Schon früh erkannten die Nationalsozialisten die Bedeutung des Films als eines „der modernsten Massenbeeinflussungsmittel“ (Joseph Goebbels). Bereits in der Weimarer Republik – teilweise noch während der Stummfilmzeit – wurden einige kurze Parteifilme über die frühen Parteitage, Totenfeiern und Aufmärsche der NS-Formationen gedreht. Auch Filme von Reden wichtiger NS-Führer (Adolf Hitler, Goebbels, Feder usw.) wurden als „Wahlspots“ auf Parteiveranstaltungen im ganzen Reich eingesetzt. Aufgrund beschränkter finanzieller Mittel und der amateurhaften Aufnahmetechnik gelang es den den Nationalsozialisten aber nicht, ein größeres Publikum anzusprechen.
Der staatliche Zugriff auf das Filmwesen – Goebbels als oberster Filmherr
Nach der „Machtergreifung“ verstand es das NS-Regime, das deutsche Filmwesen „zentral zu dirigieren und es den politischen Absichten der Führung zu assimilieren.“ (Goebbels) Nach Errichtung des „Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung“ am 11. März 1933 unter Joseph Goebbels begann der institutionalisierte Zugriff auf den deutschen Film. Bereits am 14. Juli 1933 wurde das „Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer“ in Kraft gesetzt. In dieser „Reichsfilmkammer“ mußte jeder Filmschaffende – Drehbuchautor, Schauspieler oder Regisseur, selbst Kinobesitzer – Mitglied sein. Ein Ausschluß bedeutete faktisch Berufsverbot. Bereits in den ersten Jahren der NS-Gewaltherrschaft wurden so Tausende von Juden und politisch mißliebige Filmschaffende aus der Filmbranche verbannt. Mit dem Lichtspielgesetz von 1934 konnte ein Film bereits verboten werden, wenn er „das nationalsozialistische, religiöse, sittliche oder künstlerische Empfinden“ verletzte. Praktisch bedeutete dies eine Generalermächtigung für die Machthaber, von der grundsätzlich jeder Film bedroht sein konnte. Durch das neu geschaffene Institut eines „Reichsfilmdramaturgen“, dem alle Drehbücher, Besetzungsvorschläge und sogar Projektplanungen vor Verfilmung vorgelegt werden mußten, konnte das Regime bereits die Entstehung der Filme steuern. Nachträgliche Verbote, die sich nie ganz vor der Öffentlichkeit verbergen ließen, sollten so weitgehend vermieden werden. Durch die ebenfalls neue staatliche Filmkreditbank hatte das Regime ein weiteres wirkungsvolles Instrument, indem nur konforme Filme gefördert wurden. Ohne diese Förderung war die infolge der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre schwer angeschlagene deutsche Filmindustrie kaum in der Lage Filme zu produzieren. Goebbels, der sich selbst als „leidenschaftlicher Liebhaber der filmischen Kunst“ bezeichnete, machte sich 1935 mit einer Änderung des Reichslichtspielgesetzes schließlich auch persönlich zum obersten Filmherrn des Regimes: „Unabhängig von dem Verfahren vor der Filmprüfstelle und der Filmoberprüfstelle kann der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda (…) das Verbot eines Films aussprechen, wenn er es aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls für erforderlich hält.“ Goebbels entschied nicht nur oft persönlich über die Genehmigung von Filmen. Er beurteilte Drehbücher, regte Stoffe zu Filmen an und beeinflußte Besetzungspläne. NS-konforme Regisseure und Schauspieler wie Veit Harlan, Carl Froelich oder Heinz Rühmann werden von ihm oft persönlich protegiert. Kritische Stimmen dagegen mußten mit Berufsverbot rechnen oder gar mit Verhaftung.
