Schauspieler, Goebbels-Liebling und prominentester Opportunist der NS-Zeit. (März 1902 – Okt. 1994)
Von der Bahnhofswirtschaft zum Filmstar
Heinz Rühmann wurde als Sohn des Hoteliers Hermann Rühmann und seiner Frau Margarethe geboren. Seine Kindheit war geprägt von der Arbeit in der elterlichen Bahnhofsgaststätte in Wanne, wo er früh lernte, mit Menschen umzugehen. Diese Erfahrungen sollten ihm später als Schauspieler zugutekommen. Nach der Scheidung der Eltern zog Rühmann 1916 mit seiner Mutter und seinen drei Geschwistern nach München. Dort absolvierte er zunächst eine Lehre als Handlungsreisender, entdeckte aber bald seine Leidenschaft für die Schauspielerei.
Der junge Rühmann nahm Schauspielunterricht bei dem renommierten Charakterdarsteller Friedrich Basil und gab 1920 sein Bühnendebüt am Residenztheater in Hannover. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und mehrerer Misserfolge blieb er hartnäckig. Der Durchbruch als Filmschauspieler gelang ihm schließlich 1930 mit der Komödie „Die Drei von der Tankstelle“. Von da an ging es steil bergauf für den sympathischen Komiker.
Der Historiker Hans-Peter Reichmann beschreibt Rühmanns Aufstieg wie folgt: „Rühmann verkörperte den Typus des ‚kleinen Mannes‘, mit dem sich das Publikum identifizieren konnte. Seine scheinbare Durchschnittlichkeit und sein unprätentiöses Auftreten machten ihn zum Jedermann der deutschen Leinwand.“
Rühmann in der NS-Zeit: Zwischen Anpassung und innerer Emigration
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 stellte einen Wendepunkt in Rühmanns Karriere dar. Obwohl er kein Mitglied der NSDAP war, arrangierte er sich mit dem Regime und profitierte von der Gleichschaltung der Filmindustrie. Er drehte weiterhin erfolgreiche Komödien wie „Quax, der Bruchpilot“ (1941) und „Die Feuerzangenbowle“ (1944), die als willkommene Ablenkung vom Kriegsalltag dienten.
Rühmanns Beziehung zum NS-Regime war ambivalent. Einerseits stand er in beratender Verbindung mit Propagandaminister Joseph Goebbels und unterhielt freundschaftliche Kontakte zu Hermann Göring. Andererseits half er jüdischen Kollegen wie dem Regisseur Helmut Käutner und seiner ersten Frau Maria Bernheim bei der Flucht ins Ausland.
Der Filmhistoriker Wolfgang Jacobsen kommentiert Rühmanns Verhalten während der NS-Zeit kritisch: „Rühmann war kein aktiver Nationalsozialist, aber er war auch kein Widerstandskämpfer. Er arrangierte sich mit dem System, um seine Karriere nicht zu gefährden, und blendete die Verbrechen des Regimes weitgehend aus.“
Nach dem Krieg musste sich Rühmann, wie viele andere Künstler, einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen. Er wurde als „Mitläufer“ eingestuft und durfte seine Karriere fortsetzen. Die moralische Ambivalenz seiner Haltung während der NS-Zeit sollte ihn jedoch zeitlebens begleiten.
Nachkriegskarriere und Spätwerk
Nach einer kurzen Durststrecke in den unmittelbaren Nachkriegsjahren gelang Rühmann 1956 mit der Tragikomödie „Der Hauptmann von Köpenick“ ein fulminantes Comeback. In der Rolle des Schusters Wilhelm Voigt, der sich als Hauptmann verkleidet und das Rathaus von Köpenick besetzt, zeigte Rühmann seine ganze schauspielerische Bandbreite. Die Paraderolle brachte ihm internationale Anerkennung und einen Golden Globe als bester ausländischer Darsteller ein.
In den folgenden Jahrzehnten festigte Rühmann seinen Status als einer der beliebtesten deutschen Schauspieler. Er brillierte in Komödien wie „Das schwarze Schaf“ (1960) und „Die Ente klingelt um halb acht“ (1968), wagte sich aber auch an ernstere Rollen wie in „Warten auf Godot“ (1976). Rühmann blieb bis ins hohe Alter aktiv und drehte seinen letzten Film „In weiter Ferne, so nah!“ unter der Regie von Wim Wenders im Jahr 1993.
