Obwohl sie nur sechs Filme für das NS-Regime drehte, gilt Leni Riefenstahl (1902 – 2003) als wichtigste und einflussreichste Regisseurin von nationalsozialistischen Propagandafilmen. Ihr wohl einflussreichstes Werk stellt „Triumph des Willens“, ein Film über den sechsten Reichsparteitag der NSDAP, der vom 4. bis 10. September 1934 in Nürnberg abgehalten wurde, dar. Der Film selbst bildet in 114 Minuten die vier entscheidenden Tage der Veranstaltung ab. Riefenstahl selbst sagte in einem Spiegel-Interview kurz vor ihrem Tod:
„Triumph des Willens ist ein Dokumentarfilm von einem Parteitag, mehr nicht. Das hat nichts zu tun mit Politik. Denn ich habe aufgenommen, was sich wirklich abgespielt hat und habe es insofern überhöht, als dass ich keinen Kommentar dazu gemacht habe. Ich habe versucht, die Atmosphäre, die da war, durch Bilder auszudrücken und nicht durch einen gesprochenen Kommentar. Und um das ohne Text verständlich zu machen, musste die Bildsprache sehr gut, sehr deutlich sein. Die Bilder mussten das sagen können, was man sonst spricht. Aber deswegen ist es doch keine Propaganda.“
Da drängt sich schon einmal die Frage auf, wie ein Dokumentarfilm über eine parteipolitische Veranstaltung nichts mit Politik zu tun haben könnte. Dass der Film auf eingesprochene Kommentare aus dem Off verzichtet, ist aber in der Tat auffällig. Dies bedeutet zwar einerseits, dass „Triumph des Willens“ scheinbar nur abbildet, anderseits macht genau das den Film umso problematischer. Alles Gezeigte und Gesagte steht ohne Einordnung oder Kritik im Raum, es existiert keinerlei Gegengewicht zur Abbildung einer Veranstaltung, die in sich selbst pure Propaganda ist. Hinzukommt, dass wenn aus über 60 Stunden Filmmaterial eine Essenz von 114 Minuten gegossen wurde, die Regisseurin und Cutterin Riefenstahl durch die bloße Auswahl des Materials, aber selbstverständlich auch durch die Art der Aufnahmen eine Wertung vornahm.
Da wären zum einen die Massenszenen. Schon bei der Ankunft Adolf Hitlers (1889 – 1945) mit dem Flugzeug – er kommt also wie von Gott gesandt durch die Wolken – stehen begeisterte Menschenmengen am Rand. Ebenso bei seiner Fahrt in der offenen Limousine zum Hotel. Begeistert jubeln die Menschen stets die Hand zum Hitlergruß erhoben. Das bildet schon einmal insofern nicht die Realität ab, weil suggeriert wird, dass praktisch ganz Nürnberg auf den Beinen war, um euphorisch den vom Himmel gesandten „Führer“ zu begrüßen. All jene, die dem Parteitag ablehnend, kritisch oder zumindest gleichgültig gegenüberstanden, bildet der Film nicht ab. Mit Hitlers Ankunft endet die Zusammenfassung des ersten Tages auch.
Nach Bildern von Nürnberg und Zeltlagern, die die Aufnahmen des zweiten Tages einleiten, wird die Ankunft der Parteispitze gezeigt. In der Luitpoldhalle eröffnet Rudolf Heß (1894 – 1987) vor einer jubelnden Menge den Reichsparteitag mit einer aufpeitschenden Rede, in der auch dem verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847 – 1934) gedacht wird. Danach folgt eine Montage verschiedener Redner, darunter Julius Streicher (1885 – 1946), Hans Frank (1900 – 1946) und Joseph Goebbels (1897 – 1945), die nach folgendem Muster aneinandergereiht werden: Nachname in Schreibschrift Weiß auf schwarzem Grund, dann der entsprechende Redeauszug, wobei auch die Redner vor einem schwarzen Hintergrund aufgenommen wurden. Dass der Film, obgleich der Farbfilm damals bereits erfunden war, in schwarz-weiß ist, kommt seiner Wirkung in solchen Momenten zugute, wenn sich die NS-Politiker hell strahlend wie ätherische Wesen von einem pechschwarzen Grund abheben.
Es folgen die erste große Massenkundgebung und die erste Rede Hitlers in der Luitpoldarena. Die Kundgebung des Reichsarbeitsdienstes, in der die Arbeiter stolz ausrufen, wo aus dem Reich sie herkommen, wurde 1997 von Paul Verhoeven (*1938) in der Science-Fiction-Satire „Starship Troopers“, die Militarismus und Faschismus der Lächerlichkeit preisgeben soll, parodiert. Die Szenerie baut sowohl im Gesagten als auch in ihrer Bildsprache eine Gleichsetzung des deutschen Arbeiters mit Soldaten im Dienste ihres Landes auf. Tag 2 endet mit einem Fackelmarsch der SA.
