Konterrevolution – der Kapp-Lüttwitz-Putsch 1920 (aka Kapp-Putsch) in der Serie „Babylon Berlin“.
I) Dieser Beitrag soll als Anknüpfung bzw. Ergänzung zu den kürzlich hier veröffentlichten Ausführungen zur Fernsehserie „Babylon Berlin“ dienen; insbesondere zu Aspekten wehrpolitischer und militär-historischer Natur, die in der Weimarer Republik eine wesentliche Rolle gespielt haben.
Zeitlich sind die wesentlichen Abläufe vor den geschilderten Ereignissen zu „Babylon Berlin“ angesiedelt; gleichsam als historisches „Prequel“. Neben der eher chronologischen Schilderung des maßgeblichen Geschehens möchte dieser Beitrag aber auch ganz bestimmte Fragestellungen zumindest anreißen, um dadurch hoffentlich Interesse für einige Besonderheiten der damaligen Zeit zu wecken, die in den üblichen Darstellungen zur Weimarer Republik eher selten im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch (1) thematisiert werden.
Es geht um bestimmte Aspekte, die über eine bloße Zusammenstellung von Daten, Ereignissen und Personen hinausgehen. Hierzu gehören die „soziale Frage“, Betrachtungen zur „Kontinuität“ in Militär und Verwaltung, aber auch Überlegungen zur Frage des „Nationalismus“.
Weiterhin sollen auch kritische Fragen aufgeworfen werden: sowohl an Politiker und militärische Entscheidungsträger auf deutscher Seite als auch an Politiker der Siegermächte des Ersten Weltkriegs. An erstere vornehmlich solcher innenpolitischen Natur, an letztere solche mit außenpolitischem Bezug.
Alle werden durch eine gemeinsame Klammer verbunden: den staatspolitischen und verfassungsrechtlichen Umbruch vor hundert Jahren, im November und Dezember 1918.
Daher ist ein Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Entwicklungen während der Zeit ab Jahresende 1918 bis zum Frühjahr 1920 zu legen, der nicht nur die eigentümlichen Verhältnisse im damaligen Militär in Deutschland, sondern auch allgemeine politische, wie soziale Aspekte beleuchtet und welche Auswirkungen sich für die Folgezeit ergeben haben. Gleichsam spiegelbildlich gilt dies auch für den ab Anfang der 1920er Jahre beginnenden Aufstieg von Adolf Hitler, der im März 1920 noch völlig namen- und konturlos gewesen ist.
Die meisten der Überblicksdarstellungen zur Weimarer Republik geben dem Kapp-Putsch leider oft nur ein bis zwei Seiten Raum. Dabei wird auch noch ein Schwergewicht auf den zu Beginn des Putsches ausgerufenen Generalstreik gelegt, der meist übertrieben erfolgreich für das Scheitern des Putsches dargestellt wird; auf diesen ganz besonderen Aspekt wird am Ende separat eingegangen, um die unterschiedlichen Sichtweisen zur Bedeutung des Generalstreiks aufzuzeigen.
Kapp-Putsch und der Generalstreik, als »Tage der Torheit, Tage der Not« charakterisiert, spiegeln ein eigenartiges Bild der damaligen Gesellschaft in der noch jungen Weimarer Republik wider. Dies soll in dieser Darstellung auch immer wieder gleichsam als roter Faden aufgegriffen werden.
Im Übrigen geht die Mehrzahl der Grundrisse zur Weimarer Republik kaum auf die Auswirkungen des Kapp-Putsches auf der Länderebene ein; allenfalls auf die Entwicklung in Bayern – doch Preußen als größtes Land im Deutschen Reich bleibt seltsamerweise meist ausgeklammert.
Insgesamt wird mit diesem Beitrag eine relativ breite Darstellung der geschichtlichen Ereignisse angestrebt. Zum einen, um möglichst viele Einzelheiten ansprechen zu können, zum anderen aber auch, um wenigstens Hinweise auf bis heute gültige strukturelle Entwicklungen geben zu können, z.B. zu bestimmten grundsätzlichen Maßstäben in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit den 1950er Jahren zur objektiven Werteordnung des Grundgesetzes, die ohne die nach dem Kapp-Putsch in der deutschen Staatsrechtslehre einsetzenden grundlegenden Diskussionen anders verlaufen wäre. (2)
II) Einleitung
In einer der zahlreichen Übersichten zur Geschichte der Weimarer Republik wird sachlich-nüchtern ausgeführt: „Im Frühjahr 1920 musste die Weimarer Republik ihre erste große Existenzkrise überstehen, die durch einen Rechtsputsch ausgelöst wurde, der einen Linksputsch nach sich zog.“ (3)
Auch wenn man eigentlich bereits die zahlreichen gewalttätigen Auseinandersetzungen seit Jahresbeginn 1919 (Anfang Januar der sog. „Spartakusaufstand“ in Berlin, im März die Streiks wiederum in Berlin und dann die blutigen Vorfälle bei der Niederschlagung der „Münchner Räterepublik“ Anfang Mai, um nur die bekanntesten Geschehnisse aufzuzählen) als Existenzkrisen der politischen Nachkriegsperiode im Deutschen Reich begreifen muss, kann man den Jahreswechsel 1919/1920 doch als Zäsur ansehen.
Am 10. Januar 1920 trat der Versailler Vertrag (VV) in Kraft und entfaltete auch erst ab diesem Zeitpunkt seine juristischen Konsequenzen in vollem Umfang (sieht man von bestimmten Gebietsabtretungen, wie Elsaß-Lothringen, und Verpflichtungen zur sofortigen Ablieferung von Kriegsmaterial u.a. ab, die bereits mit Abschluss des Waffenstillstands am 11. November 1918 wirksam wurden).
Solange der Friedensvertrag, unabhängig von seiner politischen Akzeptanz, nicht tatsächlich wirksam geworden war, konnte die deutsche Bevölkerung noch nicht ganz darauf vertrauen, dass nach dem faktischen Kriegsende auch wirklich Frieden und Sicherheit dauerhaft einkehren würden; ein psychologischer Aspekt, der nicht völlig außer Betracht gelassen werden sollte.
Bis zur formellen Wirksamkeit bzw. Umsetzung des VV war letztlich auch die im August 1919 in Kraft getretene neue Reichsverfassung (WRV) noch nicht wirklich „angekommen“ – soll heißen, solange kein wirksam ratifizierter Friedensschluss vorlag, war die deutsche (somit auch die gesamte mitteleuropäische) Nachkriegsordnung äußerst fragil und hätte jederzeit zusammenstürzen können – woraufhin natürlich die verschiedenen extremistischen Richtungen sofort reagiert hätten.
Doch hatte sich im Frühjahr 1920 der labile Zustand im Deutschen Reich seit dem Sturz der Monarchie und den staatsrechtlichen Änderungen wirklich stabilisiert oder gar insgesamt verbessert?
Bereits ein kurzer Blick auf den Jahresbeginn 1920 zeigt, dass dem mitnichten so war: Als Anfang Januar 1920 der Entwurf zu einem Betriebsrätegesetz, mit dem zumindest in Grundsätzen der „Rätegedanke“ in der Wirtschaftspolitik verankert werden sollte (vgl. Art 165 WRV), in der Nationalversammlung (4) beraten und beschlossen wurde, kam es zunächst im Ruhrgebiet zu einem massiven Eisenbahnerstreik und am 13. Januar 1920 in Berlin zu heftigen Demonstrationen, die von der äußersten Linken ausgingen, außer Kontrolle gerieten und mit einem Blutbad endeten, nachdem die preußische Polizei mit Schusswaffen vorging:
„42 Menschen fanden den Tod, 105 wurden verletzt. Über weite Teile des Reichs wurde der Ausnahmezustand verhängt. Dieser schwere Zwischenfall war bezeichnend für den Grad der Entfremdung zwischen der Regierung Bauer und dem linken Flügel der Arbeiterbewegung. Viele (…) enttäuschte Proletarier glaubten nicht mehr an die Fähigkeit der parlamentarischen Demokratie zur sozialen Veränderung.“ (5)
Das war nur eine der radikalen Strömungen innerhalb des politischen Spektrums, in dem sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Weimarer Republik eine maßlose Enttäuschung vieler Menschen widerspiegelte.
Die Verhängung des Ausnahmezustands durch Reichspräsident Ebert mittels auf Art. 48 WRV gestützter Verordnungen vom 11. und 13. Januar 1920 – zunächst nur auf das Ruhrgebiet begrenzt, dann aber auf große Teile Deutschlands erweitert – (6) sollte sich im Frühjahr 1920 noch nachteilig für die Regierung auswirken.
In diesen Präsidialverordnungen, die zunächst zeitlich unbegrenzt waren, wurden nicht nur die wichtigsten Grundrechte (persönliche Freiheit, Schutz der Wohnung, Meinungs- u. Versammlungsfreiheit) massiv eingeschränkt, sondern auch formal der Ausnahmezustand verhängt, so dass teilweise quasi Kriegsrecht herrschte.
Durch die Möglichkeit der Übertragung der vollziehenden Gewalt auf örtliche Militärbefehlshaber konnten sich gerade ältere Deutsche aus dem Arbeitermilieu an die Zeiten der Sozialistenverfolgung vor 1890 erinnert fühlen – doch diesmal war es ausgerechnet eine sozialistisch geführte Regierung, die solche Maßnahmen verhängte. Gegner von Reichspräsident Ebert aus der linken Arbeiterschaft konnten sich (subjektiv) bestätigt fühlen, die Mehrheits-SPD (Ebert, Noske, die „Scheidemänner“) habe ihre Revolution verraten.
In der aufgepeitschten und hitzigen Atmosphäre, die damals besonders in Berlin herrschte, waren solche Ansichten keine Seltenheit und erklären die oben geschilderte Entfremdung; gerade Friedrich Ebert musste sich vorkommen, als befände er sich in einem Zustand ständiger Selbstverleugnung.
Doch die äußeren Umstände schienen ihm keine andere Lösung zu gestatten. Und auch sein unmittelbares Umfeld war nicht in der Lage, die negative Stimmung, die bei weiten Teilen der Arbeiter durch die repressiven Maßnahmen erzeugt wurde, wirklich ernst zu nehmen und das eigene Klientel zu beruhigen; hier sei nur an den Schießbefehl erinnert, den Gustav Noske während der Märzunruhen 1919 erteilte. (7)
Diese Spaltung innerhalb des sozialistischen Lagers mag zwar Teile der Industrie bzw. der „Arbeitgeberseite“ gefreut haben, doch die Grundlagen des seit Mitte November 1918 zumindest theoretisch existierenden Gleichgewichts der Tarifparteien („Stinnes-Legien-Abkommen“ als Resultat der Zentralarbeitsgemeinschaft) konnten nur aufrechterhalten bleiben, wenn jede Seite geschlossen auftrat. Das Auseinanderdriften der unterschiedlichen ideologischen Richtungen innerhalb der politischen Arbeiterbewegung hat sich im weiteren Verlauf der Weimarer Republik insgesamt schädlich ausgewirkt; nicht erst im Zusammenhang mit blutig durchgesetzten Demonstrationsverboten, die sich meist gegen KPD-Aktivisten richteten (s. „Babylon Berlin“).
Aber auch auf der anderen Seite der „Weltanschauungen“, der äußersten Rechten, gab es (zumindest subjektiv) nicht weniger Grund zum Groll.
Nicht nur in Bezug auf die – aus Sicht des „Kapitals“ – unerwünschten sozialen Verbesserungen, die sich seit Mitte November 1918 zugunsten der Arbeitnehmer entwickelten (besonders der 8-Stunden-Regelarbeitstag), sondern noch viel mehr aus Sicht zahlreicher nationalistischer Gruppen und hier besonders in den Führungskreisen im Militär wegen der außenpolitischen Folgen des VV.
Pars pro toto sei auf Henry Kissinger (sicherlich unverdächtig, als Sprachrohr deutsch-nationalistischer Interessen aufzutreten) hingewiesen: „Selten hat ein Dokument der Diplomatie seine Ziele so klar verfehlt wie der Versailler Vertrag. Zu pönalisierend, um zu versöhnen, und zu nachsichtig, um Deutschland daran zu hindern, sich wieder zu voller Kraft aufzurichten, verdammte der Versailler Vertrag die erschöpften demokratischen Staaten zu ständiger Wachsamkeit vor einem unversöhnlichen und revanchistischen Deutschland sowie vor einer revolutionären Sowjetunion.“ (8)
Denn mit Inkrafttreten des VV wurden nicht nur die umfangreichen und komplexen Abrüstungsbestimmungen endgültig wirksam und mussten dann auch tatsächlich angegangen werden, sondern es rückte nunmehr vor allem die deutlich emotionaler geführte „Auslieferungsfrage“ (Artikel 228, 229 VV) in den Fokus der öffentlich geführten Diskussionen, da erst Anfang Februar 1920 die Siegermächte ihre fertigen Listen der zur Auslieferung bestimmten Personen (insgesamt 895) an die deutsche Regierung übermittelt hatten. (9)
Von der rechtsliberalen DVP über die Deutschnationalen und dem Alldeutschen Verband bis zum gesamten Offizierskorps als alter Führungselite der neu zu organisierenden Armee war die Empörung groß und wurde vor allem in den konservativen Zeitungen und der „Regenbogenpresse“ massenwirksam verbreitet.
Auch in diesem Punkt war die deutsche Regierung machtlos, da die Siegermächte freie Hand hatten, wen sie wegen „Verstoßes gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges“ anklagen wollten und wer deshalb an sie ausgeliefert werden sollte. Trotzdem gelang es auf diplomatischem Weg, gerade diese in Deutschland als besondere „Schmach“ empfundenen Bestimmungen des VV zu umgehen. Es wurden zwar Anfang der 1920er-Jahre einige Strafverfahren gegen ehemalige Soldaten durchgeführt, viele endeten sogar ohne Schuldspruch, aber zu Auslieferungen aufgrund des VV kam es gar nicht; trotzdem wurde der Widerstand in den unterschiedlichen nationalistischen Kreisen im Deutschen Reich gegen die Regierung der „Weimarer Koalition“ (SPD, Zentrum und Linksliberale) unter Reichskanzler Bauer auch insoweit angefacht:
„Seit der Versailler Vertrag am 10. Januar 1920 in Kraft getreten war, steuerten Teile der Reichswehr auf einen Konflikt mit der Regierung zu.“ (10)
In dieser Gemengelage von linksextremen Demonstrationen und geschickt inszenierter Kampagnen von Rechtsaußen sahen sich Regierung und Reichspräsident in der zweiten Märzwoche 1920 plötzlich einer Revolte hoher Militärs gegenüber, die man verkürzt als versuchten Hochverrat gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Weimarer Republik (und ihrer Länder), der bereits am fünften Tag als fehlgeschlagen abgebrochen wurde, zusammenfassen kann. Ausgelöst von General Walther von Lüttwitz, politisch angeführt von Wolfgang Kapp, gemeinhin als Landschaftsdirektor in Ostpreußen bzw. auch als Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank bekannt. „Getragen wurde der Staatsstreich von der Marinebrigade Ehrhardt, einem typischen Freikorps“. (11)
III) Ablauf der Ereignisse vom 13. – 17. März 1920
In den späten Abendstunden des 12. März 1920 alarmiert eine Nachricht die Reichshauptstadt: Die Marinebrigade Ehrhardt marschiert auf Berlin zu. Ihr Ziel: Sturz der amtierenden Koalitionsregierung unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Gustav Bauer und Beseitigung der erst wenige Monate alten deutschen Republik. Eine Stunde nach Mitternacht versammelt Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) die führenden Militärs in der Bendlerstraße. Seiner Forderung, dass man Gewalt nur mit Gewalt beantworten könne, schließt sich allein der Chef der Heeresleitung, General Walther Reinhardt, an. Alle anderen hohen Offiziere lehnen einen Kampf gegen die Putschisten ab. „Truppe schießt nicht auf Truppe“, erklärt der Chef des Truppenamts, General Hans von Seeckt (auch wenn fraglich bleibt, ob er der Urheber ist).
In einer eilig zusammengerufenen Kabinettssitzung um vier Uhr morgens, an der neben Reichspräsident Friedrich Ebert auch Mitglieder der preußischen Regierung teilnehmen, wird beschlossen, auf bewaffneten Widerstand zu verzichten. Eine erregte Debatte entspinnt sich über die Frage, ob man in der Hauptstadt bleiben solle oder nicht. Schließlich einigt man sich auf einen Kompromiss: Ebert, Bauer und die meisten Minister sollen sich nach Dresden begeben, da Noske den dort kommandierenden General Georg Maercker für zuverlässig hält; der Vizekanzler aber, Justizminister Eugen Schiffer von der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), soll mit zwei weiteren Ministern in Berlin ausharren. Um 6.15 Uhr verlässt Ebert, in Begleitung von Außenminister Hermann Müller und seinem leitenden Büromitarbeiter Otto Meissner, im Kraftwagen seinen Amtssitz. Zehn Minuten später rücken die Putschtruppen in die Wilhelmstraße ein. Am Morgen des 13. März erschien in Berlin ein Aufruf zum Generalstreik, unterzeichnet von Ebert, den SPD-Ministern und dem Parteivorsitzenden Otto Wels.
In dieser gedrängten Darstellung des Geschehens fasst der Historiker Volker Ullrich den Beginn dieser schicksalhaften Tage im März 1920 zusammen. (12)
Vorweg kann festgehalten werden, dass die den Kapp-Putsch tragenden Personen eigentlich alles andere als „typische“ Putschisten gewesen sind, soll heißen: keine Berufsrevoluzzer oder Salonanarchisten.
Im Gegenteil: erzkonservativ bis reaktionär – zumindest im äußeren Erscheinungsbild. Oftmals erhalten die Verschwörer in der Literatur zu Weimar das Etikett als „Nationalisten“ – doch was soll dieser Begriff genau bedeuten? „Nationalismus“, als geistig-politische Strömung seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts geläufig, hat besonders in Deutschland eine schillernde Karriere im ideologischen Vokabular gemacht. (13)
Seit den Diskussionen in der Paulskirche 1848/49 über groß- oder kleindeutsche Bestrebungen, die aber allesamt von einer verfassungsmäßigen (konstitutionellen) Gestaltung bzw. Begrenzung der Fürstenherrschaft und dem Gedanken einer zumindest eingeschränkten Volkssouveränität getragen waren, weswegen der preußische König Friedrich Wilhelm IV. die ihm angetragene Kaiserwürde letztlich auch ablehnte, über die Reichsgründung Bismarcks 1871 bis zum kolonialen Imponiergehabe und den imperialistischen Sandkastenspielereien Wilhelms II. zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich ein signifikanter Bedeutungswandel in der Bezeichnung „Nationalismus“ eingestellt. Männer, die um 1920 als „Nationalisten“ bezeichnet wurden, unterschieden sich von denen um 1850 wie spätere Stalinisten von Karl Marx.
Haben denn nicht insbesondere die zivilen Kräfte, die hinter dem Kapp-Putsch standen, in letzter Konsequenz versucht, die „Nation“ zu spalten, oder gar sehenden Auges ein Eingreifen der Siegermächte provoziert bzw. billigend in Kauf genommen?
Eine solch einschneidende Reaktion blieb zwar aus, hätte aber durchaus zu einer Auflösung des staatlichen Gefüges bzw. einer Abspaltung bestimmter Landesteile führen können. Genau auf derartige Gefahren stellte auch der damalige Parlamentspräsident, C. Fehrenbach, auf der außerplanmäßigen Sitzung der Nationalversammlung in Stuttgart nach dem Ende des Putsches am 18. März 1920 ab, indem er die Verschwörer als Menschen bezeichnete, „die viel von Vaterland reden, aber ihre persönlichen und Parteiinteressen nicht dem Allgemeinwohl unterzuordnen verstehen“. (14)
Kann daher für ein solches staatsgefährdendes Auftreten wirklich der Begriff „Nationalismus“ verwendet werden? Zumindest wäre es wohl äußerst gedankenlos, die Verschwörer hiermit so einfach zu exkulpieren.
Umso spannender ist jedoch die Entwicklung, die notwendig war, damit es zu einem solchen Aufstand von Reaktionären kommen konnte. Für diese Entwicklung spielten innen- wie außenpolitische Aspekte eine entscheidende Rolle, die teilweise parallel, aber auch (scheinbar) unabhängig voneinander auf die Politik der frühen Weimarer Republik einwirkten.
Insbesondere muss das spezielle verfassungsrechtliche Verhältnis von dem ab dem 10. November 1918 neu ins Leben gerufenen „Rat der Volksbeauftragten“ und der „alten“ Obersten Heeresleitung (OHL) bzw. der noch auf den geflohenen Kaiser eingeschworenen Armee betrachtet werden:
„Die geschichtliche Bedeutung des Kapp-Putsches ist nicht zuletzt darin zu sehen, dass er das zwiespältige Verhältnis zwischen Republik und Reichswehr offenbarte.“ (15)
Es geht also vor allem um den „Ort der Reichswehr im Herrschaftssystem der Weimarer Republik“. (16)
Wenn bereits nach etwas mehr als sechs Monaten nach Erlass der WRV in einem nicht unwesentlichen Teil der Machteliten in Staat und Armee eine Putschstimmung vorhanden war, die sich dann gewaltsam Bahn gebrochen hat, muss auch auf derartige strukturelle Fragen geschaut werden. Entscheidende Strukturfragen, wie die nach der tiefen „Krise im Verfassungsleben der Republik“ von Weimar. (17)
Insbesondere gehören hierher eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Faktoren, die außerhalb des regulären Diskurses begründet waren: Vom inoffiziellen Ebert – Groener – Pakt, über die unkontrollierten Straßenkämpfe vor allem in der Hauptstadt, die zumindest teilweise bereits ab Dezember 1918 die Innenpolitik bestimmten, bis hin zu zahlreichen Vorschriften des VV – nicht nur zur Organisation und Truppenstärke der künftigen Reichswehr, die noch um mindestens 100.000 Mann (Stand: Januar 1920) reduziert werden musste, von der hohen Zahl der Freikorpsangehörigen und sonstigen Freiwilligenverbände, die außerhalb der regulären Armee standen, ganz abgesehen, die von den Siegermächten besonders argwöhnisch betrachtet wurden.
Aus denen ja dann später teilweise illegale Reservetrupps, die sog. „schwarze Reichswehr“, gebildet werden sollten (s. „Babylon Berlin“).
1) Zum äußeren Ablauf des Hochverrats
Der äußere Anstoß für den Putsch hängt eindeutig mit der Ende Februar 1920 von Reichswehrminister Noske angekündigten Auflösung der Freikorps, insbesondere der „Brigade Ehrhardt“ (18), zusammen.
