Iwan Konew war Oberkommandierender der Gruppe der Sowjetischen Truppen bei der Schlacht um Berlin, Held der Sowjetunion und „Befreier“ von Prag 1961.

Konew als Marschall der Sowjetunion (1945). Mil.ru, Ivan Stepanovich Konev, CC BY 4.0.
Frühe militärische Karriere von Iwan Konew
Iwan Stepanowitsch Konew trat 1918 in die Rote Armee ein und stieg in den folgenden Jahrzehnten rasch auf. Schon im Russischen Bürgerkrieg kommandierte er erste Einheiten, später wurde er im Auftrag Stalins an verschiedenen Fronten eingesetzt. Zum Beginn des Zweiten Weltkriegs übernahm Konew als General der Panzertruppen das Kommando über die neu gebildete 19. Armee. Im September 1941 verteidigte er damit die Zugänge zur sowjetischen Hauptstadt – in der Schlacht um Moskau leistete seine Armee entscheidenden Widerstand gegen die Wehrmacht. Stalin war beeindruckt von Konews Führung; noch im Winter 1941 wurde er zum Oberbefehlshaber an einer neuen Front ernannt. Bereits 1942 hatte er hohe Auszeichnungen erhalten, und 1943 in der Mittelschlacht am Kursker Bogen erhielt Marschall Konew den Ehrentitel „Held der Sowjetunion“ (zweifacher Gewinner dieses Titels). Seine militärischen Fähigkeiten als Kommandeur bewährten sich im Dezember 1941 beim Gegenstoß in Richtung Smolensk ebenso wie kurz darauf in den schweren Schlachten um Woronesch und am Donez. In dieser frühen Kriegsphase hatte Konew außerdem kurzzeitig auch die Truppen der Steppe-Front unterstellt. Er setzte dabei auf durchschlagskräftige Panzer-Korps und zähe Infanterie, um die deutschen Angriffe aufzuhalten. So gelang es ihm, die sowjetischen Linien stabil zu halten, bis im Sommer 1942 die Rote Armee wieder in die Offensive gehen konnte.
Iwan Konew und die Schlacht um Moskau 1941
Im Winter 1941 lag die Sowjetunion unter massivem deutschen Druck, doch das Blatt wendete sich vor den Toren Moskaus. Konew führte seine 19. Armee als Teil der Westfrontverbände tapfer gegen die Wehrmacht. Auf dem Eis und Schnee der Umgebung Moskaus starteten seine Truppen heftige Gegenangriffe – unterstützt von Einheiten aus Sibirien und Fernost – die den Vormarsch der Deutschen schließlich stoppten. In dieser Verteidigungs- und Gegenoffensive wechselte er mehrfach zwischen Offensiv- und Defensivtaktiken, nutzte Artillerie und Panzerverbände gezielt und sammelte Truppen aus weniger gefährdeten Gebieten an der Front. Seine Soldaten waren stolz darauf, unter Konews Befehl zu stehen, und trugen mit ihrem Einsatz dazu bei, dass die Hauptstadt nicht fiel. Dieses erfolgreiche Manöver begründete Konews Ruf als fähiger Militärführer: Noch im Herbst 1941 wurde er zum Kommandeur der neuen Steppefront ernannt und erhielt den Rang Generaloberst. Die Rote Armee war jetzt selbst am Zug.
Auf dem Vormarsch: Konew, Kursk und die ukrainischen Fronten
Nach den siegreichen Abwehrkämpfen bewegten sich Konews Streitkräfte im Frühjahr 1943 wieder in die Offensive. Er übernahm zunächst die frisch aufgestellte Steppefront (ab März 1943) und dann im Juli 1943 als ihr Oberkommandierender die 1. Ukrainische Front. In dieser Funktion führte Marschall Konew die Rote Armee bei der entscheidenden Schlacht im Kursker Bogen (Operation Zitadelle). Seine Truppen waren bereit für die erwartete deutsche Großoffensive, und unter seinem entschlossenen Befehl scheiterte das Unternehmen. Schon wenige Tage nach Beginn der Schlacht 1943 ging Konew in die Gegenoffensive: Die sowjetischen Panzerkorps durchbrachen die deutschen Linien und nahmen wichtige Positionen ein. In der Folge wurden deutsche Verbände bei Prochorowka zurückgeworfen. Konew nutzte den Sieg, um die Grenze zum deutsch besetzten Europa zu erreichen: Seine 1. Ukrainische Front überquerte im Frühsommer 1944 die Weichsel, befreite Lemberg und stieß weiter nach Warschau vor. Die Truppen der 1. Ukrainischen Front befreiten im Sommer 1944 schließlich ganz West-Ukraine und Teile Polens. Dabei rückten Konews Truppen zeitgleich mit den durchbrechenden Verbänden Georgi Schukows vor, jedoch mit dem Ziel, schnell nach Berlin vorzustoßen und gleichzeitig die Nordflanke abzusichern. Konews Offensive ging oft über offene Feldschlachten, um Städte zu schonen – ein taktisches Fazit, das er im Angesicht der Berichte aus Nazi-Lagern gezogen hatte.
