Die Deutsche Armee und ihre Hilfstruppen auf dem Balkan 1941-1945
Bosnien ethnopolitisch
Bosnien (sagte Literatur-Nobelpreisträger Ivo Andrić in einer Novelle) ist ein zemlja mržnje, ein Land des Hasses – nicht weil die Einwohner das so wollen, sondern weil der Haß von außerhalb hereingetragen, verbreitet, instrumentalisiert wird. Dass so etwas überhaupt möglich ist, hat etwas mit den ethnischen Verhältnissen in Bosnien zu tun. Seit Jahrhunderten leben dort „Bosnier“ (45%), „Serben“ (35%), „Kroaten“ (17%) und andere. Ethnisch sind sie alle Südslaven, die ein und dieselbe Sprache sprechen. Ihr Problem (und das Problem mit ihnen) ist, dass ihre divergierenden Konfessionszugehörigkeiten ethnisch interpretiert, nationalistisch verfestigt und aggressiv politisiert werden: Man ist Katholik, also „Kroate“, man ist Orthodoxer, also „Serbe“ – man will weder „Kroate“ noch „Serbe“ sein und erinnert sich daran, dass die eigenen Vorfahren Ende des 15. Jahrhunderts massenhaft und freiwillig zum Islam konvertierten, und bezeichnet sich als „Muslim“.
Diese sekundäre Aufsplitterung eines einigen Demos in drei unterschiedliche Ethnien, die entlang konfessioneller Scheidungen Identitäten entwickeln und Politik betreiben, war immer wieder eine „Einladung“ an die aggressiven Nationalismen der Nachbarländer, sich in Bosnien einzumischen. Der Erste Weltkrieg startete 1914 bekanntlich durch die „Schüsse von Sarajevo“, hinter denen serbische Nationalisten steckten. Der Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien griff nach Bosnien-Hercegovina über, nachdem die Präsidenten von Kroatien und Serbien (Jugoslawien), Franjo Tudjman und Slobodan Milošević, im März 1991 die Teilung Bosniens unter ihren Ländern vereinbarten, welcher sich die bosnischen Muslime widersetzten.
Bosnien im Zweiten Weltkrieg
Im März 1941 wurde das Königreich Jugoslawien von Deutschland und seinen Verbündeten angegriffen, besiegt und territorial zerschlagen. In der geographischen Mitte des Landes entstand der „Unabhängige Staat Kroatien“ (NDH), der die historischen Regionen des vormaligen „Dreieinigen Königreichs Slawonien, Kroatien und Dalmatien“ umfasste, dazu noch das frühere Bosnien-Hercegovina. Einzige politische Kraft im NDH waren die nach dem Vorbild der italienischen Faschisten geschaffenen Ustaše (Aufständische), eine nationalistische, terroristische Bewegung unter ihrem poglavnik (Führer) Ante Pavelić, deren Chefideologe, der Schriftsteller Mile Budak, verkündete, wie man z. B. mit den zahlreichen Serben in Kroatien und Bosnien verfahren werde: „Ein Drittel töten, ein Drittel vertreiben, ein Drittel umtaufen“, d.h. in dem erwähnten ethno-konfessionellen Sinne zu Kroaten machen.
Was Budak explizit nicht gesagt hatte, musste auch nicht gesagt werden – dass nämlich die Ustaše für die bosnischen Muslime ebenso wenig übrig hatten und mit ihnen auf ähnliche Weise verfuhren. Das hatte solange kaum Bedeutung, wie das Kriegsglück noch auf deutscher Seite war und die diversen Partisanenbewegungen geringe Erfolge verzeichneten; es änderte sich nach dem Fiasko von Stalingrad (1942/43) und der Kapitulation Italiens (8. September 1943): Deutschland musste seine Truppen auf dem Balkan „umgruppieren“, also ausdünnen, weil man an der Ostfront immer mehr Soldaten benötigte. Angesichts des enorm erstarkenden Partisanen-Widerstands durfte man die militärische Präsenz im Grunde nicht mindern, behalf sich aber mit der Aufstellung von „Hilfstruppen“ bei der lokalen Bevölkerung, darunter auch die bosnischen Muslime.