Der dritte Tag widmet sich zunächst einer von Reichsjugendführer Baldur von Schirach (1907 – 1974) eingeleiteten Rede Hitlers an die Hitlerjugend (HJ), in der Hitler den Jugendlichen erklärt, sie müssten „friedfertig und mutig zugleich“ sein, aber müssten sich auch „stählen“. Es ist ein ähnlicher Sprachduktus wie in dem wohl weit bekannteren Zitat Hitlers, er woll eine Jugend „flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“. Während er in dieser Rede ermutigend zur Jugend spricht, äußerte er sich im Vertrauten doch schon anders: „Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. […] Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus
ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. […] Ich will eine athletische Jugend. Das ist das Erste und Wichtigste. So merze ich die Tausende von Jahren der menschlichen Domestikation aus. So habe ich das reine, edle Material der Natur vor mir. So kann ich das Neue schaffen. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen
verderbe ich mir die Jugend.“
Der dritte Tag endet dann im Fackelschein, Hakenkreuzfahnen aneinandergereiht wie Speere in einer Schlachtformation, Hitler auf einem Podest und von unten gefilmt, er wirkt überlebensgroß wie ein Gott, der zu den Gläubigen vom Himmel herabgestiegen ist. Riefenstahl tat wirklich alles, um den Diktator wie den leibhaftigen Messias erscheinen zu lassen. Die Rede, die sich – wie für Hitler nicht unüblich – in teils unverständlichem Gegeifer verliert, proklamiert die Einheit von Staat und Partei. So verkündet Hitler: „Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staate. Nicht der Staat hat uns geschaffen, sondern wir schaffen uns unseren Staat. Nein, die Bewegung, sie lebt und sie steht felsenfest begründet.“ Im Weiteren bestätigt Hitler mit Worten, was die Bildsprache schon suggeriert hat: Er sieht sich als von Gott gesandt: „Und diesen Befehl gab uns kein irdischer Vorgesetzter, den gab uns der Gott, der unser Volk geschaffen hat.“
Der vierte Tag beginnt dann mit dem Massenaufmarsch von SA und SS, der fast die gesamte Luitpoldarena ausfüllt. Riefenstahl setzt die gigantischen Skulpturen des Reichsadlers und die turmhohen Standarten mit Hakenkreuzflagge hinter dem Rednerpult so in Szene, dass sie noch kolossaler wirken, als sie waren. Das Licht bricht zwischen den Flügeln des Adlers und dem Kranz mit Hakenkreuz hervor. Mit nur zwei ihn flankierenden Männern, Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900 – 1945) und SA-Stabschef Viktor Lutze (1890 – 1943), schreitet Hitler zwischen den Massen her, legt einen Gedenkkranz am Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges nieder und schreitet dann zur monumentalen Rednertribüne. Während der Rede, in der Hitler die SA von jeglicher Beteiligung an den fingierten Umsturzplänen Ernst Röhms (1887 – 1934) freispricht, zeigt die Kamera ihn meist von unten, um ihn überlebensgroß wirken zu lassen, fährt um die Tribüne herum oder fährt entlang der Standarten nach oben. Riefenstahl hatte hierzu einen senkrecht nach oben fahrenden Kameraaufzug zwischen den Fahnenstangen versteckt, der in den Aufnahmen von unten bei genauem Hinsehen im fertigen Film auch zu erkennen ist. Ein deutliches Indiz dafür, dass Riefenstahl eben nicht nur abbildete, was beim Parteitag passierte, sondern aktiv an der Gestaltung beteiligt war. Es sind eindrückliche Bilder, die seither immer wieder von anderen Filmen zitiert wurden, wenn auch, um bewusst negative Assoziationen zum NS-Regime zu erzeugen.
Auf die Großkundgebung folgt eine opulent inszenierte Militärparade in den Straßen Nürnbergs. Zunächst noch mit Hitler selbst in der Limousine, dann auf einem Podest, an dem die Truppen im Stechschritt vorbeimarschieren. Überall an den Straßen, an den Fenstern der Häuser und auf eigens errichteten Tribünen stehen jubelnde Massen, die den rechten Arm emporstrecken. Der Film schließt dann mit Hitlers Abschlussrede in der Luitpoldhalle, bei der er sogar anspricht, dass der Parteitag jenen, die ihm nicht persönlich beigewohnt hätten, als „imposantestes Schauspiel politischer Machtentfaltung“ erschienen sein möge. Die Rede und die Aufnahmen davon sind aber im Wesentlichen gewohnte Nazi-Manier: ein bisschen Opferrolle, eine Portion Selbstbeweihräucherung und Preisen der eigenen kompromisslosen Machtansprüche gepaart mit dem euphorischen Jubel der Anhänger im Saal. Zu guter Letzt dann noch einmal Rudolf Heß, der im Grunde eine frühere Aussage Hitler konterkariert und doch irgendwie untermauert: „Die Partei ist Hitler. Hitler aber ist Deutschland wie Deutschland Hitler ist! Hitler, Sieg Heil!“
Literatur
Martin Loiperdinger: Der Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl. Rituale der Mobilmachung. Leske + Budrich, Opladen 1987, ISBN 3-8100-0598-3 (Forschungstexte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 22).
Eva Waniek: Triumph des Willens. Zur Ästhetisierung des Politischen bei Leni Riefenstahl In: Krieg/War. Eine philosophische Auseinandersetzung aus feministischer Sicht. Fink 1997, S. 283–296.
Rainer Rother: Führerkult als Film „Triumph des Willens“. In: Gerd Biegel, Wulf Otte (Hrsg.): Ein Volk dankt seinem (Ver)führer. Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg 1933–1937. Vorträge zur Ausstellung. Braunschweigisches Landesmuseum, Braunschweig 2002, S. 109–116 (Veröffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums. 102.)
Jürgen Trimborn: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Aufbau-Verlag, Berlin 2002.
David Culbert: The New Goebbels Diary Entries (2006) and Leni Riefenstahl. In: Historical Journal of Film, Radio and Television. Volume 27. 2007. Issue 4, S. 549–559.
Nina Gladitz: Leni Riefenstahl. Karriere einer Täterin. Orell Füssli, Zürich 2020.
Siehe auch unser Artikel zu Leni Riefenstahl