„Künstler“, so Goebbels, „müssen sich den Gesetzen der Ordnung und der nationalen Disziplin fügen; wenn sie das nicht wollen, verlieren sie wie jeder andere Bürger den Kopf.“ Den Schauspieler Robert Dorsay ließ er aufgrund einiger kritischer Äußerungen in engerem Kreis verhaften und hinrichten. Selbst ein durchaus regimekonformer Regisseur wie Herbert Selpin, der den anti-englischen Propagandastreifen „Titanic“ drehte, wurde wegen einzelner wehrmachtskritischer Äußerungen verhaftet. Er starb unter bisher nicht geklärten Umständen in seiner Zelle. Parallel dazu verlief die Verstaatlichung der gesamten Filmindustrie. Anfangs getarnt durch Aufkäufe mittels staatseigener Scheinfirmen, später dann offen propagiert, war Filmproduktion und Filmverleih ab 1937 teilweise, seit 1942 vollends im Staatsbesitz. Nicht verwirklicht werden konnten dagegen Planungen, selbst die rund 5000 Kinos im Reich zu kommunalisieren, das heißt unmittelbar der Kontrolle lokaler NS-Herrscher zu unterwerfen. Damit möglichst das ganze Volk der NS-Filmpropaganda ausgesetzt werden konnte, waren mehr als 1500 mobile Filmtrupps für das Regime in der kinolosen Provinz unterwegs, um Propagandafilme auch in den entlegensten Regionen zu zeigen. Sie stießen gerade hier auf ein besonders dankbares Publikum, weil es hier kaum andere Unterhaltungsangebote gab. Von NS-Organisationen, insbesondere dem Winterhilfswerk wurden immer wieder eintrittsfreie Kinoabende mit ausgewählten Filmen organisiert, um auch die ärmeren Schichten anzusprechen. Speziell für die Hitler-Jugend wurden „Jugendfilmstunden“ eingeführt. Später wurden überdies die privaten Kinobetreiber von der Reichsfilmkammer verpflichtet, soweit es die örtlichen Verhältnisse erlaubten, wenigstens einmal monatlich ihre Kinosäle für diese Parteiveranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Allein in dem Berichtsjahr 1942/43 – mitten im Krieg also – fanden mehr als 18.000 solcher Vorführungen statt, die von rund 2,5 Millionen Mitgliedern von HJ und BDM besucht wurden.
Propaganda im NS-Film
Insgesamt wurden während des „Dritten Reiches“ rund 1200 Spielfilme produziert. Zusätzlich ein Vielfaches sogenannter „Kulturfilme“, kurze Sach- und Dokumentationsfilme über verschiedene kulturelle, naturwissenschaftliche oder allgemeine Themen. Ab 1934 war den Kinobesitzern verbindlich vorgeschrieben, im Vorprogramm wenigstens einen Kulturfilm zu zeigen. Diese hatten im NS-Propaganda-Konzept eine wichtige Funktion. Nach außen objektiv und sachlich sich präsentierend konnten so Themen wie Rassenlehre, Antisemitismus, Blut und Boden, aber auch militärische Themen propagiert werden. Ebenfalls im Vorprogramm verpflichtend war die Wochenschau, von Hitler wie Goebbels besonders in Kriegszeiten als wirksamstes Propagandainstrument gehalten.
Inhalte und Themen der Propaganda im Film des Dritten Reiches
Partei- und Propagandafilme im engeren Sinne
Im „Dritten Reich“ wurden nur sehr wenige Filme produziert, die unmittelbar die NS-Bewegung darstellten. Man kann diesen Typus Film als „Hakenkreuzfilm“ bezeichnen, weil in ihm die NS-Symbolik direkt dargestellt wird. Schon 1933 kam ohne vorhergehende Initiative der Partei der von der Bavaria produzierte Streifen „SA-Mann Brand. Ein Bild aus unseren Tagen“ ins Kino. In eine dürftige Spielhandlung sind vor allem reichlich Massenszenen und Aufmärsche eingebaut. Der Film stieß bei Hitler und Goebbels allerdings auf weitgehende Ablehnung. Die Propaganda schien ihnen allzu aufdringlich. Ein anderer Film „Hans Westmar. Einer von vielen“ stellte pathetisch überhöht das Leben des frühen NS-Helden Horst Wessel dar und fand ebenfalls keine besonders gute Beurteilung in der NS-Führung. Lediglich der Spielfilm „Hitlerjunge Quex“, der an den ermordeten Hitlerjungen Herbert Norkus erinnerte, fand eine bessere Bewertung. Filmisch durchaus geschickt gemacht schildert er einen Eltern-Sohn-Konflikt. Der Sohn eines überzeugten Kommunisten schließt sich der Hitlerjugend an und stirbt schließlich für seinen Führer. Später kamen noch vereinzelt weitere, etwas populärere Filme über die Hitler-Jugend hinzu: „Kopf hoch Johannes“ im Jahr 1940 und „Junge Adler“ im Mai 1944, der den Einsatz der Hitlerjugend in der Kriegswirtschaft zeigte. Im Kino floppte der Streifen weitgehend. Durch Krieg und Terror hatte das NS-Regime so sehr an Kredit verloren, daß die Zuschauer wenigstens im Kino davon verschont sein wollten.