Der Schauspieler Hardy Krüger, ein langjähriger Weggefährte Rühmanns, beschrieb dessen Alterswerk folgendermaßen: „Heinz hatte die seltene Gabe, auch im Alter nicht verbittert oder zynisch zu werden. Er behielt seine kindliche Neugier und seinen Humor bis zum Schluss. Das machte ihn zu einem einzigartigen Künstler und Menschen.“
Charakterdarsteller. Der Mensch hinter der Maske
Trotz seines öffentlichen Images als fröhlicher Komödiant war Rühmanns Privatleben von Tragödien und Konflikten geprägt. Seine erste Ehe mit der jüdischen Schauspielerin Maria Bernheim scheiterte unter dem Druck des NS-Regimes. Die zweite Ehe mit Hertha Feiler, mit der er den Sohn Peter hatte, endete nach 40 Jahren mit Feilers Tod. Erst in seiner dritten Ehe mit Hertha Droemer fand Rühmann spätes privates Glück.
Rühmann kämpfte zeitlebens mit Depressionen und Selbstzweifeln. Seine Angst vor großen Tieren, insbesondere Pferden, wurde zu einem Running Gag in seinen Filmen. Hinter der Fassade des lustigen Komikers verbarg sich ein sensibler und oft melancholischer Mensch.
In einem seiner letzten Interviews gestand Rühmann: „Ich habe immer versucht, die Menschen zum Lachen zu bringen. Aber manchmal war es schwer, selbst zu lachen. Das Leben ist eben keine Komödie, auch wenn wir uns das manchmal wünschen.“
Heinz Rühmann starb am 3. Oktober 1994 im Alter von 92 Jahren in seinem Haus am Starnberger See. Er hinterließ ein künstlerisches Erbe, das bis heute nachwirkt und Generationen von Zuschauern erfreut.
Rühmanns filmisches Vermächtnis
Heinz Rühmanns Filmografie umfasst über 100 Produktionen und spiegelt die Entwicklung des deutschen Kinos über mehr als sechs Jahrzehnte wider. Zu seinen bekanntesten und erfolgreichsten Filmen zählen:
- „Die Drei von der Tankstelle“ (1930): Rühmanns Durchbruch als Filmschauspieler in der Rolle des liebenswerten Tollpatsches.
- „Der Mustergatte“ (1937): Eine typische Verwechslungskomödie der NS-Zeit, in der Rühmann sein komödiantisches Talent unter Beweis stellt.
- „Quax, der Bruchpilot“ (1941): Eine der beliebtesten Komödien der Kriegsjahre, in der Rühmann einen tollpatschigen Flugschüler spielt.
- „Die Feuerzangenbowle“ (1944): Der wohl bekannteste Film Rühmanns, der bis heute Kultstatus genießt und regelmäßig zu Silvester im Fernsehen gezeigt wird.
- „Charleys Tante“ (1956): Eine Neuverfilmung des Theaterstücks von Brandon Thomas, in der Rühmann in einer Doppelrolle brilliert.
- „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956): Rühmanns internationale Durchbruch in der Rolle des Wilhelm Voigt, basierend auf dem Theaterstück von Carl Zuckmayer.
- „Das schwarze Schaf“ (1960): Rühmann als Pater Brown in einer Verfilmung der Kriminalgeschichten von G.K. Chesterton.
- „Der brave Soldat Schwejk“ (1960): Eine Adaption des satirischen Romans von Jaroslav Hašek, in der Rühmann den listigen Schwejk verkörpert.
Interessanterweise wurde Rühmann nie für einen Oscar nominiert, obwohl er international durchaus Anerkennung fand. Vielleicht lag es daran, dass seine Filme oft als „zu deutsch“ empfunden wurden – ein Umstand, der Rühmann selbst mit subtiler Ironie kommentierte: „Ich bin eben kein Hollywood-Typ. Mein Gesicht passt besser zu Sauerkraut als zu Popcorn.“
Rühmann und die deutsche Nachkriegsgesellschaft
Heinz Rühmanns Rolle in der deutschen Nachkriegsgesellschaft war komplexer, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Einerseits verkörperte er in seinen Filmen oft den „kleinen Mann“, der sich mit Witz und Charme durch die Widrigkeiten des Lebens schlägt – eine Figur, mit der sich viele Deutsche in der Wiederaufbauphase identifizieren konnten. Andererseits repräsentierte er auch eine gewisse Kontinuität zur Vorkriegszeit, die nicht unproblematisch war.