Auch wenn diese Maßnahme aufgrund der Abrüstungsbestimmungen des VV unumgänglich war (und zumindest etliche Ehrhardt-Männer Aussicht auf Übernahme in der künftigen Marine hatten), wurde mit der Auflösungsankündigung ein wunder Punkt getroffen: Zum einen weil es ja gerade die Freikorps waren, die im Jahr zuvor den mehr als einmal bedrohten Regierungen in Berlin und München den Rücken freihielten bzw. deren Machthabe stützten, zum anderen auch weil die für die Freikorps zuständigen Militärs in ihnen einen zuverlässigen Faktor für den eigenen Einfluss erblickten – General v. Lüttwitz sah sich daher selbst im Besonderen als eine Art Schutzpatron vor allem für Kapitän Ehrhardt.
Das Auftreten Generals v. Lüttwitz gegenüber der Reichsregierung löste dann eine Kettenreaktion aus:
„Am 12. März 1920 berichtete Reichswehrminister Gustav Noske dem Kabinett von sicheren Informationen, denen zufolge in einem engen Kreis Gespräche stattfanden »mit dem Ziel, eine andere Zusammensetzung der Reichsregierung herbeizuführen«. Zu diesem Zweck habe man dort auch schon Überlegungen zur Besetzung des Regierungsviertels in der Wilhelmstraße angestellt. Als zuständiger Minister habe er es für richtig gehalten, die in Bildung begriffene Organisation sofort zu zersprengen und die Verhaftung der Hauptbeteiligten anzuordnen. (…) Was Noske hier seine Kabinettskollegen wissen ließ, war nur die Spitze eines Eisberges, denn das Rumoren in den Reihen des Militärs über den Vollzug, der im Friedensvertrag von Versailles festgelegten Bestimmungen bildete in der Öffentlichkeit kein Geheimnis. (…) Die Erfüllung dieses Verlangens bedeutete zugleich die Auflösung der Freikorps, zu denen auch die »Baltikumer« −Verbände, die in Lettland und Estland gegen die Bolschewiki gekämpft hatten und erst Ende 1919 nach Deutschland zu-rückgekehrt waren. (…) Der es befehlende General Walther von Lüttwitz, der die Freikorps im Allgemeinen und die Marine-Brigade des Kapitäns Hermann Ehrhardt im Besonderen als eine Art Hausmacht betrachtete, machte aus seiner Entschlossenheit keinen Hehl, ihre Auflösung zu verhindern. (…) Und Ehrhardt war gleich Lüttwitz entschlossen, jedem Auflösungsbefehl mit Gewalt entgegenzutreten, ohne Rücksicht auf die Folgen. (…) Am 10. März 1920 präsentierte Lüttwitz dem Reichspräsidenten Ebert in Gegenwart Noskes ultimativ seine Forderungen: sofortige Auflösung der Nationalversammlung und Neuwahlen zum Reichstag; Einsetzung von Fachministern im Auswärtigen Amt, im Wirtschafts- und im Finanzministerium; seine – Lüttwitz‘ – Ernennung zum Oberbefehlshaber der gesamten Reichswehr und Ablösung des regierungsloyalen Generals Walter Reinhardt; schließlich Rücknahme des von Noske am 29. Februar erlassenen Befehls zur Auflösung der Marine-Brigaden. Ebert und Noske dachten selbstverständlich nicht einen Augenblick an die Erfüllung dieser Forderungen. Doch statt des putschwilligen Generals sofort zu verhaften, begnügte sich der Reichswehrminister damit, ihm den Abschied nahezulegen und ihn tags darauf zu beurlauben. So verschaffte er ihm die Möglichkeit, noch am gleichen Tag das weitere Handeln mit Ehrhardt zu besprechen und mit den wichtigsten übrigen Mitverschwörern Kontakt aufzunehmen.“ (19)
Bei dieser Schilderung fallen gleich mehrere Merkwürdigkeiten auf: Entweder hatte Reichswehrminister Noske bei der Sitzung der Reichsregierung am 12. März 1920 extreme Erinnerungslücken an den Auftritt des Generals zwei Tage zuvor oder er hat seine Ministerkollegen absichtlich im Unklaren über das wahre Ausmaß der Umsturzpläne lassen wollen. Dann ist es schon kurios zu nennen, wenn ein potentieller Hochverräter sein Vorhaben nebst konkreter Umsetzung der zu stürzenden Regierung in aller Form persönlich mitteilt und dann noch mit freundlichen Grüßen in den Urlaub verabschiedet wird.
Da wird es nicht verwundern, dass auch in der Folgezeit etliche Irrungen und Wirrungen in Berlin und an anderen Orten eingetreten sind. Noskes Schilderung von einem lediglich engen Kreis beim Militär widersprach nicht nur seiner eigenen Kenntnis, sondern verkannte in eklatanter Weise die wahren Hintergründe und näheren Umstände:
Bereits im Sommer 1919 während der heißen Phase der Debatten in der Nationalversammlung über die Zustimmung der Regierung zum VV gab es ein deutliches Murren unter den hohen Militärs, insbesondere bei den höchst kritischen Punkten, wie der Behandlung Wilhelms II., der generellen Auslieferungsfrage und vor allem der Kriegsschuldfrage, Art. 227 – 232 VV.
Hindenburg hatte ja nur unter Hinweis auf die absehbare militärische Schwäche der ehemaligen kaiserlichen Armee zur Unterschrift der Regierung Scheidemann bzw. nach dessen Rücktritt durch dessen Nachfolger geraten; eine Herzensangelegenheit war die Zustimmung zum VV für die Militärs beileibe nicht.
Mit Inkrafttreten des VV am 10. Januar 1920 geriet die vorgeschriebene Reduzierung der Mannschaftsstärke zusätzlich zur Auslieferungsfrage immer stärker zum Konfliktpotential zwischen Reichsregierung und Reichswehr. Der Chef des Truppenamtes (vormals Generalstab) Hans v. Seeckt hatte am 9. Februar 1920 zu einem Treffen der Abteilungschefs im Reichswehrministerium geladen. Dort erklärte er offiziell, „die Auslieferung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Für den Fall militärischer Sanktionen durch die Siegermächte gingen seine strategischen Pläne dahin, im Westen hinhaltenden Widerstand zu leisten, mit der Masse der Truppe Polen niederzuwerfen und sich dann mit den Sowjets zu verbinden. (…) Bezüglich der Regierungsgewalt scheint Seeckt an eine Militärdiktatur unter Noske gedacht zu haben.“ (20)
Der Vorgesetzte v. Seeckts ging daraufhin ebenfalls in die Offensive: „Am 11. Februar erging ein geheimer Erlaß des Chefs der Heeresleitung, General Reinhardt, der allen Truppenkommandeuren zur Pflicht machte, ihre Formationen »mit allen Mitteln zu größtmöglichem Grad der Kriegsbereitschaft in Form und Ausbildung zu heben.«“ (21)
Und bereits am 08. Februar 1920 hatte General v. Lüttwitz auf einer Kommandeur Versammlung gegen die eigene Regierung gewettert, als er „seinen Offizieren mitteilte: Wenn die Regierung die militärischen Forderungen nicht erfülle, habe er »als der älteste aktive General der Armee die Pflicht«, diese durch Auflehnung gegen die Regierung durchzusetzen. Er nannte besonders die Beibehaltung eines größeren Heeres einschließlich der schweren Artillerie.“ (22)
Insbesondere die bereits Anfang Februar 1920 durch v. Lüttwitz angesprochene Frage einer „Auflehnung gegen die Regierung“ verursachte im von Noske geleiteten Reichswehrministerium eine gewisse Irritation.
Trotz (zumindest ungefährer) Kenntnis von den umstürzlerischen Gedanken/Planspielen bei einem Teil der hohen Militärs tat die Regierung erschreckend wenig dagegen.
Nachdem v. Lüttwitz mit seinen ultimativen Forderungen bei Ebert und Noske auf Ablehnung gestoßen war, sah er – wohl gegen die eigene Überzeugung, dass es der richtige Zeitpunkt sei – nur noch die „Flucht nach vorne“ als einzig verbliebene Option.
Nun begann sich auch der bisher eher verhaltene Kontakt zu Wolfgang Kapp und dessen politische Umtriebe zu einem tatsächlichen Komplott gegen die staatliche Ordnung zu verdichten.
Zunächst begann der Putsch gegen die damalige Reichsregierung unter Kanzler Gustav Bauer und Reichspräsident Friedrich Ebert in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920 eben durch den (eigentlich gar nicht mehr aktiven) Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt, der mit seiner Marinebrigade, die eigentlich auch schon längst hätte aufgelöst sein sollen, nach Berlin bis ins Regierungsviertel einmarschierte, um die reguläre Regierung abzusetzen.
Da im gesamten Großraum Berlin keine loyalen Truppen vorhanden waren und kein kleiner Schutzpolizist sich mehreren tausend Freikorpskämpfern (23), deren militärischer Nimbus legendär war, in den Weg stellen würde, entschloss sich die Regierung samt Reichspräsidenten zur Flucht – bis auf die o.g. Ausnahmen abgesehen. Vizekanzler Schiffer und auch der Zentrumspolitiker Trimborn sollten in Berlin „die Verbindung halten“.
Bauer, Ebert und auch Gustav Noske flohen zunächst nach Dresden, um dann weiter nach Stuttgart auszuweichen, nachdem auch in Dresden sich nicht genügend loyale Truppen, die unter dem Kommando von General Maercker standen, zu ihnen bekannt hatten, sprich die Gefahr bestand, dort inhaftiert und abgesetzt zu werden.
Pikant insoweit, dass v. Lüttwitz als kommandierender General des Gruppenkommandos I eine Art Oberbefehlshaber für Teile „Ostdeutschlands“, somit im Prinzip der Dienstvorgesetzte von General Maercker in Dresden war, und sich nach dem Ausscheiden v. Hindenburgs Mitte 1919 als der eigentliche Armeeführer in Deutschland betrachtete (zumindest bis zu seinem „Zwangsurlaub“).
Dieses militärische Unterordnungsverhältnis war im Wesentlichen auch der Grund für die zwiespältige Haltung General Maerckers, der sich wegen der unklaren Nachrichtenlage auf Unkenntnis von der Beurlaubung v. Lüttwitz‘ berufen konnte, während des Kapp-Putsches: ein Schwanken zwischen militärischem Gehorsam und der Pflicht gegenüber der verfassungsmäßigen Regierung.
Die völlig undurchsichtige Befehlslage, wodurch insgesamt die militärische Einsatzbereitschaft ad absurdum geführt wurde, sei an folgender Schilderung gezeigt:
„Als sich nämlich am 12. März die Gerüchte von dem bevorstehenden Einmarsch der Brigade aus Döberitz bedrohlich verdichteten, befahl Noske, die Berliner Reichswehrtruppen und die Sipo in Alarmzustand zu versetzen. Das Reichswehrgruppenkommando I erließ darauf in einem Telegramm folgenden Befehl:
» 1. Nachrichten besagen, dass von radikaler Seite beabsichtigt ist, die Regierung heute oder in den nächsten Tagen zu stürzen.
2. Die Garnisonen Berlin, Potsdam, Spandau, Döberitz, Zossen, Jüterbog sind bis auf weiteres alarmbereit zu halten, desgleichen die Berliner Sicherheitspolizei.
3. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sind erneut darauf hinzuweisen, dass ihnen der Schutz der verfassungs- und gesetzmäßigen deutschen Regierung anvertraut ist.«
Ob es Fahrlässigkeit oder böser Wille war, dass der Alarmbefehl in dieser Form hinausging, wird sich wohl nie feststellen lassen. Noske, der nur die Berliner Reichswehr und die Sipo hatte alarmieren lassen wollen, bekam diesen Befehl nicht zu Gesicht. In der zitierten Form bewirkte er genau das Gegenteil des von Noske beabsichtigten Zweckes: die Brigade Ehrhardt wurde praktisch gegen sich selbst in Alarmzustand versetzt und damit automatisch wieder dem Marineamt entzogen und dem Reichswehrgruppenkommando I unterstellt, dem der Schutz von Berlin oblag; allerdings war auch diese Folgerung umstritten. Bei Berücksichtigung der derart verwirrten Verhältnisse scheint es kein Wunder, dass Ehrhardt später unwiderlegbar behaupten konnte, er habe von der Beurlaubung des Generals von Lüttwitz keine Kenntnis gehabt, als er seinem Befehl gemäß auf Berlin marschierte — obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, dass Ehrhardt sich durchaus bewusst war, als Meuterer zu handeln.“ (24)
Die Putschisten stießen daher in Berlin auf keinerlei Widerstand, so dass der Einmarsch der Aufständischen ohne Blutvergießen (beinahe wie bei einer Manöverübung) ablaufen konnte:
„In späteren Zeugenaussagen haben Seeckt und andere anwesende Generäle ihre Weigerung, gegen die Meuterer zu kämpfen, vor allem mit der Überlegenheit von Ehrhardts Brigade begründet, die weniger in ihrer zahlenmäßigen Stärke als in ihrer Qualität, ihrer Entschlossenheit und in der Person ihres Führers begründet lag; es sei nicht nur mit einem fürchterlichen Blutvergießen, sondern auch mit einer Niederlage der Regierungstruppen zu rechnen gewesen. Selbst Noske, der den Kampf wünschte, musste später zugeben, dass die Brigade Ehrhardt zu ihrer Zeit die beste Truppe war.“ (25)
Hier bleibt nur noch anzumerken, dass in der besagten Besprechung bei Noske in der Nacht vom 12. auf den 13. März auch der berühmte Satz: „Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr“ gefallen sein soll; doch selbst der Reichswehrminister gibt in seinen Aufzeichnungen nicht den Namen des Generals preis, der diese Aussage (oder Drohung) getan hat. (26)
Die Flucht der alten Regierung Bauer-Ebert-Noske stellte sich für die Putschisten als schwerer strategischer Fehler heraus, da diese – von den verfassungsrechtlichen Bestimmungen ganz abgesehen – weiterhin legal an der Macht war und daher auch politisch aktiv werden konnte.
Dieser „missliche“ Umstand war auch Kapp bewusst und er soll wütend und bereits zu diesem Zeitpunkt frustriert reagiert haben, als er von deren Flucht unterrichtet wurde und er hat sofort die Schuld den beteiligten Militärs zugeschoben.
Betrachtet man die Hintergründe, die die Flucht der alten Regierung zuließen, hatte Kapp auch „Recht“ gehabt, denn es war vor allem dem Verhalten von Kapitän Ehrhardt zuzuschreiben, dass die alte Regierung auf dem letzten Drücker unbeschadet Berlin verlassen konnte.
Als auf Veranlassung von Reichswehrminister Noske am Abend des 12. März hohe Offiziere das Lager Döberitz aufsuchten, um bei Ehrhardt direkt die Lage zu erkunden, hat sich folgende fast skurrile Lage ergeben: Obwohl die gesamte Brigade bereits marschbereit für den Weg nach Berlin zur Verfügung stand, kam es tatsächlich noch zu Verhandlungen zwischen den Offizieren und dem Freikorpsanführer.
„In einer Kabinettssitzung in der Reichskanzlei am Abend des 12. März wurde deshalb der ebenfalls anwesende Admiral von Trotha angewiesen, nach Döberitz zu fahren und die Lage zu erkunden. Der Admiral, dem der Auftrag sehr ungelegen kam, weil er ihn zu offener Parteinahme vor Abschluss des Unternehmens zwingen konnte, zog sich erfolgreich aus der schwierigen Situation, indem er vor seiner Abfahrt aus Berlin Ehrhardt sein Kommen ankündigte. In dem erwähnten wortlosen Einverständnis wussten nun beide Seiten, wie sie sich zu verhalten hatten. Die Vorbereitungen der Brigade waren schon so weit abgeschlossen, dass Trotha, als er nach Einbruch der Dunkelheit mit seinem Adjutanten, Kapitänleutnant Canaris, dem späteren Chef der Abwehr, eintraf, ein völlig dunkles und ruhiges Lager vorfand. Trotha beschränkte seine Inspektion wohlweislich auf eine kurze Unterredung mit Ehrhardt, in der er seine Fragen so sorgfältig formulierte, dass Ehrhardt nicht in die Verlegenheit kam, den Admiral anlügen zu müssen.“ (27)
Dass es sich bei den Besuchern im Lager Döberitz um Gleichgesinnte gehandelt hatte, zeigt auch das weitere Vorgehen:
„Auch Canaris, der sich währenddessen im Lager umsehen sollte, vermied es absichtlich, genauere Beobachtungen zu machen. Canaris, im Stabe der Marinebrigade von Loewenfeld entscheidend an deren Aufbau beteiligt, war schon im Frühjahr 1919 mit Ehrhardt und Pabst in Verbindung getreten und hatte Ehrhardt während der Münchener Kämpfe aufgesucht. Er stellte sich nach dem Putsch genau wie Admiral von Trotha sofort auf die Seite der Kappisten — die ahnungslose Regierung hätte demnach kaum ungeeignetere Leute für die Inspektion auswählen können! Trotha überbrachte der Regierung die doppelsinnige Meldung, er habe das Lager unverdächtig und die Soldaten bereits schlafend gefunden, doch sei bei der bekannten Qualität und Disziplin der Truppe nicht ausgeschlossen, dass sie trotzdem in der kürzesten Zeit marschbereit sei. In der Tat fand der Aufbruch, kaum hatte Trotha das Lager verlassen, zur festgesetzten Stunde statt.“ (28)
Noske war, teils unverschuldet, immer noch unschlüssig, was er von der gesamten Situation halten sollte; daraufhin sollte noch ein letzter Aufklärungsversuch seitens der Regierung erfolgen:
„Sie schickte General von Oven, den Nachfolger des Generals von Lüttwitz, und seinen Stabschef von Oldershausen nach Döberitz. Auf der Landstraße trafen die beiden auf die heranmarschierende Brigade und erfuhren, dass Ehrhardt noch zu einem kurzen Schlaf im Lager zurückgeblieben sei und später im Auto nachkommen wollte. Da Ehrhardt Befehl gegeben hatte, niemanden nach Berlin hineinzulassen, Herausfahrende aber nicht aufzuhaken, gelangten die Generäle unbehelligt ins Lager, Ehrhardt, der in seiner Baracke schlief, kam es, als er durch ein verdächtiges Geräusch geweckt wurde, plötzlich zu Bewusstsein, dass er ganz allein und völlig schutzlos war. Er griff zu seiner Pistole, sprang auf, rief »Hände hoch!« — und sah im aufflammenden Licht zu seiner Überraschung seine beiden Vorgesetzten mit erhobenen Händen vor sich stehen. Nachdem sich das Missverständnis aufgeklärt hatte, begann die Unterredung.
Sie wurde für den Ausgang des Kapp-Putsches entscheidend. Die Generäle erklärten dem Kapitän, sein Vorgehen sei nicht nur den Interessen des Militärs eher schädlich als nützlich, sondern es bestehe auch die Gefahr des Blutvergießens, da Reichswehr und Sipo zum Widerstand entschlossen seien und ein derartiger Kampf angesichts drohender bolschewistischer Unruhen nicht zu verantworten sei. Ehrhardt wurde unsicher. Sein Versuch, sich auf den Befehl seines Vorgesetzten, des Generals von Lüttwitz, zu berufen, misslang, da die Generäle ihm die Amtsenthebung desselben vorhielten. Die Entscheidung über den Putsch war damit in die Hände des Mannes gelegt, dem an sich nur die Rolle eines Unterführers zugedacht gewesen war; er konnte sich der Situation um so weniger gewachsen zeigen, als ja nicht einmal zwischen Kapp und Lüttwitz Klarheit über die Ziele der Aktion bestand.
Während die Brigade in gehobener Stimmung unter schwarz-weiß-roten Fahnen auf die Hauptstadt marschierte, ließ sich in ihrem Rücken der überrumpelte Kapitän auf Verhandlungen ein. Auf dem nächstbesten Zettel notierte er flüchtig die Forderungen des Generals von Lüttwitz, so wie sie ihm im Gedächtnis geblieben waren:
- Ernennung von Fachministern
- Wiedereinsetzung des Generals von Lüttwitz und Verzicht auf die Auflösung der Brigade Ehrhardt
- Wahl des Reichspräsidenten durch das Volk
- Baldige Ausschreibung von Neuwahlen
Als fünften Punkt fügte er aus eigener Initiative die Forderung nach einer Amnestie für alle am Putsch Beteiligten hinzu. Er gab den Generälen die Forderungen in Form eines Ultimatums an die Regierung mit; bis um 7 Uhr früh wollte er an der Charlottenburger Brücke die Antwort erwarten und im Falle einer Ablehnung einmarschieren. Ehrhardt hatte sich mit der Übergabe des Ultimatums praktisch gegen Kapps Staatsstreichpläne und für begrenzte Forderungen im Sinne von Lüttwitz entschieden, obwohl ihm die Tragweite seines Entschlusses wohl damals noch nicht zum Bewusstsein kam.“ (29)
2) Die politischen Forderungen der Putschisten
Wie aus der vorstehenden Schilderung deutlich hervorgeht, war die militärische Komponente (Einmarsch in die Hauptstadt, Übernahme der Befehlsgewalt u.ä.) nicht wirklich stringent geplant und hatte im Prinzip nur recht vage Forderungen zum Ziel.
Wer aber sollte denn aus „rein politischer Sicht“ die Geschicke übernehmen, also welche Personen waren für die politische Planung des beabsichtigten Staatsstreichs verantwortlich?
Der Namenspatron selbst, Wolfgang Kapp, eigentlich eine eher blasse Figur, obwohl die Lebensgeschichte der Eltern recht abenteuerlich gewesen ist (deshalb lag sein Geburtsort auch in den USA), absolvierte Ende des 19. Jahrhunderts eine „typische“ Beamtenkarriere in Preußen und unterhielt enge Kontakte zu den stark (alt-)konservativen Junkern. Der in der Literatur immer pauschal als „Generallandschaftsdirektor“ (eine Art Selbstverwaltungseinrichtung der ostpreußischen Agrarwirtschaft) betitelte Kapp war sehr ehrgeizig, was ihm dann auch einen Aufsichtsratsposten bei der Deutschen Bank einbrachte. Im Ersten Weltkrieg war ihm die Politik des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg zu nachgiebig; er galt als „Hardliner“. Als Reaktion auf die Friedensresolution des Reichstags im Juli 1917 gründete er gestützt auf deutschkonservative Kräfte zusammen mit Admiral v. Tirpitz die Deutsche Vaterlandspartei, für die er (als Nachrücker) ab Februar 1918 sogar noch bis Kriegsende im Reichstag saß. Darüber hinaus gehörte er dem Alldeutschen Verband und später auch dem Vorstand der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) an.