Triumph des Willens
Eine Sonderstellung nahmen die Parteitagsfilme ein, die formal dokumentarisch über die Nürnberger Reichsparteitage berichten, tatsächlich aber als abendfüllende Kino-Filme große propagandistische Wirkung entfalteten. Zwei umfassende Spielfilme wurden von der jungen Regisseurin Leni Riefenstahl gedreht: 1933 „Sieg des Glaubens“ und 1934 den berüchtigten „Triumph des Willens“, der während des Dritten Reiches unzählige Male – selbst in abgelegenen ländlichen Regionen gezeigt wurde. Hitler, der bereits in der Eingangssequenz beinahe gottgleich mit seinem Junkersflugzeug durch die Wolken in das mit Hakenkreuzen drapierte mittelalterliche Nürnberg einschwebt, wird in diesem Film als Erlöser, Feldherr und Führer inszeniert. Kameraperspektiven von unten zeigen ihn erhöht, mitunter auch im nächtlichen Dunkel strahlend beleuchtet. Die pompös inszenierten Aufmarschszenen von Wehrmacht, Hitlerjugend, Arbeitsdienst hatten ebenso wie die Bilder vom vermeintlich entspannten Zeltlagerleben einen einzigen Zweck: Dem Kinozuschauer sollte das Bild einer geschlossen hinter ihrem „Führer“ stehenden Volksgemeinschaft suggeriert werden.
Propagierung des Führerprinzips
Ein festes Ideologem des Nationalsozialismus war die Vorstellung einer natürlichen Hierarchie unter den Menschen, nach der es grundsätzlich Führer und Geführte geben muß. Der natürliche Führer setzt sich dabei unabhängig von Ausbildung, Herkunft etc. gegen alle Widerstände durch. Allein durch seinen Willen und Glauben bringt er sich in diese Position. In zahllosen nationalsozialistischen Spielfilmen werden dem Zuschauer solche Führergestalten – Politiker, Militärs, Ärzte, Künstler – vorgeführt. Ohne daß explizite Bezüge zur NS-Gegenwart hergestellt wurden, konnte die NS-Propaganda sicher sein, daß durch diese unterschwellige Darstellung der Zuschauer das Führerprinzip gewissermaßen von selbst als natürlich empfinden und ganz alleine Bezüge zur Gegenwart herstellen würde. „Robert Koch – Bekämpfer des Todes“, dargestellt vom NS-Vorzeigeschauspieler Emil Jannings, kämpft gegen eine konservativ-spießige Ärzteschaft und Umgebung für seine Entdeckung des Tuberkelbazillus und der Entwicklung eines Impfstoffs. Todesmutig und ohne je Zweifel an seiner Mission zu haben, probiert Robert Koch den Impfstoffe sogar an sich selbst aus und setzt sich gegen alle Widerstände durch: Triumph des Willens an einem Beispiel. Gedreht 1939 bereits in der Stimmung der geistigen Mobilmachung spart der Film auch nicht mit militärischer und martialischer Sprache im „Kampf“ und „Sieg“ gegen die Krankheit. Ein anderer dieser Filme zeigt den spätmittelalterlichen Arzt Paracelus ebenfalls in der Rolle eines sich gegen alle Widerstände durchsetzenden Kämpfers. Diesem gelingt es gegen