnung.
Gleichzeitig setzte er auf eine „wirtschaftliche Durchdringung Russlands“, das seit der Novemberrevolution 1917 immer mehr von Europa wegdriftete (das im Weltkrieg unterlegene Deutsche Reich aber auch Sowjet-Russland galten ab 1919 als die Parias in Europa; so waren beide Nationen nicht aktiv an den Friedensverhandlungen in Versailles beteiligt worden).
Der sog. Vertrag von Rapallo, im April 1922 während der Weltwirtschaftskonferenz in Genua unter der Leitung Rathenaus abgeschlossen, war nach dem deutsch-sowjetrussischen Handelsvertrag von 1921 der nächste Schritt, für Deutschland eine gewisse außenpolitische Handlungsfähigkeit zu erreichen. (82)
Hauptbestandteil des Abkommens von Rapallo war ein wechselseitiger Verzicht auf Wiedergutmachung von Kriegsschäden; insbesondere die Regelung in Artikel 116 VV, wonach sich die Siegermächte Russlands Rechte und Ansprüche auf Reparationen vorbehielten, war dadurch obsolet. Des Weiteren wurden die Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen vereinbart. (83)
Trotz all seiner Verdienste blieb Rathenaus Politik umstritten und seine Persönlichkeit wurde abgelehnt: „Ein Jude durfte keine erfolgreiche deutsche Außenpolitik betreiben.“ (84)
So hat erneut Karl Helfferich am 23.06.1922 in einer äußerlich geschickt formulierten Reichstagsrede die damalige Reichsregierung, aber insbesondere Walther Rathenau wegen der Annäherung sowohl an den Westen als auch an das bolschewistische Russland als „Erfüllungspolitiker“ angegriffen; diese seien am Unglück Deutschlands schuld und müssten mit allen Mitteln und mit aller Härte bekämpft werden. (85)
Die Parallelen zur Schmutzkampagne gegen Matthias Erzberger sind unübersehbar; erneut konnten Rechtsradikale derartige Äußerungen als direkte Aufforderung, gar Legitimation für ihre Untaten ansehen. (86) Schon sechs Wochen nach Rapallo wurde Rathenau auf der Fahrt ins Ministerium am 24.06.1922 erschossen.
Auch im Falle Rathenaus gab es im Vorfeld ernstzunehmende Warnungen, die er jedoch ignorierte. Zu Einzelheiten des Anschlags siehe unten.
Die offiziellen Repräsentanten der Weimarer Republik reagierten geschockt, siehe Bemerkungen in der Einleitung. Millionen Deutsche erwiesen ihm die letzte Ehre. „Der vorher viel geschmähte Walther Rathenau wurde zum Märtyrer der Weimarer Republik“. (87)
7) Attentat auf Philipp Scheidemann – am 04.06.1922 (88)
Der Mann, der mit der Ausrufung der „deutschen Republik“ am 09.11.1918 wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt eine der bekanntesten Persönlichkeiten in Deutschland gewesen sein dürfte, büßte bereits kurze Zeit später seinen Bekanntheitsgrad ein, als er freiwillig ins zweite Glied der Politikergarde – auch innerhalb der Mehrheits-SPD – zurücktrat.
„Philipp Scheidemann war einer der wenigen Politiker der Weimarer Republik, der sich und seiner Partei im Verlaufe von 1919 bis 1939 immer wieder den Spiegel vors Gesicht hielt.“ (89) Trotzdem wurde auch Scheidemann Opfer eines versuchten Mordanschlags, der nur durch puren Zufall nicht zum Erfolg geführt hat.
In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen (90), früh in das Umfeld der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie eingetreten, ähnelte er in seinem beruflichen und politischen Werdegang in etlichen Punkten Matthias Erzberger. Wie dieser – mangels finanzieller Mittel, um eine höhere Schule besuchen zu können – ein ausgewiesener Autodidakt, früh mit journalistischen Tätigkeiten vertraut und ebenfalls relativ jung als Abgeordneter in den Reichstag eingezogen (91), um dort in seiner Fraktion dank seines rhetorischen Talents aufzufallen.
Wie viele andere Sozialdemokraten, stand auch Scheidemann zu Beginn des Ersten Weltkrieges auf Seiten der Kriegsbefürworter (es herrschte insbesondere beim rechten Parteiflügel der SPD die Überzeugung vor, man führe einen gerechten „Verteidigungskrieg“ gegen Russland). Aus taktischer Sicht war die damalige SPD-Führung bestrebt, nach außen zu zeigen, „dass die Sozialdemokraten keine ‚Reichsfeinde‘ waren“. (92)
Dies setzte auch Scheidemann in Widerspruch zur Parteilinken, die sich im weiteren Kriegsverlauf von der Mehrheits-SPD als „Unabhängige“-SPD abspalten sollte.
Scheidemann wurde aber in dieser Zeit immer mehr „zum wichtigsten Mittelsmann zwischen SPD-Führung und Reichsregierung“, obwohl sich mittlerweile auch bei ihm die Überzeugung verfestigte, dass ein „Siegfriede“ unwahrscheinlich sein würde. (93)
Bei der politischen Rechten, den späteren Republikgegnern, galt Scheidemann künftig als „Flaumacher“; eine Vorstufe der späteren Dolchstoßlegende.
Im Zuge der politischen Umwälzungen im zaristischen Russland propagierte er ab Mai 1917 offen die Abkehr von der bisherigen Konzeption der Kriegsziele, was dann im Juli 1917 im Gespann mit Erzberger zur Friedensresolution im Reichstag führte und somit auch zur Bildung des interfraktionellen Ausschusses. Ein Motiv Scheidemanns, für einen Verständigungsfrieden einzutreten, war die Furcht vor einer Revolution im Stile Russlands.
Letztlich ein Grund für ihn, während der Januarstreiks 1918 eine rasche Beendigung des Ausstandes zu erreichen, indem er sich u.a. in die Streikleitung wählen ließ. Was ihm aber seitens der Rechten nur neue Vorwürfe einbrachte, z.B. „Warum werden die Sozialisten, auch Scheidemann, nicht einfach an die Wand gestellt ?“ (94)
Trotzdem galt Scheidemann Anfang Oktober 1918 als ministrabel, so dass er als Staatssekretär ohne Geschäftsbereich ins Kabinett des letzten ordentlichen Reichskanzlers in der Ära Wilhelms II. eintrat.
Er war es auch, der als einer der ersten maßgeblichen Politiker ab Ende Oktober 1918 die Forderung erhob, der Kaiser müsse umgehend abtreten (auch um die Waffenstillstandsverhandlungen mit den Westmächten zu erleichtern).
Als die Nachricht vom Matrosenaufstand in Kiel Scheidemann am 04.11.1918 während einer Kabinettssitzung erreichte, ging es auf seine Initiative zurück, dass das Reichskabinett Unterhändler nach Kiel schickte, u.a. Noske. Eine autobiographische Aufzeichnung Scheidemanns von diesem Tag lautet: „Denn nun geht es unverkennbar mit Windeseile dem Abgrund zu.“ (95)
Auf der am nächsten Tag mit General Groener anberaumten Besprechung erkannte auch Scheidemann die Hoffnungslosigkeit der politischen Lage und die Hilflosigkeit der obersten Militärs. (96)
Am Abend des 06.11.1918 während einer Fraktionssitzung mahnte Scheidemann eindringlich vor dem nahen Zusammenbruch und nahm das Heft des Handelns in die Hand: „Jetzt heißt´s, sich an die Spitze der Bewegung stellen, sonst gibt’s doch anarchische Zustände im Reich.“ (97)
Aus diesen Überlegungen heraus wollte Scheidemann eigentlich sein Amt als Staatssekretär niederlegen und formal aus der Regierung zurücktreten, um gerade der aufgebrachten Arbeiterschaft ein klares Zeichen zu setzen; die Parteispitze war dagegen, insbesondere Ebert setzte darauf, dass sich eine allgemeine Erhebung noch im letzten Augenblick verhindern ließe. (98)
In diesem Punkt irrte Ebert gewaltig, gleichsam der Auftakt für eine Reihe weiterer Fehlentscheidungen ab dem 09.11.1918. Scheidemann dagegen wusste um die Befindlichkeiten der Berliner Arbeiterführer und dass am 09.11.1918 die politische Frage auf jeden Fall auf der Straße ausgetragen werden würde.
