BilderLast, so heißt eine Ausstellung, die im Nürnberger Dokumentationszentrum gezeigt wird. Im Bayerischen Rundfunk (BR) lief vor einiger Zeit bereits ein Film, der auch in der Ausstellung zu sehen ist. Wer einen Einblick bekommen will, wie der Nationalsozialismus in der Provinz „funktionierte“, sollte diese Ausstellung unbedingt besuchen. Die Ausstellung ist für Menschen, die in der Gegend aufwuchsen sicherlich besonders spannend. Doch die Ausstellung ist nicht nur wegen ihrer regionalen Färbung interessant. Sowohl die Bedeutung Frankens für den Nationalsozialismus, als auch die provinzielle Ursachen und Wirkungen des Antisemitismus werden gezeigt. Dadurch wird die Ausstellung allgemein sehenswert.
Im (empfehlenswerten) Begleitbuch zur Ausstellung wird von der „Brückenfunktion“ Frankens gesprochen. Vor allem in der Phase des NSDAP-Verbots bzw. der Aufhebung des Verbots, „ermöglichten die intakt gebliebenen Strukturen der rechtsextremen Organisationen in Franken das rasche Wachstum der NSDAP“. Während z. B. die Verbindung Bayreuth, Richard Wagner, Antisemitismus noch relativ klar, schweigt man sich doch oft aus, wie es denn auf dem Land so aussah.
In Franken konnte die NSDAP somit immer wieder auf „behördliche Nachsicht“ und Zustimmung in der Bevölkerung bauen. Unter anderem bei der Auswahl Nürnbergs als „Stadt der Reichsparteitage“: „Nach dem 1928 ausgefallenen Parteitag arbeitete Hitler akribisch auf den vierten Reichsparteitag von 1929 hin, der zum wichtigen Propagandaerfolg wurde… Die “gute Polizeileitung” (so ein SA-Befehl) erwies sich, wie erwartet, auf dem rechten Auge vollkommen blind, trotz zweier Toter und zahlreicher Verletzter. Kaum NS-Leute, wohl aber viele Sozialisten und Kommunisten wurden verhaftet.“ Wem die Tatsache, dass die Polizei auf dem rechten Auge völlig blind war (ist) nicht überrascht, der/die wird bei folgenden „Facts“ doch ein wenig erstaunt sein: Wer weiß schon von der großen Bedeutung des „Zuges nach Koburg“ im Oktober 1922? Für Hitler und die damals noch neue NSDAP stellte dieser Tag einen „entscheidenden Durchbruch“ dar, den er sogar in seinem Machwerk „Mein Kampf“ lobend erwähnt. Coburg war übrigens die erste Stadt in Deutschland, die einen NSDAP-Bürgermeister hatte. Im Jahre 1931 (!!!) wehte bereits die Hakenkreuzfahne über der Stadt. Wer weiß schon davon, dass Bamberg die Stadt des BDM war? Von 1936 – 1938 fand der „Reichstag des BDM“ in Bamberg (mit Naziprominenz) statt. Oder wer weiß darüber Bescheid, dass die Studenten an der Universität Erlangen bereits 1929 zu 70 % Anhänger des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes waren? „Die Universität Erlangen war die erste deutsche Hochschule, an der sich der Nationalsozialismus durchzusetzen vermochte.“
Besonders sei auch noch einmal auf die “Frankentage” (von 1933 – 1939) am Hesselberg im westlichen Mittelfranken verwiesen. Bis zu 100.000 Menschen nahmen an diesen – neben den Parteitagen in Nürnberg größten – Veranstaltungen des Regimes in der Region teil. Bei diesen Massenveranstaltungen ließ sich der “Frankenführer” Julius Streicher feiern. Die Mischung aus einem protestantischen Nationalbewußtsein und einem stärker ausgeprägten Antisemitismus machte diese Region zur “wohl extremsten Hochburg im damaligen Deutschen Reich.”
