Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann der Zugriff auf die Filmwirtschaft: Zahlreiche Filme wurden verboten, NS-Gegner und vor allem Juden wurden in großer Zahl zur Aufgabe ihres Berufes gezwungen. Oft blieb nur die Flucht ins Exil. Rund 2000 Filmschaffende, Regisseure, Drehbuchautoren, Schauspieler, aber auch Kameramänner, Techniker und Cutter flohen aus Deutschland. Zunächst ging ein Großteil der Exilanten ins europäische Ausland, mit Kriegsbeginn wurden die USA wichtigster Zufluchtsort. Trotz Schwierigkeiten gelang es vielen Exilanten im Asylland eine neue künstlerische Existenz aufzubauen. Nach Ende des Krieges kehrte nur ein Teil von ihnen nach Deutschland zurück.
Nationalsozialistische Filmpolitik unter Goebbels
Oberster Filmherr im NS-Staat war der „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“, Joseph Goebbels. „Wir denken gar nicht daran, auch nur im entferntesten zu dulden, dass jene Ideen, die in Deutschland mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, irgendwie getarnt oder offen im Film wieder ihren Einzug halten,“ drohte er bereits im März 1933 den Filmleuten.
Um das Massenmedium Film nationalsozialistisch „gleichzuschalten“ setzte er nicht nur auf eine strenge Filmzensur, sondern vor allem auf eine personelle Neuausrichtung der Filmproduktion. Künftig sollte nur als Regisseur, Schauspieler, Kameramann oder Produzent tätig sein, wer im Sinne des neuen Regimes arbeitete. Dazu wurde schon im Sommer 1933 die Filmkammer (später „Reichsfilmkammer“) gegründet. Wer in diese nicht aufgenommen oder wieder ausgeschlossen wurde, hatte Berufsverbot.
Vor allem gegen jüdische Filmschaffende richtete sich diese Institution. Dem Antrag auf Aufnahme in die Filmkammer musste ein Abstammungsnachweis beigefügt werden. Juden konnten so nur noch mit Ausnahmegenehmigung im Filmbereich tätig sein. Der extreme Judenhasser Goebbels erteilte diese aber nur, wenn die Mitwirkung bei Filmproduktionen unverzichtbar war. Die Namen der Juden wurden dann aber meist aus dem Filmvorspann, dem Programm und den Plakaten des Filmes entfernt.
Große Filmkonzerne wie die Ufa entließen in einem Akt vorauseilenden Gehorsams vielfach ihre jüdischen Mitarbeiter noch im März 1933. Zahlreiche, auch prominente Filmschaffende verloren von einem Tag zum anderen ihre Arbeit. Teilweise wurden sie, wie etwa der populäre Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron sogar während laufender Dreharbeiten zum Verlassen der Studios gezwungen.
Phasen der Emigration
Während einige der jüdischen oder halbjüdischen Filmschaffenden, wie Reinhold Schünzel, durch Sondergenehmigung noch einige Zeit in Deutschland weiterarbeiten konnten, flohen die meisten bereits 1933 oder kehrten von Auslandsaufenthalten nicht mehr zurück.
Unter den Emigranten fanden sich viele aus der damaligen Filmelite: Regisseure wie Fritz Lang, Joe May, Ernst Lubitsch, Max Ophüls. Schauspieler wie Marlene Dietrich, Curt Bois, Peter Lorre, Conrad Veidt, Walter Slezak. Produzenten wie Joe Pasternak und Erich Pommer.
Der Schaden für den internationalen Ruf des deutschen Films war so groß, dass Goebbels versuchte, einige der hervorragenden Filmkünstler zum Bleiben oder zur Rückkehr zu bewegen, indem er mit Ausnahmegenehmigungen oder Karrierechancen lockte. So wurde dem Regisseur Fritz Lang, der mit „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ anerkannte Filmkunstwerke geschaffen hatte, eine führende Position im nationalsozialistischen Filmwesen versprochen – obwohl er Halbjude war. Fritz Lang flüchtete dennoch bereits 1933 aus Deutschland. Ebensowenig konnte Goebbels Marlene Dietrich, die aus politischen Gründen aus den USA nicht zurückkehrte, für den deutschen Film wiedergewinnen.