Da sich seine Hoffnung auf einen Rücktritt des Kaisers, der womöglich die Situation in den Morgenstunden des 09.11.1918 etwas entspannt haben würde, aber auch am Vormittag dieses Tages nicht erfüllt hatte, erklärte Scheidemann eigenmächtig seinen Rücktritt und hielt am frühen Nachmittag des 09.11.1918 auf dem Balkon des Reichstagsgebäudes seine berühmte Rede, die mit einem Hoch auf die deutsche Republik endete. (99)
Auch wenn sich Scheidemann mit seinem eigenmächtigen Verhalten in Widerspruch zur offiziellen Parteiführung setzte und die Strategie Eberts unterlief, gelang es ihm mit seinem beherzten Auftritt die aufgebrachte Menschenmenge in Berlin zu beruhigen und die befürchteten Zusammenstöße mit Polizei oder gar dem Militär zu verhindern. Vor allem aber gelang es ihm, der bereits vorbereiteten Proklamation einer sozialistischen Republik durch den Spartakusführer Karl Liebknecht zuvorzukommen, so dass sich die schon zuvor gebildeten „Räte“ einen blutigen Straßenkampf ersparen konnten – zumindest an diesem Tag.
Für Philipp Scheidemann war der 09.11.1918 „der logische Schluß des verlorenen Krieges, der beispiellosen Entbehrungen und des Abscheus vor den Kriegshetzern, die auch jetzt noch nicht zur Ruhe kommen wollten, sondern mit dem verbrecherischen Gedanken eines ‚letzten Aufgebots‘ spielten. Es war der Protest gegen die Fortsetzung eines völlig aussichtslosen Mordens, das zudem – siehe die schönfärbenden Heeresberichte des letzten Kriegsmonats – noch immer von Lügen und Entstellungen begleitet war. Er war der Tag, an dem es eben nicht mehr weiterging“. (100) So klingt wahrlich kein Revolutionsheld.
Innerhalb des am 10.11.1918 von Mehrheits-SPD und Unabhängigen gebildeten Rates der Volksbeauftragten übernahm Scheidemann die Zuständigkeit für die Finanzen. Ihm wurde von Kollegen während dieser Zeit „eine fast pathologische Bolschewistenfurcht“ nachgesagt. (101) Sein Verhältnis zu Friedrich Ebert hat sich in dieser Zeit nicht unbedingt verbessert und als Scheidemann sich nach der Wahl zur Nationalversammlung am 19.01.1919 Hoffnungen auf das Amt des Reichspräsidenten machte, wurde er von seinem Parteifreund schwer enttäuscht, da Ebert dieses Amt für sich beanspruchte. (102) Stattdessen wurde er am 13.02.1919 zum Reichsministerpräsidenten berufen, also zum Regierungschef.
Der ersten frei gewählten Regierung standen drei wichtige Aufgaben bevor: innenpolitisch für eine Stabilisierung der Ordnung zu sorgen und alsbald eine demokratische Verfassung zu erarbeiten; außenpolitisch den endgültigen Friedensschluss mit den Siegern des Ersten Weltkrieges zu erreichen.
Auf allen drei Gebieten konnte sich Scheidemann zwar mit seinen Vorstellungen nicht durchsetzen, doch wie bei Erzberger oder Rathenau wurden die als negativ empfundenen Ergebnisse diesem Mann zugerechnet.
Aus Protest gegen den aus seiner Sicht nicht erfüllbaren VV trat Scheidemann am 20.06.1919 vom Amt des Ministerpräsidenten zurück und übernahm zunächst die Geschäfte des Vorsitzenden der Mehrheits-SPD, um dann Ende 1919 nach seiner Wahl zum Kasseler Oberbürgermeister auch dieses wichtige Amt abzugeben.
In Kassel – während eines Spazierganges – wurde dann am 04.06.1922 ein Attentat auf Scheidemann verübt, dem er nur knapp und mit viel Glück lebend entkommen konnte. Zu Einzelheiten siehe unten.
Danach wurde es um Scheidemann immer ruhiger, von dem Posten als Kasseler Oberbürgermeister zog er sich im Oktober 1925 zurück, seine Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter hat er zwar noch bis Anfang 1933 weiterhin wahrgenommen, doch bis auf eine „große“ Rede im Dezember 1926, die allerdings zum Sturz der damaligen Reichsregierung führte, stand er nicht mehr im Rampenlicht des politischen Geschehens.
Obwohl Scheidemann nach dem gescheiterten Anschlag vom Juni 1922 fast ein Jahrzehnt von der großen politischen Bühne abgetreten war, musste ihm und anderen seiner Weggefährten bewusst sein, dass sie nach der „Machtergreifung“ am 30.01.1933 unter den neuen Machthabern nicht wohl gelitten sein würden.
„Der lodernde Hass der Nationalsozialisten auf einen … Demokraten ist nur verständlich, wenn man weiß, wie lange und aufopfernd der Reichstagsabgeordnete Scheidemann gegen die Nazis vor der Machtergreifung gekämpft hat.“ (103) Scheidemann flüchtete daher Anfang März 1933 aus Deutschland und ging ins Exil – zunächst nach Prag und später dann nach Kopenhagen.
Dort starb Philipp Scheidemann am 29.11.1939 mit 74 Jahren eines natürlichen Todes – viereinhalb Monate, bevor Hitler in Dänemark einfiel. (104)
8) Tatabläufe, juristische Aufarbeitung, politische Konsequenzen
a) Da alle drei Straftaten umfangreich dokumentiert sind, aber auch weil deren Niedertracht eine ausführliche Schilderung rechtfertigt, sollen die jeweiligen Tathandlungen gesondert dargestellt werden.
aa) Ermordung Erzbergers
„Das abermalige und nun tödliche Attentat erfolgte bei Bad Griesbach. In diesem Kurort am Rande des Schwarzwaldes hatte Erzberger Aufenthalt genommen, um sich in der Sommerfrische auf seine Rückkehr in die Politk vorzubereiten. Am 26. August 1921 brach er in Begleitung des Zentrumsabgeordneten Karl Diez zu einem Spaziergang auf, der ihn vom Kurhaus in Bad Griesbach die sich in Kehren durch den Wald zum Kniebis hochziehende Fahrstraße hinaufführte. Unterwegs wurden sie von zwei Wanderern überholt, denen sie allerdings keine weitere Beachtung schenkten. Auf dem Rückweg bergab, aber noch im bewaldeten Teil der Kniebisstraße, bemerkte Diez plötzlich, daß die beiden jungen Männer, von denen sie auf dem Weg bergwärts überholt worden waren, wieder hinter ihnen standen. Ehe die Politiker reagieren konnten, hatten beide Verfolger ihre Revolver gezogen und feuerten auf sie. Diez stürzte, in Oberarm und Brust getroffen und kurzzeitig gelähmt, zu Boden; Erzberger hingegen versuchte, obwohl bereits durch zwei Schüsse verwundet, seitabwärts durch ein Waldstück zu entkommen, und rutschte in Todesnot einen steilen Hang hinab, während von oben weiter auf ihn geschossen wurde. Wohl schon tödlich getroffen, blieb Erzberger schließlich am Fuß einer Tanne liegen; einer der Attentäter sprang hinterher und brachte dem Wehrlosen noch zwei gezielte Kopfschüsse bei. Als Diez es gelang, sich wieder zu erheben und auf der Fahrbahn bergab in Richtung Griesbach vorwärts zu kommen, sah er unten am Hang Erzberger tot daliegen und die Täter sich in schnellem Schritt bergwärts zu entfernen. Der Tatort zeugte vom verzweifelten Kampf des wehrlosen Opfers um sein Überleben“. (105)
„Der Körper war von acht Schüssen durchbohrt, von denen die beiden ersten durch Stirn und Brust schon genügt hätten, den Tod herbeizuführen.“ (106)
bb) Ermordung Rathenaus
