Helene Berta Riefenstahl wurde am 22. August 1902 in Berlin geboren. Vater Alfred Riefenstahl war Inhaber einer gut laufenden Firma für Heizungs- und Sanitäranlagen und zog Leni und ihren jüngeren Bruder Heinz zusammen mit Ehefrau Bertha streng patriarchalisch auf. Schon früh zeigten sich die Eigenschaften, die Leni später berühmt machen sollten: Energie, Ehrgeiz, Eigensinn und ein ausgeprägter Hang zur Selbstdarstellung. Ihre schulischen Leistungen am Kollmorgenschen Gymnasium waren sehr zufriedenstellend, obwohl ihre Lehrer immer wieder ihr Betragen bemängelten. Während Alfred Riefenstahl sich eine gut bürgerliche Ausbildung für seine Tochter wünschte, träumte Leni schon früh von einer Ausbildung zur Tänzerin, was sie trotz großer Gegenwehr durchsetzte. Am 23. Oktober 1923 hatte Leni Riefenstahl ihren ersten großen Auftritt in München, wo sie vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. Dies war der Auftakt zu einer kurzen, aber furiosen Karriere. Es folgen Auftritte im Deutschen Theater sowie Engagements in ganz Deutschland. Bei einem Auftritt in Prag zog sich die junge Tänzerin eine komplizierte Knieverletzung zu und stand mit 21 Jahren vor den Trümmern ihrer Karriere.
Zum Start einer Schauspielkarriere animierte sie der Film „Der Berg des Schicksals“, vom Regisseur Dr. Arnold Fanck dessen Team sich Riefenstahl anschloss. Dies bestand aus einer Gruppe begeisterter junger Kameraleute, die neue Kameratechniken erprobten und nicht selten auch selbst als Stuntmen agierten. Während der Dreharbeiten zu dem Film „Der Heilige Berg“, in den Hauptrollen Leni Riefenstahl und Luis Trenker, eignete sie sich Methodik in der Kameraführung an und knüpfte Kontakte zu einigen Mitgliedern ihres späteren Filmteams. „Der heilige Berg“ war 1926 ein großer Erfolg und es folgten einige weitere Bergfilme mit dem Fanck/Riefenstahl Team. Der erste Film in Eigenregie, „Das blaue Licht“, in dem Riefenstahl auch die Hauptrolle spielt, erntete europaweit Anerkennung. „Das blaue Licht“ lief in Paris und London über ein Jahr in den Kinos und wurde in Venedig mit einem Filmpreis ausgezeichnet.
Im Februar 1932 besuchte Leni Riefenstahl eine Rede Adolf Hitlers im Sportpalast von Berlin. Auch Riefenstahl ließ sich mitreißen und schrieb Hitler einen Brief, in dem sie den Wunsch äußerte, ihn persönlich kennen zu lernen. Nach einem Treffen blieben beide in Kontakt und so kam es 1933 zur ersten Auftragsarbeit für die Nationalsozialisten mit dem Dokumentarfilm „Sieg des Glaubens“, dessen Endfassung Riefenstahls ästhetischen Ansprüchen jedoch nicht genügte. Dennoch entschloss sie sich dazu eine zweite Dokumentation zu drehen, diesmal aber mit beinahe unbegrenzten Mitteln. Riefenstahl sollte aus der monotonen Abfolge von Aufmärschen, Reden und Jubelszenen des Nürnberger Reichsparteitages ein Kunstwerk machen. Ein Kunstwerk, das den Nationalsozialismus, die Volksgemeinschaft in Herrlichkeit erstrahlen ließ. Unter dem Titel „Triumph des Willens“ schaffte Riefenstahl unter Einsatz damals völlig neuer Spezialeffekte ein filmtechnisches Meisterwerk. „Triumph des Willens“ errang international hohe Auszeichnungen und machte Riefenstahl zur Lieblingsregisseurin des Regimes. Der Film hatte in Deutschland mindestens 20 Millionen Zuschauer und wird immer wieder als der vielleicht „beste“ Propaganda Film der Geschichte bezeichnet. Neben „Tiefland“ bietet er auch die Hauptangriffsfläche der Riefenstahlkritiker. Bei dem Film „Tag der Freiheit“ handelt es sich, um ein ähnliches Werk, bei dem die Aufrüstung des Reiches verherrlicht wird. Der aus zwei Teilen bestehende Film Olympia (Teil I „Fest der Völker“, Teil II „Fest der Schönheit“) , setzte die Olympischen Spiele 1935 in Berlin in Szene. Zwar erhielt dieser die höchsten Auszeichnungen: 1937 die Goldmedaille von Paris, 1938 den ersten Preis von Venedig als bester Film der Welt, 1939 das Olympische Diplom des IOC und 1956 wurde er in den USA als einer der zehn besten Filme der Welt klassifiziert, ist aber heute ebenfalls Kritik ausgesetzt, da Riefenstahl ein faschistoides Männerbild entwürfe. Als sie erstmals mit dem Olympiafilm auf Welttournee ging, gab es bereits in Europa kritische Stimmen, während sie 1938 in New York auf offene Ablehnung traf. Die Weltbevölkerung sah Hitler und das NS Regime zunehmend kritischer und Riefenstahl wurde nicht mehr als unabhängige Künstlerin betrachtet, sondern als Repräsentantin Nazi Deutschlands. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges folgte sie 1939 als Kriegsberichterstatterin den deutschen Truppen nach Osten und setzte beispielsweise den Einzug in Danzig in Szene. Riefenstahl war unmittelbar Zeuge eines der ersten Kriegsverbrechen in dem Dorf Konskie und verließ daraufhin, geschockt von der Grausamkeit des Krieges, die Front. Sie begann mit ihrem letzten Film „Tiefland“, wozu sie Sinti und Roma aus dem Internierungslager Maxglan bei Salzburg aussuchte und zu den Drehorten bringen ließ. Nach dem Abschluss der entsprechenden Szenen fanden einige der Darsteller in Auschwitz den Tod. Nach Kriegsende wurde Riefenstahl 1945 in Kitzbühl von Amerikanern verhaftet. In Drei Spruchkammerverfahren wurde das Verhältnis Riefenstahls zum Nationalsozialismus untersucht. Zweimal lautete das Urteil „nicht betroffen“ und einmal wurde sie als „Mitläufer“ eingestuft.