Exilanten, die nach Nazideutschland zurückkehrten, blieben so die große Ausnahme. Zu diesen gehörte der Regisseur G.W. Pabst, der in der Weimarer Zeit sozialkritische Filme realisierte und zunächst nach Frankreich, später in die USA flüchtete. 1940 kam er wieder nach Deutschland und drehte Filme, die auf NS-Linie waren. Unter den Schauspielern war Rudolf Forster einer der wenigen, die nach einem Exil in den USA wieder nach Nazideutschland zurückkamen und ihre Arbeit fortsetzen konnten.
Zunächst emigrierten die meisten Filmleute ins europäische Ausland, vorzugsweise in Länder mit einer starken Filmindustrie wie Frankreich, England, Österreich und Ungarn. Selbst Italien, dessen faschistisches Regime zunächst weniger antisemitisch ausgerichtet war, bot einigen Filmemigranten in den 30er Jahren Zuflucht. Nur sehr wenige fanden Aufnahme in der Sowjetunion, da die dortige Filmindustrie aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung für die Mehrzahl der Filmemacher nicht attraktiv war. Erwin Piscator gehört zu den wenigen Prominenten unter ihnen. In die USA, dem Land mit der größten Filmindustrie der Welt, dagegen wanderten zunächst vor allem diejenigen aus, die bereits Verträge mit amerikanischen Filmkonzernen hatten oder früher schon in Hollywood gearbeitet hatten. Ganz vereinzelt gab es auch Emigrationen nach Asien. Am bekanntesten ist der Drehbuchautor Willy Haas, der nach Indien ging.
Ende der 30er Jahre, vor allem mit Kriegsausbruch 1939, verschlechterten sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Emigranten dramatisch. In Österreich gab es aufgrund des massiven Drucks des NS-Regimes für jüdische Künstler bereits seit 1936 kaum noch Arbeitsmöglichkeiten. Mit der Besetzung weiter Teile Europas durch die Wehrmacht gerieten viele Exilanten erneut in Gefahr. Vor allem die nach Frankreich und in die Niederlande exilierten Filmleute waren nun erneut bedroht. Der 1933 emigrierte Regisseur Kurt Gerron beispielsweise, der in den Niederlanden mehrere Filme gedreht hatte, wurde verhaftet und in das KZ Theresienstadt deportiert. 1944 wurde er in Auschwitz ermordet.
Diejenigen, die fliehen konnten, versuchten jetzt vor allem in den USA, in geringerem Umfang in England Aufnahme zu finden.
Allerdings waren die Exilanten keineswegs immer willkommen. Die einheimischen Filmschaffenden sahen in ihnen oft eine unwillkommene Konkurrenz. Die Bevölkerung und Politiker misstrauten den „Deutschen“ häufig. Gerade in den USA herrschte mit Kriegsausbruch eine irrationale Angst vor der Einschleusung von Nazispionen. Strenge Quotenregelungen für Immigranten aus Europa beschränkten die Einreise. Von den Immigranten wurden normalerweise, neben Angaben zu den persönlichen, insbesondere finanziellen Verhältnissen, sogenannte „Affidavits“ verlangt. Dabei handelte es sich um Bürgschaftserklärungen von in Amerika lebenden und etablierten Personen. Sie bescheinigten den Immigranten ihre moralische Integrität, ihre Nützlichkeit für die amerikanische Gesellschaft und ihre finanzielle Absicherung. Für Filmleute mit Verträgen oder guten Kontakten und Arbeitsaussichten war die Einwanderung in die USA deshalb relativ leicht möglich. Viele Flüchtlinge seit Kriegsbeginn standen aber ohne konkrete berufliche und wirtschaftliche Perspektive vor einer verzweifelten Situation.
Verhältnismäßig liberal wurden die Einreisebedingungen für politisch Verfolgte in England gehandhabt. Seit 1905 gab es im britischen Einwanderungsrecht bereits eine Form des Asylrechtes. Allerdings verlangten bis 1938 auch die britischen Behörden in der Regel einen Unterhaltsnachweis von den deutschen Immigranten.