das etablierte Bürgertum das einfache Volk auf seine Seite zu bringen. In einer Schlußsequenz hält der „Führer Paracelsus“ dann auch eine pathetische Rede auf die Bedeutung der Volksgemeinschaft und dem Versprechen, sich immer für sein Volk einzusetzen. Weitere „Persönlichkeitsfilme“ heroisieren Mozart, Schiller, Rudolf Diesel. Explizit politische Führer werden gezeigt in „Der große König“ – über Friedrich II. und in „Die Entlassung“ über Reichskanzler Bismarck. Das Schema bleibt das gleiche. Der willensstarke Einzelne überwindet alle Widerstände und rettet sein Volk. Auffällig und in der Filmforschung bislang wenig beachtet wurde, daß die Führerfiguren in diesen Filmen nur selten dem propagierten nordischen Rasseideal entsprachen. Der massige von Emil Jannings gespielte Robert Koch so wenig wie der kleine und dickbäuchige Paracelsus oder wie Bismarck mit Glatze und Bauchansatz. Das war weniger ein Zugeständnis an die aktuelle NS-Führung, die von Göring über Goebbels bis zu Hitler ebenfalls kaum dem Rasseideal entsprach. Der Grund dürfte ein anderer gewesen sein: Während das Volk, das als Material der Formierung der Volksgemeinschaft vor allem durch Rasse bestimmt gedacht wurde, war das entscheidende Kriterium des Führers nicht äußerliche rassische Attribute, sondern sein unbezwingbarer Wille, mit der andere bestimmt und weltanschaulich „formatiert“ (Goebbels) wurden. Im berühmten Film „Geierwally“, inszeniert von Hans Steinhoff, der bereits vor 1933 für die NSDAP aktiv war, kann sogar eine Frau die starke Rolle übernehmen. Sie setzt sich gegen alle Widerstände in ihrem Dorf durch und heiratet sogar den Mann, den sie will. Die Inszenierung der starken Frauen schien den Machthabern jetzt kriegswichtig. Die Männer waren im Krieg und die Frauen mußten „in selbstverständlicher Pflichterfüllung den Platz der Männer in der Heimat einnehmen“ (O-Ton NS-Wochenschau).
Antisemitismus
Obwohl der Antisemitismus ein Kernbestandteil der nationalsozialistischen Ideologie war, dauerte es bis zum Kriegsbeginn, bis ausgesprochen antisemitische Langfilme gemacht wurden: Die Spielfilme „Leinen aus Irland“, „Jud Süß“ und „Die Rothschilds“ sowie der sich als Dokumentar- und Wissenschaftsfilm gebende antisemitische Hetzstreifen „Der Ewige Jude“. Alle Filme bedienten das gleiche antisemitische Klischee, wie es von Goebbels und Streicher bereits in der Weimarer Republik vertreten wurde. Danach war das Judentum keine Religion, sondern eine minderwertige Rasse, die die Kulturvölker, zumal das deutsche von innen heraus zu zersetzen versuchten. Juden waren demnach besonders häufig Verbrecher, sie waren für den Marxismus und Bolschewismus verantwortlich und besetzten in Staat und Wirtschaft Schlüsselpositionen, wenn man sie nicht dran hinderte.