Die Historikerin Ute Daniel merkt dazu an: „Rühmann war eine Projektionsfläche für die Sehnsüchte einer Nation, die nach dem Krieg nach Normalität und Harmonie strebte. Seine Filme boten Eskapismus und vermittelten gleichzeitig das Gefühl von Vertrautheit und Kontinuität.“
Tatsächlich war Rühmann einer der wenigen Stars, die sowohl vor als auch nach 1945 erfolgreich waren. Dies führte gelegentlich zu Kritik, da ihm vorgeworfen wurde, sich nicht ausreichend mit seiner Rolle während der NS-Zeit auseinandergesetzt zu haben. Rühmann selbst äußerte sich nur selten zu diesem Thema, was von manchen als Verdrängung interpretiert wurde.
Interessanterweise war Rühmann einer der ersten deutschen Schauspieler, die nach dem Krieg wieder in der sowjetischen Besatzungszone arbeiten durften. Bereits im März 1946 wurde im Rahmen der allerersten Ausgabe einer deutschen Zeitung in der sowjetischen Besatzungszone über Rühmann berichtet – ein Zeichen dafür, dass er auch im Osten Deutschlands nach wie vor populär war.
Rühmanns späte Jahre und künstlerisches Vermächtnis
In seinen späten Jahren wagte sich Rühmann zunehmend an ernstere Rollen und bewies, dass er mehr war als nur der ewige Komödiant. Seine Darstellung in Samuel Becketts „Warten auf Godot“ an den Münchner Kammerspielen 1976 überraschte Kritiker und Publikum gleichermaßen. Der alternde Star zeigte eine bisher unbekannte Seite seines schauspielerischen Könnens.
Rühmann blieb bis ins hohe Alter aktiv und drehte seinen letzten Film „In weiter Ferne, so nah!“ unter der Regie von Wim Wenders im Jahr 1993 – im Alter von 91 Jahren. Es war ein passender Abschluss für eine Karriere, die fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannte.
2001 wurde bekannt, dass Rühmann in den 1950er Jahren in beratender Verbindung zur sogenannten „Gruppe Ulbricht“ stand, die am Wiederaufbau der DDR beteiligt war. Diese Enthüllung sorgte für Kontroversen, zeigte aber auch, wie komplex und vielschichtig Rühmanns Biografie tatsächlich war.
Rühmanns künstlerisches Erbe ist bis heute lebendig. Seine Filme werden regelmäßig im Fernsehen wiederholt, und „Die Feuerzangenbowle“ hat sich zu einem regelrechten Kultfilm entwickelt, der vor allem bei Studenten beliebt ist. Ironischerweise wird dabei oft vergessen, dass der Film ursprünglich als NS-Propagandafilm konzipiert war – ein Umstand, der die ambivalente Natur von Rühmanns Karriere unterstreicht.
Der Komponist Martin Böttcher, der die Musik zu mehreren Rühmann-Filmen schrieb, fasste Rühmanns Bedeutung für das deutsche Kino treffend zusammen: „Heinz war mehr als nur ein Schauspieler. Er war eine Institution, ein Stück deutscher Kulturgeschichte. Seine Filme sind wie eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert – mit all seinen Höhen und Tiefen.“
Fazit
Heinz Rühmann war zweifellos einer der größten Stars des deutschen Kinos. Seine Karriere, die sich über sieben Jahrzehnte erstreckte, spiegelt die turbulente Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert wider. Von der Weimarer Republik über die NS-Zeit bis hin zur Nachkriegsära – Rühmann war immer präsent und passte sich den jeweiligen Umständen an.
Dabei war er mehr als nur der ewige Komödiant, als der er oft wahrgenommen wird. Hinter der Fassade des fröhlichen „kleinen Mannes“ verbarg sich ein komplexer Künstler, der mit Selbstzweifeln und der Last seiner Vergangenheit zu kämpfen hatte. Seine Fähigkeit, Menschen zum Lachen zu bringen, während er selbst oft mit Melancholie kämpfte, macht ihn zu einer tragischen Figur im besten Sinne des Wortes.
Rühmanns Vermächtnis ist ambivalent. Einerseits steht er für eine Kontinuität in der deutschen Filmgeschichte, die problematische Aspekte aufweist. Andererseits hat er Generationen von Zuschauern Freude bereitet und bleibt bis heute einer der beliebtesten deutschen Schauspieler aller Zeiten.
Vielleicht liegt die Wahrheit über Heinz Rühmann irgendwo zwischen dem strahlenden Lächeln des Komikers und dem melancholischen Blick des alternden Stars. Er war, wie wir alle, ein Mensch.
Heinz Rühmann starb am 3. Oktober 1994 im Alter von 92 Jahren.
Weitere Informationen zu Heinz Rühmann bei der Murnau-Stiftung.