Die Deutsche Polizei im Nationalsozialismus – Eine Entwicklungsgeschichte
1. Infiltration und Machtübernahme
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, ahnte niemand, dass nur kurze Zeit später die gesamte Deutsche Polizei zu einem Terrorinstrument der Nationalsozialisten und zu einer Institution des Führers werden sollte. Es war zu diesem Zeitpunkt keineswegs offensichtlich, dass es Ambitionen in diese Richtung geben würde, denn schließlich konnte Hitler bei seinem Regierungsantritt nur auf zwei Minister aus der NSDAP in seinem neuen Kabinett zurückgreifen.
Während Wilhelm Frick zum Reichsinnenminister ernannt wurde, schuf man für Herrmann Göring das Amt eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich. In dieser Funktion wurde Göring zum kommissarischen preußischen Innenminister ernannt. In dieser Position war er oberster Dienstherr der gesamten preußischen Polizei. Sofort nach seinem Amtsantritt ließ Göring alle Polizisten auf ihre politische Gesinnung hin überprüfen, um danach unbequeme bzw. regimefeindliche Amtsinhaber zu versetzen oder in den Ruhestand zu schicken.
Mit dem sogenannten Schießerlass vom 17. Februar 1933 ordnete Göring an, dass Polizei, SS und SA in gutem Einvernehmen zusammenarbeiten sollten.(1) Der Schießbefehl garantierte Polizisten, die gegen deklarierte Staatsfeinde von der Schusswaffe Gebrauch machten, Straffreiheit. Als Ergänzung wird mit einem Erlass vom 22. Februar 1933 angeordnet, dass Angehörige der SS, SA oder des Stahlhelms als Hilfspolizisten eingesetzt werden durften, wodurch eine erste lockere Verknüpfung von Parteiorganen der NSDAP und der Polizei inszeniert wurde.
Die rechtlichen Voraussetzungen für Willkürakte der Polizei wurden durch die Notverordnung vom 04. Februar 1933 zum Schutz des deutschen Volkes und durch die Notverordnung vom 28. Februar 1933, die als Konsequenz auf den Reichstagsbrand vom Vortag erlassen wurde, geschaffen. Mit der Notverordnung zum Schutz von Staat und Volk, auch Reichstagsbrandverordnung genannt, setzte Reichspräsident Paul von Hindenburg wesentliche Artikel der Weimarer Verfassung außer Kraft. Dazu gehörten die Aufhebung oder Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte wie des Rechtes auf freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit, Einschränkungen des Versammlungsrechtes, erweitere Zugriffsrechte bei Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Festnahmen, Einschränkungen des Brief- und Fernsprechgeheimnisses sowie viele ähnliche Rechte, die in der Weimarer Verfassung etabliert worden waren. Diese Notverordnung deklarierte im Prinzip den Ausnahmezustand, der bis 1945 nicht mehr aufgehoben wurde.
Das Entscheidende dieser Notverordnungen vom 04.02.1933 und mehr noch vom 28.02.1933 war die Einführung und Legitimierung der sogenannten Schutzhaft. Die Form der Schutzhaft existierte zwar schon zur Zeit der Weimarer Republik, allerdings konnte sie seit Erlass der Notverordnungen als vorbeugende Maßnahme zur Bekämpfung staatsfeindlicher Elemente eingesetzt werden. Dadurch wurden willkürlichen Maßnahmen durch die Polizei im Dritten Reich Tür und Tor geöffnet.(2) Die zu Hilfspolizisten ernannten SA- und SS-Angehörigen begnügten sich darüber hinaus bald nicht mehr mit dieser Rolle und verselbstständigten ihre Aktionen gegen Feinde der Republik. In wilden Konzentrationslagern, d. h. provisorische Haftlager, brachte die SA die Festgenommenen unter; bis April 1933 wurden 25.000 sogenannte Regimegegner identifiziert und in Schutzhaft genommen.
2. Die Separation der Politischen Polizei und die Gründung der Gestapo
In der Weimarer Republik war die Politische Polizei für Preußen als Abteilung IA im Berliner Polizeipräsidium untergebracht. In den übrigen Ländern des Deutschen Reiches war sie in der Regel in die Landeskriminalämter integriert. Die Herauslösung der Politischen Polizei aus diesen Institutionen nahm seinen Anfang in Preußen und Bayern. In Preußen übertrug Herrmann Göring die Leitung der Abteilung IA bereits Mitte Februar 1933 auf den Regierungsrat Dr. Rudolf Diels. Diels hatte sich sofort auf die Erfassung von Sozialdemokraten und Kommunisten zu konzentrieren, um deren Isolierung und Festnahme vorzubereiten.