Franken galt als „Hochburg des Antisemitismus im damaligen Deutschen Reich“. Die Wahlergebnisse der NSDAP „sackten“ selbst in den „ungünstigen“ Phasen „in Nürnberg nie unter 10%, in der Nachbarstadt Fürth nicht unter 18 %“ der Stimmen ab. Bereits in den 20er Jahren herrschte in einigen „völkischen“ Hochburgen wie Bayreuth, Hof und Coburg die Gewalt. Angriffe auf jüdische Personen und Einrichtungen gehörten schon fast zum Alltag. Ein Beispiel aus Hof: „1929 warf der Ortsgruppenleiter eine Handgranate in die Synagoge.“ Ein weiteres Beispiel für den mörderischen Antisemitismus ist die Geschichte der Stadt Gunzenhausen. Etwa ein Jahr (25. März 1934) nach der Machtübernahme durch die Nazis kam es zu einem Pogrom, in dessen Verlauf zwei jüdische Bürger ermordet wurden.
In der Ausstellung werden viele Fotos gezeigt, die aus jeder Ecke Frankens erschreckende Bilder zeigen. So z. B. während der Pogromnacht von 1938. Es sind Bilder der zerstörten Synagogen von Bamberg, Hof oder Nürnberg (jeweils inklusive gaffender Bevölkerung und Polizei) zu sehen. Andere Fotos zeigen die alltägliche antisemitische Hetze in Dörfern und Gemeinden in Form von Plakaten, Transparenten oder ähnlichen Propagandamitteln. Besonders interessant ist der Aspekt, der im Begleitbuch unter dem Titel „Mentale Machtergreifung“ betitelt ist. In diesem Text geht es um den Nährboden im fränkischen Land für die völkisch-rassistische Ideologie der Nazis. In vielen Gemeinden herrschte bereits vor dem 30.01.1933 ein Klima, das durchaus als “völkisch-rassistisch“ bezeichnet werden kann. So wählten im Bezirksamt Rothenburg ob der Tauber am 10. April 1932 87,5 % der Wähler die Hitler-Partei! Zeitgenössische Beobachter sprachen v. a. in den evangelischen Teilen Frankens von einem „Hitlerrausch“.
Darüber hinaus wird auf die zentrale Rolle des „Frankenführers“ und Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes – „Der Stürmer“ – Julius Streicher verwiesen. Weitere Punkte in der Ausstellung sind die Beziehungen der Kirchen zum Regime (die evangelischen Teile Frankens zeigten sich eher anfällig für die Ideen der Nazis als die katholischen) und die Euthanasieprogramme, die auch in Franken „umgesetzt“ wurden. Z. B. in Ansbach: „Mehr als 2000 Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Ansbach fielen dem ..Euthanasie..-Programm des NS-Staates zum Opfer.
Im Begleitbuch sind noch ein sehr lesenswertes Kapitel über das Kriegsende in Franken sowie den Rechtsextremismus nach 1945 in Franken publiziert. Beispiele sind die Wehrsportgruppe Hoffmann, die Demonstrationen der Nazis in Wunsiedel oder jetzt aktuell der NPD-Parteitag in Bamberg bzw. die Demonstrationen in Gräfenberg. Besonders blieb mir die Geschichte der Gemeinde Adelsdorf im Gedächtnis. Im Jahre 1997 kam es zu einer Diskussion, ob die Wilhelm-Koch-Straße in dem Ort umbenannt werden sollte. Koch war an Deportationen von Jüdinnen und Juden beteiligt. Die jüdischen Landgemeinden veranstalteten eine Gedenkveranstaltung, nachdem der Gemeinderat beschlossen hatte, die Namensregelung beizubehalten. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Veranstaltung wurden bespuckt, bedroht und antisemitisch beschimpft.
4767 Jüdinnen und Juden aus Franken wurden in die Lager Richtung Osten deportiert.
Fazit: Die Ausstellung sowie das Begleitbuch (wie übrigens auch der Film) sind sowohl für Menschen interessant, die in Franken leben bzw. lebten, als auch für Interessierte, die am Umfang antisemitischer Raserei vor und während des Nationalsozialismus forschen. Alles in allem benötigt man etwa 1 – 1,5 Stunden für die Ausstellung.
Autor: Jochen Böhmer
Quellen
Alle Zitate aus dem Begleitbuch zur Ausstellung „BilderLast. Franken im Nationalsozialismus“ bzw. aus:
Antijudaismus und Antisemitismus in Franken. Franconia Judaica 3. Hrsg. vom Bezirk Mittelfranken, A. Kluxen, J. Hecht