„Als Rathenau am 24. Juni 1922, einem Sonnabend, sein Haus in der Koenigsallee 65 kurz nach halb elf Uhr verließ, wurde er bereits dringend im Auswärtigen Amt erwartet… Um 10 Uhr 50 sah ein an der Koenigsallee postierter Schutzpolizist ‚das Auto des Herrn Minister Rathenau in Richtung Halensee an mir vorüberfahren. Gleich darauf folgte dem ersteren ein zweiter Wagen’… ‚Der Wagen des Ministers fuhr scharf rechts, und da es kurz vor der Kurve war, langsam. In demselben Moment sah ich einen zweiten Kraftwagen in einem schnelleren Tempo hinter dem Wagen des Ministers ankommen und sah mich unwillkürlich um, um zu sehen, ob dieser Wagen den Kraftwagen des Ministers überholen wolle‘ … ‚Der in der Fahrtrichtung links sitzende Mann beugte sich plötzlich nach vorn und erhob sich von seinem Sitz. Dann drehte er sich halbrechts seitwärts, und nun hörte ich plötzlich 8 – 10 Schüsse fallen. Ich bemerkte, daß sie aus einer Maschinenpistole abgegeben wurden, die der Mann noch in seiner linken Hand hielt.’… ‚Als der eine Mann mit dem Schießen fertig war, stand der andere auf, zog ab – es war eine Eierhandgranate – und warf sie in den anderen Wagen, neben dem er dicht herfuhr.‘
Der zigarrenrauchend im Fond sitzende Außenminister war von dem Anschlag offenbar völlig überrascht worden… ‚Dies spielte sich alles in ganz kurzer Zeit ab, und unmittelbar nach Abgabe der Schüsse schlug der überholende Wagen ein rasantes Tempo an und… entschwand.’… Nur als Toter kehrte der Außenminister kaum zehn Minuten, nachdem er es verlassen hatte, wieder zu seinem Haus zurück…
Dem Obduktionsprotokoll zufolge war der Minister von fünf aus nächster Nähe abgegebenen Schüssen getroffen worden… Tödlich war bereits der erste Rückenschuß gewesen, der am linken Schulterblatt eingedrungen und dann Wirbelsäule, Brusthöhle und rechten Lungenflügel durchbohrt hatte. Drei weitere Einschußkanäle verliefen etwas seitlicher…; der letzte Schuß war durch den Hals gegangen, hatte die Unterlippe gespalten und den Unterkiefer zersplittert.“ (107)
cc) Anschlag auf Scheidemann
„Das ihm angedrohte Attentat ereignete sich am 4. Juni 1922, einem Pfingstsonntag. Kassels Oberbürgermeister Philipp Scheidemann ging zusammen mit seiner Tochter Luise und seiner Enkelin Johanna am Nachmittag im Bergpark Wilhelmshöhe spazieren, als sich ihnen zwei junge Männer näherten. Einer davon ging plötzlich direkt auf Scheidemann zu und spritzte ihm aus einer Gummispritze eine tödliche Dosis Blausäure ins Gesicht. Durch den Schrei seiner Tochter rechtzeitig alarmiert, zog er seinen Revolver und verschreckte die daraufhin flüchtenden Attentäter durch zwei Warnschüsse. Dann wurde er bewusstlos und brach zusammen. Die beiden Täter konnten entkommen, die als Tatwaffe verwandte Spritze stellte die Polizei wenig später im Gebüsch sicher. Bei der späteren Untersuchung fanden die Gerichtsmediziner heraus, dass Scheidemann das Attentat aus zwei Gründen überlebte.
Zu einem war das Gift nicht in Mund und Nase eingedrungen, da Bart und Augenbrauen dies verhinderten und somit kein größerer Schaden entstand. Zum anderen wurde die Blausäure zu lange in einem Gummiballon gelagert, sodass sie nicht mehr ihre volle Wirkung beim Opfer erzielte. Philipp Scheidemann erholte sich ziemlich schnell von dem Mordanschlag.“ (108)
„Aufgrund seiner beherzten Abwehr, die den Angreifer in die Flucht schlug und eines glücklichen Zufalls entging Scheidemann dem Tod, den die auf ihn gespritzte Blausäure in gasförmigem Zustand gewöhnlich schon in der weit geringeren Dosis von 60 Milligramm herbeiführt: ‚Nur dem Umstande, daß die bei der Tat angewandte Blausäure im Freien den Verletzten getroffen hat und an jenem Nachmittag ein starker Luftzug gerade an dem fraglichen Bergabhange herrschte, ist es zu verdanken gewesen, daß eine tödliche Wirkung nicht eingetreten ist.’“ (109)
Fazit: in allen drei geschilderten Fällen – und in zahlreichen weiteren Ereignissen – erfolgte ein unkontrollierbarer Rückfall in die Barbarei, ausgelöst durch einen „antidemokratischen Triebstau“. (110)
b) Täter, Hintermänner und Strafverfolgung
Die Frage nach der Täterschaft und die strafrechtliche Behandlung ist beim versuchten Mord an Scheidemann – zumindest vordergründig – am einfachsten und schnellsten zu beantworten.
Als Täter ermittelt und wegen Mordversuchs zu je zehn Jahren Zuchthaus verurteilt wurden zwei Männer: Karl Oehlschläger und Hans Hustert. Insoweit ein sichtbarer Fortschritt gegenüber dem Strafverfahren zum Anschlag auf Erzberger im Januar 1920, als dieser das Berliner Gerichtsgebäude verließ und von zwei Kugeln getroffen und schwer verletzt wurde; dieser Täter wurde lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, weshalb er auch nur mit 18 Monaten Haft bestraft wurde, wobei das Gericht diesem Täter offensichtlich mildernde Umstände zubilligte und später sogar bedingten Strafaufschub gewährte. (111)
Eine solche Bevorzugung bzw. Milde wurde den Scheidemannattentätern nicht gewährt, was auch mit der aufgeregten Situation nach der Ermordung Rathenaus zusammenhängen dürfte.
Von den zehn Jahren Zuchthaus mussten aber auch Oehlschläger und Hustert nur knapp die Hälfte verbüßen, da beide bereits 1927 im Rahmen einer Amnestie vorzeitig entlassen wurden.
Viel entscheidender als die konkrete Strafzumessung war im Prozess gegen die beiden Angeklagten im Falle Scheidemanns die Aufklärung der konkreten Tatumstände, nämlich die Planung und Ausführung und wer im Hintergrund beteiligt war (sog. Außensteuerung). Sowohl die Reichsanwaltschaft (heute Bundesanwaltschaft) als Anklagebehörde als auch der Staatsgerichtshof mussten davon ausgehen, dass es Hintermänner gab, die die beiden Angeklagten zumindest materiell und logistisch unterstützt haben – wenn nicht sogar als Auftraggeber und Drahtzieher fungierten !
Daher mussten die Aussagen und Einlassungen der beiden Angeklagten besonders kritisch gewürdigt werden, aber vor allem auch die übrigen Ermittlungsergebnisse notwendigerweise herangezogen werden.
Und hier liegt – so kann man unter juristischen Gesichtspunkten nachträglich festhalten – das eigentliche Problem: fehlende Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden.
So gab es im Zuge der Ermittlungen zu den Tötungsdelikten zum Nachteil von Erzberger und Rathenau eine Vielzahl von Hausdurchsuchungen, bei denen diverse Aufzeichnungen über Mitglieder und Strukturen rechtsradikaler und -extremistischer Gruppen sichergestellt werden konnten, jedoch war die kriminaltaktische Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse sicher nicht optimal.
Dies wird besonders deutlich am Beispiel des Zeugen Theodor Brüdigam, eine zugegebenermaßen zwielichtige Gestalt. Nach eigener Aussage wurde Brüdigam bereits im Frühjahr 1921 angeworben, für deutschvölkische Kreise zu arbeiten. Später habe er sich gegen Bezahlung als Spitzel für die SPD-Zeitung „Volksstimme“ angedient und sei in diesem Zusammenhang im Frühjahr 1922 für die Frankfurter Gruppierung der O.C. tätig geworden. Im Zuge dieser „Tätigkeit“ seien ihm konkrete Pläne für Anschläge auf Scheidemann und Rathenau bekannt geworden. (112)
Diese Vorgänge sind insoweit aktenkundig, als sich Brüdigam Ende Mai 1922 sowohl dem Chefredakteur der „Volksstimme“ als auch dem Frankfurter Polizeipräsidenten offenbart hatte.