Die Herauslösung der Politischen Polizei aus dem Polizeiapparat wird erstmals deutlich durch den mit Verfügung des kommissarischen preußischen Innenministers vom 8. März 1933 bekannt gegebenen Umzug der neu gegründeten „Abteilung zur Bekämpfung des Bolschewismus“ innerhalb der politischen Partei in das zuvor beschlagnahmte Karl-Liebknecht-Haus, das dann in Horst-Wessel-Haus umbenannt wurde. Im April 1933 zog dann die gesamte Abteilung IA aus dem Berliner Polizeipräsidium aus, um in der Prinz Albrecht Straße 8 Quartier zu beziehen.(3)
Die formelle Gründung der Geheimen Staatspolizei erfolgte mit dem ersten Gestapo-Gesetz am 26. April 1933 und der darin verfügten Errichtung eines Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa). Das Gestapa hatte nunmehr die Stellung einer Landespolizeibehörde und war direkt dem preußischen Minister des Innern unterstellt. In einem Runderlass und in den Ausführungsverordnungen vom selben Tag wurden die Stellung und Aufgaben der Gestapa genauer geregelt. So wurden in allen Regierungsbezirken außer in Berlin wo das Gestapa seine Aufgaben selbst ausführte, Staatspolizeistellen errichtet, die vor Ort die Aufgaben des Gestapa wahrzunehmen hatten. Am 30. November 1933 wurde die Politische Polizei durch das zweite Gestapa-Gesetz direkt dem Ministerpräsidenten Preußens unterstellt. Die Gestapo übernahm nun die bisher vom Innenministerium ausgeführte Aufsichtspflicht selbst. Darüber hinaus regelte die Durchführungsverordnung vom 14. März 1934 die Stellung des Gestapa genauer. Mit dieser Verordnung wurden die Stapostellen in den Regierungsbezirken dem Gestapa in Berlin unterstellt und somit aus ihrem Zusammenhang mit den Bezirksstellen und der übrigen Polizei endgültig herausgelöst. Die Gestapo in Preußen war seitdem eine unabhängige Polizeibehörde, die einen eigenen Zweig der inneren Verwaltung bildete und nur noch dem Ministerpräsidenten unterstellt war.(4)
In Bayern kam es zu einem ähnlichen Verlauf wie in Preußen. Reichsinnenminister Frick ernannte am 09. März 1933 Generalleutnant a. D. Franz Ritter von Epp zum Reichskommissar in Bayern, um die Regierung von Heinrich Held auszuschalten. Von Epp ernannte sofort den bayerischen NSDAP-Gauleiter Adolf Wagner zum kommissarischen Leiter des bayerischen Innenministeriums und Heinrich Himmler zum kommissarischen Polizeipräsidenten von München. Reinhard Heydrich übernahm kommissarisch die Abteilung VI des Polizeipräsidiums, die Politische Polizei Bayerns.
Am 15. März 1933 erhielt Himmler die Stelle eines politischen Referenten im Staatsministerium des Innern. Mit diesen kurz aufeinanderfolgenden Schritten hatte Himmler die Kontrolle über die Politische Polizei Bayerns übernommen. Im gleichen Monat wurde Himmler außerdem zum Kommandeur der bayerischen Politischen Hilfspolizei ernannt; dadurch war Himmler in Verbindung mit seinem Amt Reichsführer SS in der Lage, SS-Angehörige als Hilfspolizisten einzusetzen. Am 1. April wurde er zum Politischen Polizeikommandeur Bayerns ernannt. Kurz darauf wurde ihm schließlich die formelle Zuständigkeit für alle Schutzhaftangelegenheiten übertragen. Von nun an hatte Himmler in Bayern die Politische Polizei, die Politische Hilfspolizei und die Konzentrationslager unter seiner Kontrolle. Die Politische Polizei war aus den anderen Polizeiapparaten herausgelöst worden und so aufgestellt, dass sie wirtschaftlich von den anderen Behörden unabhängig war. Das Amt des Polizeipräsidenten gab Himmler an August Schneidhuber ab.(5)
Himmler ließ in den ersten Monaten des Jahres 1933 mehrere Tausend Personen in Schutzhaft nehmen. Dabei kam es ihm darauf an, politische Gegner systematisch zu lokalisieren und außer Gefecht zu setzen. Anfangs konzentrierten sich seine Maßnahmen nur auf Kommunisten und Sozialdemokraten, spätestens ab Juni 1933 wurden aber auch Land- und Reichstagsabgeordnete, die nicht der NSDAP angehörten, in Haft genommen. Dazu gehörten vor allem Funktionäre der konservativen BVP (Bayerische Volkspartei), die auf diesem Weg zersetzt werden sollte.