Kroatische Ustaše und bosnische Muslime
Im alten Königreich bestand die Jugoslawische Muslimische Organisation (JMO), deren Vorsitzender Dr. Džafer Kulenović (Bild) zeitweilig Regierungsmitglied war.[1] Auch im NDH sollte er bald wieder eine führende Rolle spielen, wurde zunächst aber von Hakija Hadžić überflügelt. Dieser ehemalige Mittelschullehrer gehörte zu der kleinen Gruppe muslimischer Anhänger von Pavelić, der ihn bereits am 23. April 1941 zu seinem „Beauftragten“ in Bosnien ernannte. Hadžić rechtfertigte dieses Vertrauen durch ein betont radikales Vorgehen gegen bosnische Serben und Juden. Zudem lag er den Ustaše ständig in den Ohren, sich auch des Sandshak, der von Muslimen bewohnten Bergregion zwischen Serbien und Montenegro, zu bemächtigen.
Ein ähnlicher, noch einflussreicherer Parteigänger des Ustaša-Regimes war der Großgrundbesitzer Ademaga Mešić, der schon seit 30 Jahren Exponent des kroatischen Nationalismus in Bosnien war. Pavelić ernannte ihn zum „doglavnik“, also zum Mitglied des obersten Führungsrats. Aber das waren Einzelfälle, denn generell verübten die Ustaše derart viele Greueltaten an Muslimen, dass Džafer Kulenović als Vizepremier in die NDH-Regierung eintrat, um diese Untaten zu stoppen; bald darauf verließ er sie wieder, von der Sinnlosigkeit seines Versuchs überzeugt.
Grundsätzlich hatten die Muslime nichts dagegen, unter fremden Herren zu leben: Bis 1878 hatten sie zum Osmanischen Imperium gehört, bis 1918 zu Habsburg, bis 1941 zu Jugoslawien. Überall hatte man auf ihre Sitten, Strukturen und Hierarchien Rücksicht genommen, was die Österreicher am besten handhabten, die Bosnien als corpus separatum ihres Reichs behandelten. Die Ustaše hielten sich zu keinem Zeitpunkt an die bewährten historischen Vorbilder, was dann nach verblüffend kurzer Zeit ein Chaos sui generis auslöste. Die Muslime forderten – je länger, je mehr – ihr partielles oder totales Ausscheiden aus dem NDH. Die Ustaše bezeichneten die Forderung als (in)direkte Unterstützung der Partisanen, was aber insofern Unsinn war, als die Muslime sich von vornherein an die Deutschen hielten und von diesen als reale Möglichkeit die „Errichtung eines deutschen Protektorats auf dem Territorium Bosnien-Hercegovinas“ verlangten. Die Deutschen waren zunächst in Verlegenheit: Der NDH und die Ustaše waren ihre eigentlichen Partner, die Muslime hatten sie anfänglich kaum im Blickfeld, und ihr Botschafter in Zagreb, Siegfried Kasche (1903-1947), war bis zuletzt ein engagierter Fürsprecher der Ustaše.
Muslime und serbische Četnici
Zum deutschen Desinteresse trug auch bei, dass die Muslime militärisch am Anfang überhaupt nicht in Erscheinung traten. Erst konnten sie nicht, dann wollten sie nicht, denn jeder Versuch, sich etwa mit einer „muslimischen Heimwehr“ oder ähnlichem an antiserbischen Aktionen der Ustaše zu beteiligen, hätte automatisch serbische Vergeltungsaktionen und Angriffe der Partisanen nach sich gezogen. Doch das war noch das kleinste Übel. Da die Muslime ihre autonomistische Linie weder politisch noch propagandistisch vertreten konnten, mussten sie sich diese militärisch „verdienen“, d.h. den Kroaten im Gegenzug Konzessionen abringen und die Deutschen positiv auf sich aufmerksam machen.
Dazu boten sich ab Anfang 1942 immer häufigere Gelegenheiten. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion hatte sich in den jugoslawischen Regionen auch der Partisanenkampf verstärkt, wobei in Serbien die königstreuen, serbisch-nationalen Četnici gegen die jugoslawischen Tito-Partisanen standen. Besonders in Ost-Bosnien kämpfte jeder mit jedem (oder stand zumindest mit ihm auf gespanntem Fuß). Das steigerte die Unsicherheit bei den Kroaten, die wussten, dass sie im NDH knapp 50% der Bevölkerung ausmachten, während die Serben 30,5 und die Muslime über 12% stellten, und alle drei Volksgruppen weithin kompakt in ihren Regionen lebten. Alle ventilierten die wildesten ethnopolitischen Optionen: NDH als „kroatischer Nationalstaat“, „serbische Hercegovina als italienisches Protektorat mit der Aussicht einer Vereinigung mit Serbien“, „autonomes Bosnien als deutsches Protektorat“ etc.