Unter dem Eindruck des Zusammenbruchs des Kaiserreichs und der Bedrohung Ostdeutschlands plante Kapp seit Sommer 1919 in Zusammenarbeit mit Politikern (G. Traub, G. W. Schiele, K. Freiherr von Wangenheim u. a.) und Offizieren (Ludendorff, M. Bauer, W. Pabst) eine eigene politische Organisation, die „Nationale Vereinigung“. Ziele dieser speziellen politischen Vereinigung waren neben der Abwehr einer vor allem im Osten befürchteten kommunistisch-bolschewistischen Gefahr, die Absetzung der Regierung, die mit dem Makel der „Novemberverbrecher“ behaftet angesehen, somit als unfähig betrachtet wurde, kraftvoll gegen innere, wie äußere Feinde vorzugehen, zusätzlich die Auflösung der Nationalversammlung nebst Wahl eines neuen Reichstages, Bildung einer Regierung sog. Fachminister und vor allem die Überwindung des Versailler Vertrages. In diesen Punkten, vor allem hinsichtlich der als gegenrevolutionär eingestuften (gegen die Folgen des politischen Umsturzes vom November 1918 gerichteten) Programmatik, fanden sich in weiten Teilen der Bevölkerung, nicht nur beim preußischen Adel, große, zumindest versteckte Sympathien und Unterstützung – daher auch die vielen Bundesgenossen beim Militär.
Als Kapp dann am 13. März tatsächlich die Regierungsmacht zumindest teilweise bzw. kurzfristig in Händen hatte, wurde mit einer Proklamation ans Volk der Versuch einer Begründung für den Umsturz unternommen. Darin hieß es u.a., es seien Missstände und Gefahren gewesen, „die unter der bisherigen Regierung »den vollkommenen Zusammenbruch des Staates und der Rechtsordnung« in kürzester Zeit herbeigeführt hätten. (…) Als Leitgedanken verkündete das Regierungsprogramm: »Keine Reaktion, sondern eine freiheitliche Fortbildung des deutschen Staates, Wiederherstellung der Ordnung und der Heiligkeit des Rechts«“. (30)
Die von Kapp knapp skizzierte Sozialpolitik mündete im Slogan: „Friede, Freiheit, Brot“. (31) In einem Telegramm vom 14. März entwarf Kapp als Verfassungsprogramm: „Die Wiederherstellung mutatis mutandis der Bismarck’schen Reichsverfassung auf der Grundlage des Föderalismus. Das bedeutete die »Wiederherstellung der Souveränität der Bundesstaaten, insbesondere ihrer Steuerhoheit«.“ (32)
Allein an diesem zuletzt genannten Punkt lässt sich erkennen, wie realitätsfern Kapp dachte und handelte.
Mit der Erzbergerschen Finanzreform 1919 war das gesamte Steuersystem tiefgreifend verändert worden: nicht nur in Fragen der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz, sondern auch in der Organisation der Finanzverwaltung. Kapp hätte niemals in einer halbwegs realistischen Zeitspanne das Rad der Geschichte zurückdrehen können, ohne riesige finanzpolitische Verwerfungen zu riskieren – von der Frage des immens gestiegenen Finanzbedarfs, der allein durch die Bestimmungen zur Reparationsfrage im Versailler Vertrag für das Deutsche Reich drohte, ganz abgesehen (die eigentliche Intention Erzbergers).
Außerdem waren in den früheren Bundesstaaten (in der Bismarckverfassung war ja ein ewiger „Fürstenbund“ konzipiert worden) die bis dato regierende Familien entweder abgesetzt oder zum Rücktritt veranlasst worden und teils ins Ausland geflohen. Wer hätte also in den früheren deutschen Gliedstaaten für eine Restauration zur Verfügung gestanden? Alles völlig unausgegoren, planlos und zum Scheitern verurteilt.
Ludendorff, der mit seinen zahlreichen Kontakten im Militär aber auch bei reaktionären Gruppen im Hintergrund die Fäden zog und als Bindeglied fungierte, war nicht zufällig an exponierter Stelle der Nationalen Vereinigung, hatte er doch dadurch die Gelegenheit, weiter an seiner Dolchstoßlegende zu stricken.
Obwohl er eigentlich am 26. Oktober 1918 aus der OHL und somit aus der Generalität entfernt worden war, konnte er mit seinem Nimbus des eigentlich starken Mannes im deutschen Militär alle antirepublikanischen Kräfte erreichen und ansprechen, somit eine echte Sammlungsbewegung schaffen; er galt als der „Geist hinter den Kulissen“ (33)
Ludendorff hatte an allen entscheidenden Aussprachen im Zusammenhang mit dem geplanten Staatsstreich teilgenommen, er wurde von allen unangefochten respektiert. (34)
Ausgerechnet Ludendorff (kann man nur verwundert feststellen) versuchte auch, „das Unternehmen außen-politisch abzusichern.“ (35) Er ließ z.B. über Mittelsmänner die Haltung der Engländer zu einem Umsturz mit klar antibolschewistischer Tendenz abklären und ob diese eine Wiedererrichtung der Monarchie in Deutschland nach englischem Vorbild unterstützen würden – notfalls auch ohne die Hohenzollern, wobei es in diesem Punkt (Wiedererrichtung einer Hohenzollernmonarchie gegebenenfalls unter dem Kronprinzen als „Thronerben“) unter den Monarchisten im Militär keine eindeutige Haltung gegeben hat.
Allerdings wäre auch eine Rückkehr des letzten Kaisers offensichtlich mit dem VV kollidiert: Solange Wilhelm II. in den Niederlanden im Exil lebte und die Holländer die Auslieferungsersuchen der Alliierten ignorierten, war er vor einer Anklage durch die Sieger geschützt; bei einer Rückkehr nach Deutschland wäre der Druck der Alliierten zur Durchsetzung von Artikel 227 VV gestiegen. Hätten die Kapp-Putschisten wirklich eine militärische Auseinandersetzung mit den vormaligen Kriegsgegnern vom Zaun brechen wollen, nur um den alten Kaiser wiedereinzusetzen?
Wie stellten sich die Monarchisten die Haltung des britischen Königshauses vor, das bekanntlich 1917 sogar den eigenen Namen ändern ließ, um sich von der deutschen Verwandtschaft abzugrenzen?
Somit waren auch die Ideen der Königstreuen im deutschen Militär völliger Nonsens! Denn welches der vormals regierenden „Häuser“ hätte den Thron übernehmen sollen, wenn der gestürzte und wirksam abgedankte Kaiser und ehemalige preußische König nicht in Betracht kommen sollte bzw. das gesamte Haus Hohenzollern auch in weiten Teilen der deutschen Nachkriegsgesellschaft, nicht nur im sozialistischen Lager, auf massive Vorbehalte stoßen musste?
Davon abgesehen, dass insbesondere (der ehemalige) Kronprinz Wilhelm von der Aussichtslosigkeit einer Gegenrevolution zum Zwecke einer Restauration der Monarchie zum damaligen Zeitpunkt (im Herbst 1919) überzeugt war; überliefert ist von ihm die Aussage: „Die Zeiten, in denen eine Autokratie möglich, ja nützlich war, sind vorbei.“ (36)
Im Übrigen hatte der letzte Kaiser seine Söhne durch Eid verpflichtet, ihm nicht in den Rücken zu fallen.
Also woran dachten die Militärs um Ludendorff: eine Monarchie ohne Monarchen? Fast so absurd, wie die Vorstellung von einer republikanischen Regierung ohne Volk (was dennoch ab 1930 mit dem Präsidialkabinett unter Kanzler Brüning u.a. unternommen wurde: Ausgang ist bekannt).
Die grundsätzliche Übereinstimmung Kapps und seiner zivilen Mitstreiter in der Nationalen Vereinigung mit den rechtsextremen Militärs um Ludendorff bestand vor allem darin, „unversöhnliche Gegner der Sozialdemokratie“ (Könnemann) gewesen zu sein.
Und v. Lüttwitz hatte nun wiederum ganz andere politische Vorstellungen, die sich von Kapps deutlich unterschieden. (37)
„Als General v. Lüttwitz am 11. März den Befehl zur Besetzung Berlins gab, zeigte sich nicht nur die fehlende politische Übereinstimmung, sondern auch, dass die unmittelbaren Voraussetzungen einer politischen Machtergreifung weitgehend fehlten.“ (38)
Zumindest kann man ihm und anderen hochrangigen Militärs bis zur OHL (Groener, Reinhardt oder auch v. Seeckt) ein gewisses Bemühen um Ausgleich mit der Mehrheits-SPD bescheinigen; wenigstens solange Ebert und Noske die Richtung in ihrer Partei bestimmten.
„Für Lüttwitz dagegen war eine Regierung Kapp nicht das eigentliche Ziel. Erst als die Reichsregierung seine Forderungen ablehnte und Noske ihn als Befehlshaber beurlaubte, ließ er sich weitertreiben und beauftragte schließlich Kapp mit der Bildung eines neuen Reichskabinetts.“ (39)
Hierzu der damalige Reichswehrminister Noske:
„Mit dem Eigensinn des Alters hatte sich Lüttwitz in die Idee verbissen, im vaterländischen Interesse dürfe die Truppe nicht weiter verringert werden. (…) In diese Ansicht verrannt, wurde er zum Sturmbock noch schlimmerer politischer Phantasten, des Kapp und seiner Verschworenen, der Rechtsbolschewisten.“ (40)
Neben der eigentümlichen Wortwahl Noskes („Rechtsbolschewismus“) fällt aber bei ihm auch eine gewisse Nachsicht, wenn auch sicherlich kein Verständnis für den alten General auf.
General v. Lüttwitz war nämlich ursprünglich durchaus einer „Noske-Diktatur“ zugeneigt, da er – wie viele andere Militärs auch: v. Seeckt, Groener oder Reinhardt – sich eine Zusammenarbeit mit rechten Mehrheits-Sozialdemokraten vorstellen konnte.
Eine Situation, die sich bereits während des Kieler Matrosenaufstands Anfang November 1918 anbahnte: nolens volens! Zumindest machten Planspiele für eine „Noske-Diktatur“ seit Herbst 1919 in Berlin und andernorts die Runde.
Noskes eigenartiges Verhältnis zum Militär und einzelnen hochrangigen Vertretern der kaiserlichen Armee wird weiter unten noch etwas genauer betrachtet.
„Chance und zeitweiliger Erfolg des Kapp-Lüttwitz-Putsches lagen in dem Oberbefehl, den General von Lüttwitz bislang geführt hatte und trotz seiner Ablösung weiterhin führte. Seine Abberufung war den Truppen noch nicht überall bekannt geworden, und er galt deshalb vielfach als der rechtmäßige Vorgesetzte, dessen Befehlen nachzukommen war“. (41)
Und Kapitän Ehrhardt, der Vierte im Bunde der Putschisten? „Ehrhardt hatte nichts von einem Aufrührer an sich. Er war ein Mann der Ordnung, und das sah man ihm auch an. Alles an ihm war so sauber und peinlich rein wie die Ausrüstung der Kaiserlichen Marine.“ (42)
Während des gesamten Staatsstreichs war Ehrhardt die „unpolitischste“ Figur, auch wenn er nach dem Kapp-Putsch eine fast schon mystisch anmutende Rolle im rechtsradikalen Milieu einnehmen wird.
IV) Übernahme der Regierungsgeschäfte unter „Reichskanzler“ Kapp
„War das Unternehmen schon durch Lüttwitz überstürzt hervorgerufen und dann in der Kapp-Gruppe trotz fehlender Vorbereitungen beschlossen worden, so verhinderten nun Ehrhardts Ultimatum und die Forderung der Generale nach einer Kabinettssitzung auch die letzte Möglichkeit der Überraschung.“ (43)
Diese Einschätzung traf genau die Situation, die sich in der Nacht vom 12. auf den 13. März im politischen Berlin abspielte.
Am frühen Morgen des 13. März 1920, nachdem die alte Regierung nur kurze Zeit vorher Berlin verlassen hatte, erklärte Wolfgang Kapp nach der militärischen Besetzung Berlins die Regierungskoalition unter Reichskanzler Gustav Bauer für abgesetzt und proklamierte sich selbst zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten.
„Ehrhardt trat auf Kapp zu und begrüßte ihn mit den – später von seinen Anhängern gern zitierten – Worten: »Also jetzt übernehmen Sie die Regierung – fangen Sie aber auch an zu regieren!« Das Misstrauen, das in Ehrhardts Worten mitschwingt, erwies sich als nur zu gerechtfertigt. Aber der Kapitän war nun der Gefangene seiner Tat und musste die Macht in Kapps Hände legen, weil sich eine andere Möglichkeit nicht bot. Zudem war für ihn nicht Kapp, sondern Lüttwitz der entscheidende Mann.“ (44)
Sowohl den genauen Zeitpunkt als auch die näheren Umstände hatte Kapp bereits damals nicht mehr selbst in der Hand. Danach folgte eine unplanmäßige Situation und unbedachte Handlung auf die andere.
Dies begann mit dem Herumlavieren Ludendorffs, der zwar beim Einmarsch der Ehrhardt-Truppen vor Ort war und dann im Reichswehrministerium versuchte, die Offiziere des Truppenamts auf die Seite Kapps herüberzuziehen (45), und setzte sich mit der Übernahme der Reichskanzlei fort:
„Der Kapitän besetzte die Wohnung des Herrn Reichspräsidenten, Kapp und Genossen gingen zur Reichs-kanzlei. Als die drei Herren das Haus betraten, trat ihnen Herr Unterstaatssekretär Albert … entgegen. (…)
Herr Kapp lüftete ein wenig den Filzhut und sagte auf die Frage des Herrn Unterstaatssekretärs Albert, was die Herren wünschten: »Wir ergreifen die Regierungsgewalt«. Auf die Frage des Herrn Unterstaatssekretärs: »Auf Grund welcher Legitimation?« erwiderte er: »Mit dem Recht des 9. November 1918«, und er knüpfte daran die Gegenfrage: »Sie sind der frühere sozialdemokratische Unterstaatssekretär ?«, worauf Herr Unterstaatssekretär Albert mit Schärfe erwiderte: »Nein, nicht der frühere, sondern der gegenwärtige Unterstaatssekretär der Reichskanzlei, und ich bitte die Form zu wahren.« Kapp entgegnete, er hätte es getan, wogegen Unterstaatssekretär Albert erklärte: »Nein, Sie haben es nicht getan, aber wir haben wohl in diesem Moment andere wichtigere Dinge zu tun.« Mit einer halben Wendung nach links sah der Unterstaatssekretär den beiden anderen Herren ins Gesicht; da trat Herr v. Jagow hervor und erklärte, »Ach, wir kennen uns ja.« Nach dieser Begrüßung lüftete Herr Kapp seinen Hut nochmals und stellte sich förmlich vor. Er fragte, wer von den Mitgliedern der Regierung im Hause anwesend wäre. Herr Unterstaatssekretär Albert erwiderte, »der Herr Vizekanzler«. Darauf beauftragte er den Portier, die Herren in die Bibliothek zu führen. Die drei Herren gingen nach oben.“ (46)
Dass es sich hierbei um eine groteske Situation gehandelt hat, darüber gibt es keine zwei Meinungen; ein Mann, der zum Staatsstreich entschlossen ist, diskutiert mit einem hohen Beamten der zu stürzenden Regierung über Fragen der Etikette und des Stils.
Um die Absurdität der Situation bei der Besetzung der Reichskanzlei durch Kapp zu unterstreichen, wird aus dem eben herangezogenen Originaldokument noch einmal zitiert:
„Ich selbst begab mich in die unteren Büroräume und in das Zimmer von Geheimrat Brecht. Zu diesem Zeitpunkt kam ein Herr, welcher auch erst von Geheimrat Brecht aufgefordert werden musste, anzuklopfen und sich vorzustellen, wenn er in sein Zimmer träte. Er nannte sich darauf Oberleutnant Molkenthin und sagte:
»Ich komme im Auftrage des Reichskanzlers Kapp.« Geheimrat Brecht erwiderte: »Ich kenne keinen Reichskanzler Kapp.« Darauf entgegnete Molkenthin (…) etwas vom Recht des 9. November und verschwand. Nach kurzer Zeit kam er wieder und richtete an Geheimrat Brecht zunächst die Frage, ob er bereit sei, unter der neuen Regierung weiter zu arbeiten. Auf die Antwort Brechts, er kenne keine neue Regierung, sondern nur die verfassungsmäßige Regierung, stellte Molkenthin die weitere Frage, was er dann noch hier tue. Brecht erklärte, er sei im Begriff, sein Dienstzimmer zu verlassen. Molkenthin hatte auch die weitere Frage gestellt, wo sich die Schreibmaschinen befänden. Geheimrat Brecht hat ihn kurz an mich verwiesen, weil ich in der Nähe stand. Molkenthin fragte mich nach den Schreibmaschinen, und ich sagte ihm, dass die Räume ihnen ja jetzt zur Verfügung ständen, er möge sich doch darin umsehen.“ (47)
Wer sich nun wegen der Sache mit den Schreibmaschinen wundern sollte, hier die Auflösung:
„Die Beamten der Reichskanzlei hatten, unter Mitnahme der Staatssiegel, das Haus verlassen. Zwar hatte Kapp einige Kundgebungen ausgearbeitet, doch fand sich weder eine Schreibmaschine noch eine Stenotypistin; erst als Soldaten in einem nahegelegenen Geschäft eine Schreibmaschine requiriert hatten, konnte Kapps Tochter die Texte tippen.“ (48)
Mit einer derartigen „Realsatire“ begann also der Staatsstreich: Wären Lenin und Trotzki knapp zwei Jahre vorher in Sankt Petersburg ähnlich dilettantisch vorgegangen, Russland und der Welt wäre viel Unglück erspart geblieben.
Auf das eben erwähnte Argument „vom Recht des 9. November“ (1918) als vermeintliche Legitimation für den Staatsstreich wird am Ende im Zusammenhang mit den in Weimar vorherrschenden Staatsrechtstheorien bzw. den danach einsetzenden akademischen Diskussionen noch einmal eingegangen.
Von (verfassungs-)rechtlichen Verfahrensfragen abgesehen, ging es beim Kapp-Putsch aber genauso planlos und in Kleinigkeiten verzettelt weiter wie dieser begonnen hatte; von einer generalstabsmäßigen Vorbereitung und Umsetzung eines Regierungsumsturzes keine Spur!
Davon merkte aber die Berliner Bevölkerung zunächst verhältnismäßig wenig – im Gegenteil:
„Der erste Tag ließ sich für die Brigade hoffnungsvoll an. Die zahlreich herbeigeströmte Bevölkerung jubelte ihrem Einzug zu und brachte den Soldaten kleine Geschenke. Die in guter Ordnung marschierenden Truppen im vertrauten Feldgrau und die schwarz-weiß-roten Reichskriegsflaggen schienen eine Visitenkarte der neuen, sonst weithin wenig bekannten Regierung zu sein und erfüllten das Bürgertum mit Zuversicht auf den Anbruch besserer, geordneter Zeiten. Aus Döberitz und aus Berlin selbst strömten neue Freiwillige zur Brigade. Der Generalstreik wurde dagegen noch kaum bemerkt“. (49) Siehe hierzu weiter unten.
Statt das Wochenende am 13. und 14. März zur Konsolidierung ihrer Machtansprüche zu nutzen, bevor die Auswirkungen des Streiks zu Wochenbeginn deutlich spürbarer werden sollten, konnte der Eindruck entstehen, die „neue“ Kapp-Regierung spiele lediglich einen Staatsstreich.
Bei „Reichskanzler Kapp“ gaben sich allerlei Besucher die Klinke in die Hand, um sich Posten und Vorteile zu sichern (50). Er machte ständig neue Ankündigungen, während die Soldaten auf die versprochenen Zulagen warteten:
„Der Staatsstreich war so schlecht vorbereitet, dass die Kommandeure der Brigade nicht einmal die Namen der Minister wussten, welche im Falle einer Ablehnung des Ultimatums hätten verhaftet werden sollen. Die Flucht der Regierung nach Dresden ersparte den Soldaten die peinliche Situation.“ (51)
„Die meisten Brigadeangehörigen erfuhren erst im Laufe dieses oder des nächsten Tages, dass es der Generallandschaftsdirektor Kapp und einige Herren seines zukünftigen Ministeriums waren, und dass Kapp der von ihnen an die Macht gebrachte Reichskanzler war.“ (52)
Als besonderes Exempel für die grottenschlechte Vorbereitung des Putsches in »finanzpolitischer« Hinsicht:
„Um sich Geld zu verschaffen, hatte die neue Regierung mehrmals versucht, mit einem auf den Namen des »Reichskanzlers« Kapp gezeichneten Scheck durch Offiziere Geld von der Reichsbank holen zu lassen. Die Zahlung war jedoch stets mit dem Hinweis verweigert worden, dass man einen Reichskanzler Kapp nicht kenne; ebenso wenig wurde die Reichswehrkasse für einen »Reichswehrminister Lüttwitz« geöffnet. So blieb die Regierung Kapp, die so freigiebig nach allen Seiten Gehalts- und Solderhöhungen versprochen hatte, völlig ohne Mittel, auch nur die notwendigsten Zahlungen zu leisten. Am 16. März, als Kapps Lage schon aussichtslos geworden war, versuchte Hauptmann Pabst ein Letztes und beauftragte Ehrhardt, die Herausgabe des Geldes von der Bank mit Gewalt zu erzwingen. Ehrhardt wies dieses Ansinnen entschieden zurück, da er kein Geldschrankknacker sei.“ (53)
Obwohl mit Traugott v. Jagow, von 1909 bis 1916 Polizeipräsident von Berlin und von Juni 1916 bis zum November 1918 nominell Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Breslau und nach seiner Pensionierung 1918 Direktor des Pommerschen Landbundes, ein Polizei- und hoher Verwaltungsfachmann (ähnlich wie auch Kapp u.a.) zur Führungsriege der Putschisten gehörte, verstärkte sich das allgemeine Durcheinander – in den Behörden und auf den Straßen der Hauptstadt.
„Politisch trat Ehrhardt in den Kapp-Tagen nicht hervor, sondern begnügte sich einstweilen mit der Rolle des Zuschauers. Der Eindruck, den er als solcher von einer Sitzung in der Reichskanzlei unter Leitung des völlig zusammengebrochenen Kapp erhielt, war erschütternd; doch richtete er seine Hoffnungen auf die Militärs und vor allem auf Ludendorff.“ (54)
Das Verhalten Ehrhardts gegenüber Kapp und seinen Leuten kann wohlwollend als gesunde Skepsis eines eingefleischten Militärs gegenüber Zivilisten charakterisiert werden, doch in einem Punkt kann man dies auch schon Sabotage nennen: Denn nachdem klar wurde, dass auf legalem Wege von der Reichsbank kein Geld zu erlangen war, hätte Ehrhardt auf einen ihm von Kreisen der Admiralität anvertrauten „Geheimfonds“ zurückgreifen können, um wenigstens die drängendsten Finanzprobleme Kapps zu überbrücken.