Filmexil und Exilfilm
Die Exilanten aus der Filmwirtschaft wollten natürlich auch im Gastland Filme produzieren. Doch stieß dies auf vielfältige Schwierigkeiten: Anders als im literarischen Bereich, wo rasch eine eigenständige Exilliteratur entstand, war man beim kostenaufwändigen und hochkomplexen Unternehmen Film von den Produktionsstrukturen der jeweiligen nationalen Filmwirtschaft abhängig. Ein deutschsprachiger Exilfilm hatte so von vornherein keine Chance. Dafür fehlte nicht zuletzt das Publikum, das eine rentable Produktion ermöglicht hätte.
So blieb nur, sich in die nationale Filmproduktion der Exilländer zu integrieren. Das hieß auch: sich dem nationalen Publikumsgeschmack, nationalen Sehgewohnheiten und thematischen Vorgaben der Filmkonzerne anzupassen. Am leichtesten gelang das technischen Mitarbeitern wie Cuttern und auch Kameramännern, da der Ausbildungsstand der deutschen Fachleute international gefragt war. Am schwierigsten wurde dies für Schauspieler, die gewohnt waren, in ihrer Muttersprache zu arbeiten. Da Filme damals nicht synchronisiert wurden, konnte schon der geringste deutsche Akzent eine Rollenbesetzung in einem amerikanischen Film verhindern. Deutsche Schauspieler waren vor allem in US-Filmen so meist auf Rollen des Fremdländischen und Ausländischen festgelegt. Prominentestes Beispiel ist dafür der Charakterschauspieler Peter Lorre, der in Amerika durch seine Rolle des chinesischen Meisterdetektivs „Mr. Moto“ bekannt wurde.
Erst mit Amerikas Eintritt in den Krieg verbesserte sich die Rolle der deutschen Schauspieler etwas. In Propaganda- und Antinazifilmen, die jetzt produziert wurden, gaben deutsche Schauspieler mit ihrem deutschen Akzent vielen Figuren erst die gewünschte Authentizität. Dabei mussten deutsche Schauspieler vielfach die Rolle von SS-Schergen und Nazis übernehmen. Martin Kosleck etwa spielte den Propagandaminister Goebbels in „Confessions of a Nazi Spy“ (1939).
Filmexil und Antinazifilme
Viele Exilanten wollten mit dem Film einen Beitrag gegen das Naziregime leisten. Im Vordergrund stand dabei der Wunsch, die Bevölkerung im jeweiligen Gastland über die Wirklichkeit in Deutschland und über die Gefährlichkeit des NS-Regimes für die Welt aufzuklären.
Bis zum Krieg ließ sich dies aber kaum umsetzen. Das lag zunächst daran, dass auch außerhalb Deutschlands das Filmpublikum eher mit leichter Unterhaltung als mit politischen Filmen ins Kino zu locken war. Überdies hatten die meisten Filmkonzerne in den USA kein Interesse an Antinazifilmen, solange sie nach Deutschland Filme verkauften, die mit großem kommerziellen Erfolg in den Kinos liefen. Vor allem die großen Studios „Paramount“, „MGM“ und „20th Century Fox“ unterhielten intensive ökonomische Beziehungen zum NS-Regime. Lediglich die „Warner Bros.“ hatte von den großen Konzernen ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Dritten Reich frühzeitig abgebrochen. Teilweise wurden antifaschistische Filmprojekte wie im Fall des Films „It Can´t Happen Here“ von den Produktionsfirmen nach Boykottdrohungen aus Europa wieder gestoppt.
So beschränkte sich die Auseinandersetzung mit dem Faschismus eher auf indirekte Anspielungen, indem etwa der Antisemitismus durch die Herausstellung überragender jüdischer Persönlichkeiten wie Paul Ehrlich dargestellt wurde.
Dagegen gab es nur sehr wenige Filme, die den Nationalsozialismus offen thematisierten. Zu den seltenen Beispielen gehörten „The President Vanishes“ (1935), in dem die Gefahr eines faschistischen Staatsstreiches in den USA gezeigt wurde und „Blockade“ (1938), der den Spanischen Bürgerkrieg thematisierte. Großen kommerziellen Erfolg hatten diese Streifen jedoch nicht.