Das waren nicht nur Debatten auf Stammtisch-Niveau, denn sie wurden mehr und mehr von militärischen Formationen begleitet. Das betraf vor allem die Muslime, die zu den Attacken der Ustaše nun auch solche der serbischen Četnici zu ertragen hatten. Wenn da nicht bald eine muslimische Selbstverteidigung gebildet würde, dann sei das Ende der Muslime absehbar. Wobei – paradox genug – das Gegenteil als noch schlimmer anmutete: Wenn Četnici oder Partisanen mit den Muslimen Frieden schlossen, was regional immer häufiger vorkam, dann waren die Muslime im Geruch von Feinden des NDH und somit noch härteren Repressionen seitens der Ustaše ausgesetzt. Zudem gab es muslimische Einheiten bei den Ustaše, die Anfang Juli 1942 auf einer Konferenz von Četnici-Führern aus West- und Ost-Bosnien als Vorwand für neue Angriffe gegen Muslime dienten. Es war ein tragisches Chaos, in welchem die Muslime tun oder lassen konnten, was sie wollten – falsch und schädlich für die eigene Volksgruppe war es immer!
Hitler als Retter der Muslime?
In dieser verfahrenen Lage unternahmen die muslimischen „Autonomisten“ den Befreiungsschlag, sich direkt an Hitler zu wenden. In einem Memorandum vom 1. November 1942 erklärten sie ihre Motive: „Die Bosnier (Bošnjaci), also die Muslime Bosniens, sind integraler Bestandteil des 300-Millionen zählenden islamischen Volks im Osten, das seine Befreiung nur durch den Kampf gegen den englischen Imperialismus, das Judentum, die Freimaurerei und den Bolschewismus erreichen kann, ein Kampf, in welchem das deutsche Volk unter der Leitung seines Führers an vorderster Front steht“. Bosnien (so weiter) sei in den Bestand des NDH gekommen, „was nach unserem Willen und unserer Zustimmung geschah“, aber bald „entgegen unseren Hoffnungen und Erwartungen ausfiel“. Man hatte geglaubt, „dass unser Bosnien-Hercegovina unter deutscher Militärverwaltung bleiben und die bosnischen Muslime als das numerisch stärkste Element zur Mitarbeit in der Verwaltung aufgefordert würden“. Statt der Freiheit „haben wir Bosnier eine schreckliche Tragödie erlebt: unsere Opfer in Bosnien-Hercegovina betragen bis jetzt 150.000 Menschen“.
Woher die Absender diese Zahl hatten, war unerfindlich, da niemals exakt ermittelt wurde, wie viele Opfer der Krieg in Jugoslawien insgesamt oder in bestimmten Regionen gefordert hatte. Im Kontext des Memorandums hatte sie den Zweck, den Zorn der Bosnier auf die Ustaše zu unterstreichen, der in der Tat beträchtlich war: „Die alleinige Verantwortung trägt Dr. Ante Pavelić, der Bosnien gewaltsam in den kroatischen Staat integrierte und es der aggressiven Schwarzen Internationale auslieferte“, d.h. dem katholischen Klerikalismus. Das „Problem der Juden ist auf energisches deutsches Verlangen gelöst“, jetzt verfolgten die Ustaše die Serben und die Muslime. Die Serben hätten daraufhin einen Aufstand begonnen, und „jeden Tag werden von Aufständischen deutsche Soldaten getötet“. Gäbe es nicht „dieses verrückte Regime“ der Ustaše, wäre das alles nicht passiert; aber der Fehler könne korrigiert werden, wenn „die Muslime unter Führung der deutschen Armee bewaffnet und bei der Verwaltung beteiligt würden“. Dabei gingen die Deutschen kein ideologisches Risiko ein, denn „nach Rasse und Blut sind wir keine Slaven, sondern gotischer Herkunft“.
Es folgte ein langer historischer Exkurs, wie sehr die bosnischen Muslime stets den Deutschen „hingegeben“ (odani) gewesen seien. Schließlich kamen noch acht konkrete Forderungen, die alle darauf hinausliefen, dass Bosnien zu einer eigenen, von Hitler persönlich geführten „Provinz“ mit eigenen Streitkräften würde. Das waren natürlich maximalistische Postulate, die von der deutschen Seite nicht einmal ansatzweise erfüllt werden konnten, obwohl das Memorandum grundsätzlich zur Kenntnis genommen worden war. Die Muslime glaubten zwar noch an die „Freundschaft“ der Deutschen und Hitlers zu ihnen, waren momentan aber von ihnen enttäuscht und suchten neue Kontakte. Auf italienische Vermittlung reisten fünf muslimische Führer aus Mostar nach Rom, um den dort weilenden Groß-Mufti von Jerusalem Muhamed Emin El Huseini für ihre Grundanliegen zu gewinnen: Verbot der Ustaše in Bosnien, Autonomie gegenüber dem NDH, Umwandlung Bosniens in ein deutsches Protektorat mit bosnischen Streitkräften.