Dies ließ der Kapitän aber schön bleiben. (55) Letztlich ist es auch unerheblich, warum Ehrhardt dieses Geld nicht anrührte, da insbesondere Kapp als „Banker“ aber auch v. Jagow als ehemaliger Leiter einer Selbstverwaltungseinrichtung über die Themen „Finanzplanung“ und „Mittelbeschaffung“ hätten Bescheid wissen müssen. Wenn schon für diese grundsätzlichen Fragen kein Konzept ausgearbeitet wurde, sondern Kapp einfach vor sich hin wurstelte, dann ist eigentlich schon alles über die Kompetenz dieser Herren zur Staatsführung gesagt!
Aber eines ist trotz der dilettantischen Vorgehensweise der Putschisten dennoch unbestreitbar: Dieser Staatsstreich war staats- wie verfassungsrechtlich bedeutsam, wenn natürlich auch formal unwirksam und fand zunächst einige Unterstützung bei etlichen Militärs, die die Umsturzpläne v. Lüttwitz‘ grundsätzlich befürworteten, und auch bei ausgewählten (politischen) Beamten, insbesondere östlich der Elbe und vor allem in Ostpreußen.
In diesem Zusammenhang wird in der Fachliteratur gerne darauf verwiesen, dass sich die große Mehrheit der Beamten, insbesondere in der Ministerialbürokratie, gegen die Putschisten gestellt hätte, was auch zum schnellen Scheitern des Staatsstreichs geführt habe. (56)
Lässt man die doch überschaubare Anzahl der „Unterstaatssekretäre“ (wie Albert, s.o.) außen vor, sind doch berechtigte Zweifel angebracht, wenn es um das Thema Loyalität der Beamtenschaft zur Regierung Ebert-Bauer-Noske geht, insbesondere in den weiter entfernten Regionen z.B. Süd- oder Ostdeutschlands.
Wie den meisten Soldaten, war es damals auch vielen Beamten auf den unterschiedlichen politischen Ebenen (Reich, Länder, Kommunen etc.) möglich, ihren Dienst selbst ohne inhaltliche oder persönliche Identifikation mit dem jeweiligen Dienstherren zu verrichten; eine Haltung, die der Denkfigur von der „permanenten Identität des Staates“, unabhängig von der jeweiligen Regierung oder Regierungsform, entspricht.
Außerdem waren die juristisch geschulten Beamten in der Ministerialbürokratie meist dem Rechtspositivismus (57) verhaftet, so dass die jeweiligen Vorgesetzten erwarten konnten, dass ihre Anweisungen strikt befolgt wurden. Oft war es einfach auch nur Desinformation über die wahre Lage in der Hauptstadt, die bei vielen hohen Beamten ein schlichtes Zögern hervorrief: Man hat einfach für niemanden wirklich Partei ergriffen, sondern lediglich abgewartet.
Diese meist zögerliche Grundhaltung gilt umso mehr für die hohen Militärs, die nicht direkt in die Umsturzpläne eingeweiht waren. Deren Zögern und Taktieren lässt sich wie folgt skizzieren:
Viele der „alten“ Militärs konnten – oft im Gegensatz zu den zivilen Behörden und Politikern des untergegangenen Kaiserreichs – (zunächst scheinbar unbemerkt) ihren Einfluss wenigstens sichern und ab Dezember 1918 sogar noch erweitern; vor allem nachdem die USPD-Vertreter aus dem Rat der Volksbeauftragten ausgeschieden waren, worauf z.B. General Groener systematisch hingearbeitet hatte.
Insoweit gab es über viele Monate eine zumindest stillschweigende Kohabitation zwischen (nach wie vor) kaiserlichen Militärs und den neuen republikanischen Politikern der Weimarer Koalition. Ernste Risse in diesem Zusammenwirken gab es erst ab dem 10. Januar 1920, siehe oben.
Jedoch war die rigorose Niederschlagung der Januarstreiks und Demonstrationen wegen des Betriebsrätegesetzes wieder genau auf der Linie der Militärs, mit aller Härte gegen Linksradikale vorzugehen.
Doch dann begann die SPD-Führung am frühen Morgen des 13. März 1920 mit dem Aufruf zum landesweiten Generalstreik die bisherige Politik der Übereinstimmung mit dem Militär in Frage zu stellen.
Zum einen enthielten die verschiedenen Flugblätter, die von der SPD-Führung im Namen der SPD-Minister zum Aufruf des Generalstreiks in Umlauf gebracht wurden, Formulierungen, die aus Sicht regierungskritischer Generäle (von denen es ja zahlreiche gab) als Affront gegen das Militär aufgefasst wurden.
Viele der Offiziere, die lediglich aus Pflichtbewusstsein, nicht aus innerer Überzeugung, auch nach dem 9. November 1918 in der Armee Dienst taten, sahen sich durch den Streikaufruf, der durch die namentliche Nennung hoher SPD-Politiker eine amtliche Note erhielt, in ihren grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Republik bestätigt. Mit Parolen wie: „Lahmlegung jedes Wirtschaftslebens“ und „Generalstreik auf der ganzen Linie“ wurde zumindest teilweise der Eindruck des totalen Chaos erweckt.
Aber gerade um dieses befürchtete Chaos durch die Spartakisten mit ihrer Forderung nach Räteherrschaft im November 1918 zu vermeiden, hatten sich doch die allermeisten Offiziere bereiterklärt, die gemäßigten Vertreter der Mehrheits-SPD um Ebert und Scheidemann zu unterstützen. Mit dem Aufruf zum Generalstreik war gleichsam die Geschäftsgrundlage vieler Militärs für eine Zusammenarbeit mit der republikanischen Regierung entfallen.
Man muss zwar derartige Gedankengänge nicht teilen oder gar unterstützen, aber man kann solche Überlegungen aus der damaligen Perspektive zumindest nachvollziehen.
Zum anderen erzeugte der Aufruf zum Generalstreik aber auch noch eine widersprüchliche juristische Situation – gerade für „preußisch“-geprägte Amtsträger in der Verwaltung, aber auch beim Militär, geradezu ein Kardinalfehler! Denn mit der Aufforderung nach einem völligen wirtschaftlichen Stillstand in Deutschland, der mittels eines umfassenden Ausstandes bewirkt werden sollte, wurden die wesentlichen Bestimmungen in den Januarverordnungen, die Reichspräsident Ebert formell wirksam gegen linksextreme Demonstrationen erlassen hatte, konterkariert und offen untergraben. In diesen Verordnungen wurden ja gerade die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit als notwendige Maßnahmen für einen wirksamen Streik in weiten Teilen des Deutschen Reiches verboten. Eine ausdrückliche Aufhebung oder zumindest Suspendierung der Januarverordnungen erfolgte jedoch nicht (wahrscheinlich weil in der Hektik des 13. März niemand daran dachte).
Wenn aber die Flugblätter forderten: „Proletarier vereinigt Euch!“, dann liegt offensichtlich ein Widerspruch zutage, der für rechtspositivistisch geschulte Beamte zu echten Problemen führen musste.
Ob es sich bloß um Missverständnisse oder lässliche Fehler handelte, spielte in der angespannten Situation keine Rolle: Die Reichsregierung hatte sich insoweit in eine Zwickmühle manövriert (dass der Streikaufruf lediglich von der SPD erfolgte, aber nicht auch von den anderen Parteien der Koalitionsregierung abgezeichnet worden war, blieb zunächst ohne Beachtung).
Daher war auch die ambivalente Rolle vieler Militärs zu den Putschisten, deren Beweggründe viele nachvollziehen konnten, und der regulären Regierung, deren Äußerungen teils zu den genannten Irritationen führten, nicht verwunderlich. Die nachträglichen Bemühungen der Regierung, den Aufruf zum Generalstreik herunterzuspielen, führten dann auch nicht zu einer echten Vertrauensbildung zwischen Armee und politischer Führung; obwohl sich das Militär (sowohl reguläre Streitkräfte als auch viele Freikorpsverbände) dann ab dem 18. März 1920 wieder gerne in die Pflicht nehmen ließ, um den zwischenzeitlich außer Kontrolle geratenen Ruhraufstand (als die radikalste Ausprägung des Generalstreiks) niederzuschlagen.
V) Abbruch des fehlgeschlagenen Umsturzversuches
Das eigentliche Ende der Bemühungen Kapps, sich an der Macht zu halten, ist schnell referiert:
„Am 17. März endlich legte Kapp, nachdem er vergeblich versucht hatte, durch Verhandlungen mit der Regierung in Stuttgart einen günstigen Abgang zu gewinnen, die Gewalt in die Hände des Generals von Lüttwitz. Die von Ehrhardt und vielen seiner Offiziere erhoffte Militärdiktatur schien angebrochen zu sein – aber es zeigte sich, dass der rechte Zeitpunkt vorbei war und die Reichswehr nun auch dem General die Unterstützung verweigerte. In einer Kommandeur Besprechung des Gruppenkommandos in der Reichskanzlei legten die versammelten Offiziere Lüttwitz den Rücktritt nahe, da sonst Truppenmeutereien zu gewärtigen seien.“ (58)
Die Verhandlungen, die Kapp mit der nach wie vor legalen Regierung Bauer führte, waren aber von vornherein nicht auf einen für ihn günstigen Ausgang angelegt.
Denn nachdem klar wurde, dass auch die konservativen Parteien und Fraktionen eine Kanzlerschaft unter Kapp nicht unterstützen würden bzw. dies auch mehrheitlich gar nicht wollten, konnte es für Kapp eigentlich nur noch darum gehen, einen halbwegs „ehrenvollen“ Abgang hinzulegen – aber selbst das scheiterte.
Denn letztlich fiel ihm auch noch Erich Ludendorff in den Rücken:
„Am 17. März 1920 jedoch, nachdem der Zivilist Kapp bereits geopfert worden war, lehnte Ludendorff es ab, die ihm von Oberst Bauer angeratene Übergabe des Truppenkommandos von Lüttwitz anzunehmen. (…) Die massiven Forderungen hoher Reichswehroffiziere nach Beendigung des Putsches und die Ergebnisse der Verhandlungen mit diversen Parteiführern und Regierungsvertretern hatten Ludendorff signalisiert, dass der Umsturzversuch gescheitert war“. (59)
Wolfgang Kapp hatte weder den Beginn noch das Ende des nach ihm benannten Umsturzversuches in eigenen Händen: Er war ein Getriebener äußerer Umstände und auch Gefangener eigener Inkompetenz.
„Als in den Mittagsstunden des 17. März in der Reichskanzlei die Entscheidung gefallen war, verbreitete das Wolffsche Telegraphen Bureau die amtliche Meldung: »Nachdem die Regierung Bauer sich entschlossen hat, die wesentlichen politischen Forderungen, deren Ablehnung am 13. März 1920 zur Einsetzung der Regierung Kapp führte, von sich aus zu erfüllen, sieht der Reichskanzler Kapp seine Mission als erfüllt an und tritt zurück, indem er die vollziehende Gewalt dem Militärbefehlshaber zurückgibt.«“ (60)
Nun galt der Wolffsche Nachrichtendienst nicht unbedingt als rechtslastig, sondern eher als journalistisch glaubwürdig; man kann sich somit schon die Frage stellen, wie weit in dieser eben zitierten Meldung die Wahrheit strapaziert wurde (heute gibt es hierfür die pauschale Bezeichnung „alternative Fakten“).
Es fällt zumindest auf, dass in den ersten offiziellen Verlautbarungen zum Ende des Staatsstreiches und dem Rücktritt der „Kapp-Regierung“ auf den Generalstreik in keinster Weise eingegangen wurde, so dass zumindest der Eindruck entstehen konnte, das Scheitern von Kapp stünde in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den inzwischen doch deutlich spürbaren Streikmaßnahmen in Berlin und andernorts.
Betrachtet man den Ablauf der maßgeblichen Ereignisse während der Tage des Kapp-Putsches, kann man durchaus festhalten, dass es für die blutjunge Weimarer Republik geradezu ein Glücksfall war, dass politische Dilettanten vom Schlage eines Kapp oder v. Jagow den konkreten Putsch zu verantworten hatten; wären sich die zum Umsturz geneigten Militärs tatsächlich in ihrer Zielsetzung einig gewesen und hätten ohne ihre „zivilen Partner“ losgeschlagen, hätten die Ereignisse im März 1920 ganz anders ausgehen können.
Doch auch Walther v. Lüttwitz war nach den Reaktionen der Reichswehrführung, allen voran v. Seeckts, die am 17. März 1920 klar auf Abbruch des Putsches gerichtet waren, nur noch eine Art kurzzeitiger Nachlassverwalter. In dieser unerwarteten Funktion musste er schleunigst zusehen, dass er die ihm anvertraute Aufgabe, Rückführung der aufständischen Soldaten aus der Hauptstadt zurück in ihre Garnisonen, ohne allzu große Ausschreitungen oder gar Blutvergießen absolvierten, letzteres gelang nur bedingt.
Obwohl Kapp doch relativ geräuschlos aus dem Amt gedrängt worden war und er zwar durch seine meist eigenartigen Proklamationen und Ankündigungen für Verwirrungen gesorgt hatte, insbesondere als er am 16. März das Standrecht verhängt hatte, das vom neuen Militär-Oberbefehlshaber v. Lüttwitz exekutiert wurde, gab es in den letzten beiden Tagen (16./17. März) in Berlin doch immer öfter Schießereien und blutige Auseinandersetzungen mit Todesopfern, die nicht mehr von einer funktionierenden Staatsgewalt zeugten.
Vielmehr ist zu vermuten, dass sowohl auf Seiten der Putschisten als auch auf Seiten der Putschgegner die Nerven blank lagen und es zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen kam; wohl gemerkt: bevor die eigentlich militanten Auseinandersetzungen, besonders im Ruhrgebiet begannen. Hier liegt also vor allem die Schuld (juristisch und moralisch) der Kapp-Putschisten. Ihnen fehlte nicht nur die Legitimation, sondern auch die tatsächliche Staatsgewalt.
Gustav Noske, der seit seinem Amtsantritt Anfang Januar 1919 durch zahlreiche, zum Teil höchst merkwürdige, zum Teil fast schon reaktionäre „Amtshandlungen“ und Äußerungen alles getan hatte, um sich bei der Arbeiterschaft, aber auch bei seiner eigenen Partei vollständig unbeliebt zu machen, nannte die Zeit des Staatsstreiches den „Kapp-Lüttwitzschen Narrenstreich“. (61) Somit die »Tage der Torheit«.
Auf den von ihm und seinen Parteifreunden ausgerufenen, aber schon rasch nicht mehr kontrollierten Streik geht Noske in seinen Erinnerungen nur mit ganz wenigen Worten ein, indem er besonders den Kommunisten vorwarf, nur auf ein Signal gewartet zu haben, die Diktatur des Proletariats zu errichten; in Sachsen gab er sogar nicht näher bezeichneten Räuberbanden die Schuld am dortigen Chaos: „Fieberkrank wütet ein Teil des Volkes gegen seine eigenen Interessen“. (62)
Daher soll, bevor auf die abschließenden Fragen nach den Auswirkungen des Kapp-Putsches auf der Ebene der einzelnen Länder und der strafrechtlichen Behandlung der am Hochverrat beteiligten Personen kurz eingegangen wird, nachfolgend mit dem Aufruf zum Generalstreik und des daraus folgenden, viel weitreichenderen Ruhraufstandes (oder auch Ruhrkampf) ein ganz besonderer Aspekt des Geschehens in der zweiten Märzhälfte 1920 betrachtet werden: die »Tage der Not«.
VI) Zur Bedeutung des Generalstreiks
Bisher wurden generell eher interne Faktoren dargestellt, also was bei den Verschwörern selbst alles „suboptimal“ abgelaufen war, so dass der Putsch von vornherein nur sehr geringe Erfolgsaussichten haben konnte.
Nachfolgend ist mit dem Generalstreik ein externes Ereignis für den Ablauf des Kapp-Putsches zu betrachten. Welchen Einfluss hatte der Generalstreik wirklich dafür, dass der Staatsstreich doch verhältnismäßig schnell scheiterte, gleichsam zum Rohrkrepierer geworden ist?
„Trotz der unklaren Lage hätte sich die Kapp-Regierung vielleicht behaupten können – wenn sie nicht auf den entschlossenen Widerstand der Arbeiterschaft gestoßen wäre. Am Morgen des 13. März erschien in Berlin ein Aufruf zum Generalstreik, unterzeichnet von Ebert, den SPD-Ministern und dem Parteivorsitzenden Otto Wels.“ (63)
Ähnlich die Wertung: „Gerettet wurde die Republik durch einen Generalstreikaufruf aus der Reichskanzlei, der von den Gewerkschaften und der SPD sofort befolgt wurde.“ (64) Oder „der erfolgreiche Generalstreik als wohlorganisiertes Treuebekenntnis zur Republik“. (65)
So wird fast unisono die Rolle des Generalstreiks im Zusammenhang mit dem Scheitern des Kapp-Putsches in vielen der herkömmlichen Darstellungen zur Geschichte der Weimarer Republik bewertet.
Im Folgenden soll daher der tatsächliche „Widerstand der Arbeiterschaft“ betrachtet werden, was zu einer teilweisen Entzauberung des Mythos vom Erfolg des Generalstreiks führen wird.
Zunächst war die Ausrufung des Generalstreiks eigenmächtig von einem Teil der Mehrheits-Sozialdemokraten erfolgt. Es bestand keine Absprache mit den Ministern, die zwar dem Kabinett, aber nicht der SPD angehörten. Insoweit bestand ein offener Dissens zwischen den Parteien in der damaligen Koalition.
Der Aufruf zum Generalstreik erfolgte verständlicherweise unter sehr hektischen Umständen, da sich die meisten der daran beteiligten Genossen zur Flucht genötigt sahen, und war alles andere als durchdacht (hier herrschte mehr Instinkt als Ratio).
Man kann aber auch hier die Rolle Noskes kritischer beleuchten, als dies in vielen Kommentaren geschieht:
Ab wann wusste der damalige Reichswehrminister tatsächlich von möglichen Umsturzplänen: erst seit dem denkwürdigen Auftritt v. Lüttwitz‘ am 10. März 1920 oder nicht bereits schon im Sommer 1919, als Hauptmann Pabst im Alleingang losmarschieren wollte und er deswegen auch disziplinarisch belangt wurde?
Gerade in Berlin wurden schon (verdächtig) schnell die ersten Flugblätter zwecks Verkündung des Generalstreiks verteilt; die Bauer-Regierung hatte kaum die Hauptstadt verlassen, als die entsprechenden Aufrufe verbreitet wurden. Zunächst von den Mehrheits-Sozialisten, kurz darauf auch von den wichtigsten Gewerkschaften.
Auch im Ruhrgebiet waren schnell Aufrufe zum Streik nebst Flugblättern im Umlauf, die zu Demonstrationen, die immer mehr Zulauf erhielten, führten.
Über den Verbreitungsgrad der ersten Flugblätter gibt es keine sicheren Erkenntnisse, jedoch existieren noch Abdrucke in verschiedenen, heute noch zugänglichen Medien. (66)
Deshalb lassen sich anhand der Texte bzw. der Wortwahl einige Rückschlüsse auf Intention und Wahrheitsgehalt der Aufrufe ziehen.
Zunächst beginnen die Proklamationen der SPD damit, dass es sich bei den Putschisten um „Baltikum-Landsknechte“ gehandelt habe, die ihre Auflösung (gemeint war die Arbeitslosigkeit) befürchteten. (67)
Davon abgesehen, dass es noch unter dem Rat der Volksbeauftragten zur Aufstellung der ersten Freikorps gekommen ist, die zunächst hauptsächlich innenpolitische Aufgaben übernahmen (zu den Freikorps im Besonderen s.u.), hatte doch gerade Reichswehrminister Noske ausgezeichnete Kontakte zu maßgeblichen Militärs – auch zu Kapitän Ehrhardt, mit dem Noske wohl schon im November 1918 in telefonischem Kontakt stand (68) -, und dann im Auftrag der Reichsregierung ins Baltikum gingen, um dort gegen die Bolschewiki zu kämpfen (und zwar im Interesse der Engländer), so hatten doch viele Angehörige der II. Marinebrigade beste Aussichten, in die künftige reguläre Marine mit den vom VV erlaubten 15.000 Mann übernommen zu werden. Somit war das Argument wirtschaftlicher Interessen nicht ganz stichhaltig (Ehrhardt, der mittels eines „Geheimfonds“ eigenes Geld für seine Männer hatte, lehnte es bekanntlich ab, Panzerknacker zu spielen, s.o.). Was aber nicht bedeuten soll, dass es bei den Männern, die im März 1920 für Ehrhardt kämpften, keine Tendenzen zur Verrohung im Sinne von „Landsknechten“ gegeben hat, dazu waren die Erlebnisse des Jahres 1919 doch zu einschneidend.
Dann gab es noch weitere Ungereimtheiten in den von der SPD-Zentrale verbreiteten Flugblättern zum Streikaufruf, wie die „Vermutung“, dass hinter dem Putsch der gestürzte Kaiser stehen würde, der mit Hilfe der Verschwörer seinen Thron wieder besteigen wollte. Man kann zwar mit guten Gründen an den kognitiven Fähigkeiten Wilhelms II. zweifeln, aber eine Verbindung zwischen ihm und den Kreisen um Kapp oder gar Ludendorff, dem er seit je misstraute, hat es insbesondere im Zusammenhang mit dem Putsch niemals gegeben. Auch der ehemalige Generalfeldmarschall (und spätere Reichspräsident) v. Hindenburg zählte nicht zum Kreis der Hochverräter.
Interessant ist aber, dass die von den Gewerkschaften verfassten Flugblätter deutlich sachlicher formuliert waren. Hier ging es vor allem darum, die durch die reaktionären Putschisten befürchteten Einschränkungen der erst kürzlich errungenen Arbeitnehmerrechte als Grund für den Generalstreik zu artikulieren. (69)
Auch wenn an dieser Stelle viele wichtige Punkte im Zusammenhang mit dem Generalstreik gar nicht erwähnt werden können, so ist doch der äußere Ablauf zumindest kurz zusammenzufassen:
Faktisch aufgerufen hatte zwar die Berliner SPD-Spitze, aber in die Arbeiterschaft hineingetragen und umgesetzt wurde er von den Gewerkschaften, da diese im Frühjahr 1920 noch halbwegs die Einheit der Industriearbeiter repräsentierten. (70)
Stattdessen stand die KPD-Spitze (zumindest im Raum Berlin) dem Generalstreik zunächst ablehnend gegenüber, insbesondere da man den besonders verhassten „Bluthund“ Noske nicht unterstützen wollte; außerdem waren die personellen und damit organisatorischen Möglichkeiten der Kommunisten stark eingeschränkt.