Als Brüdigam dann wenige Tage nach dem Überfall auf Scheidemann nach Kassel reiste, um den dortigen Behörden seine Kenntnisse zur Verfügung zu stellen, erschien dieser Vorfall auf einmal in einem anderen Licht. Den in Kassel zuständigen Ermittlern dämmerte, „’daß es sich bei dem zweifellos ernstgemeinten Anschlag nicht um die Tat eines einzelnen Feindes des Überfallenen, sondern um das Komplott eines Geheimbundes handeln könne‘.“ (113)
Aufgrund einer Behördenpanne in Frankfurt schien der Zeuge Brüdigam dann Mitte Juni 1922 die Nerven verloren zu haben und tauchte aus Furcht vor Racheaktionen der O.C. zunächst unter (das Instrument der „Feme“ – siehe oben unter Punkt 2 – hatte ein äußerst wirksames Abschreckungspotential).
Sein Untertauchen machte ihn bei den Behörden unglaubwürdig, daraufhin wurden am 19.06.1922 bereits gegen Teilnehmer des späteren Rathenaumords beantragte Haftbefehle zurückgenommen. „Fünf Tage später war Rathenau tot und Brüdigams zweite Prophezeiung traurige Wirklichkeit geworden.“ (114)
„Wären seine Mitteilungen ernster genommen worden, hätte womöglich bereits der Anschlag auf Scheidemann, mit Sicherheit aber der auf Rathenau verhindert werden können.“ (115)
Da dies aber versäumt und demnach der Anschlag auf Walter Rathenau vom 24.06.1922 nicht verhindert wurde, ist auf die Entwicklung im Mordfall Rathenau näher einzugehen. (116)
Nach der filmreifen Hinrichtung des Außenministers aus dem fahrenden Auto heraus, fehlte von den Attentätern zunächst jede Spur.
Auch wenn von Anfang an die Vermutung bestand, dass der Anschlag auf Rathenau von langer Hand geplant war, mehr noch, dass es einen unübersehbaren Zusammenhang zwischen der Ermordung Erzbergers im Jahr zuvor und den Verbrechen gegen Scheidemann und Rathenau im Juni 1922 geben musste, so waren die bisherigen Ermittlungen nicht ausreichend, diesen Verdacht zu erhärten.
Zwar konnten trotz erneuter Ermittlungspannen unmittelbar nach dem Anschlag vom 24.06.1922 in den Tagen und Wochen danach die Namen der Todesschützen Rathenaus in Erfahrung gebracht werden (Erwin Kern und Hermann Fischer), doch wurden die beiden Männer auf ihrer abenteuerlichen Flucht letztlich erschossen bzw. durch Suizid getötet.
Damit hatten die Mörder das Wissen um die tatsächlichen Tatumstände, vor allem aber um die weiteren Hintergründe und Hintermänner mit ins Grab genommen, so dass die weiteren Verdächtigen, die im Rahmen der gesamten Ermittlungen verhaftet bzw. auch angeklagt wurden, bis auf eine Ausnahme nicht wegen der Mordtat selbst verfolgt werden konnten. Diese Ausnahme bildete der Fahrer des Tat- und auch Fluchtfahrzeuges, Ernst Werner Techow, ein sonst eher unauffälliger „Mitläufer“ in der rechten Szene.
Er wurde auch nicht als Mittäter, sondern lediglich als Gehilfe verurteilt, was ihm die damalige Todesstrafe ersparte.
Erstaunlich und bezeichnend für die damalige Geisteshaltung in der Justiz war, dass auch nach dem Anschlag auf Rathenau die bereits seit Wochen bekannte Aussage des „Zuträgers“ Brüdigam, der Mitte Juni 1922 untergetaucht war, nur unzureichend berücksichtigt wurde. Wegen seiner Vorstrafen und seiner Erwerbstätigkeit als „politischer Spitzel“ galt er allen Beteiligten und Prozessbeobachtern als zu unglaubwürdig, gar als unheimlich. Insbesondere im späteren Strafprozess fand auch seine Aussage nicht die notwendige Unterstützung seitens der Anklagevertretung; für die Strafverteidiger der Angeklagten war es daher eine leichte Übung, die Glaubwürdigkeit von Brüdigam zu erschüttern. (117)
Im Übrigen war es auch nur der persönlichen Intervention des damaligen Reichsjustizministers Gustav Radbruch zu verdanken, dass der „Geheimbund-Komplex“ nicht gänzlich „unter den Teppich gekehrt“ werden konnte; hätte sich der zuständige Oberreichsanwalt durchgesetzt, wäre die Hauptverhandlung im Rathenau-Mordfall mit einer Art „Persilschein“ zu Gunsten der O.C. eröffnet worden. (118)
Aber auch im Ergebnis konnte letztlich aufgrund der konkreten Durchführung des Strafverfahrens gegen die überlebenden Rathenauattentäter kein justitiabel begründbarer Zusammenhang zwischen den Beteiligten am Attentat auf Rathenau und konkreten Auftraggebern, insbesondere aus der ehemaligen Marinebrigade Ehrhardt oder der daraus hervorgegangenen O.C., nachgewiesen werden.
Dies lag zum einen daran, dass die Justiz wegen der öffentlichen Meinung glaubte, so schnell wie möglich einen Prozess eröffnen und die bis dato greifbaren Angeklagten präsentieren zu müssen (Schnelligkeit vor Genauigkeit der Ermittlungen – auch dem Gericht war bewusst, dass in der Sache nur unvollständig verhandelt wurde). Zum anderen war es eben das absolute Novum in der deutschen Rechtsgeschichte, dass es eine terroristische Geheimorganisation gegeben hat, die nicht nur willens, sondern auch materiell und personell in der Lage war, durch gezielte Aktionen das öffentliche Leben zu beherrschen bzw. lahmzulegen.
Daher ist nun im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des Erzbergermordes auf die erstmalige Aufdeckung der terroristischen Aktivitäten des rechten Untergrunds einzugehen.
Nachdem Matthias Erzberger am 26.08.1921 geradezu hingerichtet worden war, standen die Ermittlungsbehörden vor etlichen Problemen. Zwar gelang es anhand von Unterlagen, die die beiden Attentäter in einer Pension im Nachbarort, wo sie unter falschen Namen abgestiegen waren, fahrlässigerweise nicht vollständig vernichtet hatten, Klarnamen und auch teilweise Adressen ausfindig zu machen, jedoch konnten die Behörden beide Verdächtige nicht festnehmen oder wenigstens ihren Aufenthaltsort ermitteln.
Ursache für die Nichtergreifung der Täter war eine tatkräftige Unterstützung zur Fluchthilfe seitens rechtsextremer Organisationen, denen auch die – zumindest ideelle – Urheberschaft für das Erzbergerattentat zukommt. Die unstreitig als Täter ermittelten Heinrich Schulz und Heinrich Tillessen, dessen älterer Bruder Karl Tillessen zu den Beschuldigten im Rathenauprozess gehörte, konnten sich von München aus ins Ausland absetzen – die hierfür notwendigen Pässe stammten aus hohen Kreisen der örtlichen Polizei.
Erste Station der Flüchtigen war Budapest, wo sie sich ebenfalls des Schutzes der dortigen Behörden sicher sein konnten; selbst ein Auslieferungsersuchen der deutschen Ermittlungsbehörden blieb erfolglos.
Währenddessen gelang es den deutschen Behörden aufgrund der vorhandenen Beweismittel und Spuren zunächst in München, dann an vielen weiteren Orten ein regelrechtes Netzwerk rechter Geheimverbindungen zu ermitteln; Haupttreffer war, wie eingangs bereits erwähnt, die „Organisation Consul“ (O.C.), die sich im Wesentlichen aus ehemaligen Angehörigen der Brigade Ehrhardt zusammensetzte. Daneben stieß man auf weitere rechtsextreme Gruppierungen, wie den „Germanenorden“ oder deutschvölkische Schutz- und Trutzbündnisse, die teils mit legalen Organisationen wie den bayerischen Einwohnerwehren kooperierten.