Euthanasie
Auch die massenweise Ermordung geistig behinderter Menschen, euphemistisch „Euthanasie“ genannt, wurde im Spielfilm thematisiert. Der vom Regisseur Wolfgang Liebeneiner inszenierte Film „Ich klage an“ von 1941 sollte den immer noch vorhandenen und vor allem in katholischen Kreisen starken Widerstand aufbrechen. Eine unheilbar an Multipler Sklerose erkrankte Frau erhält auf ihr inständiges Bitten von ihrem Mann – einem Arzt – einen tödlichen Trank und wird damit von ihrem Leiden erlöst. Ein anschließender Mordprozeß gegen den Arzt dient dem Film dazu, suggestiv die Argumente für eine aktive Sterbehilfe nahezubringen. Goebbels erkannte richtig, daß das hier ein Einfallstor für die Vermittlung der geistig Behinderten darstellt. Man mußte nur noch vermitteln, daß diese ebenfalls arme, leidende Menschen sind, die man erlösen muß. Goebbels lobt denn auch den Film: „Ein richtiger Diskussionsfilm. Großartig gemacht und ganz nationalsozialistisch.“ Schon 1936 und 1939 hatten die „Dokumentarfilme“ „Erbkrank“ und „Opfer der Vergangenheit“ das Kinopublikum auf die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ vorbereitet. Worum es Goebbels bei dieser Art der Filmpropaganda ging, sprach er offen aus: daß „uns die Liquidierung dieser nicht mehr lebensfähigen Menschen psychologisch etwas leichter gemacht wird.“
Feindpropaganda und Kriegspropaganda
Spätestens mit Kriegsbeginn wurde es für die Filmpropaganda im Spielfilm wichtig, auch Militärisches als solches zu verherrlichen und Stimmung gegen die Feinde aufzubauen. Der militärischen Bedeutung entsprechend spielten vor allem anti-englische und anti-russische Streifen eine Rolle. Die Entwicklung anti-englischer Stoffe ging auf eine Direktive Goebbels vom September 1939 zurück. In „Ohm Krüger“ – in der Hauptrolle wiederum Emil Jannings – wird in brutalsten Bildern die Grausamkeit der englischen Kolonialherrschaft im Burenkrieg gezeigt. Massenerschießungen von Frauen zeigen die Grausamkeit der Engländer und Missionare mit Gewehren bedienen antiklerikale Ressentiments. Im von Herbert Selpin gedrehten Streifen „Titanic“ von 1942 wird die englische Gesellschaft dominiert von Spekulanten, Gaunern und Betrügern. Der – jüdische – Eigner des Schiffes riskiert bewußt das Schicksal der Titanic in der verantwortungslosen Jagd auf Rekorde. Die einzige Lichtgestalt auf diesem Schiff ist ein deutscher Offizier der unter Todesverachtung ein Kind vor dem Ertrinken rettet. Anti-russische Filme werden bereits in der Vorkriegsphase produziert. In „Weiße Sklaven“(1936) werden die Grausamkeiten der Bolschewisten in der Revolution 1917 gezeigt. In „Friesennot“ leidet eine kleine Gemeinschaft von Wolgadeutschen unter der Brutalität der russischen Machthaber. Andererseits wurden in zahlreichen Filmen die deutschen militärischen Leistungen verherrlicht. Vor allem in der Frühphase der Krieges wird dieser primär als ein kurzweiliges Abenteuer dargestellt, das den Draufgänger idealisiert, der dank seines Mutes alle Gefahren meistert. Tatsächliches Risiko und Leid werden verschwiegen. „U-Boote westwärts“, „Stukas“, „Spähtrupp Hallgarten“ gehörten in diese Rubrik. Den deutschen Zuschauern wurde die Überlegenheit der eigenen Wehrmacht so vor Augen geführt und Siegeszuversicht gefördert.