Eine Ausnahme von der zunächst geübten Zurückhaltung der KPD beim Generalstreik bildete das Ruhrgebiet, da dort andere Bedingungen herrschten.
Konzentriert man sich aber zu Beginn des Generalstreiks auf das Wochenende (13./14. März) und auf die Hauptstadt Berlin, bleibt festzuhalten, dass die Gewerkschaften Motor der politischen Kundgebungen, aber auch des eigentlichen Arbeitskampfes gewesen sind.
Neben dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund zählten auch die größte Vertretung der Angestellten und zumindest teilweise die Christlichen Gewerkschaften zu den Unterstützern des Arbeitskampfes.
Hierzu sei angemerkt, dass die WRV in Art. 123 u. 124 die Versammlungs- u. Vereinigungsfreiheit im Allgemeinen ausdrücklich garantiert hat und Art. 159 WRV die Koalitionsfreiheit im Besonderen gewährte, was insbesondere in Art. 165 konkretisiert wurde; somit waren klassische Arbeitskampfmaßnahmen grundsätzlich erlaubt. Die Gewerkschaftsführer handelten am 13. März 1920 jedenfalls rechtmäßig! Anders sieht die Rechtslage jedoch aus, nachdem der Kapp-Putsch in Berlin schon längst erledigt war und die Gewerkschaftsleitung den Generalstreik eigentlich zum 23. März 1920 für beendet erklärte (und erst danach besonders im Ruhrgebiet die Situation eskalierte).
Versucht man die Relevanz der objektiv vorhandenen Auswirkungen des Generalstreiks auf das endgültige Scheitern des Staatsstreichs zu überprüfen, bietet sich besonders die „juristische Bedingungslehre“ an:
Maßstab ist dabei die sog. „conditio sine qua non“ – kann der Generalstreik hinweggedacht werden, ohne dass der Kapp-Putsch gescheitert wäre? Vereinfacht: War der Generalstreik wesentlich für das Scheitern der Putschisten?
Folgt man der einschlägigen Kausalitätslehre, hätten Aufruf bzw. Vorbereitung des Generalstreiks und auch die Durchführung der ersten Streikmaßnahmen, insbesondere in Berlin, das Scheitern des Staatsstreiches verursachen müssen.
Da Kapp bereits am 17. März aufgegeben hatte und auch v. Lüttwitz lediglich nur noch kurze Zeit als Militärbefehlshaber (weniger rechtlich, mehr faktisch) fungierte, muss die Kausalitätskette auf den Zeitraum 13. – 17. März 1920 beschränkt bleiben; eine durchaus überschaubare Zeitspanne.
Waren die bis dahin durch den Arbeitskampf unbestreitbar ausgelösten Einschränkungen und Schwierigkeiten ein wesentlicher Grund für die Entscheidung Kapps zur Aufgabe seines Staatsstreiches?
Obwohl an einem Samstag ausgerufen, zeigten die Arbeitskampfmaßnahmen in den betroffenen Bereichen doch schon spürbare Auswirkungen; insbesondere bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Dies sollte sich ab Montag, den 15. März naturgemäß noch steigern. Ab Wochenbeginn wirkten sich auch die streikbedingten Einschränkungen bei der Wasser- und Elektrizitätsversorgung noch stärker aus.
Doch wer war von diesen zum Teil drastischen Engpässen in Berlin tatsächlich betroffen oder gar existentiell gefährdet? Die meuternden Soldaten und die in einer Art Parallelwelt agierenden Politiker oder die einfache Bevölkerung, insbesondere in den klassischen Berliner Arbeitervierteln?
Die massiven Einschränkungen im regionalen Nahverkehr und im überregionalen Zugverkehr hatten für die am Putsch beteiligten Soldaten zunächst so gut wie keine Auswirkungen zur Folge: Es standen genug Fahrzeuge zur Verfügung, um die wichtigsten öffentlichen Plätze Berlins zu besetzen und den Nachschub zu sichern. Dies hätte sich dann ändern können, wäre z.B. der benötigte Kraftstoff ausgegangen (hiervon ist nichts bekannt geworden). Gab es durch den Generalstreik Einschränkungen bei der Lebensmittelversorgung für die Soldaten? Auch hier ein klares Nein, da Erhardt seine Männer mit Verpflegung für vier Tage ausgestattet hatte. (71) Was passiert wäre, sobald die Vorräte aufgebraucht gewesen wären, ist Spekulation. Zumindest ist bis zum Abmarsch der Ehrhardt-Männer aus Berlin am 18. März nichts von gezielten Plünderungen einer wild gewordenen Soldateska bekannt geworden; die zum Teil tödlichen Schüsse am Pariser Platz mit 12 Toten und 30 Verwundeten hatten andere Gründe, es waren keine Plünderungen.
Und die Einschränkungen bei der Stromversorgung? Hier hatte sich eine sog. „technische Nothilfe“ organisiert, die insbesondere im besetzten Regierungsviertel teilweise eine Notstromversorgung aufrechterhielt.
Allerdings begann ab 16. März die Stimmung innerhalb der Bevölkerung aber auch den Kapp-Anhängern in Berlin langsam zu kippen, so dass auf beiden Seiten eine Radikalisierung zu befürchten stand.
„Aber zugleich wurde sichtbar, dass eine längere Dauer des Streiks sich zu einer direkten Gefahr für die verfassungsmäßige Regierung und Bedrohung der gesamten Staatsordnung entwickelte.“ (72)
Geht man davon aus, dass der sog. „Reichsregierung Kapp“ weniger an ausgeglichenen gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen gelegen war, sondern mehr an der Durchsetzung egoistischer Interessen, war die „Bedrohung der gesamten Staatsordnung“ als mögliche Folge bei einer Fortsetzung des Generalstreiks kein wirklich stichhaltiges Argument, das die Hochverräter in ihren Entscheidungen beeinflusst hätte.
Maßgeblichen Einfluss darauf, dass Kapp sein Vorhaben aufgab, hatte die Reichswehrführung, deren Verständnis für soziale Belange der Bevölkerung ebenfalls nicht besonders ausgeprägt gewesen ist, so dass auch insoweit die Überlegungen und Maßnahmen seitens des Militärs ohne Bezug zum bisherigen Streikgeschehen erfolgten – allenfalls kann unterstellt werden, dass einzelne hohe Offiziere, die in Berlin auf Kapp einwirkten, damit dieser den Staatsstreich abbrach, eine ungefähre Vorstellung von den gravierenden Auswirkungen einer streikbedingten langanhaltenden Versorgungskrise für die Berliner Bevölkerung haben konnten; aber laut ausgesprochen hat solche Befürchtungen damals niemand in der Reichswehrführung.
Daher lässt sich sagen, dass bis zum 17. März die direkten Folgen des Generalstreiks für die Verantwortlichen des Staatsstreichs noch relativ geringfügig waren; so sind auch keine Aussagen der Verschwörer darüber bekannt, dass sie durch den Streik wesentlich behindert worden wären.
Massive Behinderungen gab es stattdessen für etliche Politiker, die zur bisherigen Regierung von Reichskanzler Bauer standen. Durch den lahmgelegten Eisenbahnverkehr konnten manche ihre Flucht nur unter großer Mühe fortsetzen. So war z.B. der Weg von Dresden nach Stuttgart äußerst beschwerlich.
Der Zusammenbruch weiter Teile der Versorgung in Berlin selbst hatte zunächst die einfache Bevölkerung getroffen. Unter mangelnder Wasser-, Strom- und dann auch Lebensmittelversorgung hatten also besonders die Menschen in Berlins Arbeitervierteln zu leiden.
Zu den unmittelbarsten Folgen des Streiks für den Berliner Alltag, gerade der Frauen, eine Aussage des Vorsitzenden des damals gegründeten Berliner Streikkomitees, Kurt Heinig:
„Wir waren froh, dass wir ihn abbrechen konnten. Uns stürmten nämlich die Arbeiterfrauen aus dem Norden und dem Osten die Bureaus ein, weil sie kein Wasser hatten – und kein Licht – und in den einzelnen Etagen der großen Mietskasernen die Scheiße die Treppen hinunterlief. Es war ein Glück, dass das Kapp nicht wusste, sonst hätte er gesiegt.“ (73)
Die Schlussfolgerung, die hier gezogen wurde, mag zwar (der Situation geschuldet) übertrieben sein, denn die wahren Gegenspieler Kapps, die Reichswehrführung, die ihm die entscheidende Unterstützung versagt hatte, ein Teil der hohen Beamten, die loyal zur rechtmäßigen Regierung standen und die unter sich uneinigen und sich selbst blockierenden Putschisten, berührte das Schicksal und die Lebensumstände der einfachen Bevölkerung, die durch den Generalstreik besonders betroffen war, nicht im Geringsten.
Aber in einem Punkt kann man Heinig beipflichten: Wären die geschilderten Auswirkungen des Streiks den maßgeblichen Propagandisten des Kapp-Putsches, z.B. Ludendorff, bekannt gewesen, hätten diese womöglich entsprechende Aufrufe und Flugblätter gegen die Streikleitung in Umlauf bringen können – die psychologischen Auswirkungen hätten fatal sein können. Die Arbeiter wären dann noch früher und tiefer gespalten worden als es später ohnehin geschah.
Somit ist zumindest für Berlin als Regierungssitz und Mittelpunkt des politischen Geschehens im Deutschen Reich die eindeutige Bewertung vom Erfolg des Generalstreiks für das Scheitern des Kapp-Putsches am 17. März 1920 zweifelhaft: Eine wesentliche Bedingung für das Resultat stellen die bis dahin eingesetzten Wirkungen nicht wirklich dar. Teilweise wird sogar angezweifelt, „ob der Streik den Putschisten überhaupt besonders lästig war“. (74)
Dies mag sich mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgetagen anders entwickelt haben, wäre Kapp (oder v. Lüttwitz) länger aktiv gewesen. Doch hätte sich dann auch die gesamte Situation in Berlin vollständig anders entwickeln können, sprich in Richtung Militärdiktatur – dann hätten es auch die Streikführer in der Hauptstadt mit ganz anderen Auswirkungen zu tun gehabt.
Ebenfalls eine andere Sicht der Dinge ist außerhalb Berlins angebracht, da besonders in den Industriezentren in Mittel- und Norddeutschland und besonders im Ruhrgebiet die Streikbereitschaft und damit verbunden auch die Streikfolgen deutlich ausgeprägter waren. Allerdings unter Voraussetzungen, die weder die SPD noch die großen Gewerkschaften kontrollieren konnten.
Zu den von den Sozialdemokraten ebenfalls nicht erwarteten Nebenwirkungen zählte auch, dass sich große Teile der Arbeiterschaft dem linksradikalen Milieu zuwenden würden und sogar den Maßnahmen der Gewerkschaften nicht mehr Folge leisten sollten:
„So breitete sich der zu einer linken Aufstandsbewegung gegen Ebert und Bauer umgepolte Generalstreik rasch aus, während Kapps abenteuerliches Unternehmen in Berlin zusammenbrach. Es scheiterte an der revolutionären Impotenz der Putschisten, an der schlechten Vorbereitung und an dem krassen Missverhältnis zwischen der militärischen Stärke der Freikorps und der politischen Ohnmacht Kapps.“ (75)
Wie ist aber der Generalstreik ab dem Zeitpunkt zu werten, als ihn die Gewerkschaftsführung beenden wollte und auch die verantwortlichen Politiker, insbesondere der Mehrheits-SPD so schnell wie möglich wieder zur „Normalität“ zurückkehren wollten, aber die radikale Linke einfach nicht mehr zu bändigen war?
Welche Auswirkungen hatte insbesondere der Ruhrstreik ab Ende März 1920 auf die Streikbewegung insgesamt und die dann als Gegenwirkung einsetzende offizielle Politik der Regierung, die ursprünglich den Streik initiiert hatte, im Besonderen?
Unter formalen Gesichtspunkten hat es sich beim Ruhrstreik im Wesentlichen, besonders nach Beendigung des offiziellen Streiks durch die anerkannten Gewerkschaftsführer, um wilde Streikaktionen gehandelt. Der politische, nicht mehr gewerkschaftliche Streik rückte besonders ab dem 24. März 1920 immer mehr in den Mittelpunkt, da es vor allem den Kommunisten um die Errichtung einer eigenen Machtgrundlage in der Weimarer Republik bzw. um strukturelle Veränderungen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich zu ihren Gunsten ging – nicht unbedingt zum Wohl der Bevölkerung oder des staatlichen Ganzen.
Die besonders im Ruhrgebiet bei den Straßenkämpfen u.a. in Erscheinung getretene „Rote Ruhrarmee“, deren Stärke auf bis zu 50.000 Mann (76) geschätzt wird, war zum Synonym für bestimmte linksradikale Vorstellungen einer Rätepolitik und zugleich Projektionsfläche für bisher unerfüllt gebliebene Erwartungen vieler einfacher Arbeiter geworden.
Hinsichtlich der politischen Konzeption kann zusammengefasst werden, dass im Frühjahr 1920 Teile der (vormaligen) Spartakisten und Kommunisten, aber auch sog. Syndikalisten etwas nachzuholen versuchten, um das sie sich im Zuge der „Novemberrevolution“ 1918 betrogen fühlten: eine Arbeiterrepublik.
Diese Ideologie stand daher in krassem Gegensatz zu der seit Jahren praktizierten Politik der Anpassung durch die Mehrheits-SPD, so wie es Ebert und Scheidemann vorgaben, um mit den bürgerlichen Parteien koalieren zu können (im Prinzip seit Gründung des „Interfraktionellen Ausschusses“ Sommer 1917 im alten Reichstag) und als Konsequenz des Ergebnisses der Wahl zur Nationalversammlung im Januar 1919.
Mit den radikalen Forderungen der Aktivisten im Ruhrkampf wurde aber auch gerade dieses Ergebnis der ersten demokratischen Wahl in Deutschland ignoriert: Die Mehrheit der Wähler und Wählerinnen hatten einer rein sozialistischen Mehrheit offensichtlich kein Vertrauen geschenkt.
Diese nachträgliche Missachtung des Wählerwillens durch die linksradikalen Streikführer im Ruhrgebiet stellt ein typisches Merkmal totalitärer Ideologien und speziell kommunistischer Gewaltherrschaft dar; Lenin und seine Mitstreiter hatten bekanntlich die Duma im Januar 1918 einfach aufgelöst, nachdem die zuvor stattgefundene Wahl den Bolschewisten keine Mehrheit eingebracht hatte.
Bezogen auf die sozialen Erwartungen vieler Arbeitnehmer nach Kriegsende kann man jedoch bestimmte Forderungen, die im Frühjahr 1920 von politischen Kräften links von der SPD erhoben, genauer gesagt, nachdrücklich wiederholt wurden, durchaus nachvollziehen:
Der 8-Stunden-Regelarbeitstag stand in vielen Branchen nur auf dem Papier. Das Betriebsrätegesetz, das eigentlich ein Kernstück der WRV im Abschnitt „Wirtschaftsleben“ darstellen sollte (Art. 165), blieb hinter den ursprünglich hochgesteckten Erwartungen zurück.
Die Themen „Lohngerechtigkeit“ und „Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz“ waren jenseits der Vorstellungswelt der meisten Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft der Weimarer Republik.
Wenn daher in der Literatur die Ansicht vertreten wird, im Frühjahr 1920 seien die Bedingungen für einen Generalstreik geradezu optimal gewesen (77) (Argument: Vollbeschäftigung), greift diese Sicht doch zu kurz und übersieht tieferliegende strukturelle Probleme:
Als zum Jahresende 1918 Millionen abgemusterter Soldaten zurück nach Deutschland kamen, stand mit einem Schlag ein Riesenreservoir an Arbeitskräften zur Verfügung. Als sich in der Folgezeit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen langsam zu bessern begannen, wurden die nun nicht mehr für die Produktion oder einfache Verwaltungstätigkeiten benötigten weiblichen Arbeitskräfte abgebaut. Und selbst wenn dadurch viele Männer Arbeit fanden, wie sah es denn mit der Geldwertstabilität, sprich Inflation aus?
Nicht erst im Herbst 1923 war die Mark nichts wert!
Und außerdem waren durch die Reparationsbestimmungen im VV bestimmte Mechanismen der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Lohnpolitik.
Daher hätte die „soziale Frage“ durchaus Anlass für reguläre Arbeitskampfmaßnahmen geben können, auch nachdem der Generalstreik von der Gewerkschaftsleitung beendet wurde – und zwar im Zusammenhang mit der Zusage der Regierung, den Kern des von den Gewerkschaften am 18. März vorgelegten sog. „Neunpunkteprogramms“ (78) erfüllen zu wollen. Doch war dies in weiten Teilen des Ruhrgebiets mit der Bildung sog. „Vollzugsräte“, die klare politische Machtvorstellungen jenseits der üblichen Tarifpolitik hatten, gar nicht mehr möglich.
Das Resultat waren bürgerkriegsähnliche Zustände und vor allem Gewaltexzesse: Im Ruhrgebiet gab es verstärkt ab Ende März Verbrechen auf Seiten der „Roten Ruhrarmee“ und in noch furchtbarerem Ausmaß auf Seiten der Freikorps-, Polizei- und Reichswehrverbände, von denen insbesondere noch Anfang April 1920 unter dem geltenden Ausnahmezustand das Standrecht inflationär angewendet wurde.
Die zuvor noch als „Baltikum-Landsknechte“ und Abenteurer geschmähten Freikorps wurden nun ganz schnell wieder in den Dienst der (sozialdemokratisch-bürgerlichen) Regierung gestellt, die wenige Tage zuvor noch vehement bekämpft wurde: eine höchst absurde Situation! Die Freikorps selbst ließen sich nicht lange bitten und erledigten die Aufgaben, für die sie ursprünglich rekrutiert worden waren: Kampf gegen Aufrührer und Gegner der Weimarer Republik (was die Mehrzahl der Freikorpssoldaten ja ebenfalls blieben).
Tiefergehende Analysen und Folgebetrachtungen im Zusammenhang mit dem Ruhrkrieg 1920 können hier nicht erfolgen; lediglich eine kurze Notiz zur Opferzahl: mit Sicherheit weit über 1000 allein auf Seiten der streikenden Ruhrarbeiter. (79)
Nach dem endgültigen Abbruch sämtlicher Streikaktionen war die Kluft innerhalb der politisch organisierten Arbeiterschaft in der Weimarer Republik auf jeden Fall nicht geringer als vor dem Kapp-Putsch; zu einer wirklichen Annäherung der zerstrittenen Richtungen sollte es bis zur Machtergreifung Hitlers nicht mehr kommen.
Nur ganz am Rande sei den Verfechtern der These vom großen Erfolg des Generalstreiks im März 1920 die Frage nahegelegt, weshalb die deutsche Arbeiterbewegung 1933 weitgehend kampflos unterging?
Fokussiert man sich bei dem Thema „Auswirkungen/Konsequenzen“ nicht bloß auf den Generalstreik oder auf die Hauptstadt und die Industriezentren in Norddeutschland bzw. im Ruhrgebiet, sondern betrachtet auch die Situation im Südwesten und in Bayern, erhält man ebenfalls interessante Einsichten.
Reichspräsident Ebert und Kanzler Bauer waren ja schließlich nach Stuttgart ausgewichen, nachdem sie sich in Dresden nicht ausreichend der Loyalität General Maerckers versichern konnten.
Zwar war der Südwesten Deutschlands traditionell die Heimat des politischen Liberalismus, doch die badische und schwäbische Solidarität mit der rechtmäßigen Regierung hatte nicht unbedingt etwas mit einer ausgeprägten Liebe zum Kabinett von Reichskanzler Bauer zu tun, sondern war eher von Argwohn und Ablehnung gegenüber des sattsam bekannten Militarismus preußisch-wilhelminischer Ausrichtung geprägt, dessen Restauration man von den Kapp-Putschisten befürchtete: Baden und Württemberg wollten nicht unter die Fuchtel Berlins.
Hinsichtlich der Streikaktionen gab es dort aufgrund der meist ländlich-bäuerlichen Prägung sowieso wenig Agitationsspielraum für linksradikale Umtriebe. Und Bayern?
Dieser seit alters her besondere Volksstamm hatte noch weniger Lust, sich von preußischen Junkern und Militärs bestimmen zu lassen – was seit November 1918 für alle großen Parteien Bayerns galt.
Lässt man die (doch relativ kleine) USPD Bayerns außer Betracht, die außer Kurt Eisner nichts in die politische Waagschale zu werfen hatte, gab es selbst unter den Mehrheits-Sozialisten Stimmen, die die Monarchie nicht rundweg ablehnten. Hierzu ein aufschlussreicher Bericht des Vertreters der württembergischen Gesandtschaft in München, Botschafter v. Filseck, zu den Märzereignissen in der bayerischen Hauptstadt und der Einschätzung von Ministerpräsident Hoffmann vom 13. März 1920, der allerdings schon am 16. März nicht mehr im Amt sein sollte:
„Über die Rückwirkung des Berliner Putsches auf die hiesigen Vorgänge könne man noch gar nichts sagen…
Es komme dabei alles auf die Haltung der Reichswehr an. (…) Der weitere Verlauf der Dinge müsse zeigen, ob es der bisherigen Reichsregierung gelinge, sich an einem andern Ort … zu sammeln und zu konstituieren, aber auch hierbei komme es auf die Zuverlässigkeit der dortigen Reichswehrtruppen an, wie denn überhaupt die Haltung der Reichswehr in ganz Deutschland für den Ausgang des wahnsinnigen Unternehmens in Berlin ausschlaggebend sein werde.
Er sei weit davon entfernt, Versuche zur Wiedereinführung der Monarchie als Verbrechen zu bezeichnen, denn er achte auch die gegnerischen Anschauungen, aber das vorliegende Unternehmen sei ein Verbrechen am deutschen Volke, weil es der Monarchie keinen Nutzen bringen könne und weil es die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland vollends gänzlich ruinieren müsse.“ (80)
Botschafter v. Filseck konnte seiner württembergischen Regierung auch etwas zum Generalstreik mitteilen:
„Es war gelungen, die Arbeiter in München und Nürnberg zu bewegen, von einem Generalstreik abzusehen, als General Möhl unter der Ankündigung, dass er sonst für die Truppen nicht garantieren könne, vom Ministerrat die Übertragung der Funktionen eines Staatskommissars auf das Militär verlangte. (…)
Man hofft nun sehr, dass die Mehrheits-Sozialdemokraten sich bereits finden lassen, bei einem neuen Koalitionsministerium mitzuwirken. Innerhalb der Partei sind die Ansichten darüber sehr geteilt. Hoffmann soll sehr dagegen arbeiten, da er die Partei lieber in der Opposition sehen möchte“. So die Situation am 15. März 1920 in Bayern und in der schon sehr wackeligen Regierung Hoffmann. (81)
Auf die gesamten politischen und auch staatsrechtlichen Aus- und Folgewirkungen des Kapp-Putsches auf Bayern kann hier leider nicht eingegangen werden. Als Stichworte müssen genügen: Absetzung der alten Staatsregierung unter Hoffmann (SPD); dubios anmutende Übernahme der Regierungsgewalt durch Ritter von Kahr und besonders die Errichtung der „Ordnungszelle Bayern“ als die künftige „Spielwiese“ für Ludendorff, Ehrhardt und dann ab 1922 immer stärker für Adolf Hitler, inklusive eines neuen Putschversuches und der endgültigen Etablierung der „Braunen Bewegung“ als die deutsche Ausprägung des Faschismus.