Bis Juni 1934 konnte Himmler die Politischen Polizeien in den übrigen deutschen Ländern Anhalt, Baden, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Hessen, Lübeck, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Sachsen, Schaumburg-Lippe, Thüringen, Preußen und Württemberg übernehmen und neu strukturieren.
Der wichtigste Schritt war hierbei die Ernennung Himmlers zum stellvertretenden Chef und Inspekteur der Preußischen Geheimen Staatspolizei am 20. April 1934. Zwei Tage darauf wurde Heydrich Chef des Preußischen Geheimen Staatspolizeiamtes. Offiziell war Himmler zwar nur Görings Stellvertreter, faktisch kam die Macht über die Preußische Geheime Staatspolizei jedoch Heinrich Himmler zu. Er hatte es mit Geschick und Taktik verstanden, den Machtkampf um die polizeilichen Vollzugsorgane für sich zu entscheiden. Himmler hatte die SS geschickt eingesetzt, um sich die Machthaber in den Ländern und die Funktionäre in den wichtigsten Institutionen der Länder gewogen zu machen. Das gelang ihm unter anderem auch, weil er begehrte SS-Dienstgrade und SS-Posten unter seinen Gönnern verteilte. Der Reichsinnenminister, die SA und Göring scheiterten letztendlich im Machtkampf um die politische Polizei, weil sie Himmler maßlos unterschätzten. Mit der Übernahme der Politischen Polizei in Preußen ebnete sich Himmler den Weg hin zu einer zentral geführten gesamtdeutschen Politischen Polizei unter seiner Führung.
3. Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei
Bis zum 17. Juni 1936 wurden die Politischen Polizeien der einzelnen Länder durch Landesrecht geregelt. Mit dem Erlass vom 17. Juni 1936 verband der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler das Amt des Reichsführers SS (RFSS) mit dem neu geschaffenen Amt des Chefs der Deutschen Polizei. Damit wurden die SS und die Deutsche Polizei institutionell verbunden und Heinrich Himmler zum Chef dieser Organisation ernannt. Himmlers Parteiamt als Reichsführer SS wurde dadurch mit dem staatlichen Amt eines Chefs der Deutschen Polizei institutionell verbunden. Es wurden mit diesem Schritt zwei wesentliche neue Voraussetzungen geschaffen. Zum einen wurde der gesamte deutsche Polizeiapparat zentralisiert, es fand also eine Verreichlichung statt. Eine Tatsache, die zunächst auch den Ambitionen des Reichsinnenministeriums entgegenkam. Anderseits wurde die Polizei mit der zur NSDAP gehörenden SS verbunden, wodurch eine Entstaatlichung der Polizei realisiert wurde, weil die Polizei zu einem Instrument einer politischen Partei und vor allem zu einem Instrument der Willkürherrschaft des Führers geworden war.(6)
Im Erlass vom 17. Juni 1936 wurde der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler zwar dem Reichs- und Preußischen Minister des Innern persönlich und unmittelbar unterstellt, denn er erhielt das Amt eines Staatssekretärs im Reichsinnenministerium, de Facto konnte Himmler allerdings weitgehend unabhängig agieren. Als Reichsführer SS war er ohnehin dem Führer der Partei Adolf Hitler direkt unterstellt. Anweisungen erhielt Heinrich Himmler demnach von Adolf Hitler direkt, ohne dass der Dienstweg über das Innenministerium einzuhalten war.
Kurz nach seiner Ernennung nahm Himmler eine Neuorganisation seiner Behörde vor. Kurt Daluege wurde zum Chef der Ordnungspolizei ernannt, die sich aus Schutzpolizei, Gemeindepolizei und Gendarmerie zusammensetzte und für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verantwortlich war. Reinhard Heydrich wurde von Himmler zum Leiter der Sicherheitspolizei ernannt, die aus der Kriminalpolizei und der Politischen Polizei gebildet wurde und für die Verbrechensbekämpfung zuständig war. Aus beiden Bereichen wurden die Hauptämter Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei gebildet.