Als diese paramilitärischen Freiwilligenverbände auf Druck der Alliierten aufgelöst werden mussten, um die Abrüstungsbestimmungen laut VV erfüllen zu können, wurden viele dieser Wehrverbände insgeheim von der O.C. übernommen; da diese über große Geldsummen verfügten, konnte sich die O.C. auch finanziell sanieren. (119) Im September 1921 verfügte Ehrhardt angeblich über mindestens 5000 Mann, bezieht man alle damals noch vorhandenen Freikorps ein, wären möglicherweise bis zu 120.000 Mann zu mobilisieren gewesen. (120)
Das ist auch nicht überraschend oder unglaubwürdig, da zu diesem Zeitpunkt als Kristallisationspunkt rechter Freischärler der Heimatschutz in Oberschlesien gewesen ist – Folge von Artikel 88 VV, wonach die dortige Bevölkerung über ihren Verbleib beim Deutschen Reich oder ihre Zugehörigkeit zu Polen abstimmen sollte.
Dieses besondere Abstimmungsgebiet war daher nicht nur ein politisches, sondern auch ein militärisches Pulverfass. So konnten Freikorps im Mai 1921 bei einem erneuten Aufstand polnischer Kräfte in Oberschlesien rigoros eingreifen und gleichsam anstelle einer regulären deutschen Armee die Aufrührer vertreiben.
„Die geduldete Illegalität förderte die Bereitschaft dieser Kampfverbände, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen und Gegner wie im Krieg mit Gewalt zu erledigen.“ (121)
Viele der ehemaligen Reichswehrsoldaten, die sich dann in den Freikorps verdingten, sahen es als nationale Pflicht an, in Oberschlesien deutsche Interessen zu schützen, somit war eine sinnstiftende Gemeinsamkeit auch mit der O.C. vorhanden, was auch die anhaltende Popularität des inzwischen steckbrieflich gesuchten Ehrhardt erklären dürfte und auch, warum er sich z.B. in München frei bewegen konnte.
Wohl eher als Wunschdenken einzuordnen sind Ausführungen einzelner O.C.-Mitglieder, wonach die von Ehrhardt aufgebaute Organisation die Vorstufe eines militärischen Nachrichtendienstes bilden sollte, da dies der Reichswehr offiziell nach dem VV verboten war. (122)
Allerdings hat der spätere Bundesfinanzminister Alex Möller von „geheimen Abwehraufgaben“ gesprochen, die die Ehrhardt-Truppe ausgeführt habe. (123) Derartige Pläne sind aber weder bei den militärischen noch politischen Einrichtungen (Behörden oder gar Ministerien) überliefert, so dass ein stichhaltiger Nachweis einer solchen These nicht mehr möglich sein dürfte. Auch wenn auffällt, dass bestimmte Verhaltensweisen in der O.C. dem konspirativen Charakter staatlicher Geheimdienste ähnelten – so vor allem geheime Waffengeschäfte. (124)
Ebenso auffällig ist auch eine personelle Kontinuität bekannter Personen innerhalb der Freikorps bzw. der O.C.; so standen z.B. Wilhelm Canaris, später Chef der deutschen Abwehr und aufgrund seiner Kontakte zum Widerstand des 20.07.1944 sogar hingerichtet, oder Friedrich Wilhlem Heinz, der nach 1950 unter dem Dach des Bundeskanzleramts einen eigenen Nachrichtendienst (unabhängig von der „Organisation Gehlen“) aufbauen sollte, den Machenschaften der Freikorps und den Aktivitäten der O.C. sehr nahe oder waren gar darin verstrickt. (125) Ganz von der Hand zu weisen ist daher eine Verbindung zu staatlichen Stellen mit nachrichtendienstlichen Aufgaben während der unübersichtlichen Jahre nach 1919 sicherlich nicht.
Es gab zumindest eine Grauzone bzw. eine spezielle „Atmosphäre lizenzierter Illegalität“ (126), wo verschiedene Berührungspunkte zwischen O.C. und der Reichswehr nachweisbar sind:
In der Identität handelnder Personen und organisatorischer Verflechtungen, bei der weltanschaulichen Übereinstimmung und auch im Wunsch, das Kriegserlebnis zu verlängern (eine Fortsetzung von „Stahlgewittern“ im Sinne Ernst Jüngers).
Die Zentrale der O.C. befand sich seit September 1920 in München; zur Tarnung wurde im Dezember 1920 die „Bayerische Holzverwertungsgesellschaft mbH“ gegründet, bei der viele der späteren Verdächtigen angestellt waren. Von dieser Strohgesellschaft aus wurden dann im gesamten Land Ortsgruppen gebildet und zentral gesteuert. Im Januar 1921 trat ein weiterer Vertrauter von Ehrhardt, Manfred v. Killinger der Organisation bei, der die militärische Leitung der O.C. übernahm und gleichzeitig Mitglied im Germanenorden war. Ab Frühjahr 1921 waren auch Schulz und Tillessen in der von Killinger geleiteten Abteilung in der Münchner O.C.-Zentrale tätig, die ebenfalls vom Germanenorden angeworben wurden.
Eine genaue Abgrenzung der O.C. zum Germanenorden dürfte bereits den damaligen Zeitgenossen schwergefallen sein, da oftmals die handelnden Personen identisch und vor allem in den organisatorischen Strukturen viele Gemeinsamkeiten vorhanden waren, wie die absolute Gehorsams- und Verschwiegenheitspflicht oder die Verhängung der Feme gegenüber internen Abweichlern und Verrätern – ein äußerst probates Mittel für konspiratives Handeln.
Es waren letztlich zwei programmatische Stoßrichtungen (127), die von diesen rechtsextremistischen Organisationen verfolgt wurden. Zum einen der im Verbund mit den Freikorps und Heimatschutzbünden verfolgte Schutz der fragilen Außengrenzen des Deutschen Reiches, die als eine Folge des VV großer Unsicherheit ausgesetzt waren; zum anderen die innenpolitische Stoßrichtung, den Versuch zu unternehmen, mit Hilfe von umstürzlerischen Maßnahmen die Grundlage für einen gegenrevolutionären (im Kern reaktionären) Staatsstreich zu schaffen.
Aus dem Mißerfolg des Kapp-Lüttwitz-Putsches hatte Ehrhardt für sich und seine Organisation die Lehre gezogen, die politische Rechte müsse ein Klima schaffen, das durch gezielte Angriffe und Provokationen zu einem „Linksputsch“ führen müsse, um dann gemeinsam mit der Reichswehr eingreifen zu können. Diese spezielle taktische Ausrichtung bzw. Neuformierung diente dem einen strategischen Ziel: „die Zerschlagung des Weimarer Verfassungsstaates und die Diktatur von rechts.“ (128)
Interessanterweise hat sich diese spezielle innenpolitische Situation eines drohenden „Linksputsches“ tatsächlich im Oktober 1923 ergeben, als in Sachsen, Thüringen und abgeschwächt in Hamburg kommunistische Umsturzversuche erfolgten. (129)
Zu diesem Zeitpunkt war Ehrhardt aber nur noch eine Randfigur der nationalen Rechten, in München war die Meinungsführerschaft im Herbst 1923 bereits auf Hitler übergegangen. Aber 1921/22 sollten zur Verfolgung dieser innenpolitischen Zielrichtung auch gezielte Attentate gegen verhasste Repräsentanten der einhellig abgelehnten Weimarer Demokratie durchgeführt werden.
Dass der von den Rechten seit Jahren geschmähte Erzberger eine idealtypische Verkörperung des verhassten Weimarer Systems gewesen ist, wird nicht verwundern; als sicher gilt daher auch, dass aus dem Umfeld der O.C. das Attentat vom 26.08.1921 geplant und durchgeführt wurde.
Welche Gruppierung letztlich die Planung und Durchführung des Anschlags auf Erzberger im strafrechtlichen Sinne zu verantworten hatte, ob die O.C. oder doch der Germanenorden, konnte bereits bei den zeitgenössischen Ermittlungen nicht geklärt werden, aber auch nach 1945 blieben berechtigte Zweifel und Unstimmigkeiten. (130) Der spätere Angeklagte Tillessen versuchte Ehrhardt und die O.C. gänzlich rauszuhalten und die gesamte Verantwortung dem Germanenorden anzulasten. Danach sei in der Zentrale des Germanenordens in Jena per Los die Entscheidung auf Schulz und Tillessen gefallen. Die Mitteilung über den Losentscheid sei dann im Büro v. Killingers erfolgt, ohne dass Ehrhardt zugegen war.