Durchhaltefilme
Spätestens 1942 war klar, daß der Krieg nicht mehr mit einem schnellen Sieg zu beenden war und nach Stalingrad war auch für Goebbels eine endgültige Niederlage nicht mehr völlig auszuschließen. Der Unterhaltungs- und Spielfilm bekam jetzt verstärkt die Aufgabe, den Durchhaltewillen der Bevölkerung zu stärken – vorwiegend durch das Exempel historischer Gestalten. In „Der große König“ wird der Preußen-König – die gewünschte Analogie zum Führer Hitler sollte jeder Kinobesucher intuitiv selbst herstellen – als jemand dargestellt, der trotzt militärischer Niederlagen und Zweifrontenkrieg nicht an seinem Weg zweifelt und schließlich die preußische Nation zum Sieg führt. Bereits im Sommer 1943 – wenige Wochen nach Stalingrad plante Goebbels einen Durchhaltefilm – er rechnete mit einer weiteren Verschlechterung der militärischen Lage, der als letzter Propagandafilm noch Anfang 1945 in die Kinos kam. Jedenfalls dort, wo in den zerbombten Städten überhaupt noch spielfähige Kinos standen: „Kolberg“. Das pommersche Städtchen steht im Mittelpunkt einer Handlung der preußischen Geschichte, als es von den Feinden belagert wird. Der Führer der örtlichen Bürgerwehr Nettelbeck (Heinrich George) rettet schließlich Kolberg. Durchhalteparolen und riesige monumentale Schlachtszenen bestimmen den Film. Als das reale Kolberg von den Russen dann besetzt wird, läßt Goebbels diese Meldung unterdrücken: „Wir können das angesichts der starken psychologischen Folgen für den Kolberg-Film augenblicklich nicht gebrauchen.“
Propaganda in der Komödie
90% der während des Dritten Reiches produzierten Filme gehörten dem Genre der Komödie, des Musikfilms und der leichten Unterhaltung an. Die frühere Filmforschung sah in diesen sogenannten H-Filmen (Heitere Filme und Musikstreifen) keine Propaganda. Allenfalls indirekt hätten sie dem Regime gedient, weil sie die Menschen von den Sorgen und Problemen ablenkten. Genauere Analysen zeigen jedoch: Unterhaltungsfilme dienten – gerade weil das Publikum hier keine politischen Inhalte erwartete – als besonders wirkungsvolle Mittel, Propaganda effektiv zu transportieren. Die Unterhaltung stehe „nicht am Rande des öffentlichen Geschehens“ und könne „sich nicht den Aufgabenstellungen der politischen Führung entziehen,“ so Goebbels schon 1934. Als Beispiel sollen hier die beliebten Heinz-Rühmann-Komödien dienen, die bis heute – fälschlicherweise – als Muster unpolitischer Unterhaltungsfilme gelten. In „Hauptsache glücklich“ von 1941 beobachtet Rühmann als kleiner Angestellter, wie seine Vorgesetzten die Firma mit falschen Spesenrechnungen betrügen und ihn selbst überdies ständig schikanieren. Der Mißmut der Bevölkerung über Parteibonzen und Verwaltungsfunktionäre wird hier raffiniert transponiert in das politisch unverfängliche Milieu eines Betriebes. Nach einer Kette komödiantischer Verwicklungen kommt Rühmann zum Direktor der Firma, der zuvor – wie der „Führer“ Hitler im Staat – ihm unnahbar fern erschien. In einer Art verzweifelten Mutes klagt er ihm die korrupten Verhaltensweisen der Abteilungsleiter. Der Direktor ist erschüttert, die Abteilungsleiter werden gefeuert und Rühmann wird selbst befördert. Für die Zeitgenossen ist auch die Anspielung offenkundig: Der Direktor der Firma figuriert als Metapher für den „Führer“ selbst und diesem ist auch der kleine Volksgenosse wichtig – wenn er nur von dessen Problemen immer erfahren würde. Im noch heute populären Rühmann-Film, „Quax, der Bruchpilot“ werden Zuschauer vordergründig durch allerlei Eskapaden und komödiantische Flugeinlagen unterhalten. Der Flieger, suggeriert der Film in einer Szene, als Quax improvisiert auf dem Marktplatz landet und von Hunderten von Menschen umjubelt wird, wird allgemein bewundert. Die Werbung fürs Fliegen und für Fliegerkameradschaft hatte ihren Grund: Hitler hatte gerade die Sowjetunion überfallen und brauchte dringend Fliegernachwuchs für die Luftwaffe. Als 1939 der Krieg beginnt und der Slogan „Der Führer braucht Soldaten“ gilt, darf Rühmann in „Hurra, ich bin Papa“ ein Loblied auf reichen Kindersegen spielen. „Kein besonders guter Rühmann-Film“, kommentiert Goebbels trocken, „aber für den Krieg schon zu gebrauchen.