Zur Situation in Preußen nach dem Kapp-Putsch (82) ist folgendes zu erwähnen:
Wenn ein Ereignis wie der Kapp-Putsch in der Hauptstadt des größten Landesteils des Deutschen Reiches stattfindet, können die dortigen Auswirkungen nicht unerwähnt bleiben.
Bis 1920 war Preußen, dessen Territorium in den frühen Entwürfen bzw. Vorüberlegungen zur WRV aufgeteilt werden sollte, um die befürchtete Dominanz eines derart riesigen Einzelstaates im künftigen Gesamtstaat zu vermeiden, eher ein vernachlässigter Faktor, mehr Mauerblümchen denn mächtiger Stamm oder gar Bollwerk, wie später gerne bezeichnet.
So datiert die preußische Landesverfassung auch erst vom 30. November 1920, wodurch die staatsrechtliche Entwicklung deutlich hinter der der anderen Gliedstaaten herhinkte (greift man die von H. Plessner verwendete Formulierung von der „verspäteten Nation“ auf, wäre Preußen im Hinblick auf die Verabschiedung einer neuen Verfassung als besonders spät einzustufen). Jedoch erfolgten als Konsequenz des Kapp-Putsches auch in Preußen Ende März 1920 Kabinettsumbildungen, durch die schließlich Otto Braun (SPD) Ministerpräsident wurde – von kurzen Unterbrechungen abgesehen bis Juli 1932.
Dies ist besonders deshalb von Bedeutung, da in diesen zwölf Jahren große Koalitionen bzw. die Parteien der sog. Weimarer Koalition die Landesregierung bildeten: mit durchaus stabilem Fundament – ganz im Gegensatz zu den meisten der unzähligen Reichsregierungen zur gleichen Zeit.
„Obwohl es paradox klingt: das im Grunde preußische gegenrevolutionäre Unternehmen Kapps und Lüttwitz‘ legte wider Willen die Grundlage für die stabile demokratische Entwicklung in Preußen.“ (83)
So blieben auch die allermeisten Mitglieder der damaligen preußischen Landesregierung während des Kapp-Putsches demonstrativ in Berlin – im Gegensatz zu den Kollegen von der Reichsregierung – und riskierten sogar Hausarrest, um vor Ort persönlich Einfluss auf die politische Entwicklung in Berlin nehmen zu können.
Kapps Einfluss erstreckte sich währenddessen hauptsächlich auf den preußischen Osten, die westlichen Provinzen hielten grundsätzlich der alten Regierung während der Tage des Staatsstreiches die Treue. Die Zusammenarbeit zwischen Provinzbehörden und den Putschisten vollzog sich am reibungslosesten in Kapps Heimatprovinz Ostpreußen.
Nachdem der Kapp-Putsch erledigt war und wieder reguläre Verhältnisse einkehrten, konnte man durchaus von einem speziellen „Preußenbewusstsein“ bei den Anhängern der Republik sprechen, das allerdings gegen Ende der 1920er Jahre auch autoritäre Züge annehmen konnte (so bei Fragen des Demonstrationsrechts, wie am 1. Mai 1929; siehe „Babylon Berlin“).
Dabei gelang es Braun mit dem neuen Innenminister Severing zunächst mit Erfolg, etliche der konservativen Unterstützer von Kapp unter den Ober- und Regierungspräsidenten, Landräten und Polizeipräsidenten abzusetzen und mit Hilfe von republiktreuen Beamten die bis dahin weitgehend unterbliebene Demokratisierung in der Verwaltung anzugehen.
Die durchaus festzustellende Konsolidierung Preußens ab 1920 fand mit dem 20. Juli 1932 ein jähes Ende. Der entmachtete Ministerpräsident Braun fand für diesen als „Preußenschlag“ in die Weimarer Geschichte eingegangenen (ganz eigenartigen) Staatsstreich die Worte, dass damit die Mission des neuen Preußens, die Demokratie in Deutschland zu sichern und zu vertiefen, gescheitert sei. (84)
Im Gegensatz zum Kapp-Putsch im März 1920 waren weder die SPD noch die Gewerkschaften im Juli 1932 in der Lage, einen Generalstreik gegen das verfassungswidrige Vorgehen des damals amtierenden Reichskanzlers v. Papen auszurufen, geschweige denn zu organisieren. Ein halbes Jahr später war dann die ganze Republik an die Wand gefahren.
VII) Weitere Konsequenzen aus dem Kapp-Putsch
Insgesamt soll der Kapp-Putsch mehr als 3000 Tote und Kosten von über einer Milliarde Reichsmark verursacht haben. (85)
„Die letzte Auswirkung des unüberlegten Generalstreikaufrufs bestand darin, dass als Antwort auf den Einsatz von Truppen gegen die Aufständischen auch im entmilitarisierten Gebiet östlich des Rheins französische Verbände das Rhein-Main-Gebiet besetzten.“ (86)
Diese Besetzung durch französische Truppen erfolgte als Vergeltung dafür, dass die Reichswehr entgegen des VV mit bewaffneten Einheiten gegen die aufständischen Arbeiter im Ruhrgebiet vorgegangen war; es gab Stimmen, die das Verhalten Frankreichs nach dem Putsch als unverhohlene Feindseligkeit betrachteten. (87)
Als am 6. und 7. April 1920 die ersten französischen Soldaten in Frankfurt am Main einmarschierten, sollen sich dort bereits kurze Zeit später die ersten Männer zusammengetan haben, die die nächsten zwei, knapp drei Jahre als Angehörige der berüchtigten Organisation Consul, die überwiegend aus ehemaligen Angehörigen der Brigade Ehrhardt bestand und von diesem von München aus gesteuert oder zumindest unterstützt wurde, Deutschland mit ihren Mordanschlägen in Angst und Schrecken versetzten. (88)
Weiterhin ist kurz auf die Konsequenzen des Staatsstreichs für die Putschisten, vor allem die strafrechtliche Seite des Kapp-Putsches einzugehen, also wie die deutsche Justiz die Beteiligten, soweit sie ihrer überhaupt habhaft werden konnte, abgeurteilt hat:
Beim Kapp-Putsch hat es sich eindeutig um ein arbeitsteiliges Unternehmen gehandelt, dessen strafrechtliche, aber auch politische Verantwortlichkeit auf alle maßgeblichen Beteiligte verteilt werden muss. (89)
Kapp und v. Lüttwitz suchten nach dem endgültigen Scheitern der Revolte ihr Heil in der Flucht (ins Ausland); Erhardt dagegen wollte verhindern, dass seine Männer im Chaos, das sich nun Bahn zu brechen drohte, aufgerieben wurden und sich weiterhin für den Kampf gegen den Kommunismus bereithalten.
„Dies traf sich mit der Ansicht des Generals von Seeckt, der nun für den Schutz Berlins verantwortlich war. Er ließ Ehrhardt zu sich kommen und nahm ihn in seine Dienste. Die Parole »Kampf gegen den Bolschewismus« verschleierte die Tatsache, dass Ehrhardt nun praktisch wieder im Dienste der verfassungsmäßigen Regierung stand, die er durch seine Brigade hatte stürzen wollen — eine ungeheuerliche Tatsache, die von den Beteiligten anscheinend gar nicht als solche wahrgenommen wurde. Die Haltung Seeckts ist hier ebenso zwielichtig wie zur Zeit des Einmarsches der Brigade.“ (90)
Man kann im Hinblick auf die Person Ehrhardts ernüchtert festhalten, dass er – zwar steckbrieflich gesucht und in den „Untergrund“ der damals unruhigen Münchner Szene gedrängt – bis zu seinem Lebensende 1971 nicht zur Verantwortung gezogen wurde: zunächst sogar unter gütiger Mithilfe hoher Militärs und einflussreicher Helfer bei der Münchner Polizei. Anzumerken bleibt, dass Ehrhardt sich bereits 1923 tiefgreifend mit Adolf Hitler überworfen hatte und auch deshalb beim sog. Röhm-Putsch auf Hitlers Todesliste stand und Anfang Juli 1934 erst in allerletzter Sekunde vor den auf ihn angesetzten Gestapo-Männern fliehen konnte.
Nach dem Scheitern des Putsches stellte sich Traugott von Jagow als einziger führender Putschist unmittelbar den Behörden und rechnete zeitweise damit, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt zu werden. Er war empört über die peinliche Vertuschung vieler Militärs, was ihre Verstrickung in den Putsch betraf, und verwahrte sich gegen die einseitige Verfolgung der zivilen Mittäter, während die Militärs versuchten, ungeschoren zu bleiben.
Trotz seiner führenden Teilnahme am Kapp-Putsch berücksichtigte das Gericht bei ihm jedoch mildernde Umstände und verurteilte ihn am 21. Dezember 1921 nicht wegen Hochverrats, sondern nur wegen Beihilfe zum Hochverrat zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft. Das Urteil stellte zwar fest, dass § 81 Abs. I Nr. 2 StGB (Hochverrat) die jeweils gültige Verfassung des Deutschen Reichs und damit auch die neue Weimarer Verfassung schützen solle (was unter damaligen Juristen strittig war). Aber andererseits hieß es: „Bei der Strafzumessung sind dem Angeklagten von Jagow, der unter dem Bann selbstloser Vaterlandsliebe und eines verführerischen Augenblicks dem Ruf von Kapp gefolgt sei, mildernde Umstände zugebilligt worden.“ Ende 1924 wurde er begnadigt und vorzeitig aus der Haft entlassen. Nach der Haftentlassung klagte v. Jagow vor dem Reichsgericht erfolgreich rückwirkend seine Pension ein, selbst für die Zeit seiner hochverräterischen Betätigung. Gewisse Parallelen zur Verurteilung und Inhaftierung Hitlers 1924 sind unverkennbar.
Wolfgang Kapp, der noch am 17. März 1920 erst nach Ostpreußen, dann weiter nach Schweden floh, entschloss sich im April 1922, nachdem im Prozess gegen v. Jagow der Eindruck entstanden war, der Putsch habe im Sinne von Lüttwitz lediglich die Erfüllung der Verfassung erzwingen wollen, sich dem Reichsgericht zu stellen, um seine Sicht und Zielsetzung vor Gericht darzulegen. Nach einer anderen Darstellung sei er jedoch zuvor in Schweden verhaftet und dann nach Deutschland ausgeliefert worden.
Der genaue Ablauf kann dahingestellt bleiben, da er am 12. Juni 1922 wegen eines Krebsleidens in Leipzig noch in Untersuchungshaft verstarb, bevor eine Anklageerhebung erfolgen konnte. General v. Lüttwitz konnte ebenfalls fliehen und verbrachte einige Zeit in Ungarn und kehrte 1925 nach einer Amnestie ins Deutsche Reich zurück, wo er 1942 starb; auch er hatte sich erfolgreich seine Pension erstritten.
Mit v. Jagow wurden noch einige Nebenfiguren angeklagt, aber vor dem Reichsgericht freigesprochen; gegen Erich Ludendorff, den Strippenzieher und Mann im Dunkeln wurde noch nicht einmal ermittelt, geschweige denn Anklage erhoben.
Die offensichtliche Großzügigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Richter mit den wenigen Angeklagten, die wegen ihrer Beteiligung am Staatsstreich auch tatsächlich vor Gericht standen, lässt sich ebenfalls „doppeldeutig“ bewerten: Man kann dies als Ausdruck vom unpolitischen Charakter der Justiz sehen oder aber als Verschleierung für antirepublikanische Strömungen innerhalb großer Teile der Justiz selbst, so dass hinter dem Schlagwort von der „Unabhängigkeit der Justiz“ wiederum ein Nachweis für antidemokratisches Denken in Weimar (Kurt Sontheimer) erbracht wäre; die politischen Prozesse in den 1920er Jahren sind voll von Widersprüchen und Ungleichbehandlungen (nicht nur beim Hitler-Ludendorff-Prozess 1924).
Einer der größten Kritiker der politischen Justiz in der Weimarer Republik, Emil Julius Gumbel, zog folgendes Fazit:
„Das Reichsgericht nimmt nur neun Führer an. Welche Heroen der Tatkraft müssen sie gewesen sein, um allein fast ein ganzes Reich acht Tage lang zu beherrschen! Von 775 beteiligten Offizieren ist keiner bestraft worden. Sie waren alle keine Führer, nur Mitläufer.“ (91)
„Interessant ist übrigens, dass eine gelegentlich des Kapp- Putsches herausgegebene Verordnung des Reichspräsidenten Ebert vom 19. März 1920 »zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung«, welche außerordentliche Kriegsgerichte einsetzte, sich nicht gegen Kapp und seine Anhänger richtete, sondern gegen die bei der Niederwerfung des Kapp-Putsches entstandenen kleineren Unruhen von Links. Obwohl der Kapp-Putsch eine viel größere Ausdehnung besessen hatte, wurde gegen ihn nicht mit Hilfe der Sondergerichtsbarkeit eingeschritten.“ (92)
Auch wenn ein Teil dieser Behauptungen einigermaßen unglaubwürdig erscheint, stellen sie doch einen Beleg für die These von der Parteilichkeit der Justiz während der Weimarer Republik dar. Gumbel war zwar mit dem späteren Reichsjustizminister Gustav Radbruch befreundet, aber trotzdem konnten seine Nachweise und Belege zu den Morden Anfang der 1920er Jahre keinen Eingang in die Regierungspolitik finden.
Eine der rein politischen Forderungen, die besonders v. Lüttwitz in den Vordergrund stellte, war die Wahl zum ersten (offiziellen) Reichstag, der nach Abschluss der Verfassungsberatungen die im Januar 1919 gewählte Nationalversammlung ablösen sollte (die auch in der WRV vorgesehene und durch v. Lüttwitz geforderte Direktwahl des Reichspräsidenten wurde aber immer noch nicht erfüllt; erst nach dem Tode Eberts im Frühjahr 1925).
Der Tag dieser ersten Reichstagswahl, der 6. Juni 1920, ist eines der schwärzesten Daten in der Geschichte der Weimarer Republik. „Nach den Ereignissen der vergangenen Monate war das Wahlergebnis vorherzusehen: »Die Bewegung geht im Allgemeinen über Ermüdung und Enttäuschung nach rechts«, hatte ein liberaler Leitartikler prophezeit – aber die Katastrophe, die eintrat, übertraf die Befürchtungen. Der große Verlierer war die Sozialdemokratische Partei; hatte sie im Januar 1919 noch fast 38 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, so nunmehr nur noch 21 Prozent. (…) Das hieß: die Weimarer Koalition, die in der Nationalversammlung eine bequeme Zweidrittel-Mehrheit besessen hatte, war plötzlich unter die einfache Mehrheit abgesunken und verfügte im neuen Reichstag nur mehr über 43 Prozent der Mandate. Die Gewinner waren die Flügelparteien, die nicht nur der Regierungskoalition, sondern auch der neuen Verfassungsordnung den Kampf angesagt hatten“. (93)
Es sollte bis 1928 dauern, dass wieder eine Reichsregierung über eine eigene Mehrheit im Parlament verfügte. Auf die Verfassungsentwicklung ab 1930 wurde oben bereits kurz hingewiesen.
Das Problem dauernder Regierungsumbildungen begann also nach dem Kapp-Putsch; noch bevor die extremistischen Auswüchse des Generalstreiks (s.o. im Ruhrgebiet) beendet werden konnten, hat es in der Berliner Regierungskoalition und auch im Reichswehrkommando personelle Konsequenzen und Veränderungen gegeben. In der Reichswehrführung wurde mit Walther Reinhardt der einzig hohe General, der die Bauer-Regierung aktiv stützen wollte, abberufen (gleichsam degradiert) und durch v. Seeckt, der eine mehr als ambivalente Rolle gespielt hat (und danach noch mehr spielen sollte) ersetzt, der doch den Politikern in der Nacht zum 13. März klargemacht hatte, dass er im Zweifel immer vorrangig fürs Militär denn für die Verfassung eintreten würde. Hierzu am Ende mehr.
Da Noske, der sich selbst als Sündenbock für Fehler anderer betrachtete, nicht nur als Reichswehrminister desavouiert war, wurde er insgesamt aus dem Kabinett des neuen Reichskanzlers Müller herausgehalten und als neuer Reichswehrminister der bisherige Wiederaufbauminister Otto Geßler von den Demokraten berufen. Seine Ernennung zum Reichswehrminister erfolgte auf Eberts Drängen, obwohl Geßler nach eigenem Bekunden eigentlich nur „Vernunftrepublikaner“ gewesen sei. (94)
Dies zeigt (erneut), wie dünn die Personaldecke der demokratischen Kräfte zu Beginn der Weimarer Republik gewesen ist und dass das bis November 1918 vorherrschende Parteiensystem ungeeignet zur Kompromissfindung war, da sich im alten Reichstag meist nur politische Interessen-, aber keine Volksvertreter befanden.
Zu den vielen Problemen der Reichsregierung im März 1920 kam somit Ende des Monats noch die Umbildung innerhalb der Regierungskoalition hinzu.
Die SPD z.B. hat ab der Kabinettsumbildung Ende März 1920 bis zum Ende der Weimarer Republik nie mehr das Amt des Reichswehrministers übernehmen wollen, so unattraktiv und unpopulär war es für sie geworden. Eine Folge der durch den Kapp-Putsch unmöglich gewordenen Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Mehrheits-SPD und der Reichswehr: Viele hohe Militärs haben zwar den Kapp-Putsch, von dessen Vorbereitung eine große Zahl zumindest ungefähr und auch frühzeitig wussten, nicht direkt unterstützt oder gar gefördert, aber dennoch die Regierung im Stich gelassen, was unmittelbar auf den Sozialdemokraten Noske zurückfallen musste, da dies seine Autorität bei der Truppe, aber noch mehr innerhalb seiner Partei massiv untergraben hatte.
In den Tagen des Kapp-Putsches zerbrach die bis dahin zumindest informelle staatspolitische Akzessorietät zwischen der Reichsregierung und der Armee und damit auch der „Ebert-Groener-Pakt“ (unabhängig von dessen Datierung und Inhalt bzw. Umfang). Die entstandenen Risse konnten nicht mehr gekittet werden.
Vertritt man die Ansicht, dass schon das Ergebnis der Juniwahlen 1920 gleichsam den Beginn der einsetzenden Auflösungserscheinungen der neuen Staats- und Regierungsform (nämlich „Republik“ und „parlamentarische Demokratie“) darstellte, kann man den nur wenige Wochen zuvor gescheiterten Kapp-Putsch im Prinzip als eine Art „Ouvertüre“ für diese politische Entwicklung betrachten und bewerten.
Der zumindest schleichende innenpolitische Auflösungsprozess zeigte sich bei der Wahl zum ersten offiziellen Reichstag zum einen darin, dass die Wahlbeteiligung signifikant gesunken war, die Wähler also schon bei der zweiten allgemeinen und gleichen Parlamentswahl in der deutschen Geschichte teilweise resignierten und ins Lager der Nichtwähler schwenkten. Zum anderen verloren die insgesamt drei Parteien der politischen Linken resp. der Arbeiterbewegung insgesamt über zwei Millionen Stimmen im direkten Vergleich zur Wahl vom Januar 1919 – also binnen weniger als 18 Monaten.
Die Gründe der Wählerwanderungen im Einzelnen nachvollziehen zu wollen, sprengte den Rahmen dieses Beitrags endgültig; dennoch ist eine Auswirkung offensichtlich: Die Parteien, die sich seit 1919 eine Art Totalopposition gegen die Weimarer Republik verordnet hatten (KPD und vor allem die DNVP am rechten bzw. linken Rand des politischen Spektrums) wurden gestärkt.
Die Parteien der Weimarer Koalition wurden vom Wähler dagegen abgestraft und mussten seitdem über viele Jahre mit der völlig unbefriedigenden Situation sog. Minderheitsregierungen auskommen, um überhaupt eine staatsrechtlich legitime Regierung stellen zu können.
Auch wenn im Juni 1920 der Begriff als solcher noch nicht geprägt worden war, so handelte es sich um eine typische Protestwahl. Der Kapp-Putsch einschließlich der Ruhrrevolte wenige Wochen zuvor erscheint in der Nachschau wie ein tonnenschwerer Mühlstein, der die weitere Entwicklung ab Frühjahr 1920 beeinflusste und auch mitprägte. Die innenpolitischen Fliehkräfte nach den Juniwahlen 1920 sollten (bis auf kurze Ausnahmen) dafür sorgen, dass eine echte und nachhaltige Stabilisierung der politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik misslang.
VIII) Fazit
Sofern sich Ende 1919, Anfang 1920 die Menschen in Deutschland die Frage stellten, was ihnen das zurückliegende Jahr voller Umbruch und Gewalt gebracht hatte, fielen die Antworten zwiespältig aus:
„Auch die Ende 1919 allumfassend spürbare Enttäuschung über den Verlauf der Revolution wird dann zu einer gleichsam eigenständigen historischen Kategorie. Sie erscheint weniger als Folge von falschen Entscheidungen oder Fehlern der Akteure denn als Ergebnis einer widersprüchlichen und unbeherrschbaren Komplexität.“ (95)
Hierzu zählt ebenfalls die Erkenntnis:
„So sind die Vorgänge im März 1920 in gewisser Hinsicht nicht als das Ende der deutschen Revolution zu sehen, sondern als ein neues und verschärftes Ausbrechen von Problemen, die 1919 bewältigt schienen, als die Nationalversammlung ihr Werk tat.“ (96)
Versucht man die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch unabhängig aller politischer Bewertungen oder Deutungsvarianten mit einem Begriff zusammenzufassen, bietet sich „Desillusionierung“ an.
Die Reichsregierung und mit ihr alle halbwegs demokratischen Kräfte in Deutschland wurden angesichts des Verhaltens der militärischen Führung vor, während und nach dem Staatsstreich endgültig der Vorstellung beraubt, mit der Reichswehr ein Instrument zur Stützung der neuen Staatsordnung zu besitzen.