Somit lässt sich keine objektive Abgrenzung über das Verhältnis von diesem obskuren Orden und der O.C. bei der Durchführung des Erzbergermordes vornehmen. Ziel dieser Verschleierung war offensichtlich, den wegen seiner Beteiligung am Kapp-Lüttwitz-Putsch gesuchten Ehrhardt zu entlasten und seinen Nimbus in der rechtsextremen Szene zu wahren. Es spricht daher viel für ein Zusammenspiel beider Organisationen. (131)
Man wird daher von einer Art rechtsterroristischem Netzwerk auszugehen haben, dass für alle hier beschriebenen Verbrechen die „übergeordnete“ Verantwortung trägt. Die unstreitige Gallionsfigur Hermann Ehrhardt kann daher als einer der ersten „Terrorpaten“ in Deutschland und wegen der nachgewiesenen Kontakte z.B. nach Ungarn sogar in Europa gelten.
Die von ihm zumindest finanziell unterstützten Erzbergerattentäter Schulz und Tillessen konnten dann ab Ende 1932 auch wieder unbehelligt nach Deutschland einreisen; die besondere Amnestie des Reichspräsidenten vom 21. März 1933 kam ihnen vollauf zugute, sie waren geradezu Helden bei den Nazis.
Mit Untergang des „Tausendjährigen Reiches“ stellte sich aber die Frage der strafrechtlichen Verfolgung der beiden Erzbergerattentäter erneut: Tillessen wurde Anfang Mai 1945 als Zivilist festgenommen und befand sich ab August 1945 in Untersuchungshaft; Schulz geriet als Angehöriger der Waffen-SS in amerikanische Kriegsgefangenschaft und war ab Anfang 1946 in sog. Internierungshaft. (132)
Gegen Tillessen wurde zwar vor dem Landgericht Offenburg am 26.08.1946 (auf den Tag 25 Jahre nach der Tat) Anklage erhoben, die zuständige Strafkammer lehnte aber die Eröffnung des Verfahrens ab; die rein formalistische Begründung stellte die Amnestieregelung vom 21. März 1933 als Verfahrenshindernis dar.
Auf Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft wurde dieser Ablehnungsbeschluss zwar aufgehoben und die nun erzwungene Hauptverhandlung nach Freiburg verlegt, doch hat sich die Strafkammer erneut auf die für anwendbar erklärte Amnestie von 1933 berufen und das Verfahren zu Lasten der Staatskasse eingestellt.
Einer der ersten Justizskandale der Nachkriegszeit war damit geboren. (133) Erst auf Intervention der französischen Besatzungsmacht wurde auch die zweite Entscheidung, die faktisch einen Freispruch Tillessens darstellte, aufgehoben (Argument: die Amnestie vom März 1933 sei nicht auf verfassungsgemäße Weise zustande gekommen – die Reichsverfassung von 1919 wurde ja von den braunen Machthabern niemals formell kassiert). Die Neuverhandlung der Strafsache gegen Tillessen wurde dann an das Landgericht Konstanz verwiesen, dort erfolgte am 28.02.1947 seine Verurteilung wegen Mordes zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren.
Die erst 1950 gegen Schulz durchgeführte Strafsache endete mit einer Zuchthausstrafe von 12 Jahren; beide mussten ihre Strafe nicht einmal zur Hälfte verbüßen. (134) Selbst Manfred von Killinger, Vorgesetzter der beiden Erzbergerattentäter in der Münchener O.C.-Zentrale, wurde trotz eindeutig strafrechtlich relevanter Handlungen nicht verurteilt.
Als Schulz und Tillessen nach dem Mord an Erzberger zurück nach München kamen, um Vollzug zu melden, war es v. Killinger, der beide Männer aus München wegbrachte, damit diese untertauchen konnten.
Auch war im späteren Strafverfahren vor dem Landgericht Offenburg bekannt, dass der Mordauftrag im Büro und in Anwesenheit v. Killingers erteilt wurde; dennoch gab es weder eine Verurteilung wegen Beihilfe oder Strafvereitelung: v. Killinger wurde in allen Punkten freigesprochen ! (135) Nach 1945 konnte gegen v. Killinger nicht mehr ermittelt werden, da er sich im Herbst 1944 selbst richtete.
„Die Geschichte der gerichtlichen Behandlung des Falles spiegelt einen guten Teil der neueren deutschen Geschichte wider. Es lag an der nationalistischen Durchsetzung des bayerischen Polizeiapparates, wenn Schulz und Tillessen nicht verhaftet wurden, ehe sie nach Budapest flüchteten. Daß Killinger im Juni 1922 freigesprochen wurde, zeigte, in welch erheblichem Ausmaß Teile der Öffentlichkeit, deren getreues Abbild die Geschworenenbank bot, die Ermordung republikanischer Minister nicht für eine strafbare Handlung hielten. Die öffentliche Verherrlichung der Erzberger-Mörder war charakteristisch für den Geist des Nationalsozialismus.“ (136)
Auch Ehrhardt und Pabst (obwohl sich dieser später sogar mit seiner führenden Rolle bei der Ermordung der KPD-Führer Liebknecht und Luxemburg brüstete) wurden wegen ihrer Beteiligung an gegenrevolutionären Gruppierungen bzw. gewalttätigen Aktionen niemals rechtskräftig verurteilt.
Besonders bei Ehrhardt wundert es schon, dass trotz aller Verstrickungen in rechtsextremen Aktivitäten spätestens seit seiner aktiven Unterstützung im Kapp-Lüttwitz-Putsch nicht einmal ein Verfahren wegen „Geheimbündelei“ nach § 128 Strafgesetzbuch alter Fassung eingeleitet wurde; ob dies einen Grund darin hatte, dass die berüchtigte Brigade Ehrhardt ab April 1920 fast vollständig von der Reichsmarine übernommen wurde (137), ist nicht auszuschließen.
Zumindest mit Amtsantritt von Hindenburgs als Reichspräsident konnten sich die Beteiligten an diesem reaktionären Umsturzversuch vom März 1920 eines wohlwollenden Fürsprechers sicher sein: bereits 1925 erfolgte eine Amnestie, noch bestehende Haftbefehle wurden daraufhin aufgehoben. (138)
Letztlich konnte in allen drei Tatkomplexen nicht geklärt werden, ob eine einheitliche Steuerung der Attentäter von Außen vorgelegen hat. Die jeweiligen Haupttäter haben zu den möglichen Hintermännern geschwiegen, so im Falle Scheidemanns, die Rathenaumörder hatten ihre Flucht mit dem Leben bezahlt und die nachträgliche Strafverfolgung der Erzbergermörder hat zwar zahlreiche Erkenntnisse gebracht, aber weitergehende Strafverfolgungsmaßnahmen blieben gegenstandslos – entweder waren mögliche Delikte schlichtweg verjährt oder aber die Täter nicht mehr am Leben.
9) Schluss
Politische Attentate werden zumeist in Zeiten des Umbruchs und der Krise verübt. Die Weimarer Republik durchlebte nahezu ohne nennenswerte Unterbrechung krisenhafte Situationen, die gerade in den Anfangsjahren zu einer regelrechten Welle politisch motivierter Gewalt führten.