Am 10. Februar 1943 befahl Hitler die Aufstellung einer bosnisch-muslimischen SS-Division, nachdem „Reichsführer SS“ Himmler dafür ein schlagendes Argument präsentiert hatte: Man solle im NDH eine „bosnische SS-Division aus Muslimen“ aufstellen, denn die „kämpfen zum größten Teil nicht auf unserer Seite, sondern halten sich zurück oder kämpfen immer mehr gegen uns“. Über diese Anregung entwickelte sich eine rege Korrespondenz Berlin-Zagreb, denn die NDH-Machthaber hatten prinzipiell nichts dagegen, sofern sie personell und befehlsmäßig den Vorrang in dieser Division hätten. (Bild: Werbeplakat „Kroaten Herceg-Bosnas! Der große Führer Adolf Hitler und der Poglavnik Dr. Ante Paveli rufen euch zur Verteidigung eurer Heimatorte. Tretet ein in die Reihen der freiwilligen kroatischen SS-Verbände“.)
Irgendwann in dieser Zeit hat Hitler dann die Aufstellung der Division angeordnet, womit alle drei Beteiligten vor klaren Anweisungen standen – und vor gescheiterten Plänen: Die Deutschen wussten immer noch nicht, ob sie die Muslime auf ihrer Seite hatten oder nicht, die Muslime waren nicht im Besitz einer deutschen Bestätigung ihrer Autonomiewünsche, und den Kroaten war keinerlei Führungsrolle in der neuen Division eingeräumt worden. Entsprechend verworren war dann auch die Werbung. Daß man sich vorrangig an bosnische Muslime wendete, wurde bestenfalls aus den Kopfbedeckungen der abgebildeten Soldaten (Fez) deutlich, während im Text lediglich von „Kroaten“ die Rede war.
„Panislamische“ deutsche Pläne
In der ersten Aprilhälfte 1943 kam der Jerusalemer Groß-Mufti (Bild) nach Sarajevo, begleitet von einer deutschen, kroatischen und bosnischen Suite, wobei jeder Begleiter von ihm Unterstützung seiner spezifischen Wünsche erwartete. El Huseini war, was er immer gewesen war, ein rückhaltloser Gefolgsmann Hitlers. Als solcher erwies er sich auch in Bosnien: „Der Standpunkt der Muslime ist klar. Im Freiheitskampf stehen sie auf Seiten Deutschlands, Japans und deren Verbündeter. Der Kampf gegen Großbritannien wird bis zum endgültigen Zusammenbruch des Britischen Imperiums geführt, desgleichen der Kampf gegen Sowjetrußland, den jahrhundertelangen Erzfeind des Islam. Der Sieg der Achsenmächte wird auch der Sieg der islamischen Völker sein“.
Diese Sicht gefiel den Deutschen, die sich bereits als Führungsmacht der rund zwei Millionen balkanischen Muslime sahen und von „Brücken“ träumten, die sie über diese zu den Arabern schlagen würden. Die Frage war nur, ob der italienische Verbündete dabei „mitspielte“. Nach El Huseinis Ansicht wollte Italien, Herr über das muslimische Albanien, Kosovo etc., unbedingt ein „Gegengewicht zur Türkei“ schaffen, was mit deutschen „panislamischen“ Träumen natürlich unvereinbar war. Vor Mostarer Autonomisten hatte El Husseini diese fundamentale Divergenz zwar angesprochen, aber dennoch für eine Kollaboration mit den „Achsenmächten“ plädiert, „deren Sieg sicher ist“. Diese Kollaboration hatte er auch in Berlin gefordert, wo er am 18. Dezember 1942 die Festrede anläßlich der Gründung eines „Islamischen Zentralinstituts“ hielt: Juden, Engländer, Amerikaner und „Bolschewiken“ sind die „Feinde des Islams“, denn „sie unterstützen mit Geld und Waffen die Kommunisten, die damit in Bosnien muslimische Männer, Frauen und Kinder angreifen“.