Erst der Kriegseintritt der USA änderte die Voraussetzungen für antifaschistische Filme drastisch: Nazideutschland war jetzt der Feind, der auch mit dem Mittel der Filmpropaganda bekämpft werden sollte. Da das Dritte Reich keine US-Filme mehr kaufte, gab es von Seiten der Studios auch keine kommerziellen Bedenken mehr gegen Antinazifilme. Man schätzt, dass etwa ein knappes Drittel der während des Krieges produzierten US-Filme Krieg und Nationalsozialismus zum Thema hatten. Die meisten der Streifen waren aber kommerziell ausgerichtete Spannungs- und Actionfilme, darunter viele Fliegerfilme, die keine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Faschismus betrieben.
An einigen der anspruchsvollsten Antinazifilmen waren aber deutsche Filmexilanten führend beteiligt: In der von Ernst Lubitsch inszenierten Komödie „To Be or not to Be“ (1942) gelingt es einer polnischen Schauspieltruppe, die sich als Nazis kostümiert, die Gestapo zu überlisten. Fritz Lang thematisiert in „Hangmen Also Die“ das Attentat auf Heydrich in der Tschechei, um die Brutalität des NS-Regimes zu zeigen.
Nach 1945: Problematik der Rückkehr
Mit Ende des Dritten Reiches stand den Filmschaffenden grundsätzlich die Rückkehr aus dem Exil offen. Nicht alle nutzten diese Möglichkeit. Tatsächlich hatten sich etliche der Exilanten insbesondere in Hollywood als Regisseure, Schauspieler und Produzenten etabliert. Ihnen standen alle Chancen der großen Filmkonzerne offen, während das zerstörte Deutschland wenig Perspektiven bot. Wichtige Filmkünstler wie Billy Wilder, Joe May, Peter Lorre und Curt Siodmak kehrten nicht mehr auf Dauer nach Deutschland zurück.
Aber auch die Künstler, die sich zur Rückkehr entschlossen, hatten mit unerwarteten Schwierigkeiten zu kämpfen. Durch die liberale Zulassungspraxis der Besatzungsmächte konnten die meisten vom NS-System geförderten Filmregisseure und Schauspieler ihre Karriere im Nachkriegsdeutschland fortsetzen. Die Exilanten waren in ihren Augen vielfach nichts weiter als unwillkommene Konkurrenz.
Vor allem aber traf der Anspruch vieler Rückkehrer, auch die Zeitgeschichte filmisch aufzuarbeiten, in der Nachkriegszeit auf ein Publikum, das vor allem an Ablenkung durch leichte Unterhaltung interessiert war. Heimatfilme und Komödien standen höher im Kurs als Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen. Peter Lorres Film „Der Verlorene“ wurde ebenso wie Fritz Kortners „Der Ruf“ zu einem Misserfolg beim Publikum wie auch in der Kritik. Andere wie der Regisseur Curt Goetz konnten zwar im Nachkriegsdeutschland eine neue Karriere machen, produzierten aber vor allem Komödien und Unterhaltungsfilme nach dem Zeitgeschmack.
Dem deutschen Film gelang es so auch nach 1945 nie mehr an den internationalen künstlerischen Standard anzuschließen, für den er vor dem Exodus der Filmelite berühmt war.
Autor: Dr. Bernd Kleinhans
Literatur
Asper, Helmut G.: „Etwas Besseres als den Tod“. Filmexil in Hollywood. Porträts, Filme, Dokumente, Marburg 2002
Birdwell, Michael E.: Das andere Hollywood der dreißiger Jahre. Die Kampagne der Warner Bros. gegen die Nazis, Hamburg und Wien 1999
Hilchenbach, Maria: Kino im Exil. Die Emigration deutscher Filmkünstler 1933 -1945, München, New York, London, Paris 1982
Prucha, Martin (Hg.): Unerwünschtes Kino. Der deutschsprachige Emigrantenfilm 1934-1937, Wien 2000
Spieker, Markus: Hollywood unterm Hakenkreuz. Der amerikanische Spielfilm im Dritten Reich, Trier 1999
Taylor, John Russell: Fremde im Paradies. Emigranten in Hollywood 1933-1950, Berlin 1984
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