Es gibt mathematisch fundierte Berechnungen, nach denen es in den Jahren 1919 – 1922 bis zu 354 Todesopfer gegeben habe, die in diese Kategorie fallen. (139)
Auf die Situation in Deutschland nach dem Umbruch 1918/19 trifft folgende Analyse zu: „Wenn ein abgedankter und ein amtierender Reichskanzler aus verschiedenen Parteien mit einem Abstand von drei Jahren feststellen, dass politische Morde der Rechten die Grundlagen der Republik erschüttern und damit deren Verankerung in der Demokratie loszureißen drohen, muss jedem verständigen Bürger einleuchten: Es geht um das Schicksal der Republik, vielleicht sogar um ihren Untergang. Das Merkwürdige an dieser Sonderlage bleibt: Damit müssen viele Deutsche, ja zunehmend eine relative Mehrheit einverstanden gewesen sein. Nicht ein Regierungszentrum mit einer fähigen Regierung beherrschte das Reich, sondern es herrschte, von den Rändern gesehen, der bedrohlich vorrückende Ausnahmezustand.“ (140)
Sofern heute im Diskurs der Historiker die Ansicht zu überwiegen scheint, dass bei den maßgeblichen Politikern zu Beginn der Umwandlung vom Kaiserreich zur Republik eine falsche Lagebeurteilung vorgelegen habe, die die spätere Fehlentwicklung beeinflusst haben könnte, wonach es in der Innenpolitik nur um die alternativlose Entscheidung zwischen Bolschewismus oder bürgerlich geprägter Republik (entweder Räterepublik oder demokratischer Verfassungsstaat) gegangen sei, fragt sich, ob diese Entwicklung wirklich unvermeidbar gewesen ist. (141)
Der englische Historiker Barraclough sprach unverblümt davon, dass die Männer, die nach der Flucht Wilhelms II. die neue Spitze bildeten, sich „als völlig unfähig“ zeigten, die Größe der Aufgaben zu erfassen. (142)
Da aber nun einmal in dieser von Extremen gekennzeichneten Situation die Mehrheitssozialisten für ihre Vorstellung einer parlamentarisch-demokratischen Republik die äußerste Linke bekämpfen zu müssen glaubten und dafür aber nur die alten militärischen Kräfte in Betracht kamen, wurden das Offizierskorps und die heimkehrenden Soldaten gebraucht, die sich mehr als willig haben rufen lassen.
Hierbei darf auch nicht vergessen werden, dass es unstreitig linksradikale Ausschreitungen, in Berlin bereits Anfang Dezember 1918 und dann noch einmal kurz vor Weihnachten 1918, mit zahlreichen Toten gegeben hat. Die Sorge vor dem Chaos war also bei Ebert, Scheidemann, Noske u.a. nicht von der Hand zu weisen.
Betrachtet man aber die gesamte innenpolitische Entwicklung während des Ersten Weltkriegs, die faktische Neutralisierung des Kaisers und die Etablierung einer Art Militärdiktatur seitens der OHL auf der einen Seite und andererseits die Bestrebungen, das Militär und vor allem das Offizierskorps mit allen Mitteln zu stützen und auch noch zum Ende des Krieges hin mit Parolen zu versorgen, wie von General Groener vorgemacht, bestand doch zumindest für die Zeit nach dem 09.11.1918 die schleichende Gefahr, dass hohe Militärs die künftigen politischen Weichenstellungen beeinflussten.
Die Anfang November 1918 eher überraschend an die politischen Schaltstellen der Macht gelangten Männer der gemäßigten Sozialdemokratie, die über lange Zeit im Reichstag lediglich Budgetfragen und dann die Bewilligung von Kriegskrediten zu erledigen hatten, waren letztlich viel zu autoritätsgläubig, um sich gegen anbahnende antirepublikanische Kräfte in Militär, aber auch Justiz und Verwaltung behaupten zu können. Hinzu kommt, dass in den Reihen der im Rat der Volksbeauftragten vertretenen Arbeiterparteien schlichtweg kein (oder zumindest nicht in ausreichendem Maße) geeignetes Führungspersonal vorhanden war, um wenigstens die allerwichtigsten Funktionsträger zu stellen; wenn sogar der Kandidat für den Posten des Berliner Polizeipräsidenten, Emil Eichhorn von der Unabhängigen-SPD, Anfang Januar 1919 wegen Unfähigkeit entlassen wurde, spricht dies Bände.
Zumindest müssen sich auch führende Vertreter der Mehrheits-SPD den Vorwurf gefallen lassen, dass durch ein Paktieren mit der vormals kaiserlichen Armee auch viele hochgestellte Militärs des untergegangenen Kaiserreichs in ihren Ämtern und Funktionen verblieben sind, die mit dazu beitragen konnten, dass sich der unheilvolle preußische Offiziersgeist ohne spürbare Einschränkung in die neue Zeit rüberretten und auch dort etablieren konnte.
Die infolge der offenen Situation im November 1918 zumindest kurzzeitig als Option erscheinende durchgreifende Umgestaltung (Demokratisierung) von Armee und Verwaltung wurde nicht ernsthaft ergriffen, obwohl die Gefahren erkennbar waren. (143)
Nachdem die Militärs ihre Aufgabe als Ordnungsmacht erfolgreich erledigt hatten, wurde es für die Politik schwierig, die Geister, die sie zuvor gerufen hatte, wieder einzufangen oder wenigstens zu bändigen.
Andererseits konnten sich die gerne gerufenen Militärs als Retter der neuen Ordnung – der sie selbst meist reserviert bis ablehnend gegenüber standen – feiern lassen und mit Kalkül darauf vertrauen, dass Staat und Gesellschaft auch Exzesse und Tabubrüche übersehen oder wenigstens verzeihen würden; angefangen bei den Freikorpsanführern, wie Ehrhardt, über von Lüttwitz bis Ludendorff.
Der Armeeführung gelang es, ein autonomes Machtzentrum aufzubauen, das sogar unter außenpolitischen Aspekten agieren konnte (interessanterweise auch mit Blick auf das bolschewistische Russland); man hat daher auch von einer „Privatisierung des Gewaltmonopols“ beim Militär gesprochen. (144)
„Die Militärs handeln selbständig, sie sind den Diplomaten oft um eine Länge voraus.“ (145) Dem Reichswehrministerium gelang es später sogar, in Moskau eine eigene Dienststelle einzurichten. (146) Aber auch im Hinblick auf die US-amerikanische Armee in Europa hatte die OHL eigene Verbindungen und Gesprächsmöglichkeiten aufgebaut. (147)
Dem Rat der Volksbeauftragten unter Führung von Ebert und Haase, als dem aus den Wirren des 09.11.1918 hervorgegangenen Exekutivorgan der zivilen Verwaltung gelang es zu keiner Zeit, Herr über die Militärs zu werden; die alte Führungsschicht der kaiserlichen Generalität, nicht nur in der OHL, konnte eine eigenständige Machtposition erlangen und auch ausbauen. Im Ergebnis gab es kaum einen Unterschied zum Einfluss, den die Armeeführung auch nach den Ereignissen des November 1918 geltend machen konnte, zu der Situation im Kaiserreich; außer der Ungewissheit, was mit und nach einem offiziellen Friedensschluss kommen würde. Dadurch konnte ein Klima rechter Agitation entstehen: gegen den Staat von Weimar im Allgemeinen und besonders perfide Hetze gegen einzelne Personen, die mit dem neuen System gleichgesetzt wurden.
Es etablierte sich eine innenpolitische Opposition gegen Weimar, die vor allem auch die als drückend und zutiefst ungerecht empfundenen Bestimmungen des Friedensvertrages für ihre Propagandazwecke nutzte.
Mit der „Dolchstoßlegende“ wurde ein Narrativ erfunden, politische Gegner (Demokraten und Linke) mundtot zu machen; in bestimmten Fällen aber eben nicht nur mundtot. Hinter der engeren antidemokratischen, stark monarchistisch geprägten Terrorgruppe der O.C. stand ein weitgespanntes, teils engmaschiges Netzwerk von Gegnern der Weimarer Republik.
Die drei hier exemplarisch vorgestellten Politiker aus den die Weimarer Republik besonders tragenden Parteien waren daher nicht nur Opfer einer organisierten Mörderbande (O. C.), sondern vor allem einer verhängnisvollen Entwicklung, die mit dem „Entweder – Oder“ im November 1918 begann und sich bis zum Präsidialregime unter Hindenburg fortsetzte.
Auch wenn sich die heutigen Verhältnisse augenscheinlich grundlegend von denen während der Weimarer Republik unterscheiden, hat es die letzten Jahrzehnte immer bestimmte Gewalttaten gegeben, die zwar der rechten Szene zugeordnet wurden, ohne dass aber ein besonderer Ermittlungsdruck entwickelt worden wäre, wie beim Attentat auf das Münchner Oktoberfest 1980. Oder es wurde aber lange Zeit jeder rechtsradikale Hintergrund abgewiegelt – selbst von einem ehemaligen Mitglied der Grünen, Otto Schily, der als SPD-Bundesinnenminister 2004 bei dem Kölner Nagelbombenanschlag in völlig abstrusen Zusammenhängen dachte. Es bedurfte erst der Selbsttötung der beiden Haupttäter 2011, um das besagte NSU-Trio überhaupt aufzudecken. Danach war die Empörung groß, wie viele staatliche Stellen in Deutschland über ein Jahrzehnt zumindest fahrlässig die wahre Täterschaft für schwere Verbrechen ignoriert und unheilvolle Strukturen verdrängt bzw. beschönigt hatten.