4. Das Reichssicherheitshauptamt und das Hauptamt der Ordnungspolizei
Am 27. September 1939 wurde eine weitere Veränderung in der Struktur der Deutschen Polizei vorgenommen. Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde gegründet. Dazu wurden die Sicherheitspolizei, bestehend aus Politischer Polizei und Kriminalpolizei, mit dem Sicherheitsdienst RFSS (SD) zusammengelegt. Unter SD hat man sich den parteieigenen Nachrichtendienst der NSDAP im Verfügungsbereich der SS vorzustellen. Das RSHA wurde zunächst in sechs Ämter aufgeteilt, später kam ein siebtes Amt hinzu. Geleitet wurde das RSHA vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD (CSSD). Diese Position hatte von 1939 bis zu seinem Tod 1942 Reinhard Heydrich inne. Heydrich wurde nach seinem Tod in Form einer Interimslösung von Heinrich Himmler abgelöst, der diese Position für eine gewisse Zeit selbst wahrnehmen wollte, bis am 30. Januar 1943 Ernst Kaltenbrunner zum CSSD ernannt wurde. Diese Strukturveränderungen beruhten in erster Linie auf den sich ändernden territorialen Gegebenheiten, die sich im Verlauf des Krieges in den von Deutschland besetzten Gebieten ergaben. Einsatzgruppen des SD hatten die Aufgabe, Gegner des Regimes in den eroberten Gebieten aufzuspüren und unschädlich zu machen. Die Folge dieses Vorgehens war die Errichtung einer beachtlichen Anzahl von Konzentrationslagern in den besetzten Gebieten.
Neben dem RSHA stand das Hauptamt der Ordnungspolizei, das ebenfalls in weitere Ämter aufgeteilt worden war. Geleitet wurde das Amt vom Chef der Ordnungspolizei. Seit Gründung dieses Amtes bis zum 31.08.1943 nahm Kurt Daluege diese Position ein. Er trat aus gesundheitlichen Gründen zurück und wurde von Alfred Wünneberg ersetzt, der das Amt bis Kriegsende leitete. Über den Leitern des RSHA und HA Orpo stand der RFSS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler. Als Krönung seiner Karriere wurde Himmler im Jahr 1943 zum Reichsinnenminister ernannt. Damit brachte er die gesamte Deutsche Polizei und den SD nun auch formell unter seine Kontrolle.
5. Höhere SS- und Polizeiführer, Einsatzgruppen und Bataillone der Ordnungspolizei
Die Errichtung der Institution der Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF)(7) im Jahr 1937 lässt einen Sinn erst richtig erkennen, wenn man diese Einrichtung nach Kriegsbeginn in den besetzten Gebieten betrachtet. Insbesondere dort fungierten die HSSPF als Vertreter des RFSS Himmler, von dem sie direkt, unter Umgehung der Bürokratie des RSHA, ihre Befehle erhielten. Je nach Notwendigkeit waren sie zwar den örtlichen Befehlshabern der Wehrmacht unterstellt, doch blieb diese Regelung eher ein Zugeständnis an die Militärmachthaber, von dem nur selten Gebrauch gemacht wurde. Im Großen und Ganzen waren die HSSPF autonom. Sie konnten auf alle Polizei- und SS-Kräfte zurückgreifen, wenn es darum ging, die Befehle des RFSS auszuführen.
Als Himmler im Oktober 1939 von Adolf Hitler zum „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“, ernannt worden war, übernahmen die HSSPF die Leitung der Säuberungsaktionen in den eroberten Gebieten. Einsatzgruppen der SIPO und des SD, die eigens als Sondereinheiten zur Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente in die eroberten Gebiete entsandt worden waren, waren ebenfalls formell der Wehrmacht unterstellt. Sie unterstützten das Militär auch tatsächlich in einzelnen Fällen, wurden allerdings in der Regel durch den RFSS mit Aufgaben betraut, die darauf abzielten, reichsfeindliche Elemente ausfindig zu machen und zu eliminieren. Auch bewaffnete Einheiten der Ordnungspolizei, wie bspw. das Reserve-Polizeibataillon 101(8) wurden in den besetzten Gebieten eingesetzt, um gegen Partisanen vorzugehen und das Gebiet hinter der Front zu sichern. Auch diese Einheiten wurden seit 1939 zu Mordaktionen gegen die besagten Gruppierungen eingesetzt. Der Kampf der deutschen Polizeieinheiten richtete sich offiziell gegen Partisanen. Tatsächlich machten die Partisanenkämpfe aber nur einen geringen Teil der Aktionen deutscher Polizeieinheiten in den besetzten Gebieten aus. Das Hauptaugenmerk des RFSS und seiner Vollstrecker war auf die Säuberung der neu eroberten Gebiete von Juden, Zigeunern, Geisteskranken und alle die der Idee eines biologisch reinen deutschen Volkes entgegenstanden, gerichtet.