Im Jahr 1954 wurde „Tiefland“ uraufgeführt, entsprach nicht mehr dem Zeitgeist und blieb ohne Erfolg. Leni Riefenstahl führte 50 Prozesse wegen Verleumdung, die sie fast alle gewann, schaffte es aber nicht als Regisseurin wieder Fuß zu fassen. 1962 gelang ihr ein Neueinstieg als Fotografin mit einer Fotoreihe über einen sudanesischen Stamm „Die Nuba“. Aber auch hier kritisierte man die Überbetonung der heroischen Stärke der Nubakrieger. Dennoch war die Reihe ein großer Erfolg, ebenso wie Riefenstahls folgende Werke.
Künstlerin oder Parteifunktionärin?
Leni Riefenstahl war wohl die umstrittenste und gleichzeitig eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands. Riefenstahl, die mit ihrem Regiedebüt 1932 die erste deutsche Filmregisseurin wurde, ist mit 100 Jahren die älteste Filmemacherin der Welt. Trotz der Entnazifizierung durch die Alliierten und auch wenn ihrer Person mittlerweile wieder große Bewunderung entgegen gebracht wird, umgibt sie noch immer die Aura der Hitler-Vertrauten. Person und Werk der Filmemacherin sind seit 1945 umstritten. Die einen loben ihr künstlerisches Genie, die anderen verurteilen sie als Propagandafilmerin Hitlers und kritisieren ihre angeblich faschistoide Ästhetik, die durch eine Überbetonung von heroischer Stärke auffällt. Sie habe nur gefilmt, was sie gesehen habe, sei nie in der NSDAP gewesen und hätte sich auch sonst nie für Politik interessiert, sagt sie heute. Doch es waren die Bilder, die aus den Aufmärschen der Nazis ein Schauspiel voll Pathos und Stärke machten, Riefenstahl hat maßgeblich zum Führerkult beigetragen und half mit ein ganzes Volk zu verführen. Leni Riefenstahl hat nie geleugnet der Person Adolf Hitler erlegen zu sein, weist aber jede Spekulation über eine sexuelle Beziehung zu Hitler zurück. Sie hätte stets den guten Adolf, ein höflicher und zuvorkommender Mensch, von dem bösen Hitler, ein Politiker mit rassistischen Ansichten, getrennt. Wie so viele hätte sie nichts von der Massenvernichtung oder den Deportationen gewusst. Auf die Frage nach dem Schicksal der Sinti und Roma Darsteller aus dem Film „Tiefland“, weist sie jeden Vorwurf von sich und behauptet alle nach dem Krieg wiedergesehen zu haben. Sie hätte Hitler offen für seine Rassenansichten kritisiert, woraufhin der gefürchtete Führer diese Offenheit begrüßt habe. Dennoch lässt sie es zu, dass der jüdische Koautor Balacz aus dem Vorspann des Filmes „Das blaue Licht“ gestrichen wird. Zu dem Vorfall im Dorf Konskie ist belegt, dass Riefenstahl offiziell protestierte, bevor sie sich aus der Kriegsberichterstattung zurückzog. Sie bezeichnet den Vorfall später als „Erweckungserlebnis“. Doch warum kehrt sie nun ihrem Mäzen nicht den Rücken zu? Leni Riefenstahl trifft Hitler Ende März 1944 zum letzten Mal. Oft wurde ihr die Rolle der Unbelehrbaren zugeschrieben, da sie bis heute nicht für ihre Taten um Verzeihung gebeten hat. Sicher ist, dass Leni Riefenstahl im hohen Maße von der Beziehung zu Hitler profitierte und ihm eine sehr mächtige Waffe war. Über ihre Schuld haben bereits Richter entschieden. Was bleibt ist das Bild einer begnadeten Künstlerin, die für Kunst und Karriere jede kritische Instanz verlor.
Leni Riefenstahl starb am 8. September 2003 im Alter von 101 Jahren.
Autor: Timo Sackmann
Literatur
Kinkel, Lutz: Die Scheinwerferin. Leni Riefenstahl und das ‚Dritte Reich‘, Europa Verlag München, 2001.
Knopp, Guido: Hitlers Frauen und Marlene, Bertelsmann Verlag, München, 2001.
Riefenstahl, Leni: Die Nuba, 2000.
Riefenstahl, Leni: Olympia I – Fest der Völker, DVD.
Riefenstahl, Leni: Olympia II – Fest der Schönheit, DVD.
Schaake, Erich: Hitlers Frauen, List Verlag, München, 2000.
Trimborn, Jürgen: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere, Berlin 2002.