Andere Imame waren noch radikaler: „Europa ist durch den Versailler Vertrag im Namen der Demokratie in die Hände von Juden und Freimaurern gefallen. Es wird nicht leicht sein, Europa von diesen Feinden zu befreien, aber der SS-Mann wird eine bessere Zukunft für Europa bauen. Bosniens beste Söhne dienen in der SS“.
Wie man eine Division (nicht) aufstellt
Für den Österreicher Hitler waren die Verhältnisse klar: Serben waren und bleiben stets „Unruhestifter“, Kroaten waren das „treueste Volk“ im Habsburger Imperium, der NDH ist Deutschlands wichtigster Verbündeter auf dem Balkan, die Muslime gehören zum NDH, und die aufzustellende Division habe natürlich ausschließlich den Interessen des Reichs zu dienen. Dem widersprach dezent Botschafter Kasche, der die „Souveränität“ des NDH wenigstens zum Schein gewahrt sehen wollte. Dabei konnte er darauf verweisen, dass „die Werbung von Freiwilligen für diese Division viel mehr Schwierigkeiten macht und mehr Zeit erfordert als bei anderen Divisionen“, weil nämlich die desillusionierten Muslime fern blieben. Das war um so betrüblicher, als die Deutschen gerade die „Operation Schwarz“ vorbereiteten – die fünfte ihrer durchweg gescheiterten Operationen gegen Titos Partisanen, die in der legendären „Schlacht an (dem Fluß) Sutjeska“ verloren wurde. Kasche streute zusätzliches Salz in die Wunden: Was dem souveränen NDH nützt, dient am besten den Interessen des Reichs – während die SS-Werbung den NDH schwächt, in dem sie partiell autonomistischen Wünschen der Muslime entgegen kommt, ohne damit größeren Erfolg zu haben.
An Juni 1943 herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Muslime verließen demonstrativ den kroatischen Militärdienst, um sich einer der spontan gebildeten muslimischen „Legionen“ anzuschließen. Ustaša-Einheiten verhafteten Ustaše, die in die neue Division eintreten wollten, obwohl ein solcher Übertritt vom kroatischen Kriegsministerium ausdrücklich gebilligt worden war. Nach Monaten intensiven Werbens zählte die neue Division gerade 7.000 Angehörige, und der Zustrom zu ihr nahm weiter ab, denn allen NDH-Bürgern blieb nicht verborgen, dass die Deutschen vom Kriegsglück verlassen waren. Diese wurden energisch: Anfang Juli 1943 verpflichtete die SS den NDH-Außenminister Lorković vertraglich, alle Muslime der Wehrpflichtigen-Jahrgänge 1924 und 1925, rund zwei Drittel aller Wehrpflichtigen, der SS zu überlassen.
Unverkennbar hat diese Abmachung der neuen Division geholfen, die zum Jahresende 1943 mit 21.065 Mann ihre größte Stärke erreichte und unter allen rund 40 SS-Divisionen die drittstärkste war. Offiziell hieß sie „13. Waffen-Gebirgsdivision »Handshar« der SS“, wurde anfänglich aber auch unter zahlreichen anderen Namen geführt. Der im Namen auftauchenden »Handshar« (Krummsäbel) war das historische Wappenzeichen Bosniens, das besonders in dessen Habsburger Zeiten eine große Rolle spielte. Nach dem Muster der Habsburger „Bosniaken-Regimenter“ war auch die neue Division gebildet, deren Soldaten einen grünen, die Offiziere einen dunkelroten Fez trugen – mit SS-Totenkopf und deutschem Adler als „Hoheitszeichen“. Ihr eigentlicher Kern war die früher entstandene „Muslimische Freiwilligen-Legion“.
Islamische „Hassprediger“ in NS-Diensten
Bereits bei der Werbung zu der neuen, 13. SS-Division hatten sich die Deutschen der Dienste muslimischer Muftis und Imame bedient. Die Angeworbenen wurden zuerst ins deutsche Wildflecken gebracht, später in den Süden des besetzten Frankreichs, wo ihre militärische Ausbildung und ideologische Indoktrinierung in hermetischer Abgeschlossenheit verlief. Letztere unterstand nominell dem Ober-Mufti von Jerusalem El Huseini, der häufig das Militärlager in Potsdam besuchte. Dort wurden junge Imame ideologisch „gedrillt“, um dann im Rang eines Hauptmanns (kapetan) den Einheiten der Division zugeteilt zu werden. Viel Erfolg hatten sie nicht, denn schon die räumliche Entfernung der Ausbildungsstätten wurde als deutscher Zug gegen Muslime aufgefasst.