6. Fazit
Die Deutsche Polizei war seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten eines der meist begehrten und umkämpften Objekte der unterschiedlichsten Funktionäre des Nationalsozialismus. Letztendlich war es Heinrich Himmler als enger und zuverlässiger Begleiter des Führers gelungen, den Kampf um den Machtapparat Polizei für sich zu entscheiden. Mit der Verknüpfung von Polizei und SS hat Himmler außerdem die gesamte Polizei zu einem Instrument der Führergewalt gemacht.
Die Bildung von Einsatzgruppen aus allen Teilbereichen der Polizei und des SD diente der Vernichtung der Gegner des NS-Regimes und jener, die als Gegner kategorisiert wurden. Darunter fielen Juden, Zigeuner, Homosexuelle, politisch Andersdenkende und alle Gegner in den neu besetzten Gebieten. Eine der eklatantesten Verletzungen des Völkerrechts war in diesem Zusammenhang die Ausführung des sogenannten Kommissarbefehls vom 06. Juni 1941. Dieser Befehl beinhaltete die standrechtliche Erschießung aller Politkommissare der sowjetischen Armee ohne Gerichtsverhandlung. Anfangs richtete sich diese Anweisung zwar an die Wehrmacht, jedoch erhielten auch SD und SS am 17.07.1941 den Einsatzbefehl Nr. 8 von Reinhard Heydrich, aus allen Gefangenen- und Durchgangslagern solche „Elemente“ zu selektieren, die als untragbar anzusehen waren. Darunter fielen russische Volkskommissare, Parteifunktionäre der Sowjetunion, Kommunisten, Juden und unheilbar Kranke. Auch bewaffnete Einheiten der Ordnungspolizei waren an Säuberungen in den besetzten Gebieten beteiligt. Diese lang ignorierte Tatsache der NS-Zeit wurde in der Forschung lange vernachlässigt und wird erst seit den 1990er-Jahren genauer untersucht.
Autor: Michael Bollman
Literatur
Hans Buchheim, „Die SS – Das Herrschaftsinstrument“, DTV München, 2. Auflage 1979
Peter Longerich, „Heinrich Himmler-Biographie“ Pantheon Verlag Berlin 2010
Ulrich Herbert, „Best – Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903-1989
Wolfgang Schulte (Hrsg.). „Die Polizei im NS-Staat“, Verlag für Polizeiwissenschaft Frankfurt 2009
Reinhard Rürup, „Topographie des Terrors“, Verlag Willmuth Arenhövel Berlin, 7. erweiterte Auflage 1989
Hans Buchheim, „N S und Polizei im NS-Staat“, Selbstverlag der Studiengesellschaft für Zeitprobleme, Duisdorf bei Bonn, 1964, Seite 114-147
Christopher R. Browning, „Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizei-Bataillon 101 und die Endlösung in Polen“, Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek, 5. Auflage 2009
Anmerkungen
1) Johannes Tuchel, Reinhold Schattenfroh, „Prinz Albrecht Str. 8: Zentrale des Terrors“, Siedler Verlag Berlin, 1987, Seite 64
2) Martin Broszat, „Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933-1945“, DTV Verlag München, 2. Auflage 1979, Seite 14
3) vgl. Martin Broszat, Seite 36
4) ebd., Seite 37
5) Peter Longerich, „Heinrich Himmler – Biographie“, Pantheon Verlag München 2010, Seite 159-161
6) Hans Buchheim, „Die SS-Das Herrschaftsinstrument“ im „Anatomie des SS-Staates“, DTV Verlag München, 2. Auflage 1979, Seite 49
7) Hans Buchheim, „SS und Polizei im NS-Staat“, Selbstverlag der Studiengesellschaft f. Zeitprobleme, Duisdorf bei Bonn, 1964, Seite 114-147
8) Christopher R. Browning, „Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizei-Bataillon 101 und die Endlösung in Polen“, Rowohlt Taschenbuch Verlag Reinbek, 5. Auflage 2009