Tja – was soll man sagen zu dieser Ausstellung „Hitler und die Deutschen – Volksgemeinschaft und Verbrechen“? Diese Schau in das schlimmste Kapitel deutscher Geschichte, die seit dem 15. November 2010 im Berliner Deutschen Historischen Museum zu sehen ist erfuhr aufgrund der großen Besucherresonanz eine Verlängerung über den 6. Februar hinaus bis zum 27. Februar 2011. Ob die Qualität dieser von manchem als Tabubruch gekennzeichneten Ausstellung, diesen Besucherandrang die gewährte „Nachspielzeit“ rechtfertigen, das zu beurteilen, liegt im kritischen Auge jedes einzelnen Betrachters der über 600 Exponate. Ich war nun drin….
Die zentrale Frage sollte sein: Wie wurde Hitler und sein System möglich? Die Kuratoren haben es zwar geschafft ziemlich umfassend jeden Bereich der hitlerdeutschen-faschistischen Gesellschaft zu beleuchten aber dennoch blieb für mich vieles im Dunkeln. Man widmete sich dem Führermythos und der NSDAP, der Machtübertragung an Hitler, der deutschen Gesellschaft unter Hitler, dem „Führerstaat“ sowie dem Krieg und der Rolle von Kirche und Wirtschaft u.a. Im Kern war da wirklich nichts Neues zu erfahren. Was vor allem auf den Texttafeln zu lesen war, das konnte man bei dem normal schulgebildeten Besucher voraussetzen. Nun soll hier keine Pauschalschelte betrieben werden, so schlecht war es auch nicht. Ganz im Ernst: Berührend war z.B. ein Brief von Carl von Ossietzky aus der Haft. Erhellend war eine Bekanntmachung an die Bürger Dachaus, nicht müßig in der Nähe des KZ´s herumzustehen, sonst würden die Wachen schießen. Erheiternd war ein Merkblatt zum Reichsparteitag „Der Nationalsozialist trinkt nicht“. „Kultig“ waren Glückwünsche zu Führer-Geburtstagen aus allen Schichten und Altersgruppen. Erschütternd waren Kinderzeichnungen und Gedichte aus dem KZ Theresienstadt.
Zu sehen ist wahrlich viel, auch zu lesen. Um einige Details und Aspekte war ich danach auch klüger. Aber die Hauptkritik bleibt: Vieles blieb trotz der dargebotenen Materialfülle an der Oberfläche. Da hatten in Form, Gestaltung und Ausdrucksstärke viele weibliche Besucher der Exposition weit mehr zu bieten. Sorry, aber mein ungetrübt-kritisches Auge sieht es so. „Mein-Kampf“-Ausgaben in verschiedenen Sprachen, Skulpturen von Hitler neben Bismarck und dem Alten Fritz, Spielzeug, ein Wandteppich der Nazi-Frauenschaft, handgeschriebene Notizen Hitlers und Zeichnungen sowie Erinnerungen an Olympia 1936, Feldmarschallstäbe, Uniformen und Orden u.s.w. auszustellen, das hat nichts von einem Tabubruch. Da hatten andere Ausstellungen zu jenem Abschnitt deutscher Geschichte schon mehr Sprengkraft. Erinnert sei nur an „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“ in den 1990-er Jahren. Wenn „Hitler und die Deutschen“ ein Verdienst zugesprochen werden kann, dann ist es der Appell und die Mahnung alles zu tun, dass sich solch schreckliche Geschichte nicht mehr wiederholen kann. Die zuständige Bundesministerin Kristina Schröder (CDU) scheint das nicht verstanden zu haben und hinkt in behindernder Weise diesem dringenden Gebot hinterher, wenn sie nun die Vergabe von Geldern an im Kampf gegen den Rechtsextremismus tätige Initiativen erst von einer Unterschrift unter eine „Demokratieerklärung“ abhängig macht. Äh – was ist im Leben dieser Frau alles schief gelaufen? Wessen Geistes Kind ist die derzeit werdende Mutter eigentlich? Als ginge es nicht um die Verteidigung der Demokratie, wenn man sich gegen neofaschistische Tendenzen und Aktivitäten engagiert. Zumindest für bedingte Nachhilfe könnte ein Besuch des Deutschen Historischen Museums sorgen.
Nun, wie ein Hitler, der bis zu seinem 30. Lebensjahr nichts vorzuweisen hatte, dann auf einmal zu solch verbrecherisch-staatstragender Größe aufsteigen und sich solange an der Macht halten konnte – also die im Prolog dieser Ausstellung gestellte Frage – die Antwort wusste ich nach über zwei Stunden immer noch nicht. Bin ich nun zu blöd? Was nun? Geld zurück?
Autor: René Lindenau