“ Daß die Rühmann-Komödien auf nationalsozialistischer Linie waren, dafür sorgte nicht zuletzt der Regisseur vieler dieser Filme: Carl Froelich, Mitglied der NSDAP und Präsident der Reichsfilmkammer. Froelich zeichnet auch für einen der furchtbarsten Rühmann-Filme verantwortlich, in dem die Komödie in Schrecken und offene Drohung umschlägt: „Der Gasmann“, aus dem Jahre 1941. Hier spielt Rühmann einen kleinen Gasableser, der durch einen Zufall an viel Geld kommt. Ein Unbekannter kauft im Zug gegen eine horrende Summe seinen Anzug ab, während dieser mit dem Schlafanzug vorliebnehmen muß. Zunächst können sich die Zuschauer an der Komik eines Rühmanns erfreuen, der im Schlafanzug durch das großstädtische und belebte Berlin nach Hause schleicht. Seine Frau verwendet den überraschenden Geldsegen für den Kauf unnötiger Luxusgüter. Die Nachbarn werden mißtrauisch und denunzieren den kleinen Gasableser bei den Behörden. Als daraufhin Gestapo-Beamte in der Wohnung auftauchen, dürfte wohl jedem Zuschauer das Lachen vergangen sein. Die Beamten glauben ihm seine Geschichte vom Mann im Zug nicht und verdächtigen ihn, das viele Geld von einem Ausländer bekommen zu haben. Als Beamter wisse er ja manches, was das Ausland interessieren könne. Das war Spionage und darauf stand die Todesstrafe. Für die „Volksgenossen“ im Kino eine unübersehbare Warnung. Der Film unterstreicht die politische Stoßrichtung noch dadurch, daß – untypisch für Filme des Dritten Reiches – die Protagonisten mit „Heil Hitler“ grüßen.
Das Ende der Filmindustrie
Seit Herbst 1944 mit fortschreitendem Kriegsgeschehen verschlechterten sich die Produktionsbedingungen für Filme immer mehr. Zahlreiche Studioanlagen nicht nur in den besetzten Gebieten waren verlorengegangen und zerstört, Filmmaterial war zunehmend schwer zu besorgen. Außenaufnahmen in deutschen Großstädten waren aufgrund der großen Zerstörung nicht mehr machbar. Und nicht zuletzt waren zahlreiche Kinos zerstört. Goebbels versuchte dies – die Filmwirtschaft hielt er für kriegswichtig – bis zuletzt mit improvisierten Lichtspielplätzen auszugleichen – mitunter wurden Leinwände zwischen den Ruinen aufgehängt. Selbst Pläne für abendfüllende Spielfilme wurden noch gemacht. Zuletzt forderte Goebbels einen Film, der „eine Berliner Bombennacht in einem Haus im Hansaviertel schildert“. Auch einen zynischen Titel für das nie realisierte Projekt hatte Goebbels parat: „Das Leben geht weiter.“
Autor: Dr. Bernd Kleinhans
Literatur
Becker, Wolfgang: Film und Herrschaft. Organisationsprinzipien und Organisationsstrukturen der nationalsozialistischen Filmpropaganda, Berlin 1973.
Hanna-Daoud, Thomas: Die NSDAP und der Film bis zur Machtergreifung, Köln, Weimar und Wien 1996 (Medien in Geschichte und Gegenwart Bd. 4).
Hoffmann, Hilmar: „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film, Frankfurt a.M. 1988.
Kleinhans, Bernd: Ein Volk, ein Reich ein Kino. Lichtspiel in der braunen Provinz, Köln 2003.
Mannes, Stefan: Antisemitismus im nationalsozialistischen Propagandafilm Der ewige Jude und Jud Süß, Köln 1999.
Moeller, Felix: Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich, Berlin 1998.
Quanz, Constanze: Der Film als Propagandainstrument Joseph Goebbels‘, Köln 2000.
Witte, Karsten: Lachende Erben, Toller Tag. Filmkomödie im Dritten Reich, Berlin 1995.
Deutschlandfunk: Filme aus der NS-Zeit. Rassenideologie in der „Feuerzangenbowle“