“Mein Führer“ mag keine wahre Geschichte erzählen und offenbart doch „Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“
An Dani Levy (*1957) und seinem Film „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ war in seinem Erscheinungsjahr 2007 kein Vorbeikommen und das vor allem, weil Deutschland über eine Frage stritt: Darf man über Adolf Hitler (1889 – 1945) lachen? Viele Kritiker zerrissen den Film auf der bloßen Grundlage, dass ihre Antwort auf die Frage „Nein“ war. Die mehr als berechtigte Gegenfrage lautete: Mit welcher Begründung? Warum sollte man in einer Welt, wo über alles und jeden Witze gerissen werden – und ja, so eine Zeit gab es mal – ausgerechnet dem größten Verbrecher aller Zeiten Schonung einräumen? Hätte Hitler doch nichts mehr getroffen, als öffentlich der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Und um das gleich vorwegzunehmen: Das schafft der Film mit Bravour. Ohne die NS-Zeit selbst zu banalisieren oder gar ihre Opfer zum Gespött zu machen, gelingt es Levy die Absurdität des Dritten Reiches abzubilden, ohne dass er dafür mehr tun müsste, als die Nazis so zu zeigen, wie sie waren. Dieter Graumann (*1950) griff den Film an, denn Hitler „sei kein putziger Räuber Hotzenplotz“. Stimmt, aber so stellt der Film ihn auch nicht dar. Nein, „Mein Fürher“ entlarvt Hitler und im Grunde seine ganze Verbrecherbande als jämmerliche Witzfiguren, erinnert einen aber oft genug an ihre hasserfüllte, menschenverachtende Natur. Deshalb sollte dieser Film auch vielmehr die Fragen aufwerfen: Wie konnte es sein, dass diese Gestalten erfolgreich derartigen Schaden anrichten konnten? Und: Wie könnte man eigentlich nicht über Hitler lachen?
In den Hauptrollen zu sehen sind Ulrich Mühe (1953 – 2007) als Professor Adolf Grünbaum, Helge Schneider (*1955) als Adolf Hitler und Sylvester Groth (*1958) als Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (1897 – 1945). Es war Mühes letzter Film, bevor er am 22. Juli 2007 an einem Magenkarzinom verstarb. Helge Schneider sagte nach der Veröffentlichung des Films, die Aussage des fertigen Films entspräche nicht mehr dem, was er gedreht habe, womit er sich auf den nach Testvorführungen abgeänderten Fokus, der von Hitler auf Grünbaum verlagert worden war, bezog. Schneider sagte einerseits, Hitler sei ihm nun „zu profan“, und er könne darüber „nicht lachen“. Andererseits aber auch, der Film sei „kein schlechter Film. Bloß ein anderer.“
Aber worum geht es in der allen Beteuerungen zum Trotze zwar historisch inspirierten, aber letztendlich frei erfundenen Komödie denn nun? Die Handlung des Films spielt in den letzten Tagen des Jahres 1944. Hitler wird von Goebbels in der Reichskanzlei abgeschottet und ist nicht im Bilde darüber, wie schlecht es um den geplanten „Endsieg“ bestellt ist, bombardieren die Russen doch Berlin und stehen die Alliierten am Rhein. Dennoch scheint der „Führer“ an Kraft und Energie verloren zu haben, weshalb Goebbels beschließt, den einstigen Schauspiellehrer Hitlers nach Berlin holen zu lassen, um das alte Feuer in Hitler neu zu entfachen. Allerdings ist dieser Schauspiellehrer, Professor Adolf Grünbaum, Jude und befindet sich im KZ Sachsenhausen. Goebbels lässt ihn und wenig später auch dessen Familie nach Berlin bringen, wo Grünbaum nun mit Hitler arbeitet und ihn so auf eine Rede zu Neujahr vorbereiten soll, während Goebbels und Albert Speer (1905 – 1981; gespielt von Stefan Kurt, *1959) den Triumphzug durch ein längst zerbombtes Berlin planen. Goebbels spricht gegenüber Grünbaum von „inszenierter Realität, Herr Professor, unser beider Metier“. Doch ganz heimlich hegt Goebbels ein Komplott, bei dem er Hitler bei der Rede mit einem Bombenattentat, das er Grünbaum zuschreiben lassen will, umbringen will, da er keine Hoffnung mehr sieht, Hitler könne das Reich noch zum Endsieg führen. Er selbst müsse diese Aufgabe übernehmen.
