Bis zum Angriff der Kaiserlichen Armee Japans auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 standen die Briten in ihrem Kampf gegen das nationalsozialistische Deutsche Reich ziemlich alleine auf scheinbar verlorenem Posten. Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Polen waren den Nazis unterlegen und nun größtenteils besetzt. Der besetze Teil Frankreichs unterstand mit dem Vichy-Regime zwar offiziell Philippe Pétain (1856 – 1951), war aber letztlich nur ein Vasallenstaat der Nazis. Österreich und die Tschechoslowakei waren vor Kriegsbeginn annektiert worden. Italien war seit der Machtergreifung Benito Mussolinis (1883 – 1945) faschistisch und somit ein Verbündeter der Nazis. Auch andere Länder wurden von Faschisten regiert: Ioannis Metaxas (1871 – 1941) in Griechenland, Francisco Franco (1892 – 1975) in Spanien und António de Oliveira Salazar (1889 – 1970) in Portugal. Die Sowjetunion war für die Briten als sozialistische Diktatur ein bald noch schlimmeres Feindbild als Nazi-Deutschland.
Zwar war das Vereinigte Königreich durch seine Lage auf einer Insel schwerlich einzunehmen, doch wirkliche Chancen auf einen konventionellen militärischen Sieg gab es keine. So hatte Lieutenant Colonel Archibald David Stirling (1915 – 1990) 1941 die Idee, die feindlichen Linien mit einer kleinen und unabhängig operierenden Spezialeinheit zu unterwandern und quasi in einer Guerillataktik zu zersetzen. Da man diese Idee nur in der Praxis wirklich austesten konnte, brachte Stirling Lieutenant-General Claude John Eyre Auchinleck (1884 – 1981) dazu, ihm eine entsprechende Spezialeinheit zu unterstellen: „The Regiment“ oder ganz offiziell L Detachment, Special Air Service Brigade (kurz: SAS). Sowohl das „Air“ als auch das „Brigade“ im Namen waren bloße Täuschung. Weder operierte der SAS in der Luft, noch hatte er die Truppenstärke einer Brigade, doch die Nazis sollten dies glauben.
Die Gründung des SAS
Der SAS bestand zu Beginn aus 66 Mann, deren Hauptaufgabe zunächst war, hinter der Frontlinie der deutschen Afrikakorps Sabotageakte durchzuführen und so den Nachschub für die Truppen von Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891 – 1944) abzuschneiden. Die erste Mission des SAS war allerdings eine ziemliche Pleite. Die Soldaten sollten als Fallschirmjäger Aufklärungsarbeit hinter feindlichen Linien leisten, doch kam überhaupt nur ein Drittel von ihnen am vereinbarten Sammelpunkt an. 40 der 62 Männer wurden getötet oder gefangen genommen. Stirling ließ sich von dem herben Fehlschlag jedoch nicht beirren, stellte eine neue Truppe auf und rüstete diese stattdessen mit Geländewagen und Kleinlastern aus, die mit Maschinengewehren bestückt wurden. Die Fahrzeuge waren schnell und wendig, ideal, um hinter feindlichen Linien auch im Gelände schnell und unbemerkt zu operieren.
Bald lehrten sie die deutsch-italienischen Kampfverbände das Fürchten, zerstörten große Mengen kriegswichtigen Materials hinter den feindlichen Linien und zudem noch 250 Flugzeuge. Der SAS wurde zur Geißel für Rommels Truppen: Von Kabrit, Ägypten, wo die SAS-Männer auch ausgebildet wurden, aus operierte der SAS mit Unterstützung der Long Range Desert Group (LRDG), indem seine Soldaten bei Angriffen auf Konvois gezielt nur die Fahrzeuge mit Maschinengewehrbewaffnung angriffen und danach wieder umgehend in der Wüste verschwanden. Mit dieser „Hit and Run“-Taktik zersetzen sie die feindlichen Truppen mehr mit vielen kleinen Nadelstichen als mit größeren Schlägen.
Aber das heißt nicht, dass sie nicht auch den ein oder anderen vernichtenden Schlag ausgeführt hätten: Zahlreiche Treibstoffdepots und Flugplätze fielen dem SAS zum Opfer und bald drangen die Nachrichten von der britischen Spezialeinheit auch bis nach Berlin vor. Adolf Hitler (1889 – 1945) erließ daraufhin den Befehl, dass jedes gefasste Mitglied des SAS auf der Stelle zu erschießen sei. Aber erst einmal mussten sie sie fassen.
Der Special Air Service schreibt Kriegsgeschichte
Im Oktober 1942 wurde der bisherige SAS dann tatsächlich in den Status eines eigenen Regiments erhoben und hieß nun 1st SAS. Ein zweites SAS-Regiment, das 2nd SAS, wurde von David Stirlings Bruder Colonel Bill Stirling (1911 -1983) ins Leben gerufen. Der übernahm nach der Gefangennahme Davids im Januar 1943 auch das Kommando des 1st SAS, der nun auch immer öfter zur Aufklärungsarbeit in Vorbereitung von Angriffen eingesetzt wurde. David Stirlings Glück im Unglück war, dass er von italienischen und nicht von deutschen Truppen gefangen genommen worden war, denn die hatten nicht den Befehl, SAS-Mitglieder bei Gefangennahme zu töten. So verbrachte Stirling die letzten beiden Jahre des Krieges zunächst in einem Kriegsgefangenenlager, später in Schloss Coldiz in Sachsen. Warum die Nazis ihn nicht getötet haben, darüber kann man lediglich spekulieren, aber vermutlich verfuhren selbst sie bei Offizieren anders als bei einfachen Soldaten.
Der SAS war sowohl an der Invasion Norddeutschlands als auch bei der Italiens maßgeblich involviert. Es entstanden zudem drei weitere Regimenter mit nicht-britischen Soldaten. Diese Fremdenregimenter waren: das 3rd SAS (französische Soldaten), das 4th SAS (ebenfalls französische Soldaten) und das 5th SAS (belgische Soldaten). Daneben existierte noch das Allied SAS Battalion aus italienischen Partisanen und geflohenen sowjetischen Kriegsgefangenen. Nach Rommel lernte nun der deutschen Oberbefehlshaber der Front in Italien, Generalfeldmarschall Albert Kesselring (1885 – 1960), wie lästig der SAS war.
Am 1. April 1944 fasste man alle SAS-Regimenter zum Special Air Service Regiment zusammen und gliederte dieses in das Army Air Corps ein. Um die Landung der Alliierten in der Normandie 1944 zu unterstützen, verübten SAS, OSS (Office of Strategic Services), ein US-amerikanischer Militärnachrichtendienst, und der Maquis, also die Partisanen der Résistance, Anschlägen auf hinter der Frontlinie gelegene Nachschubeinrichtungen der Nazis.
Der SAS bestand nach dem Krieg fort und verfolgte und verhaftete zunächst NS-Verbrecher wie ehemalige SS- und Gestapo-Mitglieder. Die Fremdenregimenter wurden allerdings aufgelöst. Heute gilt der SAS als eine der besten Spezialeinheiten der Welt.
Literatur und Links
„Spezialeinheiten“; Garant Verlag GmbH, Renningen 2011; ISBN 978-3-86766-935-1
https://www.spiegel.de/geschichte/legendaere-spezialeinheit-a-947391.html
Ken Connor: „Ghost Force. The Secret History of the SAS“, Weidenfeld & Nicolson, London 1998; ISBN 0-297-84080-0
Barry Davies: „The Complete Encyclopedia of the SAS. 2nd edition“, Virgin, London 2001; ISBN 0-7535-0534-7