Autor: Thomas Fuchs, Assessor iur., Rechtshistoriker
Anmerkungen
1) Siehe zum Gesamtkomplex die allgemeinen Darstellungen u.a. bei Winkler, Kapitel 1 – 6; Büttner,
§§ 3 – 6; Heiber, Kapitel 1 – 4; H. Möller, Weimarer Republik, S. 146 ff.; Erdmann, Kapitel 4, 8
2) H. Möller, Weimarer Republik, S. 158
3) Vgl. Sommer, S. 12
4) https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Politische_Morde_%28Weimarer_Republik%29
5) Exemplarisch Erdmann, S. 42 f.; im Überblick: Kolb, Weimarer Republik, S. 161, 166 ff.; ders., Einleitung
in: Kaiserreich, S. 23 f.; Grebing, Konservative Republik in: Kaiserreich, S. 387 ff.
6) Siehe Überblick bei Heiber, S. 21 f.
7) Erdmann, S. 42 f.; differenzierter Winkler, S. 38 f., 44; für das hier interessierende Thema können das genaue Datum und auch die Intensität des Kontaktes zwischen Ebert und Groener dahingestellt bleiben.
8) Kluge, S. 45
9) Vorgeschichte des Waffenstillstands, S. 118 – 123
10) Vgl. Winkler, S. 58 ff.
11) Erdmann, S. 45
12) Zusammenhang der „Baltikumer“, Brigade Ehrhardt und General v. Lüttwitz bei Winkler, S. 114 – 119
13) Siehe Erdmann, S. 42. Allerdings waren auch reguläre Soldaten im Einsatz, die dann offiziell unter die Militärstrafgerichtsbarkeit fielen – die Grenze zwischen regulären Truppen und Freikorps war fließend.
14) So Winkler, S. 120
15) So Büttner, S. 366
16) Im Überblick Büttner, S. 367 ff.
17) Büttner, S. 370
18) Winkler, S. 127
19) Büttner, S. 371 ff.
20) Büttner, S. 371
21) Diesem Komplex geht Sabrow in „Rathenaumord“ u. „Verschwörung“ detailliert nach.
22) Siehe: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/1848/content/pageview/2225783
23) Krumeich, Enzyklopädie, S. 444 f.
24) Janz, S. 323
25) Vgl. Winkler, S. 50 mit weiteren Nachweisen; ebenso Niedhart, S. 5
26) http://www.1000dokumente.de/pdf/dok_0026_dol_de.pdf
27) H. Möller, Weimarer Republik, S. 72 mit weiteren Nachweisen
28) Krumeich, a.a.O.; Möller, dito.
29) wie in Anm. 28)
30) Exemplarisch: Uhle-Wettler, S. 19
31) https://www.dhm.de/lemo/biografie/matthias-erzberger im Überblick
32) Epstein, S. 10
33) Winkler, S. 117
34) Epstein, S. 367
35) ders., S. 368
36) Grupp, S. 164
37) Eschenburg, S. 9
38) Epstein, S. 72
39) Munding, S. 327
40) Kröger, S. 126
41) Pappert, S. 193 f.
42) Grupp, S. 164
43) Siehe Grupp, S. 171
44) Munding, S. 328 (Stand der Reichsschulden 1913: 5 Milliarden, Stand: 1919: 153 Mrd. Reichsmark)
45) Grupp, S. 171
46) Ruge, S. 10
47) Helfferich, S. 83
48) Pappert, S. 196
49) Epstein, S. 474 ff
50) Im Überblick: Epstein, S. 411
51) dito.
52) Bei den strittigen Punkten ging es eben nicht um „Rechtsfragen“, sondern um Tatsachenfeststellungen
53) Munding, S. 339
54) Siehe Janz, S. 299
55) Epstein, S. 401
56) Pappert, S. 200
57) Ruge, S. 8
58) ders., 9
59) Kirchhof, S. 117
60) https://www.dhm.de/lemo/biografie/walther-rathenau im Überblick
61) zitiert nach Michalka, S. 96
62) Sabrow, Verschwörung, S. 81
63) Abgedruckt bei Trützschler, S. 102; allgemein: http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/handbuch-des-antisemitismus-benz/
64) Michalka, S. 104
65) zitiert nach Federn-Kohlhaas, S. 23
66) Michalka, S. 105
67) Buchner, S. 384
68) Michalka, S. 97
69) Federn-Kohlhaas, S. 30
70) Federn-Kohlhaas, S. 32
71) Federn-Kohlhaas, S. 33
72) Federn-Kohlhaas, S. 51
73) Federn-Kohlhaas, S. 54
74) Michalka, S. 97
75) Michalka, S. 99
76) Michalka, S. 100
77) Michalka, S. 100
78) dito.
79) Michalka, S. 101
80) Michalka, S. 103
81) Vgl. Michalka, a.a.O.
82) H. Möller, Weimarer Republik, S. 159
83) H. Möller, a.a.O., S. 159 f.; Michalka, S. 103
84) Michalka, S. 104
85) Gall, S. 244
86) Gall, a.a.O.
87) Michalka, S. 96
88) https://www.dhm.de/lemo/biografie/philipp-scheidemann im Überblick
89) Gellinek, S. 15
90) Aus Scheidemanns Memoiren: „Ich habe in meinen Jugendjahren gehungert, wie nur ein Mensch hungern kann.“ Siehe Fesser, S. 62.
91) Wie Erzberger 1903.
92) Fesser, S. 64
93) Vgl. Fesser, a.a.O.
94) Fesser, S. 65 m.w.N.
95) Scheidemann, Zusammenbruch, S. 191
96) ders., S. 191 ff.
97) ders., S. 205
98) ders., 206
99) ders., S. 208
100) ders., S. 209 f.
101) Fesser, S. 66
102) Fesser, S. 67
103) Gellinek, S. 61
104) Fesser, S. 71
105) Sabrow, Verschwörung, S. 68
106) Epstein, S. 432
107) Sabrow, Rathenaumord, S. 86 – 88
108) Gellinek, S. 48
109) Sabrow, Rathenaumord, S. 57 f. mit weiteren Nachweisen
110) Gellinek, S. 22
111) Sabrow, Rathenaumord, S. 18
112) Im Zusammenhang: Sabrow, Rathenaumord, S. 63 ff.
113) Siehe Sabrow, Rathenaumord, S. 64
114) Sabrow, ders., S. 65
115) dito.
116) Im Folgenden: Sabrow, Verschwörung, S. 123 ff.
117) Sabrow, Verschwörung, S. 141
118) Vgl. Sabrow, Verschwörung, S. 135
119) Sabrow, Rathenaumord, S. 44
120) Sabrow, ders., S. 39 f.
121) Büttner, S. 406
122) Sabrow, Rathenaumord, S. 28, 38
123) A. Möller, Erzberger, S. 56
124) Sabrow, Rathenaumord, S. 38
125) zu Canaris: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Canaris
zu Heinz: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Heinz
126) Jasper, S. 434, 439
127) Im Überblick: Sabrow, Rathenaumord, S. 36 – 44)
128) Sabrow, ders., S. 41
129) „Deutscher Oktober“, s.: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Oktober
130) Sabrow, ders., S. 49 – 56)
131) Sabrow, ders., S. 54 f.
132) Huber-Stentrup, S. 249
133) Hensle, S. 95 – 97
134) Hensle, a.a.O.
135) Epstein, S. 437 f.
136) Epstein, S. 439
137) Winkler, S. 136
138) Winkler, S. 137
139) Vgl. Pappert, S. 192
140) Gellinek, S. 26
141) Vgl. Kolb, wie Anmerkung 5); Heiber, S. 16 ff.
142) Barraclough, Tatsachen, S. 181
143) Grebing, S. 398 f.
144) Kluge, S. 82
145) Schieder, S. 30
146) dito
147) Schwabe, S. 282 f.
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