Wie bereits erwähnt, kapitulierte im September 1943 Italien, womit die serbischen Četniks ihren Hauptbeschützer verloren. Dieses Manko wollten sie durch vermehrte Kollaboration mit den Deutschen wettmachen, die ihnen gegenüber jedoch in altem Misstrauen verharrten. Umgekehrt rechneten sich die Muslime neue Chancen aus. Mit dem Ausscheiden Italiens fiel auch die (informelle) Teilung des NDH in eine deutsche und eine italienische Einflusszone fort, der deutsche Einfluß auf die NDH-Behörden stieg enorm, was die Muslime auszunutzen gedachten – wie sie durch Massenflucht aus den NDH-Streitkräften unterstrichen. Es schien, als seit die Stunde des muslimischen Autonomiebegehrens gekommen, und dafür würde man jeden Mann benötigen. Daß die Deutschen dabei helfen könnten, glaubten nur noch die fanatisierten Imame. Die Muslime, die in Süd-Frankreich zur Ausbildung waren, meuterten: In einem Pionier-Bataillon erhoben sich 40 bosnische Soldaten, brachten den Kommandanten Kirchbaum, einen Volksdeutschen, und weitere vier Offiziere um, wurden am Ende aber selber getötet. Die gesamte 13. SS-Division verlegten die Deutschen ins schlesische Neuhammer, wo ihre Ausbildung weiter ging.
Der NDH – Verbündeter oder Gegner?
Die Deutschen waren ratlos: „Kroatien kann man nicht mit militärischen Mitteln befrieden“ (hieß es in einem ihrer Lageberichte), „eine gründliche politische Reform ist nötig, denn die NDH-Regierung hat jeglichen Rückhalt verloren, nicht nur bei Orthodoxen und Muslimen, sondern auch bei der kroatischen Bevölkerung“. Man sollte sich an den „ewigen Traum der Muslime von der Autonomie“ erinnern und ihn erfüllen, am besten in Form eines deutschen „Protektorats“, in jedem Fall aber in einer gegen die territoriale Integrität des NDH gerichteten Weise. Deswegen forderten deutsche Militärs die „Bildung einer fähigen Regierung im NDH“ oder gleich die „Übernahme der gesamten Staatsmacht durch die deutsche Wehrmacht“.
Diesem Standpunkt widersetzte sich Hitler, der nach wie vor auf die Ustaše baute und von den Muslimen nichts hielt – ihnen nachzugeben, hätte eine Schädigung des NDH bedeutet, des besten deutschen Verbündeten. Unrealistischer konnte man die Lage nicht sehen: Der NDH war faktisch längst am Ende, besiegt von muslimischen Freischärlern in ihren diversen Formationen oder, nach deren Zerfall Ende 1943, von den Partisanen. Immer mehr Freischärler liefen zu den Partisanen über, andere desertierten aus den kroatischen Streitkräften und stifteten als marodierender „grüner Kader“ Verwirrung auf allen Seiten. Darüber fanden Debatten in der Spitze des Deutschen Reichs statt, wie sie ein surrealer Autor erfunden haben könnte: Hitler, der Alt-Österreicher, erinnerte sich, dass bosnische Regimenter in Habsburg ausschließlich aus Muslimen bestanden hätten, Himmler und Außenminister Joachim von Ribbentrop hofften dasselbe von der 13. SS-Division, während Botschafter Kasche erneut darauf verwies, dass Deutschland „wirklich das Vertrauen des kroatischen Volks und der kroatischen Regierungskreise im weitesten Maße verloren“ habe, weil es unbedacht und ungewollt der 13. SS-Division eben dieses muslimische Image gab. Die völlige Unterstellung der Division unter NDH-Leitung könne vielleicht noch etwas retten – schrieb Kasche Ende November 1943 in einem ausführlichen Brief an Himmler.
Sind bosnische Muslime Araber?