Aber auch das Verhalten zahlreicher politischer Beamter hatte erhebliche Zweifel an ihrer Loyalität der Republik gegenüber geweckt.
„Der Putsch vom 13. März 1920 hatte zwei Hauptursachen. Erstens führten die Bedingungen des Friedens-vertrages, die innenpolitischen Unruhen, (…) sowie das sich ständig verschlechternde Verhältnis zwischen Reichswehr und der Republik in politisierten Teilen der Truppe vom Sommer 1919 ab zu Überlegungen, den Wiederaufstieg Deutschlands durch eine gewaltsame Umbildung der Regierung in Richtung auf eine Diktatur hin herbeizuführen. Diese Kräfte gruppierten sich um den General v. Lüttwitz. Zweitens begann im gleichen Zeitraum eine sich ständig verschärfende Propagandawelle der Rechtsopposition gegen das regierende »System«.“ (97)
Hierzu zählen Kapp, Ludendorff, ihre Nationale Vereinigung und Reaktionäre bis weit in die DNVP.
Aber auch innerhalb der Reichswehr führten der Staatsstreich und die ihn stützenden Freikorps zu einer erheblichen Desillusionierung: Die militärische Führung musste erkennen, dass es renitente Generäle wie von Lüttwitz gab, die ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu kontrollieren waren; dies galt für die beteiligten Freikorps und ihre Anführer in noch weitaus stärkerem Maße. Aus dieser eher unerwarteten Erkenntnis folgte dann nach der Berufung v. Seeckts zum neuen starken Mann der Heeresleitung, dass dieser seine ganze Energie dafür einsetzte, die neue Armee innenpolitisch abzuschotten (Staat im Staate), um sie gegen unkontrollierbare politische Affekte zu immunisieren, was nach dem 30. Januar 1933 sukzessive zu einem willfährigen Instrument für die Eroberungsgelüste des „böhmischen Gefreiten“ führen sollte.
Die Gewerkschaften mussten einsehen, dass sie ihre berechtigten Ansprüche auf Mitgestaltung der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik bzw. der neuen politischen Ordnung insgesamt nicht mit Hilfe radikaler Maßnahmen durchsetzen bzw. in kurzer Zeit nicht das nachholen konnten, was eineinhalb Jahre lang nicht oder nur schleppend umgesetzt worden war.
Für die Parteien der politisch organisierten Arbeiterschaft ergaben sich zunächst sehr unterschiedliche Konsequenzen: Für die Mehrheits-SPD auf Reichsebene oder auch in Bayern war es nicht bloße Desillusionierung, sondern sogar eher schon einer Schockstarre; besonders nach den Wahlen vom 6. Juni 1920.
Die USPD konnte sich zwar auf dem Papier als Wahlsiegerin betrachten (obwohl dies tatsächlich die Parteien rechts der Mitte waren), hatte aber auf die danach folgende Politik der ab Mitte 1920 bürgerlich geprägten Reichsregierungen keinerlei Einfluss. Dies gilt natürlich erst Recht für die KPD, die nach Einstellung des blutigen Ruhrkampfes faktisch mit zwei Problemen zu kämpfen hatte: den Folgen des misslungenen Generalstreiks (die allermeisten der getöteten Arbeiter waren ja Kommunisten) und den immer stärker werdenden Vorbehalten der russischen Bolschewiki, die an den revolutionären Fähigkeiten ihrer deutschen Genossen zu zweifeln begannen. Und der Generalstreik selbst?
Von den Gewaltexzessen besonders im Ruhrgebiet ganz abgesehen, nachdem die wieder nach Berlin zurückgekehrte legale Reichsregierung dort den bewaffneten Kampf gegen die radikale Linke aufgenommen hatte, bleibt die grundsätzliche Frage nach der Gewichtung des Generalstreiks für das Scheitern des Kapp-Putsches auch heute noch letztlich jedem Betrachter selbst überlassen. Wer knapp hundert Jahre nach den Geschehnissen immer noch meint, die These vom erfolgreichen Generalstreik vertreten zu können, sollte aber die Gegenposition nicht unterdrücken.
Da sich kürzlich die Ereignisse vom November 1918 zum einhundertsten Mal gejährt haben, lässt sich der gesamte damalige Zeitraum prägnant zusammenfassen:
Ein absurder Krieg, der ursprünglich nur knapp über vier Monate (bis Weihnachten 1914) dauern sollte, dann aber mehr als vier Jahre die beteiligten Völker quälte, mündete in einer „paradoxen“ Revolution, obwohl die wichtigsten politischen Protagonisten während der Ereignisse im November 1918 „die Revolution“ eigentlich verabscheuten, und diese hat dann knapp eineinhalb Jahre später fast zwangsläufig eine linkische Gegenrevolution von „rechts“ heraufbeschworen, die zwar bereits nach knapp 100 Stunden aus eigener Schwäche in sich zusammenbrach, aber doch eine neue Spirale der Gewalt entfachte, an deren Ende Tausende von Opfern standen – es gab daher keine Gewinner, sondern auf allen entscheidenden Ebenen nur Verlierer.
IX) Zur Vertiefung
Neben der bisherigen Darstellung der wichtigsten Ereignisse sollen nachfolgend zumindest noch zwei besondere Aspekte vertieft werden: Die Eigenarten der Reichswehr ab Frühjahr 1920 und die spezielle Bedeutung des Verfassungsrechts in der Weimarer Republik.
Beides steht wenigstens mittelbar in einem inneren, gleichsam strukturellen Zusammenhang zum Kapp-Putsch – auch wenn dies nicht auf den ersten Blick auffallen mag.
1) Zur Reichswehr
Der neue starke Mann in der Reichswehr, General v. Seeckt, der trotz der oben dargestellten ambivalenten Rolle während des Staatsstreiches in dieses höchste Amt befördert worden war, hatte ganz eigene Vorstellungen von der Bedeutung einer Armee als Machtfaktor und welche Rolle die zwar gehörig abgespeckte, aber auf seine Linie getrimmte Reichswehr im politischen Gefüge Weimars spielen sollte.
Er galt als »Sphinx mit dem Monokel« (Hagen Schulze), sein Verhalten Mitte März 1920 wurde als »ironisch – neutrale Stellung« (Golo Mann) charakterisiert: im Prinzip eine besonders zynische Variante des Machiavellismus (auch in einem weiteren Zusammenhang mit dem „modernen“ Nationalismus betrachtet).
Auf v. Seeckt geht die Charakterisierung der Reichswehr als „Staat im Staate“ zurück – aber selbst unter den preußischen Königen im Absolutismus war die Armee stärker im Staatsaufbau verankert!
Die von der neuen Reichswehrführung gewollte „Einigelung“ der Armee in ein festgefügtes System von Befehl und Gehorsam förderte eine rein positivistische Grundhaltung der Soldaten, die sich Hitlers Generäle im Zweiten Weltkrieg zunutze machen konnten: Nicht ohne Grund hatten die Richter der Nürnberger Prozesse ab Ende 1945 von den angeklagten Armeeangehörigen bis hin zum ehemaligen Oberkommando der Wehrmacht als wichtigste Einlassung die Floskel „Befehl ist Befehl“ zu hören bekommen; gemeint war damit eine Art von Befehlsnotstand bzw. „Verbotsirrtum“, um die Verbrechen der Wehrmacht zu relativieren.
Hans v. Seeckt hatte seit Dezember 1918 eine genaue Vorstellung von einer deutschen Armee für die Zeit nach Auflösung bzw. Untergang der Monarchie (s. Ausführungen zu „Babylon Berlin“).
Als er ab Ende März 1920 in der Funktion war, diese Vorstellungen umzusetzen, erfolgte der Neuaufbau der Reichswehr – ganz unabhängig von der Politik der jeweiligen Reichsregierung oder den Vorgaben der Siegermächte im VV – ohne Verzögerung; insbesondere dem Ziel, das Offizierskorps wieder in der ursprünglichen Homogenität (wie vor Ausbruch des Weltkriegs) auszurichten, ordnete er alles andere unter: auch und insbesondere die gegenteiligen Hoffnungen und Vorstellungen seitens der Freikorps.
Hierbei ist folgender Hintergrund zu beachten: Nicht nur der unerbittlichen Macht des Schicksals, sondern ganz besonders auch der Unfähigkeit der ersten Obersten Heeresleitung unter dem jüngeren v. Moltke war es zu verdanken, dass nach dem katastrophalen Scheitern der deutschen Angriffe an der Westfront Anfang September 1914 (Marneschlacht) die Armee ungefähr die Hälfte ihrer Offiziere verloren hatte (98); die Ostfront war ja Dank der „Helden von Tannenberg“ siegreich geblieben. Ein Aderlass, der von den für den Offiziersnachwuchs zuständigen Kadettenanstalten unmöglich kompensiert werden konnte. Daher mussten insbesondere im Heer, dessen Offizierskorps seit Generationen ein Produkt sozialer Auswahl und Abgrenzung zugunsten des Adels gewesen war (im Gegensatz zur erheblich jüngeren Marine, wo Bürgerliche früher und schneller Karriere machen konnten), deutlich gewandelte Kriterien für die Ernennung der benötigten Offiziere Platz greifen. Der Typus des Frontoffiziers folgte der bis dahin dank ihrer Geburt vorherrschenden Schicht des Gardeoffiziers – wenn man so will eine spezielle Form der Proletarisierung.
Die Totalisierung der Kriegsführung ab etwa 1916 hatte dann auch zur Folge, dass immer mehr dieser Frontoffiziere zum Einsatz kamen; nach der Niederlage hatte sich daher das soziale Gefüge unter den Offizieren spürbar gewandelt. Hier setzten die „alten“ Offiziersschichten an, um eine Umgestaltung im Sinne der früheren Homogenität zu realisieren. General v. Seeckt schien dafür genau der richtige Mann.
Verlierer dieser rückwärtsgewandten Wiedererrichtung des (preußischen) Offizierskorps waren genau die Leutnants und Oberleutnants, die als erste zu den Freikorps geströmt waren, um dem Aufruf der neuen Regierung unter Ebert und Scheidemann zu folgen, die vor allem im Osten bedrohte Heimat zu verteidigen.
Exkurs: Freikorps zu Beginn der Weimarer Republik
Um den ganzen Aspekt auch insoweit abzurunden, soll noch kurz auf die Rolle der Freikorps im Allgemeinen eingegangen werden, da es beileibe nicht nur die Brigade Ehrhardt (ursprünglich die 2. Marinebrigade Wilhelmshaven) gegeben hat.
In der Zeit ab Januar 1919 soll es zwischen 68 und maximal 144 zum Teil völlig unterschiedliche Einzeltruppen gegeben haben, mit bis zu knapp 250.000 Mann. (99)
Auch wenn hierbei einiges im Unklaren liegt, „existierte die Idee einer Freikorps-Alternative bereits vor dem 9. November 1918.“ (100)
Ursprünglich hatte sogar Friedrich Ebert die Idee zur Bildung einer „Freiwilligen Volkswehr“ im Rat der Volksbeauftragten eingebracht, und zwar sollte diese direkt der gesetzlichen Exekutive, nicht der (alten) OHL unterstellt sein. Eberts Initiative scheiterte kläglich. (101)
Dagegen vertrat Groener, der zu diesem Zeitpunkt sogar noch Generalstabschef war, gegenüber der Regierung des Rates der Volksbeauftragten im Dezember 1918 das Konzept einer Freiwilligenarmee als einzige Alternative zur in Auflösung und Abwicklung befindlichen bisherigen Armee. Der wesentliche Unterschied zur Ebertschen Idee war natürlich die direkte Befehlsgewalt der bisherigen Generalität, also die Eingliederung unter die Oberste Heeresleitung.
Noch vor Jahresende 1918 wurden die ersten Freikorps aufgestellt, die ab Januar 1919 immer zahlreicher wurden. „Die Soldaten gelobten Treue der Regierung des »Reichskanzlers« Ebert und Gehorsam im Rahmen der vorrevolutionären Kriegsgesetze.“ (102)
Wichtig ist insoweit: Die politische Verantwortung für die „Zeitfreiwilligen“ lag beim Volksbeauftragten und späteren Reichswehrminister Noske, Löhnung (Besoldung) erfolgte wie bei den noch vorhandenen regulären Truppenverbänden alle vom Staat; gleiches gilt für die militärische Ausstattung. Militärischer Vorrang lag bei der (alten) Militärführung, neben der OHL auch beim preußischen Kriegsminister (bis Anfang Januar 1919 General Scheüch, danach bis zur Auflösung im September 1919 General Reinhardt).
Zunächst war als vorrangiger Verwendungszweck den Freikorps der Schutz der neuen Verfassungsorgane „Nationalversammlung“, „Reichsregierung“ und „Reichspräsident“ (103) am provisorischen Sitz in Weimar zugedacht worden.
Dies war auch bis ins Frühjahr 1919 sowohl die offizielle Lesart wie auch das überwiegende Selbstverständnis der meisten Freikorpsangehörigen, die zunächst aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus stammten.
Daher war es in der Anfangszeit der Freikorps nicht ungewöhnlich, dass auch viele Arbeiter (sogar solche, die zur USPD tendierten) dem Aufruf zu den Freiwilligen Folge leisteten.
Erst im Laufe des Frühjahrs beschlich zumindest einen Teil der Freikorps das Gefühl, einer Sache zu dienen, die eigentlich nicht ihre Sache war. Natürlich sind z.B. die am Einmarsch in München Ende April 1919, um dort die ungeliebte Herrschaft der „Räterepublik“ zu beenden, beteiligten Freikorps mit Begeisterung auf die verhassten Kommunisten losgegangen, was zu zusätzlichen Massakern und weiterem Blutvergießen führte.
Dennoch stellten sich viele Freiwilligen, vor allem die sich aus einem bestimmten politischen Antrieb (die Anhänger der Monarchie) zu den Freikorps gemeldet hatten, die Frage, ob sie sich der neuen politischen Ordnung, die im Frühjahr 1919 entstand, ein- oder gar unterordnen sollten (ebenfalls eine Desillusionierung).
Daher gingen viele dieser enttäuschten Männer zu den nun im Osten eingesetzten Freikorpsverbänden, die besonders im Baltikum kämpften (wodurch eine spezielle Mentalität entstand, die verkürzt als „Söldner ohne Sold“ charakterisiert wurde).
Eine Aufgabe, die ja sogar anfänglich von den Siegermächten, insbesondere von den Briten, gefordert und unterstützt worden war, die endlich im wahren nationalen Interesse zu liegen und auch echten Ruhm und Ehre zu versprechen schien (so dachten viele dieser letztlich entwurzelten Frontsoldaten). Die Unterstützung aus Berlin bzw. London hielt zumindest solange an, als diese Freikorps nützlich im Kampf gegen die 1919 immer weiter westwärts drängende Rote Armee erschienen. Als aber die Mehrzahl der „Baltikumer“ immer unkontrollierbarer wurden, so dass diese weder bei der dortigen Bevölkerung noch bei den Briten länger wohlgelitten waren und sich auch politisch ins Abseits stellten, wurde ihnen jede materielle und politische Unterstützung entzogen; nach blutigen Rückzugsgefechten im Spätherbst 1919 blieb den nun auch bei der eigenen Regierung unbeliebten „Baltikumern“ letztlich nur der Abbruch ihrer militärischen Aktionen und die unfreiwillige Rückkehr nach Deutschland Ende 1919. Ein weiteres Beispiel für Desillusionierung, denn in Deutschland wussten weder die politische noch die militärische Führung, was sie mit diesen Männern kurzfristig anfangen sollten (außer, dass die Mehrzahl wegen der Abrüstungsbestimmungen im VV aus der Armee ausscheiden musste). Solange wurde ein großer Teil der zum Jahreswechsel 1919/1920 noch vorhandenen Freikorps in Militärlagern untergebracht, so auch die Brigade Ehrhardt in Döberitz bei Berlin.
„Noske und Groener gingen von der Illusion einer nur temporären, jederzeit unproblematisch zu beendenden Rolle der Freikorps aus; hierin lag der Verzicht auf staatliche Kontrolle der Verbände begründet, obwohl sich sehr bald die Anzeichen einer äußerst ambivalenten Beziehung zur neuen Ordnung häuften: Die Freikorps verteidigten nicht den republikanischen Staat, sondern »säuberten« Deutschland von den »Novemberverbrechern«. Der Treueid auf Ebert blieb ein formaler Akt, ohne praktische Wirkung“. (104)
Über die genaue Zahl der Freikorpsangehörigen gibt es wohl keine exakten Angaben (bis zu 250.000 Mann, s.o.) und die Übergänge zu regulären Armeeeinheiten waren fließend. Die Soldaten der Freikorps waren zwar „nur“ auf Zeit verpflichtet, erhielten aber oft höhere Löhnung als die reguläre Truppe und standen, je nach Anführer, meist unter strengerer Disziplin, wodurch ihr Kampf- bzw. Einsatzwert relativ hoch gewesen ist, und sie waren unzweideutig der Befehlshierarchie der militärischen Kommandogewalt untergeordnet. (105)
Zivile Verwaltungsbehörden hatten keinen Einfluss, viele Politiker – nicht nur im linken Parteienspektrum – hatten sich trotz erheblicher Vorbehalte mit deren Existenz notgedrungen abgefunden.
Genauso unzweideutig ist aber auch, dass bei etlichen Freikorps der Hang zu Eigenmächtigkeiten ab einem bestimmten Zeitpunkt unübersehbar war (so besonders bei den „Baltikumern“).
Daher ist es kein Wunder, dass die Siegermächte besonders auf der Auflösung dieser „Soldaten ohne Befehl“ bestanden und dabei auch auf Eile drängten, womit dann entsprechende Kettenreaktionen ausgelöst wurden.
Ein gesondertes Problem stellt die Abgrenzung zwischen Freikorps und „regulärer“ Truppe dar. Dies soll aus Anlass des hundertsten Jahrestages der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht anhand der sog. Garde-Kavallerie-Schützen-Division gezeigt werden: Die Einheit, aus deren Mitte die Mörder der beiden KPD-Führer Mitte Januar 1919 stammten.
Befehlshabender Kommandeur bzw. „Stabschef“ war Waldemar Pabst, eine der Schlüsselfiguren der damaligen rechtslastigen Militärs und Republikgegner. Unter seiner Leitung erlitt die Division bei den Dezemberunruhen 1918 in Berlin gegen offen linke Einheiten der „Volksmarine“ eine blamable, schmerzliche Niederlage, die zu einem Rechtsruck bei den Mehrheits-Sozialdemokraten führte (und nahezu zeitgleich zum Ausscheiden der USPD aus dem Rat der Volksbeauftragten). Da es für die Division und ihren Kommandeur Pabst persönlich galt, diese Schmach auszuwetzen, fand ab Anfang Januar 1919 eine weitere Radikalisierung statt, die vom zwischenzeitlich zum neuen Volksbeauftragten fürs Militär ernannten Gustav Noske zumindest stillschweigend gebilligt wurde. In Wahrheit hatte Noske als Dienstherr bereits zu diesem Zeitpunkt kaum noch Einflussmöglichkeiten auf Pabst. (106)
Wie ist nun diese Garde-Kavallerie-Schützen-Division grundsätzlich zu beurteilen? Hierüber sind die Ansichten auch hundert Jahre später erstaunlich uneinheitlich. In der älteren Literatur wird im Regelfall pauschal von einem Freikorps gesprochen. (107) Selbst in den Standardwerken zur Weimarer Republik wird nicht sonderlich differenziert, es heißt Liebknecht und Luxemburg seien Opfer der Freikorps, gemeint ist aber die Division, geworden. (108)
Selbst in der neuesten Literatur wird pauschal behauptet, die Division sei nach dem Waffenstillstand zu einem Freikorps umgebildet worden. (109)
Interessanterweise geht ein irischer Historiker, Mark Jones, hier ins Detail: Die unmittelbar an der Ermordung der beiden KPD-Führer beteiligten Offiziere (insbesondere die Brüder Pflugk-Harttung) waren zwar in die Division eingegliedert, bildeten aber als eine „Geheimtruppe“ eine Eliteeinheit der Reichswehr, das sog. „Marine-Eskadron-Pflugk“. Dieses wäre zumindest kein typisches Freikorps gewesen, da es nur für verdeckte Aktionen geplant und bei dem o.g. Doppelmord entsprechend eingesetzt wurde. (110)
Auch wenn heute nach über hundert Jahren die Frage nach der militärischen Zugehörigkeit der Mörder von Luxemburg und Liebknecht lediglich akademischer Natur zu sein scheint, waren seinerzeit die genauen Umstände dieser Verbrechen von größtem Interesse – nicht nur für den im Frühjahr 1919 eher halbherzig durchgeführten Strafprozess gegen einige Handlanger, sondern auch für die Mitstreiter und Angehörigen der beiden Ermordeten. Darüber hinaus warfen diese Ereignisse ein bezeichnendes Bild auf die extrem angespannte innenpolitische Situation im Deutschen Reich kurz nach der Niederlage im Krieg und dem politischen Umsturz.
Zumindest für die unmittelbar an dem Doppelmord Beteiligten kann festgehalten werden, dass tatsächlich ausschließlich Hauptmann Pabst bei dieser Sondereinheit die Regie führte (unabhängig, wieweit die Rückendeckung aus der Reichskanzlei reichte) und auch in der Division hatte Pabst, obwohl er nur Hauptmann war, den größten Einfluss, konterrevolutionäre Bestrebungen zu verfolgen. Nicht zufällig übernahm er auch in der bereits erwähnten Nationalen Vereinigung die Organisation und es war im Übrigen Pabst, der bereits im Juli 1919 losschlagen, genauer gesagt nach Berlin marschieren wollte. (111)
Mit diesen Hinweisen soll der Exkurs zum Wesen der Freikorps in den Jahren 1919 und 1920 enden.
In den Wochen und Monaten nach den „Tagen der Torheit und der Not“ verloren die Freikorps, insbesondere die II. Marinebrigade als eine der wesentlichen militärischen Verbände des Kapp-Putsches, allmählich immer mehr an Bedeutung. Nach und nach – wenn auch oft unter schwierigen Bedingungen – wurden diese speziellen Truppen offiziell aufgelöst; was nicht heißt, dass die organisatorischen und vor allem personellen Ressourcen einfach wegfielen bzw. ungenutzt blieben, denn hier ist der Ausgangspunkt für die relativ zeitnah entstehende „schwarze Reichswehr“ zu finden. Besonders viele ehemalige Freikorpsangehörige fanden sich nach Auflösung ihrer Einheiten in sog. „Arbeitskommandos“ wieder, als spezielle Reservetruppen für geheime Militäreinsätze, siehe „Babylon Berlin“. (112)
Aber es fällt auf, dass viele der meist sehr jungen Offiziere in der sich neu formierenden Reichswehr, sofern sie überhaupt übernommen wurden, wenig Aufstiegschancen hatten: Der vom neuen Chef der Heeresleitung geförderte Geist des alten Offizierskorps führte zu einer besonderen sozialen Auslese.