Der Humor des Films arbeitet vor allem auf zwei Ebenen: Zum einen sind da die Dialoge, die die Nazis durch ihre überspielte Unmenschlichkeit entlarven, wenn etwa Goebbels Grünbaum fragt, wo man ihn denn aufgescheucht hätte und dann auf die Antwort „Sachsenhausen“ hin erwidert, er habe gehofft, man hätte Grünbaum in ihrem „wunderschönen Theresienstadt untergebracht“, das sei ihr „schönstes Lager“. Und dann sind es die Feinheiten und kleinen Details, die Levy einstreut: Hitler, der in der Badewanne mit einem Modell der Bismarck spielt, oder Grünbaum, der am Schinken auf dem Schinken-Käse-Brot verzweifelt, ihn unter den Teppich schiebt, wo Blondi sich prompt darüber hermacht. Apropos Blondi: Der arme Hund hat eine eigene SS-Uniform. Aber kaum etwas treibt Levy so auf die Spitze wie die Gags über NS-Dienstgrade und den Hitler-Gruß. Nicht nur, dass der Hitler-Gruß gleich zu Beginn so inflationär gebraucht wird, dass es selbst Goebbels ein genervtes „Lassen Sie das“ abringt, nein, selbst Blondi hebt brav die Pfote und als Heinrich Himmler (1900 – 1945; Ulrich Noethen, *1959) mit gebrochenem Arm von der Front eintrifft, befindet sich sein gegipster Arm nicht etwa in einer Schlinge, sondern wird mittels einer Stütze konstant zum Hitler-Gruß erhoben.
Der größte Trumpf des Films ist aber am Ende sein Held Adolf Grünbaum, der all der Boshaftigkeit der Nazis mit einer unbedarften Güte und moralischen Überlegenheit entgegentritt, die ihresgleichen sucht. Als seine Frau Elsa (Adriana Altaras, *1960) Hitler, der sich bekümmert zu Grünbaums ins Bett flüchtet, mit einem Kissen ersticken will, hält er ihr entgegen, wenn sie das tue, sei sie nicht besser als Hitler, sie töte einen wehrlosen Menschen. Das hindert Grünbaum aber keineswegs daran, die Nazis mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Als Hitler nämlich kurz vor der geplanten Rede die Stimme verliert, soll Grünbaum unter dem Podest versteckt für ihn reden. Natürlich ist dies eine klare Anspielung auf „Der Große Diktator“. Doch während Charlie Chaplins (1889 – 1977) jüdischer Friseur eine Rede über Frieden und Freiheit hält, entschließt Grünbaum sich, all das auszusprechen, was das Volk seiner Ansicht nach über seinen „Führer“ wissen sollte: die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler. Man könnte kritisieren, diese Szene sei dann doch etwas zu sehr mitten ins Gesicht. Zumindest für uns als Zuschauer ist es so, als bekämen wir all das noch einmal gesagt, was uns der Film schon gezeigt hätte: Hitler der Bettnässer, der ganze Völker für die Demütigungen durch den eigenen Vater büßen lässt. Die Szene ist erzählerisch und inhaltlich konsequent, hätte aber vielleicht rhetorisch etwas subtiler ausfallen können.
Doch am Ende bleibt ein Film, der die Nazis mit boshaftem Spott, den sie allemal verdient haben, vorführt. Er ist dabei gewiss nicht immer subtil, aber öfter als man auf den ersten Blick meinen möchte.