Der Ober-Mufti von Jerusalem El Huseini hatte in Berlin längst eine eigene Residenz, zudem schufen die Deutschen dort das „Islamische Zentralinstitut“ als Schule für die Imame der 13. SS-Division, das im November 1943 in Sarajevo eine „Filiale“ eröffnete. Das alles erschien aus deutscher Sicht als lohnende Investition gegenüber muslimischen Arabern. In dieser Spekulation wurden die Deutschen von El Huseini bestärkt, denn für diesen war es eine „Tatsache, dass Deutschland niemals irgendein arabisches oder muslimisches Land angegriffen hat und dass seine Politik seit jeher im Zeichen der Freundschaft zu Muslimen steht“. El Huseini nutzte seine zahlreichen Kontakte nach Bosnien, um dortige Muslimführer mit deutschen Politikern zusammen zu bringen. Damit hätte er vielleicht früher oder später einen gewissen Erfolg gehabt, wäre die deutsche, von Hitler vorgegebene Sicht der balkanischen Dinge nicht so simpel „gestrickt“ gewesen: Hauptgefahr deutscher Interessen sind „die kommunistischen Banden“, also Titos Partisanen, deren Hauptgegner ist Pavelićs NDH, der folglich auch Deutschlands wertvollster Verbündeter ist – der Wert der bosnischen Muslime bemisst sich allein im Maße ihrer Unterordnung unter den NDH.
Daran hielt man selbst dann noch fest, nachdem Titos Partisanen am 29./20. November 1943 im bosnischen Jajce einen föderativen Neuanfang Jugoslawiens beschlossen hatten, den sie nach ihrem unabwendbaren Sieg inszenieren würden. In diesem neuen Jugoslawien würde auch Bosnien einen würdigen Platz erhalten, und diese Perspektive löste eine erneute Welle von Desertionen bosnischer Muslime aus den kroatischen Streitkräften aus.
Handshar im Einsatz
Anfang 1944 war die militärische und politische Lage des NDH hoffnungslos. Die Partisanen rückten unaufhaltsam vor und hielten Zagreb in weiträumiger Umklammerung. Pavelić ließ seinen neuen Premierminister Nikola Mandić (Bild) in Berlin um Waffenhilfe für die Ustaše und um eine „günstigere Verteilung“ der deutschen Truppen bitten und Kritik am „antikroatischen Verhalten der 13. muslimischen SS-Division“ äußern. Hitler lehnte ab und ließ sich auch nicht von Mandićs optimistischer Schilderung der Kriegslage überzeugen. Darin wurde er von seinen höchsten Militärs bestärkt, die ihm bei einem Treffen am 8. März 1944 den wahren NDH beschrieben: Regierung ohne jedes Ansehen im Land, Verwaltung völlig ineffizient, Wirtschaft im Verfall, Armee unzuverlässig, ständige Übertritte zu den Partisanen. Nur Botschafter Kasche votierte vehement für mehr Hilfe an die NDH-Regierung, was Hitler prinzipiell „billigte“. Was die muslimische Division betraf, so ging man ratlos auseinander.
Dabei wäre das die wichtigste Frage gewesen, denn die Division kehrte von ihrer Ausbildung im Ausland zurück und sollte nun im Lande „auf Dauer stationiert“ werden. Die Regierung wollte sie über den ganzen NDH verstreuen, die Muftis (mit El Huseini an der Spitze) waren für einen Einsatz in Ost-Bosnien, weil die meisten Angehörigen von dort stammten. Das war plötzlich auch der deutsche Standpunkt, wie er in einer „Richtlinie“ ausgedrückt wurde, die in Himmlers Stab entstanden war: Die SS-Division sei Träger und Garant des Friedens in Bosnien und die „Säuberung des Landes von Banditen und Volksfeinden“ sei die beste Friedenssicherung. Es bestünde eine „Notwendigkeit der Schaffung von reinen Nationalsiedlungen“, der notfalls durch kollektive Umsiedlungen zu genügen sei.
Die Division wurde in den Räumen Brčko und Bijeljina stationiert, wo ihre Angehörigen „alles niedermachten, was nicht den Fez trug“. Die Folgen waren allseitig verheerend: Die deutschen Beschützer konnten ihre gerade geknüpften Kontakte zu den serbischen Četniks wieder vergessen, die Kroaten sahen sich ihres Einflusses über Ost-Bosnien beraubt, selbst Muslime flohen vor den Greueltaten dieser „muslimischen“ Division, und sie flohen natürlich zu den Partisanen. Die Division hatte einen Staat im Staate eröffnet, in welchem sie „alle NDH-Organe liquidierte“ und nur noch den Groß-Mufti El Huseini als „Staatschef“ akzeptierte. Das war nicht die Autonomie, die sich die Muslime erhofft hatten und mit deutscher Hilfe erreichen wollten. Aber ab September 1944 war ohnehin alles zu spät: In Ungarn rückte die sowjetische Armee vor und bedrohte den NDH, aus Bosnien lief die Evakuierung der Volksdeutschen, die Türkei brach ihre Beziehungen zum Deutschen Reich ab, womit die bosnischen Muslime ihren eigentlichen Rückhalt verloren, die kroatische Armee zerfiel in rasantem Tempo, nachdem Tito ihr ein Ultimatum gestellt hatte: Wer bis zum 15. September zu den Partisanen überliefe, ginge straffrei aus – danach würde jeder kroatische Soldat als „Volksverräter“ behandelt.