Befreiung von Auschwitz: Konew konfrontiert mit dem Holocaust
Anfang 1945 durchbrachen Konews Truppen zusammen mit Verbündeten die letzte deutsche Verteidigungslinie in Schlesien. Die 1. Ukrainische Front erreichte am 27. Januar 1945 das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Das Lager war bereits geräumt worden, doch die sowjetischen Einheiten fanden dort unfassbare Zeugnisse der nationalsozialistischen Verbrechen. Berichte und Fotografien über Berge von Leichen und das Leid der Häftlinge erreichten Marschall Konew. Aus dieser Erfahrung zog er tiefgreifende persönliche Schlüsse: Er notierte später in seinen Memoiren, er habe sich ausdrücklich verboten, das Lager selber zu betreten, „damit das Gefühl der Rache mich nicht blind mache“. Konew begriff, dass persönlicher Hass nur zu weiterer Brutalität führen würde – und würde somit den Sieg teuer erkaufen. Seine Antwort war Disziplin und Menschlichkeit auch im Krieg: Er beorderte seine Truppen in einen offenen Geländegriff, um möglichst wenige Zivilisten zu gefährden, und erlaubte kein rücksichtsloses Vorgehen. Diese vorsichtige Haltung führte dazu, dass Städte wie Lemberg, Krakau und Prag fast unzerstört blieben und die Kämpfe vor den Mauern stattfanden. In Auschwitz selbst übergab er der Sowjetischen Militärinternen Untersuchungskommission alle Beweise, die das Ausmaß des Holocaust dokumentierten. Seine Schlussfolgerung lautete, dass die Überlebenden gerettet und die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssten – im Bewusstsein, dass man sich nicht selbst zu Tätern werden dürfe.
Schlacht um Berlin und Befreiung Prag 1945: Konews Vorstoß ins Herz Europas
Mit Beginn des Jahres 1945 rückte das Ende des Krieges näher. Marschall Konew befehligte die 1. Ukrainische Front im Frühjahr 1945 bei der großen Operation gegen Berlin. Am 16. April 1945 startete er die Offensive von Süden her, während Georgi Schukow mit der 1. Weißrussischen Front von Nordosten vordrang. Konews Truppen drängten die letzten Wehrmachtseinheiten in der Hauptstadt in die Enge und lieferten sich erbitterte Kämpfe um Spree und Potsdamer Platz. Am 2. Mai 1945 kapitulierte Berlin bedingungslos. Nur wenige Tage nach diesen letzten Kämpfen trat Konew mit seinen Einheiten einen neuen Marsch an: Am 9. Mai 1945 zog die 1. Ukrainische Front in die tschechische Hauptstadt ein – zur Befreiung Prags vom Nazijoch. Die Einwohner Prags empfingen die sowjetischen Soldaten begeistert: Der Jubel der Bevölkerung in Prag galt den befreiten Kommunen und ihren Befreiern. In Prag 1945 setzten sich die Vorstellungen fort, die Stalin in der sowjetischen Geschichtsschreibung propagiert hatte – Konew war hier sowohl Symbol des Kriegsendes als auch Vorbote der neuen Ordnung.