Es verwundert daher kaum, dass viele der „Baltikum-Landsknechte“ ab 1921 in der neu formierten „Sturmabteilung“ des damals langsam, aber sicher in Erscheinung tretenden Adolf Hitler ihre Zukunft sahen; ursprünglich sogar von einem „Ehrhardt-Mann“ organisiert und paramilitärisch trainiert.
Als ab Frühjahr 1933 die Rivalitäten zwischen der Reichswehr und den führenden SA-Männern um Ernst Röhm, die sich selbst weiterhin als „revolutionär“ betrachteten, immer stärker wurden, kam es zu einem regelrechten Dualismus in militärpolitischer Hinsicht; diesen Machtkampf gewann letztlich die Reichswehr.
Die SA mit ihrer Landesknechtsmentalität verlor immer mehr an Bedeutung; nach dem sog. Röhm-Putsch konnte stattdessen die sehr viel exklusivere „Schutzstaffel“ Heinrich Himmlers an deren Stelle treten, ohne mit der regulären Armee (die Reichswehr wurde später in Wehrmacht umbenannt) zu konkurrieren.
Auch nach dem Ausscheiden v. Seeckts aus der Heeresleitung blieb die Armee „Staat im Staate“; nur behutsam gelang es Hitler, den in der hohen Generalität vorherrschenden Geist ab Mitte der 1930er Jahre zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Mit seinen „außenpolitischen Erfolgen“ 1938 waren auch die Angehörigen im Generalstab, die noch zur alten Schule gehörten, von Hitlers Führungsanspruch im Militär überzeugt.
Die hohen Offiziere, die Hitler noch vor 1933 in ihren Kreisen allenfalls als merkwürdig aussehenden Sonderling geduldet hatten, wurden danach ebenfalls zu willigen Werkzeugen.
Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass die Verbrechen, die ab dem 30. Januar 1933 und verstärkt nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im Allgemeinen und im Hinblick auf den Holocaust im Besonderen begangen wurden, alle nur der Schuld eines Mannes entsprungen seien. Diese Form der Exkulpation führt im Regelfall zur Verdrängung, zumindest zu Gleichgültigkeit.
Hier gilt es, das notwendige Problembewusstsein zu schärfen oder gar erst zu wecken: Auch wenn die historische Figur Adolf Hitlers und die mit seinem Namen verbundenen Gräuel singulär in der Weltgeschichte sind, taugt er doch nicht als Projektionsfläche für individuelle Schuld und Verstrickung der Masse von Tätern.
Als Resümee zur Stellung der Wehrmacht nach dem Kapp-Putsch ist festzuhalten:
„Die Reichswehr war im politischen System der Weimarer Republik ein nicht zu eliminierender Faktor; ihn ohne zureichende Bindung zu den parlamentarisch integrierten Kräften der Republik zu lassen, bedeutete eine latente Funktionsgefährdung der Demokratie.“ (113)
Zumindest diese Charakterisierung trifft auf die heutige Bundeswehr nicht mehr zu; weitere Anmerkungen zu den Unterschieden zwischen der Reichswehr zur Zeit der Weimarer Republik und der Bundeswehr (im Sinne einer Parlamentsarmee unter dem Grundgesetz) müssen aus Platzgründen leider unterbleiben.
2) Zum Richtungsstreit in der Weimarer Staatsrechtslehre
Wenn es eine unbestreitbare Deutung der Ereignisse um den Kapp-Putsch gibt, dann die der Schwäche der damaligen staatlichen Ordnung. Um Haaresbreite wäre es einem abgehalfterten General und einem Trupp von Landsknechten gelungen, nicht nur die Republik als Staatsform, sondern auch die Staatlichkeit Deutschlands insgesamt aufzuheben. Ein Grund hierfür lag in der bereits angedeuteten Indifferenz vieler Beamter und Militärs gegenüber der jungen und daher instabilen Demokratie.
„Für die preußische Beamtenschaft wie für die führenden Militärs war die rechtliche Kontinuität ausschlaggebend, nicht die persönliche politische Sympathie“. (114)
Auf juristischem Gebiet lag diese besondere Art von „Wertneutralität“ im rechtswissenschaftlichen Positivismus Ende des 19. Jahrhunderts begründet, dessen Bedeutung bis weit ins 20. Jahrhundert reichen sollte (im deutschen Staatsrecht zur Zeit der Jahrhundertwende sind insoweit besonders die Professoren Jellinek und Laband zu nennen).
Die paradoxe Revolution vom November 1918 war in Deutschland bis zu Beginn der 1920er Jahre weder in der Rechtswissenschaft oder in der politischen Philosophie noch in der empirischen Betrachtung des jungen Fachbereichs der Soziologie aufgearbeitet worden. In den Staatswissenschaften fehlte jeder ideengeschichtliche Ansatz, der gesamten Bevölkerung die neue verfassungsrechtliche Situation zu erklären und auch der Bezug zur bisherigen Rechtskultur Deutschlands unterblieb weitestgehend: Die WRV war zwar technisch solide ausgearbeitet worden, wenn man die Kürze der Zeit bedenkt, und hatte trotz der später erhobenen Vorwürfe, sie sei – gerade in Ansehung des teils übermäßig oft genutzten Notverordnungsrechts nach Artikel 48 – am Untergang der Demokratie mitursächlich, genug Potential als verfassungsrechtliches Bindeglied für die gesamte Gesellschaft zu funktionieren, wenn die Gesamtumstände weniger bedrohlich bzw. extrem gewesen wären. Doch fehlte bereits zu Beginn der Verfassungsberatungen ein gemeinsamer Grundkonsens, welche verfassungsrechtlichen Maxime die Nachkriegsordnung des Deutschen Reichs maßgeblich prägen sollten.
Hugo Preuß, von Friedrich Ebert bereits früh nach dem Sturz der Monarchie mit der Ausarbeitung der Verfassung beauftragt, ahnte die Schwierigkeiten, die auf ihn zukommen sollten, so dass er ursprünglich nur ein überschaubares Staatsorganisationsrecht entwerfen wollte. Die dann ab Ende Januar 1919 in der Nationalversammlung erfolgte Aufblähung gerade im späteren Grundrechtsteil sah Preuß mit Sorge, da er wusste, dass vielen Bestimmungen, die auch in der endgültigen Fassung der WRV Platz fanden, eine systematische und materielle Fundierung fehlte. Statt einer stringenten Werteordnung gleichen weite Teile der WRV eher einem Sammelsurium verschiedener parteipolitischer Parolen.
Wenn Wolfgang Kapp für seinen Staatsstreich ein angebliches „Recht des 9. November“ 1918 als Legitimationsgrundlage beanspruchen zu können glaubte, hängt auch dies mit der letztlich diffusen Rechts- und Verfassungslage nach dem Rücktritt des letzten kaiserlichen Reichskanzlers, Prinz Max v. Baden, zusammen. Welche Auswirkungen hatte dieser Schritt auf das alte Verfassungssystem und welche Konsequenzen sollte der (neue) Verfassungsgeber – in den Worten Friedrich Eberts: die „Konstituante“ – ziehen?
Die erst nach den krisenhaften Erscheinungen, zu denen ganz besonders der Kapp-Putsch gezählt werden muss, einsetzende Methodendiskussion unter den Staatsrechtslehrern war somit überfällig und blieb nicht ohne langfristige Auswirkungen; der sog. Richtungs- oder Methodenstreit in der Weimarer Staatsrechtslehre wird nicht nur in der juristischen Fachliteratur behandelt. (115)
Hauptsächlich geht es um Fragen bzw. Erörterungen „angesichts des Problems der Bestandssicherung des Staates“. (116)
Daher handelte es sich auch nicht nur um einen rein „akademischen“ Streit verschiedener Denkrichtungen oder Schulen, sondern letztlich ging es um die Frage nach der Legitimität der Weimarer Republik in ihrer Ausprägung als parlamentarische Demokratie. Genau gegen diese Staatsform richteten sich ja die Rechtsputschisten um Kapp, Ludendorff und später Adolf Hitler – doch auch die Anhänger eines Rätesystems nach sowjetrussischem Vorbild versuchten seit Ende 1918 den besonders von Friedrich Ebert eingeschlagenen Kurs hin zu einer Republik nach westlichem Muster (repräsentative Demokratie) abzubrechen und eine „Diktatur des Proletariats“ zu verwirklichen.
Bei dem sog. Methodenstreit werden in diesem Zusammenhang insbesondere zwei Fachvertreter genannt: Carl Schmitt und Rudolf Smend. (117)
Für Schmitt stand die Machtfrage im Mittelpunkt seines staatsphilosophischen Denkens, es zählte ausschließlich die Überlegenheit des Staates. Dies wurde für Schmitt bereits in seiner erstmals 1922 veröffentlichten Schrift „Politische Theologie“ zur Kernfrage, insbesondere die Definition der Souveränität. Schon der erste Satz in der Einleitung gab eine Richtschnur vor, die gleichsam als Lehre aus dem gescheiterten Kapp-Putsch gezogen werden konnte: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Mitte März 1920 war dies zumindest in Berlin mehr als fraglich, wer Träger der Staatsgewalt war. In weiteren Werken hat Schmitt seine Vorstellung vom „starken Staat“ dann immer weiter zugespitzt, bis er sich schließlich in seinem „konkreten Ordnungsdenken“ und der Verherrlichung der Figur eines starken Führers ganz auf der Propagandalinie der NS-Ideologie bewegte. Auch wenn die meisten Ausführungen von Schmitt, die nach Hitlers Machtergreifung publiziert wurden, heutzutage äußerst befremdlich wirken, galt er doch bereits Ende der 1920er Jahre als wissenschaftliches Sprachrohr der politischen Rechten und seine Schriften hatten großen Einfluss im akademischen Bereich. Die Krisenhaftigkeit, in der sich die Weimarer Republik nahezu permanent befand, führte bei Schmitt zu einer Orientierung am Ausnahmefall. Aus heutiger Sicht muss Schmitt als warnendes Negativbeispiel gelten, dessen „Freund-Feind-Denken“ im politischen Diskurs unweigerlich zu Ausgrenzung und Intoleranz führen musste.
Weitaus weniger „radikal“ waren die Thesen von Smend, dessen Überlegungen zum damaligen Verfassungsrecht als eine spezifisch geisteswissenschaftliche Methode bezeichnet wird – bis heute. Er entwarf angesichts der gemachten Erfahrungen zu Beginn der Weimarer Republik eine als „Integrationslehre“ bezeichnete Theorie, um die Lebenswirklichkeit in der Rechtsordnung des Staates zu erfassen. Insbesondere erlangte das von Smend entwickelte Verständnis der Grundrechte eine weitreichende Bedeutung, die sich bis weit nach 1945 entfalten sollte. Die vom Bundesverfassungsgericht bereits in seiner frühen Judikatur zur Bedeutung der Grundrechte als objektiver Werteordnung aufgestellten Grundsätze nehmen im Wesentlichen auf Smends Schriften Bezug; viele Juristen in Lehre und Praxis waren von ihm beeinflusst. Ohne seine Vorarbeiten aus den 1920er Jahren wäre der umfassende Grundrechtsschutz, wie er sich über viele Jahrzehnte und Richtergenerationen entwickelt hat, nicht so nahtlos in die Verfassungswirklichkeit des Grundgesetzes nach 1949 eingegangen.
Aber auch Gustav Radbruch (SPD) sollte in diesem Forum erwähnt werden, der zwar kein Staatsrechtslehrer, sondern Strafrechtsprofessor bzw. Rechtsphilosoph und 1921 bis 1923 zweimal (insgesamt für knapp über 15 Monate) Reichsjustizminister gewesen ist. Radbruch konnte aufgrund der Methodendiskussion in der Rechtswissenschaft der Weimarer Republik seine wesentlichen Positionen entwickeln. Ursprünglich als „Positivist“ gestartet, hat Radbruch durch die einschneidenden Erfahrungen in der NS-Diktatur die These vom gesetzlichen Unrecht und übergesetzlichen Recht aufgestellt, die als „Radbruchsche Formel“ in die (gesamt-)deutsche Rechtswissenschaft und Justiz eingegangen ist und sowohl im Verfassungsrecht, noch mehr im Strafrecht Maßstäbe gesetzt hat. So bis in die 1990er Jahre bei den Mauerschützenprozessen und zumindest als Fernwirkung für die seit etwa 2011 geänderte Praxis der Strafgerichte, nunmehr auch bloße Angehörige von Wachmannschaften oder Büromitarbeiter, die in Konzentrationslagern Dienst taten und nicht direkt an der Ermordung von KZ-Insassen beteiligt waren, wegen Beihilfe anzuklagen bzw. auch zu verurteilen, sofern die Angeklagten ob ihres hohen Alters überhaupt noch haftfähig sind oder den Haftantritt erleben.
Die drei genannten Juristen waren jedoch nicht die einzigen, die sich an den lebhaften und weitreichenden Methodendiskussionen in der Weimarer Republik beteiligt haben; um den Rahmen des hier behandelten Themas nicht zu sprengen, müssen diese kurzen Ausführungen aber genügen.
Mehr als zwei Generationen nach dem NS-Unrechtssystem können auch heute noch immer juristische Argumente und Auslegungsmethoden zur Anwendung kommen, die ihren Ursprung in den Diskussionen innerhalb der Rechtslehre während der Weimarer Republik hatten und wesentlich von den krisenhaften Ereignissen wie dem Kapp-Putsch angestoßen worden waren.
Autor: Thomas Fuchs, Assessor jur., Rechtshistoriker
Anmerkungen
1) Es gibt keine einheitliche Bezeichnung für den Putsch. In der Literatur wird meist vom „Kapp-Lüttwitz-Putsch“ gesprochen, seltener nur „Kapp-Putsch“, vereinzelt aber auch vom „Kapp-Lüttwitz-Ludendorff- Putsch“. Aus Gründen der Schreibersparnis wird hier durchgehend „Kapp-Putsch“ verwendet.
2) Natürlich kann ein Beitrag im Rahmen dieses Forums niemals die Fülle und Genauigkeit eines Handbuches o.ä. erreichen, daher möge der Leser bei Interesse die Anmerkungen und Literaturangaben nutzen, um einzelne Punkte zu vertiefen. Da inhaltlich umstrittene Fragen aufgeworfen werden, soll zur Methode nur kurz folgendes gesagt sein: Es wird keine konstruiert wirkende „moralisch-politische Pädagogik“ versucht, eher sollen verschiedene, gleichberechtigte Sichtweisen geboten werden; Bedeutungsvielfalt statt Moralkeule – Aufspüren objektiv vorhandener Alternativen, aber kein Verdikt im Sinne von „Entweder – Oder“. Derartige Perspektivverengungen erschweren nur das eigenständige Denken.
3) Sturm, S. 25.
4) Bis zur ersten offiziellen Wahl eines Reichstags (6. Juni 1920) galt die Bezeichnung „Nationalversammlung“, (Art. 180 WRV). Die verzögerte Ansetzung der ersten Reichstagswahl war ein Grund für die späteren Putschisten, der amtierenden Regierung Rechtsbruch vorzuwerfen; Einzelheiten siehe im Folgenden.
5) Büttner, S. 365.
6) Abgedruckt bei Huber, Dokumente, Nr. 195/196, S. 235 ff.
7) Im Überblick bei Jones, S. 254 ff.
8) Kissinger, S. 99.
9) Unter den angeforderten Personen befanden sich fast alle im Weltkrieg als Befehlshaber eingesetzten deutschen Fürsten, führende Truppenkommandeure und Marineoffiziere. Auch leitende Verwaltungsbeamte, darunter der frühere Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, sollten demnach ausgeliefert werden.
10) Winkler, S. 119.
11) Kellerhoff, S. 59 – Diese „Light-Version“ zum Kapp-Putsch dürfte sogar noch mehr beinhalten, als das, was im heutigen Fächerkanon für „Geschichte“ vorgegeben wird.
12) Siehe Ullrich, Kapp-Putsch: Marsch auf Berlin (Online-Fassung).
13) „Nationalismus“ verliert nichts an Aktualität und Brisanz. Siehe die jüngst von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene Ausgabe „Aus Politik und Zeitgeschichte“, Heft 48/2018 v. 26.11.18.
14) Abgedruckt bei Reichhardt, Titelseite.
15)Erdmann, S. 141.
16) Vgl. Hürten, S. 5.
17) Dito.
18) Besonders detailliert G. Krüger, Die Brigade Ehrhardt.
19) Zum vollständigen, hier nur auszugsweise zitierten Text s. Reichhardt, S. 7 f.; Lüttwitz wurde nicht nur der „freiwillige“ Abschied nahegelegt, dieser sollte auch noch mit einer Beförderung nebst höheren Bezügen „versüßt“ werden.
20) Erger, S. 108.
21) Dito.
22) Erger, S. 109.
23) Etwa 5000 – 6000 Mann.
24) Krüger, S. 48.
25) Krüger, S. 53.
26) Vgl. Noske, S. 209.
27) Krüger, S. 50.
28) Krüger, S. 50f.
29) Krüger, S. 51 f.; vergleiche hierzu auch Noske, S. 209.
30) Erger, S. 157.
31) So die bei Reichhardt abgedruckten Originale, S. 58, 95.
32) Erger, 159.
33) Erger, S. 89.
34) Könnemann, S. XXIII.
35) Erger, S. 41.
36) Brief an Oberst Bauer, s. Könnemann, S. 38 f.
37) Erger, S. 99.
38) Erger, S. 105.
39) Erger, S. 152.
40) Noske, S. 203
41) Hürten, S. 27.
42) Venner, S. 172. Allgemein zur Rolle Ehrhardts s. Beitrag „Politische Morde in der Weimarer Republik“.
43) Erger, S. 141.
44) Krüger, S. 55.
45) Krüger, S. 55; Könnemann, S. XXIII.
46) Könnemann, S. 136. Auszug aus einem Bericht eines Augen- u. Ohrenzeugen.
47) Dito.
48) Reichhardt, S. 14.
49) Krüger, S. 56.
50) Vgl. Reichhardt, S. 15.
51) Krüger, S. 55.
52) Dito.
53) Krüger, S. 57 und Reichhardt, S. 15.
54) Krüger, dito.
55) Vgl. Krüger, S. 57. Es ging um 3 Mio. Reichsmark.
56) Eine Auswahl: Könnemann, S. VII; Möller, S. 154; Reichhardt, S. 13; im Ergebnis auch Winkler, S. 125.
57) „Rechtspositivismus“ bezeichnet eine seit dem 19. Jhdt. vertretene juristisch-dogmatische Methode zur Begründung und Legitimation von Rechtsnormen (im Regelfall von Gesetzen: ius positivum); meist zur Abgrenzung des bis dahin vertretenen „Naturrecht“ (das im äußersten Fall auch metaphysische Inhalte hatte).
58) Krüger, S. 59.
59) Könnemann, S. XXIII f.
60) Reichhardt, S. 20f.
61) Noske, S. 210.
62) Dito.
63) Ullrich, a.a.O.
64) Sturm, S. 25.
65) Kluge, S. 196.
66) Siehe z.B. bei Reichhardt passim.
67) Reichhardt, S. 46.
68) So die Darstellung bei Krüger, S. 25.
69) Beispielsweise abgedruckt bei Huber, Dokumente, Nr. 205, S. 244.
70) Vgl. Winkler, S. 123.
71) Schulze, Freikorps, S. 268.
72) Erger, S. 203.
73) Zitiert nach Schulze, Weimar, S. 218.
74) Schulze dito.
75) Schulze, Weimar, S. 219.
76) Andere Schätzungen gehen sogar von 80. – 100.000 Mann aus, s. Schulze, Freikorps, S. 307 Fn. 10.
77) Winkler, 135.
78) Winkler, S. 127.
79) Winkler, 134.
80) Auszug aus dem Bericht v. 13.03.1920, abgedruckt in: Benz, S. 54.
81) Bericht v. Filsecks, in: Benz, S. 55.
82) Im Überblick siehe Orlow, S. 191 ff.
83) Orlow, S. 192.
84) Siehe die Darstellung bei Schoeps, S. 296.
85) Schulze, Weimar, S. 220.
86) Schulze, Weimar, S. 219f.
87) Vgl. Venner, S. 204.
88) Vgl. Venner, S. 294 ff.
89) Vgl. Könnemann, S. XXIV.
90) Krüger, S. 60.
91) Gumbel, S. 97 f.
92) Gumbel, S. 98.
93) Schulze, Weimar, S. 222.
94) Winkler, S. 129.
95) Wirsching, S. 7.
96) Hürten, S. 41.
97) Erger, S. 296.
98) Zu den Zahlen s. Venner, S. 226.
99) Kluge, S. 153; Erdmann, S. 45.
100) Kluge, S. 152.
101) Erdmann, S. 44.
102) Zum Ganzen: Kluge, S. 151 f.
103) S. Gesetz über die vorläufige Reichsgewalt (10.02.1919), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/vorl-reichsgewalt_ges.html.
104) Kluge, S. 154.
105) Erdmann, S. 45.
106) Zur Frage der Verstrickung Noskes in die Ermordung von Liebknecht u. Luxemburg kann hier nicht näher eingegangen werden. Eine Art Kumpanei hat es damals sicher gegeben, ob auch Intrigen, bleibt offen.
107) Vgl. Venner, S. 72.
108) Winkler, S. 59.
109) Platthaus, S. 138.
110) Jones, S. 216.
111) Erger S. 36.
112) Vgl. Schulze, Freikorps, S. 321.
113) Hürten, S. 37.
114) Schulze, Weimar, S. 219.
115) Im Überblick: Kröger, S. 151 ff.; Erdmann, S. 251 ff.
116) Koch, S. 100.
117) Koch, S. 95 ff., 318 – 398.
Literatur
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Koch, Hans-Joachim: Die juristische Methode im Staatsrecht. Über Grenzen von Verfassungs- und Gesetzesbindung, Frankfurt/M. 1977.
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Ullrich, Volker: Kapp-Putsch: Marsch auf Berlin. Zeit Online v. 11. März 2010,https://www.zeit.de/2010/11/Deutschland-Kapp-Putsch
Venner, Dominique: Söldner ohne Sold. Die deutschen Freikorps 1918 – 1923, Taschenbuch, Lizenzausgabe Bergisch Gladbach 1978.
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Wirsching, Andreas: Die paradoxe Revolution 1918/19 in: Aus Politik und Zeitgeschichte, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 50-51/2008, S. 6 – 12.