Der Rest war der Eintritt des Chaos, was im Grunde seit Jahren latent vorhanden war: Das kriegerische Viereck aus NDH, Deutschen, Muslimen und Četniks, in dem zu allen Zeiten ein wechselseitiges Misstrauen geherrscht hatte, brach endgültig auseinander. In Bosnien wurde ein Landesteil nach dem anderen von Partisanen oder Sowjets erobert, die Deutschen zogen sich langsam aus dem immer kleiner werdenden NDH zurück. Für dessen (para)militärische Einheiten gab es nur mehr zwei Möglichkeiten: Desertion zu den Partisanen oder Rückzug auf ultraextremistische Positionen. Für die Ustaše hieß das, noch rasch so viele Serben wie möglich umzubringen, während radikale Muslime zu den Deutschen hielten, da sie von diesen Waffen bekommen konnten. Was von bewaffneten Formationen noch an Resten vorhanden war, sollte nach der Absicht der Deutschen den Rückzug der deutschen Truppen abschirmen. Jetzt aber rächte es sich, dass auf deutscher Seite niemals eine einheitliche Linie gegenüber den lokalem bewaffneten Gruppen bestanden hatte. Jetzt dachten die kaum daran, beim deutschen Rückzug gemeinsam mitzuwirken, da sie mit ihren internen Auseinandersetzungen beschäftigt waren. Wer irgend konnte, schloß sich den abrückenden Deutschen an – um alsbald in Österreich oder anderswo von den Alliierten interniert und Titos Partisanen übergeben zu werden.
Die 13. SS-Division war ab Oktober 1944 das bevorzugte Angriffsziel der Partisanen geworden, vor allem der 28. Slavonia-Division und der XVII. Majevica-Brigade, und zum Ärgernis der Deutschen. Erbost über die zunehmenden Desertionen von „Handshar“-Soldaten ordnete Himmler die Entwaffnung von „unzuverläßlichen“ Einheiten an – was auch geschah, aber letztlich nur die Desertionen verstärkten: Bevor man sich entwaffnen ließ, ging man lieber mit Waffen zu den Partisanen über. Im November 1944 beschlossen die Deutschen, die Division aufzulösen und ihre Soldaten einfach nach Hause zu schicken. Übrig blieb die (nach ihrem Anführer benannte) „Kampfgruppe Hanke“. Diese wurde von sowjetischen Truppen an den ungarischen Platten-See zurückgedrängt. Von dort zog sie sich immer weiter westwärts zurück und ergab sich am 12. Mai 1945 britischen Truppen im österreichischen St. Veit an der Glan.
Am 6. Mai 1945 verließen Pavelić und andere NDH-Führer Kroatien und brachten sich über Österreich in Westeuropa in Sicherheit. Zwei Tage zuvor hatten sie noch versucht, sich bei den Alliierten anzubiedern: Sie hätten niemals dem „faschistischen Block“ angehört, vielmehr einen „kroatisch-nationalen Befreiungskrieg“ geführt, der NDH müsse weiter bestehen bleiben und wolle sich einer „anglo-amerikanischen Arbitrage“ stellen etc. Die Alliierten antworteten nicht.
In Belgrad und Zagreb folgten bis August 1948 zwölf Prozesse, bei welchen kroatische, serbische und deutsche Kriegsverbrecher vor Gericht standen; unter den Deutschen war auch der ehemalige Botschafter Siegfried Kasche, der am 4. Juni 1947 in Zagreb zum Tod verurteilt und gehängt wurde.
Anmerkungen
[1] Die gesamte Darstellung folgt den Ausführungen von Enver Redžić: Muslimansko autonomaštvo i 13. SS Divizija – Autonomija Bosne i Hercegovine i Hitlerov Treći Rajh (Das muslimische Autonomiestreben und die 13. SS-Division – Autonomie Bosnien-Hercegovinas und Hitlers Drittes, Reich, Sarajevo 1987; weiterhin wurde herangezogen die faktenreiche und mit zahlreichen Literaturangaben versehene Analyse „The Crescent and the Swastika: A History of the SS Handzar Division unter: http://13sshandzar.tripod.com/id12.html (Seite nicht mehr abrufbar / Stand: 14. November 2014).