Nachkriegszeit: Konew, die sowjetischen Streitkräfte und der Kalte Krieg
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm Konew hohe Militärposten in Europa und in Moskau. Von Sommer 1945 bis 1946 war er Oberkommandierender der Zentralgruppe der sowjetischen Streitkräfte in Mitteleuropa und zugleich sowjetischer Oberkommissar in Österreich. Anschließend kommandierte er mehrere Jahre lang die Landstreitkräfte der UdSSR. Bereits 1944 war er zum Marschall der Sowjetunion befördert worden – eine der höchsten Rangstufen der UdSSR. Konew gehörte nun zu den führenden Generälen der Roten Armee neben Schukow und Rokossowski. In dieser Nachkriegszeit trug er entscheidend zum Aufbau der „Ostblock“-Strukturen bei. 1956 führte er persönlich die sowjetischen Truppen zur Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes. Er koordinierte dabei auch die Truppen des Warschauer Paktes, die in Ungarn einmarschierten, um den Aufstand niederzuschlagen. Später übernahm er 1961 als Oberkommandierender der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland auch das Oberkommando über alle sowjetischen Truppen im Berliner Raum. In dieser Funktion war er zur Zeit des Mauerbaus 1961 maßgeblich beteiligt: Konew befahl Militärübungen nahe der Grenze und trug mit dazu bei, die stalinistische Politik gegenüber West-Berlin zu verstärken. Trotz seiner Kriegsveteranenrolle wurde er nun zum Symbol der sowjetischen Macht in Europa, was sich auch in seinem Spitznamen Marschall Iwan Konew widerspiegelte. Er war einer der wenigen hohen Offiziere, die sowohl als Oberkommandierender der sowjetischen Truppen als auch als Kommandeur der Landstreitkräfte dienten. 1968 unterstützte er im Kreml noch Planungen für die Niederschlagung des Prager Frühlings, bevor er sich aus der aktiven Politik zurückzog.
Debatten um das Konew-Denkmal in Prag und Moskau
Ein bronzenes Denkmal zu Ehren von Iwan Stepanowitsch Konew stand von 1980 bis 2020 am Prager Interbrigaden-Platz. In der Tschechoslowakei entbrannte über dieses Konew-Denkmal ein heftiger Streit: Die einen sahen in ihm den Befreier Prags, andere einen Vorboten der sowjetischen Besatzung. In den 2010er Jahren forderten Politiker wie Prager Bürgermeister Zdeněk Hřib die Entfernung des Obelisken. Anfang 2017 deckte die Bezirksverwaltung von Prag 6 das Standbild ab und enthüllte eine Gedenktafel, auf der die Namen der sowjetischen Gefallenen verzeichnet waren. Dabei wurde auch das Motto des Dissidenten Alexander Solschenizyn zitiert: „Haben alle Tschechen verstanden, welche Russen ihre Stadt wirklich befreit haben?“ (auf Tschechisch). Anhänger der Denkmalkritiker verweisten gleichzeitig darauf, dass 2016 in unmittelbarer Nähe ein Platz vor der russischen Botschaft nach dem ermordeten Kreml-Kritiker Boris Nemzow benannt wurde. Auf diese Weise schuf Prag ein neues Symbol der Erinnerung: Den Platz der Sowjetarmee ersetzte ein Mahnmal für Freiheitskämpfer und Andersdenkende. Auch Medien wie Radio Prague International berichteten über diese Kontroversen. In Russland selbst wird heute dagegen oft betont, dass Marschall Konew zugleich Held der Sowjetunion und Befreier Prags gewesen sei – was wiederum bei Angehörigen der 1968er-Generation auf Ablehnung stößt.
Literatur
Konew, Iwan Stepanowitsch: Das Jahr 1945. Aufzeichnungen eines Frontkommandeurs. Berlin: Militärverlag der DDR, 1970.
Uhl, Heidemarie: Gedächtnis und Identität in Europa nach 1989. Wien: Böhlau, 2004.
Applebaum, Anne: Der Eiserne Vorhang. Die Unterdrückung Osteuropas 1944–1956. München: Siedler Verlag, 2013.
Kershaw, Ian: Höllensturz. Europa 1914 bis 1949. München: DVA, 2015.
Braun, Matthias: Der Umgang mit dem Erbe des Kommunismus in Tschechien und der Slowakei. Wiesbaden: Springer VS, 2015.
(Online verfügbar unter: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-09926-5)
Schölgen, Gregor: Der Krieg. 1939–1945. Ein globaler Konflikt. München: C.H. Beck, 2020.
Hoffmann, Joachim: Die Ostfront 1941–1945. Krieg im Osten. München: Herbig, 1991.
Snyder, Timothy: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. München: C.H. Beck, 2011.
Heinemann, Winfried: Die DDR und die sowjetische Besatzung. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2003.
Pechatnov, Vladimir: The Soviet Union and the Origins of the Cold War, 1939–1953. Washington D.C.: Woodrow Wilson Center Press, 1998.